Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 17, 1912, Zweiter Theil, Image 11
Im Moorgarten Ein Roman am- dem ceben Von couise Both (7. FortsesungJ Sie merkte wohl nicht« daß seine Linse ihre auf feinem Arm ruhende hand fest umspannt hielt. So schrit ten sie nebeneinander her. Plöhlich zuate sie zusammen. Schimmerte da nicht ein roter Bluts tropfen an Hans Jochens Hand?... Jhre Schwäche war mit einem Schlage überwunden. Heftig riß sie ihren Arm aus dem seinigen und trot, Qoweit der Raum nur gestattete, von i m zurück. »Du hift angegriffen. liebe Nut, hier im Wartesaal ist es still." . Ein ieindseliger Blick aus düsteren Augen ließ Hans Jochen veritumrnem Die geheugte Gestalt straffte sieh und drückte Protest gegen jede Annäherung sus. Der junge Mann biß sich auf die Lippen sp-— er verstand. Rut wollte ihm gleich von vornherein zeigen, daß, trotzdem Wolf nicht mehr war, sich in ihren Beziehungen nichts geändert Hatte. Eine peinliche Verlegenheit llsckllllll IML Wie von einer unwiderstehlichen Macht gezwungen, sah Rut immer wieder nach feiner hand... Ach, sie war ja ganz töricht. Ein Sonnen strahl hatte den Rubin in dem alten Täubnerfchen Erbring, den hanc Jochen von jeher getragen, aufleuch ten lassen. Frau Grete hatte schnell ihre Un befangenheit « wiedergefunden. »Gut, daß dein Abschiedsgesuch abschlügig beschieden ist, du würdest sehr un glücklich gewesen fein«, sagte sie. Ein melancholisches Lächeln glitt um Hans Jochens Mund. «Nächste Woche gehe ich nach Südweftafrita." »Klirrend entsiel Rats Hand der Löffel. Hans Jochen hatte sie nicht mehr beachtet. Nun sah er nach ihr hin. Wieder fiel ihm das Gebrochene in sihrer Haltung auf Wie sehr mußte sie Wolf geliebt haben. Ein bitteres Gefühl gegen den Bruder regte sich in ihm. Die Maiorin wurde lebhaft. Für den einzigen Sohn war es Pflicht, im Vaterlande zu bleiben. ,.Verhungern und verdursten wirft du« oder die hereko schießen dich hinterrücks tot«, rief sie, Tränen rannen über ihre Wangen. »Nun, dann hat man nicht vergeb lich welebt und seinem Vaterland als wackerer Mann gedient. Jch folge ei nem inneren Zwange«, sagte hans Jochen mit fcharser Betonung. Der Portier rief den Zug nach Weimar ab. Nut stand sogleich aus. Jn ihren Bewegungen war Energie, rasch fchritt sie voran zum Zuge. Frau Grete nahm weinend Abschied von hans Jochen. »Jeden Tag will ich für dich beten, ich belästige den lieben Gott nicht oft, aber sür dich will ich es tun." han« ochen wandte sich zu Nut. »Zum Ab chied wirst du mir doch we nigstens eine Hand geben?« Als fie nur zögernd die Rechte in die seinige legte, fügte er bitter hinzu: »Vielleicht sehen wir uns in dieser Stunde zum iehtenmal.:a -e ·. - Smen Atome-u qieir er sie ganz fest, ties sah er in ihre Augen, in sei nem Gesicht zuate es. »Leb wohl«, sagte sie mit erstickter Stimme. Der Schafsner schloß die Tür. An Fenster stand Frau Grete und winite, solange sie Hans Jochen se hen konnte. Rut hatte den Kopf in die Kissen gedrückt, sie weinte bitterlich. Die Mutter streichelte liebevoll ihr Haar. »Es-eine Fahrt nach Südwestasrita ist ein Siihnegang. Glaub’ mir, Nut, er konnte nicht anders gegen Wolf handeln, der war so seige", sagte sie leise. »Mutter, sprich nie, nie davon«,« slehte sie, »hans Joche-is Schuld ist ja doch weit größer, als Wolss je mals gewesen ist.« Zwölftes Kapitel. .,3euge sein für den Bengel, jetzt mitten in der Ernie, daß ich’s beinahe vergessen hätte!« Der Amtsrat trock nete sich den Schweiß von der Stirn, er kam vom Felde. Ermüdet wars er sich in einen Korbsessel Aus der Terrasse. aus der Linda ie den Nachmittag in Rats Gesellschaft verbrachte, herrschte angenehme stähle. Tie Glocke vorn Gesindehause läu tete Feierabend «Oniel Jochen, glaubst du wirklich, daß Deckert es getan hat?« sragte Rut. Der Angeredete guckte die Achseln. «Zuzutrauen ists ihm. Jch soll nur bereugem daß er von jeher ein roher. iiihzorniger Mensch war, und das kann ich, ohne einen Meineid zu schwören. Wer sinnlos aus Tiere los schliigt, schlägt auch blindlingi aus Menschen. Er wird wohl dem Rei senden im Wäldchen seine Faust gründlich zu kosten gegeben haben, und da er obne Verdiextzsnzgn hat er ihm Ger und Uhr abgeriiiinmen.« Jochen Titubner ging ins Hans. Frau Linda richtete sich von der Chaiielonaue. aus der sie mit wachs Ifeichein Gesicht ruhte, empor, lau sschend hob sie den Kopf. »Wenn Täubner hier ist, höre ich es nicht, ich meine das Rauschen vom Bach — nun Jist es wieder da. hörst du. Rats« ) »Ja dieser Entfernung höre ich es sniemals. Tante Linda.« i »So sprichst du stets, und ich höre Jes doch immer, Tag und Nacht. Du igehst noch jeden Tag an den Bach I nicht wahr-i« ; »Ja, Tante, ich gehe jeden Tag » hin.« » »Das bist du Wolf schuldig. Jch iönnte dich ja begleiten. aber ich will I nur die Stätte sehen, aus der er «ledte, und nicht die, aus welcher er starb.« Frau Linda weinte, wie jedesmal, « so ost sie Wolf nannte und sie nannte z täglich seinen Namen. s Nut hörte der unglücklichen Frau Lmit unermüdlicher Geduld zu. »Du mußt nicht soviel weinen, liebe Tante. deine Augen sind schon ganz trübe. Jch will sie die mit einem nassen Tuch iiidlen.« Wie ein Kind ließ Linda sich von Rat umsorgen. Gegen Abend weilte Jochen Taub ner allein auf der Terrassr. Er hatte in den letzten Jahren noch rastloser als früher gearbeitet. So hoffte er, die schweren petuniiiren Verluste, fo wie den Kummer in seiner Brust zu bezwingen. Sehr bald erkannte er, daß der materielle Schaden sich mit der Zeit ausgleichen würde, der Kum mer hingegen blieb immer derselbe. Nur diese eine Stunde, nachdem das Tagewert vollbracht war, wenn der Abend sank und die Nacht herauszog, sasz er müßig. Jedesmal zündete er sich eine Zigarre an, aber schon nach den ersten Zügen legte er sie aus der Hand. Er dachte an Hans Jochen. Würde er wiederkehren? Bedeutete Südwestafrila nicht fiir jeden Solda ten einen TodesgangZ . . . Und doch hatte er den Sohn, als er kam und ihm sagte, daß er hinüberwolle, nicht zurückgehalten Jochen Täubner war an die Brü stung der Terrasse getreten. Hier war der Blick freier. Hoch spannte sich das tiefblaue Zeit. Hans Jochen hatte geschrieben, daß die Gestirne drüben heller als in der Heimat leuchteten. Er war rnit Leib und Seele Soldat, trotz aller Strapazen und Entbehrungen voll Glauben an den Erfolg. Am Waterberg hatte er sich Lorbeeren ge holt. Begeiftert schrieb er von der Tapferkeit und Hingabe der Offiziere und Mannschaften, der Aufopferung eines jeden einzelnen. Ein guter Geist herrschte unter den Tapferen. Ein leichter Schritt weckte den Amtsrat aus feinen Gedanken. Rut kam. Sie trug die brennende Lampe in der Hand Onkel Jochen, soll ich dir die Zei ! tung vorlesen?« »-!— DIE-L L- « ----- I J »Ju, IIIGIII Utah-, ju, (k lUUlp II gleich wieder in der Wirtlichteit. ’ Mit den Nachrichten ans Südweit .asrita begann Rut allabendlich die Lettiire. So saßen die beiden Men "schen ganz allein, der alte Mann mit den weißen Haaren und das junge schöne Mädchen, dessen Gesicht die traurigen Erlebnisse einen ernften sin nenden Ausdruck gegeben. Ringsum her die Stille der Nacht· ileber Jahr und Tag weilte Rat schon im Moorgarten. Sehr bald hatte Jochen Täubner sie zurückgew sen. Sie war sogleich gekommen. Fest hatte sie die Zähne zusammengebissen und das Leben mit aller Energie auf genommen. Sie wollte nicht in der Erinnerung leben. dem Schicksal nicht Amboß sein« Ohne daß Rui es merkte. wurde sie der Troft der beiden einsamen Men schen, sie hätte den Tag dehnen mö gen, so beschäftigt war sie. Ermüdet suchte sie abends ihr Lager auf und schlief fogleich den gesunden Schlaf der Jugend. So wurde sie gesund an Körper und Seele. Den nächsten Morgen fuhr Nut mit Dntel Jochen in die Stadt. Das Korn stand in Puppen, und der Wind fang leise sein legtes Som merlied iiber den vollen Garben. Ein rotbliihendes Kleefeld erregte Nuts Freude. ,,Ontel Jochen, jedesmal, wenn ich mit dir über die Felder fahre, sehe ich etwas Neues.« Er lächelte. »Gebt mir ebenso. Wer Sinn fiir die Natur hat, zu dem spricht sie. Jn ihrer gewaltigen Sprache fordert sie auf zum Nachden ten, zur Arbeit, zum ihmpr Rat und Jochen Täubner verstanden sich, auch wenn sie nicht viel zusammen sprachen. Ein Hase lief auer über den Weg. »Wir werden Malheur haben," rief Rut lebhaft. »Bist du abergliiubisch? Eine gute Jagd steht fiir diesen Winter in Aus sicht«« Viele Blicke folgten Rut, als sie in der Stadt durch die Straßen schritt. Obgleich man sie nur selten sah, war« sie doch allgemein bekannt. Jn Cafeg, I am Biertisch, iiberall war lange oon dem Unglück gesprochen worden. Daßl der Bräutigam, der schöne Täubner,« sso« kurz vor der hochzeit so elend um- ; ;lotnmen mußte. Rut war, ohne daß« sie es ahnte, ein Gegenstand lebhaften Jnteresses. Sondetbat war nur, daß sie nach dem Unglück nach ebenso aus- i sah wie vorher. j »Prachtvolle Erscheinung, wie so n« edles Rassepserd, « dachte Rittmeisten von Ceossen, als er Rut in einiger» Entfernung sah. Er kam gerade vom I Dienst. Amtstat Tänbnet stieg stetöJ sim Adler ab, soviel wußte er Der IRittmeistet beschloß sogleich, heute Idort und nicht im Kasino zu Mittag» zu essen. l Er machte sorgfältig Toilette. s I Mit dem schönen Wolf Täubner» konnte er sich freilich nicht messen, aber . der war tot, und er selbst war doch ein ganz stattlicher Kerl von tadello ser Familie und gutem herzem Kiith wirbelte er den Schnurrbart, er war( mit seiner Ausmachung zufrieden. » Die schöne Hollnegg trug wieder lichte Gewänder, ein Zeichen, daß sie sich von neuem dem Leben zugewandt. Schade wär’s um sie, wollte sie dem ertrunlenen Bräutigam ihr Leben-lang nachtrauern. Der Rittmeister war willens, sich rasch in die Bresche zu legen, ehe ihm ein anderer zuvorlam. Leicht war’s nicht. Die Hollnegg hatte eine ganz insame Art, über die Men schen hinwegzusehen. »’n Tag, Herr Amtsrat. Wie gehn-? Wie befinden sich die verehrten Da mens« Die Blicke des Rittmeisters fuhren suchend im Zimmer umher. Rut war nicht da. Sollte er sich vor hin geirrt haben . . . Aber das war ja nicht möglich — die Hollnegg hatte ihren ganz besonderen Typ. »Berfluchter Kerl! Er braucht nur ’nen Kleiderzipsel von Rut zu sehen, sofort ist er da wie die Bienen am Honig« brummte der Amtsrai inner lich, seine Begrüszung war nicht ge rade liebenswürdig Crossen setzte sich ihm gegenüber und ließ sich das Mittagessen servie ren. »Die Herren Agrarier sieht man im Sommer nur selten in der Stadt.« esJch war Zeuge beim Schwurge ri t.'« »Jnteressanler Fall, wie?« »Nein, gar nicht. nen jungen Ben gel zu sanderthalb Jahren Zuchthaus dertnacki « Jochen Täubners Ton war wenig verbindlich. Der Rittmeister schien nicht zu merken, daß er allein die Kosten »der Unterhaltung trug. Hos fentlich lam die Baronesz bald, um zwei Uhr mußte er wieder zum Dienst. Crossen sprach von einem Kameraden, der von Südwesiasriia heimgelehrt war und mit Hans Jochen im Feuer gestanden hatte. Hans Jochen würde demnächst Major werden, hatte sich mächtig ausgezeichnet. Na überhaupt, »du draußen ist ja der Mann noch was wert « Der Amtsrat wußte das alles schon längst, »er liigt so und soviel dazu«, dachte er ärgerlich. Rut trat herein. Der Rittmeister sprang auf. »Baroneß, lange nicht mehr die Ehre gehabt. Außerordents lich erfreut, Gniidigste zu sehen«, er llappte die Harten zusammen und ver neigte sich tief. Ein liihles Kopfnicken dankte ihm »Ich hoffe du hast nicht auf ni ci) gewartet, Onlel Jochen«, an seinem Gesicht fah Nut sogleich, daß er über etwas versiimmt war. »Frauen sind nie pünktlich, das sit nun mal ihr Vorrecht«, entgegnete er mit mühsam verhaltenem Verdruß. » ,,Bildschön ist sie! Und wie sie den jAlten zu nehmen weiß«, ganz heiß .iiherlief es den Rittnieister. Er liesi isich nicht abschrecken von Nutz ilte Jservr. »Tiiuhner ist ein Desvot, viel leicht emanzipiert sie sich gern von »ihm«, laliulierte er. Daß er doch Gelegenheit fände, sich ihr zu nähern. »Herr Amtsrat, wollte schon laine mal fragen, oh Sie nicht nein passen den Gaul fiir mich haben. Darf ich mir vielleicht in den nächsten Taieii "Jhren Bestand ansehen?« « »Gewiß dürfen Sie das. Reiten Sie nur ’mal rüher nach dem Vorwerl Neulrug, dort ist die Kot-pel. Tei Jnspeltor nimmt Jhre Wünsche ent gegen.« ! Der Rittmeister fluchte innerlich der Alte war schrecklich widerhaarig Er hatte bestimmt aus eine Einladung nach dem Moorgarten gerechnet. Aber Täubner sollte nicht denlen, daß er sich abschreclen ließ. Erne Frau wie Rut l gab man nicht so leicht auf. Gut Ding will Weile haben. herrgott, ihr so geaeniiber zu sitzen! Und wie sie sich Itrug Hellgraues Tuchiostüm mit iweißen Ausschiiigen, sehr schick. Wolf Täuhner war wirklich ein Esel, acht Tage vor der stock-mit zu ertrinlen. Der Kellnee meldete den Wagen. thssen ließ es sich nicht nehmen, die Herr chaften hinaus zu begleiten. ,,Barone sind ganz im Mooraarten eingebürgert, vermissen die Großstadt nicht?« »Nein, ganz· und gar nicht. " »Nun bedienert er sie wahrhaftig noch im Wagen« , Jochen Täubners Laune war ganz schlecht. s «Adieu, hert NittmeisterE »Adieu, herr Amtsrat.« . Die Pferde zogen an. »Geschieht Ihm schon recht, wenn er zu spät zum Dienst iommt'«, tonnte der Amtsrat Nicht umhin mit innerer Befriedigung zu denken. Verdrießlich saß er in seiner Ecke. »Ktischan, wie du mal wieder fährst: Nimm doch das Handpserd schärfer «k««M, du derdirbst es noch mit deiner Lotterei", ries er dem Kutscher zu- IM Mischen sah er wiederholt nach der r. Rat schwieg. Wohl war der Nim bus, mit dem sie einstmals Onkel Jochen umgeben, im täglichen Zusam menleben geschwunden, aber ihr Ver trauen zu ihm war dasselbe geblieben, ihre Verehrung noch gewachsen. Sei nen kleinen Schwächen brachte sieNach sichi entgegen. Jeden herni, der sich ihr näherte, behandelte er abweisend. Nut erkannte darin, daß er sie nicht pon sich lassen wollte, siejhm unent .tat er stets, wenn er sich ihr gegenüber ucqriccq geworden Mk. Ol- cmpfuuu darüber eine stille Freude. »Sieh, Onkel Jochen, hier lief uns vorhin der Hase über den Weg, viel leicht mußten wir deshalb mit dem Rittmeister zusammentreffen.'« Der Amtsrat verstand nicht sogleich den Zusammenhang, er besann sich ein Weilchen, nun lachte er fröhlich. er hatte seine gute Laune wiedergefunden. »Jn deiner Gesellschaft vergeht mir die Zeit immer schnell", sagte er, als der Wagen vor der Haustür hielt. Ritterlich küßte er Rut die Hand. das ; verstimmt gezeigt. Dreizehntes Kapitel. Gerty war gekommen. Echauffiert stieg sie aus dem Wagen. 1 .,Rut, ich glaubte, du würdest mich von der Bahn abholen, mir beim Aus steigen zu helfen. Lan hatte geradei genug mit Klein-Lothar zu tun«, sagte ; sie ärgerlich. « »Es tut mir leid, daß du Mühe hattest, ich konnte deine Mutter nicht verlassen«, entgegnete Nut gehalten« vie ihr gönnerhaft zum Kuß gebotene Wange ignorieren-d. I »Die eine Stunde hättest du wohl abtoniinen können, mein Zustand mußt auch berücksichtigt werden« Gerty er wartete ihr zweites Kind. Mit der heirat hatte sich eineWand lung an ihr vollzogen, aus dem ehe mals schüchternen jungen Mädchen Logr eine selbstbewußte Frau gewor en. f »Gerty ist so laut«, klagte die Mut- ; er. Lothar hatte wenig Aussichten im Avancement. Jeden Tag sagte Gerty E dein Vater, daß ihr« Mann den Konr miß herzlich satt habe. Als er nicht verstehen wollte, sehte sie sich eines Abends, während Rut die Mutter zu Bett brachte, zu ihm und fiel direkt mit der Türe ins Haus. »Nicht wahr, Papa, wenn Lothar den Abschied nimmt, schentst du uns ein Gutt« »Nein, mein Kind, einem, der nichts von der Landwirtschaft versteht, über-s gebe ich tein Gut«, sagte der Amtsrat entschieden. - »Aber Lothar will nicht untätig sein.« »So mag er erst lernen, von der Piete auf dienen. Rsut bleibt lange bei der Mutter«, brach Jochen Taub ner das angeschlagene Thema kurz ab. »Du könntest mal an ihrer Stelle die Zeituna vorlesen.« Gertn tlinaelte nach der Lampe. Die Dienstboten waren im Gartqy niemand hörte »Die Leute sind schlecht geschult, Rut hält die Zügel zu lose«, sagte Gertv verdrießlich · »Rut brinat die Lampe stets selbst, ich will, daß die Dienstboten abends Rude baben.« Gerty tlingelte so lange, bis Dora kam und das Gewünschte vor sie hin stellte. Der ganze Ausstand ärgerte Jochen Täubner, im Haushalt sollte alles geräuschlos vor sich gehen. Gerty sing an zu lesen. Sie sprach die Namen falsch aus und tnitterte mit der Zeitung, dazwischen gähnte e. Endlich tam Rut. »Du hast mich lange warten lassen«, sagte Jochen Täubner gereizt. »Lies du jeßt." Gertn legte sich in einen Korbsessel und streckte die Füße aus. »Rut, gib mir eine Fußbant.« - Die Olnaeredete hörte nicht. »Das von Südwestasrita hatten wir schon.« Wieder ignorierte Nut Gertys Ein wurs. »Wie es scheint, neigt der Krieg dem Ende zu und die Brauen können bald heimtrhren«, sagte sie, als der Artikel beendet war. »Meistens sind es nur gescheiterte Existenzen«. ließ Gerty sich vernehmen. »Wer einen Bruder unter den Tap seren hat, sollte niemals so sprechen«, verwies der Amtsrat. »Hat wirklich dieser oder jener eine Schatte auszu wetzem dort drüben bietet sich ihm Ge legenheit dazu.« « Rut horchte auf. »Willst du nicht zu Bett gehent Du scheinst müde zu sein?«« forderte der Vater die Tochter auf, als sie wiederj gähnte. »Ja. Rut soll mich in mein Zim mer bringen« Rut stand auf. Eine Frage brann te auf ihren Lippen, die ie in Gertys Gegenwart nicht an Onkel Jochenl richten mochte. Gerty stützte sich aus ihren Arm. »Du bist, wie ich be merke, im Moorgarten ganz zu Hau se«, sagte sie unterwegs in scharfem Ton. »An eine neue Verlobung denkst du wohl nicht?« »Nein.« »Du hast hier auch keine Gelegen heit dazu und dann, ein Mädchen ohne Vermögen!« »Hier ist eine Stufe, Gerty«', un terbrach Rut sie kühl. »Nun find wir im gewohnten-Tritt«, sagte der Amtsrat, als sie zu ihm zu rücklehrte. ,,Onkel Jochen, glaubst du wirklich, daß einer, mit schwerer Schuld bela den, sagen wir mit einem Mord, sich in dem schrecklichen Kriege rehabilitie ren kann?« fragte Rut gespannt. »Das kommt doch ganz darauf an, aus welchen Gründen der Betreffende gemordet hat. Schlägt einer seinen Nächsten in schnöder Raub- oder Mordgier tot, so’n Lsump trägt nie mals seine Haut für eine gute Sache zu Markte. Aber wie mancher wird schuldig, weil er unter dem Zwange der Notwendigkeit handeln mußte, oder weil ihn in einem unbewachten Augenblick die Leidenschaft Wer Malllllc." Das Haupt in die Hand gestützt, blickte Mut still vor sich hin. Wenn Hans Jochen zurückkehrte, ob sie an sei ner Hand noch das Kainszeichen sehen würde? Oder war es wegge wischt? »Hier, das schickst du morgen deiner Mutter«, weckte Jochen Täubner sie aus ihren Gedanken und legte ein Ku vert vor sie hin. ,,Ontel Jochen, nein, das geht nicht länger, du beschämst uns. Jedes Vier teljahr die große Sendungen.« «Bescha«men?, Warum nicht gar.« Er wurde ärgerlich. »J1nmer bleibe ich in deiner Schuld, durch mich ist dein Leben getrübt. Nein, nein, wi dersprich nicht. Mit lumpigen blauen Scheinen ist’s freilich nicht gut zu machen. Mit dem Rechnen haperte es stets bei deiner Mutter unsd da wird» es dir lieb sein, ihr zu helfen.« ’ ,,anel Jochen, wenn du mir doch; glauben wolltest, daß ich dein einst ins mich gesetztes Vertrauen mein ganzes Leben lang als eine unverdiente Aus zeichnung empfinden werde.« »Du hast es teuer genug bezahlen müssen, mein Kind. Jmmerhin ist’s mir ein Trost, daß du mir altem Egoisten nicht gram geworden bis.« Den nächsten Tag kam Tante Ede line. »Ich möchte etwas mit euch bera ten«, sagte sie beim Nachmittags-tas see. »Hossentlich nichts Unangenehmes, sonst laß es lieber«, wehrte Linda. »Was du gleich ängstlich bist. Es handelt sich um meine Stistsstelle, wer sie nach meinem Tode einnehmen soll. Seit mehr als hundert Jahren ist sie von einer Hollnega besetzt ge wesen. Verschiedene entfernte Ver wandte haben sich bereits aemeldet, natürlich dachte ich zuerst an Rut.« »Das ist ja ganz prächtig! Rut, etwas Besseres gibt’s gar nicht fiir dich«, rief Gertn lebhaft. »So lange ich lebe, bleibt Rut bei mir«, sagte Linda entschieden, »nach meinem Tode tann sie ins Stist ein lkclclL Ein bitteres Gefühl regte sich in Rut. Ueber ihren Kon hinweg be stimmten sie iiber sie. Der Amtsrat trat herein. »Papa, wir haben soeben beschlof sen, daß Rut später in Tante Edeli nens Stiftsftelle eintritt«, Gerty war begeistert für den Plan. »Das fehlte gerade noch! Für den Jungfernturm ist mir Rut viel zu schade«, der alte Herr war zornrot im Gesicht. »Erlauben Sie, bitte, Herr Amts rat, ich bin auch in diesem Jungfern turm«, sagte Tante Edeline mit schar fer Betonung. »Ja, ja, das ist recht gut, bleiben Sie nur noch lange drin-« »Eine vorzügliche Versorgung sür Rut«- begann Tante Edeline wieder. »Einer solchen bedarf es nicht«, schnitt Jochen Täubner ihr kurz das Wort ab. »Aber, Täubner, bedenke, früher gingen alle Mädchen, die eine unglück liche Liebe hatten, ins Kloster«, rief Linda pathetisch. »Im Stift Jsen bühl tönnte Rut ungestört Wolss An denken leben." »Das würde ich nur bedauern. Zu einer unglücklichen Liebe ist Rut gott lob viel zu vernünftig.« Die pein liche Verlegenheit in Rats Gesicht be merkend, fuhr der Amtsrat entschieden fort: »Ich betrachte sie als mein Kind und habe daher in ihre Zukunfts pläne mit einzusprechen.« Er gab Rat die Hand, das Thema war sür ihn abgetan. ,,Ueberleg dir’s, Kind. Hier bist du doch bald überflüssig«, sagte Tante Edeline beim Abschied. »Ueberslüsstg!« Das Wort traf Rot wie etwas körperlich Schmerzendes, sast wie ein Schlag. Und doch hatte Tante Edeline recht. Onkel Jochen und Tante Lin-das Tage waren im Abnehmen, bald würde Hans Jochen hier gebieten oder Gerty mit ihrem Mann -- dann war sie übersküssig. Nach Lothars und Gertys Abreise wurde es still im Moorgariem der Verkehr mit den Gutsnachbarn war eingeschlafen. Endlich kam die Nachricht, daß Jochen zur Heimsahrt rüste. Der Amtsrsat war wieder verjüngt. Rut hingegen beschlich eine tiese Bangig leii. Sie sann nach einem Ausweg. den Moorgarien zu verlassen. Doch weder Onkel Jochen noch Tante Linda wollten von einer Reise zu ihrer Mut ter hören. Als das Korn geschnitten, kam Hans Jochen. (Forifetzung solgt) ——- »so-OW« — ...... vavvvvv- s---s-- -) Ein spannt-Horai siir Obdachtose. Man schreibt aus Paris-: Unter der Führung einiger haudfester Detettivs und estortiert von einem authentischen Apachen der für die Sicherheit der Ausfliialer biirgt, unternimmt fast »ic de Nacht iraend eine Schar Fremder oder dlasierter Müßiggiinaer vom Hal lenviertel aus eine Extursivn, die zum ,,Ange Gabriel", zum ,,Chavearr des Jnnoeents« und einem halben Dutzend anderer beriichtigter Verbrecherspelun ten führt. Und den Beschluß dieser ,,partie fine«, an der auch Damen teil nehmen, bildet dann immer ein Abste cher zu Fradin. Dies ist ein »Hotel« in dem St. Perris-Quartier, aile Räu me dieses Gebäudes sind völlig kahl; kein Ofen, nicht einmal Tische oder Bänke. nur Stricke, die in Stuhlhöhe, in Abständen von je zwei Meteru, quergespannt sind. Und dort sieht man allnächtlich an die vierhundert Perso nen zusammengepfercht schlaf-:n, gegen ein Entgelt von vier Saus-Z, wofür je der noch eine Schale Suppe erhält. Fradin hält, mit einem derben Ochsen ziemer bewährt, so streng auf Ord nung, daß ihm die Polizei volles Ver trauen schenkt und nächtliche Nazzias ausgeschlossen sind. Fradin war Kit chenches des Marschalls MrMahon. doch seine Wandlung zum ,,Philan thropen« gibt ihm keinen Grund zur Klage, den sein Hotel bringt ihm eine jährliche Einnahme von rund 30,000 Franck. Weniger bekannt ist das Ho tel in der Rue Quinauamponx, dass von den Sensationsjägern nicht aufge sucht wird, da es ziemlich-en Komsort aufweist, denn es enthält in 20 Sälen je lZwanzig Betten. Das Schlasgeld be trägt siinszig Centirnes und die Hy giene ist, was Sauberleit und Wechsel der Bettrviisrhe anbe!.ingt, durchaus be friedigend. Dieses Hotel besteht nun schon an die 36 Jahre und bat seinem Besitzer, Bernh einen so hübschen Pro sit eingebracht, daß er es sieh nun ge statten tann, ebenfalls den Philantro Den zu spielen. Er läßt sein Hotel niederreißen und siir eine Million Franc-s zu einem Palace i:iul1a!cen,msekj dein Muster der internationalen stagn oanserei in den ChampsiElysiiesk Das Bizarre an der Sache ist, daß dieses Gebäude vierhundert Zimmer zu je ei nem Bett enthalten trird, wosiir der Preis der gleiche wie jetzt ist, nämlich —— fiinszig Centimest Die Einrichtung ist behaglich und die Hygiene friert mit Ventilatoren, Waschtabinen, Brause bädern, Fliesenbelag, Desinsettiouss räumen usw. wahre Triumphe. Ein Restaurant, dessen Portionen 10, 530 und 80 Centimeg kosten, ein Sprech faal, Bibliothet, Apotheke Vervollstän digen die Einrichtung des merkwürdi gen (ttel-iilideg. Die großen Spiegel in den Zimmem die elektrischen Bogen lampen in den Korridoren werden den Gästen die eigene Armut in doppelt peinlichem Gegensatz zum Bewußtsein bringen« Ader an und siir sich ist die Sache ein interessantes Experiment und sicherlich auch -— ein gutes Ge schäfti -«—--—— L· ...... · , « «"-I·I" »Anm, morgen früh wccken Sie mich um icbcn Uhr-" ce» itz, bitte nur du läuten, gnädiqck tc