Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 31, 1912, Zweiter Theil, Image 9

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    »Ist-zip
Nebraska
Staats- Anzetger und J set-old
CHin Lied.
Von Hering-in Sendelbach
Das war in einer großen, fremden
Stadt
Jch ging die lasngen Straßen langsam
ort,
Die Menschen eilten lalt an mir dor
bei,
Wie Totenauzen fahn die Fenster
starr aus mich.
Und ich war miide ----- ach so müd, so
müd.
Da horch! s Ein Ton, ein leiser,
fanfter Klang. —
Jch bleibe stehn und lausche still em
por . . . . -
Aus offnem Fenster tlingt ein weiches,
siißed Lied,
Das singt ein weicher, siißer Mäd
rnund . .
Nun still. — Die Stimme fchweigi. —- I
EinleichterSchrit»-— »
Und iiber Blumen, die am Fenster
bliihn »
Bog sich ein lgchelnd Mädchenange
Zwei blaue Augen ruhten still auf
mir
Zur Erde sanken meine Blicke tief
verwirrt,
Und durch die langen Straßen ging
ich langsam fort,
Ein heißes GOliicksgefiihl in tiefer
- u
Und meine Seele sang·und summte
imnierfdri ,
Still in fich selber eine weiche, fiiße
Melodie.
per Hchae
Stizze von Louis Not-band
»Ach, da hist Du endlich! . . . Aber
jeht sollst Du mal sehen, wag Dein
Pathe Dir siir eine schöne Belohnung
stir Deine Faulheit auszahlen wird.
Willst Du wohl gleich antworten?·
Wo bist Du umhergestrolchtl Schau
mal an, Du hast also teine einzige
Aehre aus all den Feldern geiundenl
Und Du glaubst wiellich, daß man
Dich siir Deinen Müßiggang noch
lange ernähren wird! Alle Jun
gen suchen jehi noch die Felder ab
und während der Zeit haft Du Dich.
wohl irgendwie im Schatten ausge- s
strertt und geschlummert .Du Lum- l
penjungel Da haft Du einst Aber
so antworte doch irgend etwas.
Da, noch eins und noch eins, um Die l
endlich die Sprache wiederzugeben.« s
Alexis beschühte ungeschickt seine
Wangen. Er stand in stoischer Ruhe
da und dachte nicht einmal daran, der
Megäre, die sich an ihm auötohtr.j
sortzulaufetn So verharrte er schmerz
ersiillt und voller Würde.
Der Pathe schob den Vorhang aus
Sackleinwand beiseite und trat in die
Küche. Er war ein Mann mit einem
ganz schwarz erscheinenden Gesicht, !
wil es über und über mit turzen wie
Dornen ausstehenden Barthaaren be
deckt war. Er sprach, ohne das Kind
auch nur anzusehen:
«Beim Himmel, man ist wirllich zu I
gut! Jch bin nicht fein Vater und Du
bift nicht feine Mutter. Wenn die
Armenverwaltung uns auch die vier
Saus bewilligt, fo reicht das nicht
einmal fiir feine Nahrung aus. Will
er esse-, fo muß er eben arbeiten!
Heute-Abend wirft Du mit leerem
Mast-i auf Deiner Spreu fchlafen,
hörst Du, mein Kleiner . . . Die
Abendpre ift nicht fiir Müßigganger
da!«
Der tsleine, abgezehrte, blaffe Alexiö
stellte tich mit feinen ftaubigen Lum
pen ftolz vor den Mann mit dem Jgel
tapf, der ihn mit feinen harten Au
gen drohend anfah. Sanft und ohne
jeden Zorn murmelte der Kleine mit
einem fo unendlich traurigen Aus
druck, wie er nur verwundeten Tieren
eigen tft:
»Das macht mir nichts mehr!«
«Wat!i’« «
Die gleiche Beftiirzung hatte fich des
Mannes uie der Frau bemächtigt. Da
benuhie Alexis das Stillschweigen«
um mit ernfter Stimme zu sagen:
»Ich habe nicht mehr lange zu leben.
Jch bade mich heute permis-u
«Wat fafelft Du dat«
»Es ift die Wahrheit. Jch ichivöre
es Euch! Ich fuchte Aehren auf den
Feldern und traf dort den Sohn des
Schloßherrm derrn RaouL »Komm
dach mit in den Part,« fagte er zu
mir, »wir werden uns amiifieken.
»Ich sehe mit in den Part. aber ich
will mich gar nicht amiifieren. weit
das Leben mir nicht mehr gefällt.« Er
lachte mich aus und faate: »Wenn Du
sterben willst, fo brauchft Du nur die
ses Goldstück zu verschlucken es ist gar
nicht schwen« Und er zeigte mir ein
Fünszigsranlstück das sein Onkel ihm
gerade« zum Geburtstag geschenkt
hatte. »Ich gebe Jhnen mein Wort,
daß ich es hinunterschluclen werde«,
sage ich ihm. .«Unsinn«, antwortet er
mir. »Wird es Jhnen nachher nicht
leid tun?« »Wenn ich meinem Onkel
sage, daß ich es verloren habe, so
wird er mir ein anderes schenken.«
»Dann geben Sie!« »Da hast Du es.«
Es war sehr groß! . . . Aber ich habe
es iroydem hinunterschlucken können.
Da hat er mich angesehen und hat ge
sagt: »Wenn das Gold in Deinem
Körper geschmolzen sein wird, wirft
Du tein Brod mehr essen wollen!«
Der Mann und die Frau sahen sich
stumm und fragend an. Die Geschichte·
war so toll, daß der Kleine sie nicht
hatte ersinden können. Und außerdem
log er selten und ungeschickt.
Alex-is drückte seht durch eine tra
gische Miene die Ueberzeugung und
Verzückung seines bevorstehenden To
des aus. — »Sieh mir gerade ins Ge
sicht. Sind das auch keine Liigen?« l
»Weshalb sollte ich lügen-»
»Wie sah das Geldstiick aus?'«
»Wie ein großes Vierzigsonsstüel in s
Gott-. « »
»Was hat daraus gestanden?« l
»Fünszig Franks«
»hast Du ganz genau »siins,zig« ge- ;
lesen?« s
»Ja- iünszig!« »
»Und fein Ontel hatte es ihm zum
Geburtstage gefchenktim —- »Ja!'« !
»Es ift gut. Geh' fchlafen!«
»Ich gehe schon-«
Er richtete feine Schritte nach der»
Tiir. Doch plöhlich rief der Manns
ihn zurück: »Du kannst nach der"
Abendfappe schlafen gehen . . . Komm’ ;
erft Deine Sudpe essen." !
Fügsam, gleichgiiltig feßte AlexisH
sich an den Tisch. Jn tiefem Schwei- z
gen leerten alle Drei ihre Teller.
»Willst Du noch einen Teller, mein
Junge9«
»Aber . . . . .« .
»Du wirst Dich doch nicht bitten;
lassen!« T
Vielleicht zum erstenmal in feinem!
Leben ftillte Alexis seinen Hunger; eri
fand wieder Geschmack am Dasein.
»Was meinft Du zu einein guten
Glase Wein?«
Das Kind heftete einen angfterfiill
ten Blick auf den Mann, der bis zu»
diesem Tage nur sein Denker gewesen
war: »Seid Jhr so gut zu mir, weil
ich bald sterben werde?«'
Der Mann und die Frau ließen
ihrer lärmenden heiterteit freien
Lauf:
»Guter Gott, ist der dumm! . . .
Du wirst gar nicht so bald sterben! . ..
Unkraut vergeht nicht, und wenn Du(
glaubteft, Dich mit Gold vergiften zu.
können, io hast Du Dich arg getäuscht i
Gou- in kein Gift, indem ein leben-s
ftiirkendes Mittel. Zum Beweise er
innere ich Dich an den Branntwein
des herrn Pfarrers-, in welchem kleine
Goldpliittchen umherfchwimmen Nun,
tofte mal dies!«
Alex-is wurde nach dem Genuß des
Rotweines und infolge der Versprech
ungen feines Weiterlebens wieder hei
ter.
Es sreute ihn, das; sein Selbstcnordj
mißlungen war. Die Wesen und die
Dinge rings um ihn her sahen ihn
ohne Feindseligleit an. Sein Pathe
und seine Pathin strömten eitel Wohl
wollen aus
,,.s)ör mal Kleiner! Du wirst heute
Nacht vielleicht aus dem Strohsack stie
ren . . . Wir werden Dir unser Bett
geben . . . Wir alte Leute werden uns
schon behelsen . . . Aber wir wollen
nicht, daß Du trank wirst.«
»Aber ich will nicht, daß Jhr aus
dem Strohsack schlast . . . Jch bin
schon daran gewöhnt!«
Jn dieser Nacht lernte Alex-is die
ihn in Erstaunen sehende Wollust einer
weichen leichtenMatraße und eines
Kopftissenö, in das man wie in eine
Woge von Samt versinkt, kennen. Jn
dieser Nacht träumte Alexia von zärt
lichen. besorgten Eltern.
Er schlief lange in den Tag hinein,
er vergaß die Nahrung des Pserdes,
mit der er betraut, er vergaß das bit
tere Elend, die anstrengenden Arbeiten
im grellen Sonnenscheine oder im tie
sen Schnee, er vergaß das tägliche
Mattveium seiner Jugendtage.
Als er erwachte, stand die Frau ne
ben seinem Bett und erkundigte sich
teilnehmend:
»Wie sühlst Du« Dich?"
»Seht gut, Pathin.«
»Du wirst noch ein wenig liegen
bleiben und dann kannst Du mit mir
mitkommen. Aber Du wirst Dich
f
nicht von mir entfernen, wir rntisfen
auf Deine Gesundheit wohl bedacht!
sein.« i
Alles Entzücken feiner» nächtlichen;
Träume wurde zur Wirklichkeit, der»
Tag ward unvermutet zum schönsten
feines Lebens. Der Kleine lebte in!
einer zuvorlomrnenden Familie und
wurde gehätschelt wie ein kleiner Gott«
Jetzt begriff er die Freude der Kinder, T
welche hand in Hand mit ihrer Mut- »
ter zur Kirchweih ins Dorf gehen und
dort Bondons und Rateten taufen
dürfen. Er lernte auch das Lächeln
der vorübergehenden Leute verstehen,
dieses Lächeln, in dem ein Unbekann
ter sich darüber zu freuen scheint, ein
Kind glücklich zu sehen. Er lernte es
verstehen, daß man dem Leiden rnit
Groll begegnet, daß der Enterbte selbst
vor dem Mitleid tein Recht hat. Doch
das fröhliche Kind, der reiche gesunde
Mann sehen eine demütige Sympathie
utn sich her aufstehen. Es scheint, als
ob alle Wesen, selbst die elendften, an
ihrem Glücke teilnehmen!
Unterwegs traf Alexis den Sohn
des Schloßherrn in Gesellschaft seiner
Erzieherim
WWas Du bist noch nicht tot?«
»Nein doch. Das Gold ist kein
Gift!«
Raoul brach in lautes Lachen aus:
»Glaubtest Du denn wirklich, Gold
zu verschlucken?«
»Aber ..... «
»Du Dummtopfl Es war ein Geld
ftiick aus Choiolade, das in Goldm
pier eingewickelt war. Jch habe noch
viele solche . . . . Siehst Du, hier sind
noch zwei. Aber nimm zuerst das
Papier ab und lasse die Chotolade im
Munde zergehen, das wird besser fein!«
Die Pathin war sehr blaß gewor
den«
Sie schleppte Alex-is nach Haufe,
und als sie allein in der Küche waren,
nahm sie die Peitsche ihres Vögel
chens znt Hand.
, Das Waisenlind wußte nun end
lich, wie Menschen beurteilt werden,
wie man sie fchätzt und verachtet, je
nach dem Golde, das sie in sich haben.
Und er wünschte sehnlich an einem
anderen Gifte zu sterben.
Der lasse ceastsnsvorfteher.
Man schreibt der Bass. Zig. aus
Brüssel: DieDeputierten·der belgifchen
Kammer haben das Recht, allwöchent
lich einmal an die Minister Fragen zu
stellen, die ihnen acht Tage später auf
schriftlichemWege beantwortet werden.
Der Eifer der Deputierten zeigt sich
auf diesem Gebiete schon in normalen
Zeiten. Am stärksten aber wird er,
wenn, wie jetzt, Neuwahlen vor der
Türe stehen. Dann werden die über
sliissigsten Fragen gestellt, und man
lann sich in die Lage eines Minister-J
versetzen« der einmal die Geduld ver
liert, wenn er sich allwöchentlich ein
paar Dutzendmal mit den alltäglichften
Dingen befassen muß. Den Retord
aber hat ein tleritaler Deputierter ge
schlagen, der folgende Anfrage an den
Eisenbahnminister stellte: »Ich habe
die Ehre, die besondere Aufmerksam
leit des Herrn Minister-s auf eine Tat
sache zu lenken, die eine außerordent
liche Lebensgefahr fiir einen seiner An -
gestellten bildet. Der Stationschef von
Lorffs-Chevron ist 1.85 Meter lang
der alte Waggon aber, der dieser klei
nen Station als Stationsgebiiude
dient, hat nur eine höhe von 1·75 Me
ter. Der sehr geehrte here Minister
wird also die Freundlichkeit haben,
schleunigst provisorische Dispositionen
zu tressen, die notwendig sind, um den
alten Waggon mit der Körperlänge
seines gewissenhasten Beamten in Ein
klang zu bringen. Man wird den al
tenWaggon erhöhen müssen, aber einst
weilen auch die Ausführung eines
zweckentsprechenden neuen Bahnhoss
gcböudes in Erwägung ziehen.« Der
Eifenbahnminister hat den Humor der
Sache begrissen und dem Deputierten«
Herrn Chimler, mitgeteilt, daß er den
Austrag gegeben habe, den Stationss
ches nicht zu verkürzen, sondern daß er
ein einsacheres Mittel vorgezogen habe,
nämlich die Decke des Waggons um ei ·
nige Zentimeter in die Höhe rücken zi:
lassen, womit der wichtige Vorfall ii"r
Belgien zur glücklichen Erledigung ge
bracht wurde. .
siseckpsecmw »
»Deine arme Tante hat sich dochj
jetzt bollig iiber den Verlust ihres er
sten Mannes getrostet?«
»Gewiß. .Aber seht ist ihr zwei
ter Mann untröstlich dar-übert«
Sie: ». . . . Ja, eine innere Stimme
sagt mir . . . .
Er: »Was, eine innere Stimme hast
Du auch nochW
Wdos. s
Hex-: Edison hat auf seiner Cato-i
tpareise auch Frankreich berührt.
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Natürlich sah man gleich die Spal
ten der Pariser Zeitungen ange
fiillt mit dem fachmännischen Urteil
des amerikanischen Ersinders. »Herr
Edison muß ein großer Gourmet sein«,
bemerkte eins der Blätter am Schlusse
der nicht in allen Teilen erbaulichen
Kritik, »denn fast die Hälfte der Aus
lgsstmgen beschäftigt sich mit der fran
zösischen Kiiche in geradezu dithyran1
bksch gehaltenen Tönen«
Tier große Ameritaner lennt nun
wohl die französische Küche nur in den
internationalen batest-, den großen, hy- s
pereleganten Restaurantö der Haupt-« .
stadt, von denen hier nicht die Rede «
sein soll, und die schließlich in allen
Gkvßstädten, wenige Landesgebränche
und seinrichtungen abgerechnet,die glei
chen sind. Sein Lob dürfte sich aber
ebenso nngeeinschränlt, ja fast mehr
noch. ans die billigeren und billigsten
Speisehöuser der Hauptstadt anwenden
lassen. denn während die altrenom
rrnierten Nestaurants, in ihrem »Mir
tann-teiner«-Gefiihl alle schlechten
Anqetrohnheiten, wie das Zusammen-—
zwangen der Gäste in möglichst wenig
Raum die verhältnismiißiaeUneleganz
der Besterte und Gläser u. s. ir» us.tv.,
im Gegensatz zu den gleichenVeranstal
Kisten anderer Großstädte beibehalten
wekiien die kleineren nnd kleinsten un
ter den bescheidenen Restanrantrs jeder
Art in ihrer ganzen Ausmachnng eine
weder in Deutschland noch in England
übliche Zierlichteit nnd Eleganz aus,
die mit den dort gezahlten Preisen in
keinem Verhältnis sieben.
Ties ist die einzige Einrichtung, in
der ich hier im Land der ,,Freiheit,
Güichheit und Briiderlichieit« wirklich
etwas von diesen drei vielaepriesenen,
siberall angeschriebenen Eigenschaften
gefunden habe. Wünscht man in Eng
fand fiir einen einigermaßen angemes
fenert Preis zu essen, dann wird man
von einem Kellner vcn ärmlichem Aus
sehen bedient; Tischtächer und Serviet
ten in ihrer zerrissenen Ungestopftheit
machen einen ebenso tliialichenEindruct
wie vie auf grobem Geschirr servierten,
fast ungenießbar zubereiteten Speisen
Um den Widerwillen vor der Herabge
tonrmenheit eines äußerlich recht flott
aussehenden Reftaurants herunterzu
spülen, muß man erst nach dem näch
sten Weiniaden schicken, um etwas Al
koholisches zu erhalten·
Jn Frankreich streben die kleinen
Zpeisehäuser, in denen einzelne Da
men. junge Geschäftsleute, Beamte,
Lehrer-innen u. s. w. —- lurz ein ruhi
ges, anfiiindiges Publikum — verkeh
. ren, nichts von dieser sogenannten
; »Re- :tssese-"c.ii)iin« tm Jllle Häufctftvns
! ten und Fensterscheibeu suchen nicht die
; der eleganten Restaurants nachzuah
; men, sondern haben ihr eigenes, leicht
» hin erkenntliches Genre. Jst das Uns
ternehmen nicht in der Lage, durch den
Umiah so viel Geld zu verdienen, das;
» Tischtücher und Serietten sowie die
« Kellneriracis beschafft werden tönneu,
» so verzichtet man ganz aus diese drei.
; So wie in Berlin hiiusia weißge
scheuerte Hoiztische verwendet werden,
- so hat man in Paris Tische mit weißen
Martnorplatten, die vielleicht hübscher
als die erwähnten Holzplatten wirken.
Gibt es aber Tifchzeug, so ift es stets,
auch in den billigsten unter der genann
» ten Kategorie der anständig besuchten
Lokale schneeweiß aewafchen, wird aber
oft genug gewechselt und stets tadellos
gestopft.
Die iranzösische Kaufmannssrau
thront nicht nur,rvie allgemein bekannt,
von morgens bis abends hinter ihrer
Kasse und hält selbst auch im bestaeheu
den Geschäft die gesamte Buchführung
in den Händen, sie sorat auch siir Ord
nung in ihrem Wäscheschrank und hält
es nicht, wie ihre britische Kollegin,
sür eine Art Schaude, mit Nadel und
Faden in der Hand gesehen zu werden.
»Das, was Frankreich trotz der im
Lande herrschenden unhaltbaren Zus
stände erhält, sagte mir neulich ein gu
ter Kenner des Landes, »das sind seine
Frauen.« Wenn das richtia ist, und
ich glaube, man muss, dem Mann bei
pflichten, wenn man Pariser Verhält
nisse nur einigermaßen übersieht, so
liegt es wohl auch an den Frauen, daß
man in Paris eine Fiille von vorzug
lich gehaltenen, reinlichen und appetit
lichen Speisehäusern besitzt, wie sie
kaum eine andere Großstadt den klei
nen und kleinsten Börsen zu bieten
vermag.
Die bekanntesten unter diesen Spei
sehiiusern sind die Duvals. Ein Unter
nehmen, das den Berliner Aschinaerg
gleicht,verstreuen diese Restaurants sich
über die ganze Stadt. llrspriinglich
ohne Tischtiicher und Servietten einge
richtet, sind sie, durch ihre Beliebtheit
und durch das zahlreiche herbeiströ
.
mende, den besseren Kreisen angehören-—
de Publikum allmählich eleganter ge
worden. Die weibliche Bedienung ha
ben sie beibehalten, auch eine Menge
kleinere Spezialeinrichtungen, in der
Rechnungsführung u. s. w. Aber das
Service ist, obgleich einfach, sehr sau
ber. Kein Weinzwang trübt die Laune
der, Besucher, die, wenn sie billig essen
wollen, mit einer Rechnung von einem
Franl lein Fleischgericht mit Suppe
oder nachfolgendem Käse) auslommem
und die, wenn sie sich die ausgefallen
sten Dinge leisten, es doch nur schwer
bis auf fiinf bis sechs Frant Ausgaben
pro Person bringen. Aehnliche, weni
ger zahlreich auftretende, ,,Bouillon«
genannte Restaurants findet man in
ganz Paris. Sie haben beinahe alle,
die dem Duval nachgeahmte, braune
Straßenfront, und ihre Preise sind
stets-« ungefähr übereinstimmend Aus
dem linken Seineufer, nach dem Quar
tier Latin zu, sind sie billiger, in der
Nähe der großen Bouleoard5. wieder
etwas teurer.
Neben ihnen existieren noch Privat
gefellfchasten, die je zwischen zwei und
zehn Hör-fern, iiber die Stadt ver
streut, besitzen, und in denen ein sehr
einfaches Service, Bedienung durch s
spKellner in weißen Wafchanzügen u. s. s
w. herrscht. Die Preise sind hier ;
gewöhnlich fo, daß jedes Gericht aus- J
nahmslos 40 bis 50 Centimes iostet,
jeder Käse 15 Centimes und der Wein
oder das Bier entsprechend gering be
zahlt werden. In der Nähe der großen
Fremdenzentrem so um das Louvre
herum, und auch weiter hinauf-, im
I Viertel des Trocadero, gibt es unzäh
lige bessere Restaurants a Prix fix-(
Eine praktische, beinahe elegant wir
lende Ordnung begrüßt uns, das Ser
vice ist sauber und für das Auge ange
nehm, die Bedienung gut, die Küche
meist vorzüglich. Die Preise variieren
hier für das Frühstück oder Abendessen
zwischen 1.20 und 1.75 Frank, Wein
einbegriffen.
Alle diese Restaurants sind aber im
; mer noch verhältnismäßig teuer-, und
» man begegnet in ihnen nicht den Men
schen. die ihrer äußeren Stellung we
gen nach dem Grundsatz leben müssen:
»Ja den Magen sieht mir keiner, aber
meine Stiefel und meinen Rock sehen
alle Leute« Für sie gibt es noch eine
andere, weit billigere Ernährungsart,
deren Einführung in anderen großen
Städten vielleicht einWert der Mensch
heitåliebe wäre. Das sind die Crömp
rien. Die Liiden der Londoner
»Ai·kr:ii(-c1 Tit-end (’onsx)a!iy«« ähneln
diesen typischen Pariser Milchstuben,
aber sie sind zu anspruchsvolL um
wirklich denselben Zweck zu erfüllen.
Ueberall in den eleganten und einsa
chen. wie den verlommenen und verlas
senen Vierteln der Stadt, blintt zwi
schen den grauen Häuserreilien von
Zeit zu Zeit ein weißer Fleck auf.
Spiegelblanle Fensteischeiben, weiß .
angestrichenes Holz, die Abzeichen der
Ce-«-n:erie.leuchten von weitem herüber.
Drinnen herrscht im Sommer eine an
genehme Kühle, im Winter bebagliche
Wärme hinter angelaufenen Fenster
scheiben. Die Wände bedecken glän
zende, abwaschbare Kachelmder Stein
fußboden ist stets frisch gescheuert, die
kleinen« runden Marmortischchen leuch
ten von Sauberkeit. Jn Körben dar
auf stehen Hörnchen und Brötchen, in
anspruchsvolleren Cremerien auch
Zwiebacke und Brischem auf dem Kas
sentisch im Hintergrund dampfen über
den niedrigen Stichslämchen eines
Gasosens, warmgebalten in weißen
Porzellanlannen, Milch und Schololas
de. Die großen Tassen dieser Geträn
le, oder eine solche mit Milchlasse, auf
Wunsch auch eine Portion vorzüglichen
Tees mit Sahne, das alles kostet je
nach Lage und Einrichtung der Cremei
rie dreißig bis vierzig Centimez. Das
Gebäck wird zum Ladenpreis dazu ver
kauft, und die Eier, leichten Schwen
speisen usw. losten ebenfalls zwischen
zehn nnd vierzig Centimeg. Jn man
chen Crernerien wird nkittags eine Ta
gesplatte zum Preis von vierzig Cen
times höchstens serviert, die aus-Fleisch
und Gemiise besteht und mit demBröt.
chen und dem Glas lalter oder heißer
Milch, zusammen sür 15 Centimes ein
belönemliches und reichliches Frühstück
oder Mittagessen ausmacht. Auch die
Cresnerien find durchaus standeng
mäß. Bonnen und Erzieherinnen
bringen ihre Schutzbcsohlenen die sie
an den freien Nachmittagen spazieren
führen, zum Gouter dorthin, da die
Miitter auch hier gegen die Erfrischun
gen in Konditoreicn fiir Zähne und
Mögen ihrer Kinder zu fürchten begin
nen. Die still nnd zuriickgezogen le-.
benden unter den Arbeiterinnen der
großen Schneider(iteliers, besuchen
Crernerien um die Mittagszeit, wo sie
dort mit Lehrerinnen, Studenten bei
der Geschlechter, mit jungen Künstlern
nnd Beamten zusammen die Stamm
gäste sind. Nachmittags aber zur
Vesperzeit sieht man diePleureusen der
wohlhabenden Frauen hier auftauchen,
und es entfaltet sich in den blitzend
blanien, kleinen Milchstuben eine echt
pariserische Eleganz, deren Stelle zum
Abend wieder die Mittagsgiiste einneh
men.
Das Loh der Blutspur-in
Seit einer Reihe von Jahren bringt
die wissenschaftliche Forschung dem
Blut als Nahrungsmittel ein berech
tigtes Interesse, entgegen. ,,Blut is«
ein ganz besonderer Saft«——auch im
Sinne der Wissenschaft von der Er
nährung. Jn Form der beliebten
Blutwurst bildet denn auch das Blut
seit langer Zeit ein geschätztes Volks
nahrungsmittei. Freilich weniger we
gen seines hohen Wertes für die Er
haltung der Körperkraft, als wegen
seines billigen Preises.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt,
das Blut der Schlachttiere in anderer
als Wurstform zur Massenerniihrung
gaumengerecht zu machen. Wie Dr.
Beck, Straßburg, kürzlich zeigte, war
es tein Geringerer als der berühmte
Chemiter Justus von Liebig, der den
Vorschlag machte, den Eiweißgehalt
des Brotes durch den Zusatz von ge
trocknetem, von Gerinnungsstoss be
sreitem Blut zu steigern. Die schwe
dische Militärverwaltung hat diese
Methode auch praktisch erprobt, sie
»aber schließlich wieder ausgegeben,
weil die Bekömmlichteit und Schmuck
haftigteit eines solchen Brotes nicht be
stiedigtr. Vor einigen Jahren hat
zdann der Berliner Forscher Prof.
sSallowsti gezeigt, wie sich die großen
tBlutmengern die bei den Massen
ischlachtungen des argentinischen
iVieheH zum größten Teil unverwertet
bleiben, aufbewahren und zu billigen
Voltsnahrungsmitteln verarbeiten las
sen. Er hat damit Stoffwechselunter
suchungen bei Hunden angestellt, wobei
eine ganz vorzügliche Ausnutzung die
ses Präparates festgestellt werden
’tonnte. Der ziemlich allgemein ver
breitete Widerwille gegen Blutpriipa
rate steht aber der weiteren Einfüh
rung derartiger Zubereitungen hinder
lich im Wege, obwohl sie einen großen
Fortschritt in der ökonomischen und
rationellen Massenerniihrung bedeuten
würden.
Von großem praktischen Wert sind
nun die Forschungen, die Dr. Beck
beim Menschen und bei Hunden über
die Ausnutzung des Blutes angestellt
shaL Er hebt hervor, daß die Beliebt
heit der Blutwurst als Volksnah
rungsniittel nicht nur vom Stand
punkte der Billigkeit vollan gerechtfer
tigt sei, sondern auch deshalb, weil die
in dieser Wurst enthaltenen Nährstoffe
auch gut ausnutzbar sind. Von Wich
tigkeit ist dabei allerdings, und das
wird besonders betont, daß nicht allein
die Beschaffenheit des betreffenden
Blutes, sondern namentlich auch die
der weiteren Zutaten, in erster Linie
des Speckes, einwandfrei sein muß.
Auch der Karlsbader Arzt Dr. Lo
rand ioeift darauf hin, das- man zwar
aus verschiedenen, hier nicht näher zu
beriihrenden Gründen, den Wurstkva
ren im allgemeinen einiaes Mißtrauen
entgegenbringe. daß aber dieBluiwursl
die vorteilhafteste Wurstart sei. Blut
sei ein sehr lrciftiges Nahrungsmittel,
weil es viel Ciweiß enthalte. Blut
wurst enthält etwa 12 Prozent Stiel
siofssubstanz in der natürlichen Sub
stanz und beinahe ebenso viel Fett, au
ßerdem 25 Prozent stickstoss freie Ex
trattstosse. Auch der hohe Gehalt an
Näbrsalzen macht das Blut zu einem
wichtigen Nahrungsmittel. Besonders
das Schweineblut z. B. ist sehr reich
an Eisen. Es soll von allen Nah
rungsmitteln am meisten Eisen enthal
ten, das ja bekanntlich in der Zusam
mensetzung eines gesunden Blutes eine
große Rolle spielt und das zur Ber
besserung des Blutes Schwachen und
Blutarmen ärztlicki so oft verordnet
wird. So sollen 1000 Gramm
Schweineblut 226 Milligramni Eisen
enthalten.
Bedenkt man außerdem den Gehalt
des Blutes an Lezithin nnd an Schutz
stossen, sowie die leichte Verdaulichkeit
und Betömmlichkeit der frisch bereite
ten Blutwurst, sowie den llnistand,das3
sie wegen ihrer vollständigen Freiheit
von sogenannten Purinstofsen der Bil
dung der Harnsiinre keinen Vorschub
leistet, so wird man zugeben müssen,
daß dieVlutwurst oder wie sie in Süd
bayern so lieblich heißt: die ,,Blunzen«,
weit mehr Respekt verdient, als sie ge
meiniglich genießt.
Dr. F. L.
-
Im Zoolosttchen Garten.
Vater: ,,Siehst Du, mein Kind, das
hier ist ein Kameel·«
Töchter-ben: »Ich verstehe die Ma
ma nicht; das sieht doch ganz anders
,aus, wie Dut«