Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1912, Zweiter Theil, Image 14

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Eine heitere Geschichte
von J. Jobe
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(6- REMEDIES-)
-Dsch festen richtete sich das Auge
desfh jungen Mädchens neugierig auf
das lustig auf und ab tanzenve Segel
Isspt. bat foFat ein Stückchen seines
Segelc zeigte. Jn Falls Augen blipte
ei verständnisinnig auf und ein küh
ner Ihn begann in ihm zu reifen.
»M«o"chten Sie nicht auf die Schlei
dir-aus« gnädiges Fräulein Z«
«Uch. für mein Leben gern.«
»Die wär's, wenn wir jetzt gleich
los führen, um Jhre Geschwister bei
«ihrer Ankunft am Landungssleg zu
begrüßen.«
«Jch mit Jhnen .. . .« zögernd hielt
Johanna inne· ,
.Wenn der Herr Regierungsrat
uns begleitete?« fragte Falk, die Si
tuation erfassend. Jn der Not ihr
rasch einen würdigen Begleiter
strick-offen schlug er sogar edelmittig
seinen Nebenbuhler vor.
Johannes Augen flogen fragend zu
dem Genannten hin. ob sie eg wohl
wagen könnte. Für ihr Leben gern
hätte sie die Fahrt gemacht.
»Der rk Regierunyskat könnte
doch fast hr Vater fein!'· erklang es
Ieschwötend aus dem Munde des
Verführers.
Grimmig funtelten die Blicke des
also würdig Besundenen zu dem
Sprecher hin« so daß Johanna sich
beeilte mit einem kleinen Lächeln en
antworten: »Da Sie ja hier im Her
renstall gleichsam alle eine Familie
bilden, so sehe ich teinen Grund, das
Anerbieten. rnit Ihnen, meine Herren,
eine so köstliche Fahrt zu machen, zu
rück zu weisen."
Sie reichte den beiden Nebenbuh
lern lameradschastlich die Hand und
lief nach Haus« um sich fiir die Fahrt
Zu rüsten.
»Es wird Spritzmasser geben, gnä
diges Fräulein«, ries Falk ihr noch
nach. »als-) bitte um seetiichtige
Eqnipierung."
»Wird gemacht!«' schallte es lustig
zurück.
Und wirklich nach kurzer Zeit
erschien hans im blauen Sergeanzug,
aus dem Kopf die Schiffsmiitze ihrer
Schwester Maria. Bildhiibsch sah der
Gans darin aus und wie ein über
mütiger Junge sprang sie in das
Boote Bald daraus stach »Dickerchen«,
so hieß das kleinste aller Segelboote,
rn See.
Zuerst ging es ganz gemätlich her.
säh-innen die sich sofort in den ersten
ndgrissen des Segelsports unter
richten ließ, meinte, aus dem Rhein
wäre es mich nicht anders. .
»Ist-warten, gnädiaes Fräulein«.
saate Geifer gemütlich, Jenseits des
Mödenberg. wird’s schon anders wer
den«
.Mödenberg?« fragte Johanna
wißbegierig.
»Sehen Sie die breite Jnsel dort,
die mitten in unserem Fahrwasser
liegt? Das ist der Mövenberg, eine
Möveninsel in des Wortes eigensten
Bedeutung. Wenn im Frühjahr die
Tausend und aber Tausend Möven
dort nisten und ihre Jungen ausdrü
ten, ist es strenge verboten, die Jnsel
zu betreten."
»Da5 ist verstanden wenn doch aue
Vögel so geschützt würden«
»Erschrecien Sie nicht, gnädiqu
Fräulein," rief Falk ihr zu. Seine
Hände hielten ein Gewehr. das er ab
schoß als Dickerchen in eilender Fahrt
an der Jnsel vorbei lief. Mit rau
schendem Flügelschlage und ohrenbeis
tüudendem Geschrei erhoben sich gleich
einer dichten weißen Wolke die so jäh«
linas aufgescheuchten Tiere über ihrer
Heimatstätte und kreisten über deni
Boot.
Johanna schrie auf vor Staunen
ynsd Schrecken, der Regierungsrat
schalt und Falk lachte, was ihm das
junae Mädchen bald nachmachte.
»Dieses ioar der erste Streich und
der zweite folat sogleich«, ries der
übermütiqe Assessor. als sie jetzt in
sausender Fahrt. um die Möveninsel
herum durch »die Enqe« die offene
Schlei aetvannen. »Ansgepaßt, gnä
digec FrüuleifiF
Der Wind faßte in das Segel und
»Wartet-erst legte sich derart aus die
Seite, daß die Spriher nur so über
das Deck sprangen, mit gierigen weis
ßen Zungen nach dem aufjauchzenden
Mdchen leckend, das mit blitzenden
Augen in die wogenden Wasser blickte.
Dunkelblaue Flut, leuchtend weiße
Schaumtiimnie und darüber des Win
des überenütigej Lied! Wie ein Pfeil
Rossen sie durch den Wogenandrang
nnd Johanna ries die Mühe schwen- .
send: »Ein hurra für Dickerchen!«
-semmdernd slog ihr Blick zu dein
III-en Führer der Nusschale hinüber,
, der die ache ihrer Augen mit Ei
sfer zu entsi rn suchte.
« W Sie ieine Angst?« fragte
»Ist-er aks das Segel wieder einmal
T gis-sitt und Dickerchen sich plötlich
. ihr vergesse-, das ei Wasser dort-.
YOU da dana? Ued nein!« sang
skwtise sind in der bekann
«« « be M Ranschen Knat
Anblick der frischen, blähean Ju
gend, er atmete rief und schwer.
«Falt," riß Geyer ihn deshaft ans
seiner Verzwan .vergessen Sie nicht·
daß Wasser keine Ballen han«
Der also Angetufene besann sich auf
sieh selbst und auf seine Verantwor
tung« während der hans treuherzig
versicherte, daß sie schwimmen könnte.
Mit einem Seufzer des Bedauetns
sah das junge Mädchen die Schiff
brücke näher kommen, an der sie lan
jden mußten Mit wahrer Virtuosität
’ziigelte Fall seinen Rennen Dickerchen
legte sich so glatt an die Treppe an,
daß jeder Kenner feine Freude daran
haben mußte, und Johanna sprang
Ians Land. Gener folgte, während
Fall noch mit dem Vertauen des
lBovtes zu tun hatte. Er hätte um
die Welt den Augenblick nicht versäu
men mögen, da Johanna die Ihrigen
begrüßen mörde. Jetzt galt es, sich
dei Kreuyers lieb Kind zu machen.
Der Dampfer war schon in Sicht,
als in größter Eile ein Kriirnpetww
gen heran gefahren lam, dem die bei
den Herren voller Mißtrauen entgegen
.iahen. Sie ahnten den unlauteren
)
Wettbewerb und sollten sich nicht ge
täuscht haben, denn Dassel, aber die
ses Mal in erster Garnitur sprang
Jseelenoergniigt von dem Gefährt, be
igriiszte Johanna, und teilte ihr gleich
Hals etwas ganz Selbstverständliches
;seine Absicht rnit. sie selbst und ihre
»Geschwister mit dein Kriirnperwagen
;nach Hause zu sabren
» Das Schiff legte an: die Begrüßung
Johannas rnit den Geschwistern war
ebenso stiirrnisch wie herzlich troh der
vielen bekannten und unbekannten Zu
schauer. Alsdann sprang sie, als
müsse es so sein, allen voraus in den
»Wagen und bemerkte gar nicht, daß
der Schwaaer noch ein paar höfliche
Worte der Verwunderung und des ge
’rnessenen Dantes mit Dassel wechselte,
ehe er Maria bat einzusteigen. Das
Ijunae Mädchen hatte nur Augen siir
IFalk der sich nun wohl oder übel an
Ischickrn mußte, sein Dickerchen allein
’ durch Wellen und Wind nach dem Her
Jrenstall zu führen, denn der Regie
runasrat itreitte aani entschieden und
lZog die Fahrt mit dein Wagen vor.
Er snraisb von böiaem Wetter und ho
l hen Wellen und war einfach nicht trä
tabel
»Dann mag Dickerchen meinetwegen
hier übernachtenf erklärte nun auch
Falt, rief einen ihm aut bekannten
alten Schiffer herbei, der versprach
das Boot in Obhut zu nehmen und
kletterte turn innerlichen Jubel des
Ehepaares auch noch mit in den Wa
gen. Dassel schwang sich aus den Bock,
ergriss die Zügel und fuhr los.
Die drei herren, denn Dassel drehte
sich auch beständig um, machten nun
die honneurs der Gegend. Sie sub
ren urn den Dom herum, durch ver
schiedene Straßen über den Lornseni
blas den Berg hinan, durch die
Michaelsallee zu dem herrlichen Denk
rnal, das dem Angedenken der Schö
Pfer des Schleswig-Holstein Liedes er
richtet ist.
L
Hier wurde Halt gemacht und Jo
hanna bewunderte das Denkmal und
die im Abendschatten ruhende Land
schast. Dann nahm der herrliche
Tiergarten den Wagen aus. Tiefe
Dämmerung nistete schon zwischen den
alten Bäumen, doch mit himmlischer
Geduld ließ Kreutzer alles über sich
ergehen und drückte nur ab und zu
verstohlen die Hand seiner Frau, um
kseinen gebeimsten Gedanken Ausdruck
»in geben. Maria erwiderte verständ
tnisinnig Endlich trabten die Pferde
Zdie breite Allee entlang, die auf
»Seht-eß Gottorp zuführtr. Jn der
»Es-ferne brannten schon alle Lampen,
und Dassel schwieg schuldbewußt als
Kreutier beim Anblick dieser Beleuch
Hung sartastisch faate: »Nun siehst du,
jhans, ein wie festlicher Eint-sang dir
bereitet ist, diese Jllumination findet
nur dir zu Ehren statt. «
Ein allgemeines Gelächter bildete so
Zden Schluß der Fahrt denn bald
Jdaraus bog man in den Herrenstall
Hein. No lange brannte die Lampe
»auf der randa in der Rosenvilla,
denn Johanna hatte so vieles zu er
.ziihlen. Und als man sich endlich zur
Ruhe beaab, saate das junge Mädchen
Haus vollster Ueberzeugung: »Der ber
srenftall oefiillt mir zu gut, es ist wirt
Flieh gemijtlich hier und ihr steht alle so
iaaieradschastlich miteinander Das
J kommt nur daher. weil die Herren alle
oelehworene Eheselnde sind, gerade wie
ich.« «
i »Wer hat dir denn dies verraten?«
set-Este Kreuser und konnte sich kaum.
des Lachens erwehren, wenn er an da
Wettrennen dachte, das diese Eheseinde
mit heute begonnen hatten«
»Die Ziitof sagte der Hans, »und
das ist gut, denn so kann ich ebenso
k unbefangen mit den netten Herren der
ttehren, wie ihr.«
! «S-timmi, mein lieber Dank er-.
niderte Kreuser. »und Falk ist der
tenise ateedieies same-enden der
M friert-M Junge-Weschn- is
i
seiner Brust trägt. Das mußt du;
doch heute selbst gemerkt haben.«
»Um so besser,« sagte der hanc,
fand ei aber doch für gut, sich bei die
ser Behauptung rasch ins Dunkle zu
rückzuziehen, denn ihr selbst ganz un
begreiflich, stieg ihr eine slamtnende1
Röte in die Wangen.
Nun war unser Hans seit acht Ta
gen irn Herrenstall schon ganz heimisch
geworden. Jhr Lachen, ihr zutrau
liches Wesen und sröhliches Plaudern
galt ohne Unterschied jede-n der siins
Herren. Keiner durfte sich einer Be
vorzugung rühmen, teine raisinierte
Kokette hätte es besser verstanden, alle
ihre Verehrer in Atem zu halten« wie
dieses unbesangene junge Kind von
siebzehn Jahren. Johanna begab sich
eben in der Morgensriihe zum Wasser
hinunter, gesolgtbon ihrem ständigen
Begleiter. der zierlichen Ladn.
Jm Arm trug sie ein paar Bücher
in unscheinbaren, aber um io gelehrter
aussehenden Einmva uns-: Haus
bielt es iiir angebracht, einmal zur
Abwechselung ein wenig zu studieren.
Der Brief des Vaters, der gestern an
aetornmen war. hatte das schlum-n
metnde Gewissen gewear, uno vie an
gehende Studentin hatte sich wegen der
höheren Bummelei der uergnngenen
Tage selbst kiichtig auggefcholren.
Nun saß sie am Wasser auf ihrem
Lieblingsplähchen Seufzend holte sie
die Bücher hervor, um unter blauem
Himmel bei Wellengemurmel und
heimlich flüsterndem Schilf sich in die
trockene Gelehrsamkeit zu versenken
und die ihr noch verborgenen Schön
heiten der lateinischen Sprache zu
suchen.
Jn dumpfen Träumereien verloren.
murmelten die frischen Lippen des an
gehenden Studenten mechanisch aller
lei Sprachformen laut vor sich hin.
Aber es war nur längst Betanntes,
was der Hans sich wiederholte. zu
ichwereren Dingen vermochte sie sich
nicht aufzuschwingen Doch nach und
nach- besann sie sich aus sich selbst und
fang die lateinischen Worte munter
auf allerlei merkwürdige Melodien in
die schöne Gottestvegt hinaus-, ohne zu
ahnen, wie weit ihre klare Mädchen
stimme trug.
Durch die Wiese kam würdevoll der
Regierungsrat gefchritten, er hatte sich
heute selbst Urlaub gegeben und eine
sichere Ahnung ließ ihn gleich den
Weg zum Wasser einschlagen. Ver
wundert horchte er aus die verlenderL
Töne und schlug, von Neugier getrie
ben, ein rascheres Tempo an. Wie
ein Jüngling sprang et, die schwanken
Bretter kühn derschmiihend, über die
Gräben und stand jetzt unbemerkt dicht
hinter Johanna. Mit steigerndem Ei
fer sang sie ihre Detlinationen in die
Weite, was sich so urtomisch anließ,
daß Geher in ein herzlichetz Gelächter
ausbrach. »
Der Hans wandte mit einem er
leichterten Aufatmen, das der will:
tommenen Störung galt, ihren hüb
schen Kopf dem Lachenden zu.
»Wenn ich nur wüßt, was Sie hier
treiben?«' fragte Gener.
»Ich lerne,« war die ernfthafte Er
widerung.
»Sie lernen? Aber was denn, mein
anädiges Fräulein?«
»Latein!«
«)«:cltclll," Wicdckhoilc chkkllicsl Ock "
Regierungsrat den die Versicherung,
dasz die junge Dame Suabeli studiere,
nicht so außer Fassung gebracht hätte.
»Sie erlauben wohl, daß ich mich
seye, Jhr Latein ist mir in die Glie
der gefahren«
»Warum seben Sie mich denn so
an?« fragte die junge Dame ärger
lich, denn sie batte das Gefühl, daß
der Regierungsrat sich iiber sie lustig
mache.«
»Weil ich zum erstenmal neben einer
jungen Dame sitze. die Latein lernt.«
»Das ist doch nichts UngewohnteT
Ich mache in zwei Jahren mein Abi
turientenexamen und studiere dann
beiter.««
»Wenn Sie sich nicht inzwischen
verlabt haben, aniidiges Fräulein.«
»Verloben! Dammes Zeug. Jch
verlode mich nie. iinde überhaupt das
heiraten überflüssig, das werden Sie
bier im Herrenstall ja ganz gut ves
Kehenf
»Warum betonen Sie dabei den«
Herrenstall so besonders?«
»Na, Ihnen kann ich’s ja im Ver
trauen sagen, weil ich weiß, daß Sie
alle geschworene Eheseinde sind.L
»Wir?«
»Ja. Sie, der Herr von Fall und
die übrigen,« sprudelte es unbefangen
von Johannas Lippen, »und daum
tann ich ej auch so gut mit Ihnen
allen. Wie gute Kameraden verkeh
ren wir miteinander. Und nun seien
Sie lieb und überhören Sie rnich ein
wenig.«
Noch bevor Gener den Kernpuntt
dieser vertraulichen Beichte recht er
faßt hatte, hielt er schon das Buch in
der hand, und nun gings los, und
das mit einein Eifer, daß der sank ·
alles andere dariiber vergaß, bit de
Lehrer, des trockenen Zeuge- til-ek
X
s
"driissig, energisch das Buch zullappte.
«Ach·« rief der Hans ganz glücklich
und schüttelte Geyer herzdaft die Hand,
»Sie sind ja ein großartiger Viel-peti
tvr. und wenn Sie so gut sein woll
ten« alle Tage ein Stündchen mit mir
zu lernen, so würde ich in der langen
Zeit alles wieder nachholen. was ich
versäumt habe. Sie werden es bald
so gut machen wie mein Vater."
Zuerst wollte der Regierungsrat
diesen Vergleich übelnehmen, dann aber
dachte er der vielen Stunden im eng
sten Tele-a-tete und versprach alles,
was Hans haben wollte.
»Nein, Kinder.«-berichtete der Hans
am Mittage den ausborchenden Ge:
schwistern. »es ist einfach himmlisch
bei euch, nun kann ich auch noch La
teinisch treiben.«
»Lateinisch?" fragte Kreutzer. »aber
mit wem denn in aller Welt?«
»Mit dem Onkel Regierungsrat« —
sie nannte ihn den Geschtvistern gegen
über stets mit diesem Titel —- «er
stellt sich schon ganz geschickt dabei an.
Jch glaube überhaupt, daß er eine ge
lebtte Haut ist. Wer weiß, vielleicht
beberrfcht er auch noch die Mathema-.
til. Jch werde ihn doch morgen da
nach fragen.«
»Nein, Hans.«
»in Mathematik ist Hauptmann von
Willmerot h groß. Ader ob er sich mit
dir jungem Kinde abgeben wird das
ist noch die Frage, und überhaupt bei
der Abneigung dieser«herre:i dem
weiblichen Geschlecht gegenüber . . ."
berichtete Kreutzer, J
(
l
i
i
»Daoon habe ich bis fest wenig be- ;
mertt, lieber Schwager, aber wäre ess
nicht begreiflich heutzutage,« fiel berl
hans eifrig ein, als der Schwager
diese bielsagende Kunstpause machte.
»Wer mit offenen Augen um sich sieht.
muß der sich nicht voll Abscheu ab
wenden von diesen Mädchen, die nur
einen Zweck verfolgen » die
nach einem Mann.«
»Sie wollen bersorgt sein-«
»So! hat Maria dich etwa der
Verforgung wegen geheiratet oder aus
Liebe?«
»Ja, mit euch ist es auch etwas an
dereg.'«
»Das behaupten inir gegenüber die
Herren auch alle Tage und ich bin
nicht wenig stolz daraus. Weil wir
einen Vater hatten, und dieser Vater
hat mir ouch gesagt: Hans du paßt
siirs Studium und.
' »Und darum wird geheiratet,« fiel
Kreutzer ebenso energisch ein, beeilte
sich aber aus das drohende Funteln
der duntelblauen Augen mildernd hin
zuzusehem »Wean der Richtige
tommt.«
»Ich heirate nie«, schwor der Hans
mit Emphase und zog sich dann mit
stolz ausgeworfenen Kopf auf die Ve
ronda zurück, um zu sehen. ob der
Forstafiessor noch nicht sichtbar sei,
denn heute gab’s prüchtigen Segel
wind.
Wochen vergingen. Der Hans lebte
seine Zeit dahin wie in einem Rausch.
Immer gab es was zu tun, Neues zu
lernen, und sich an irgend etwas Schö
nem zu freuen. Der Hauptmann war
richtig zu dem Mathematitunterkicht
eingesungen worden, dazu tam das
Latein des Regierungsrats. Heimlich
büsselten die- beidenherren in der
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(
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Jagd (
langn vergenenen Lumenfchaft, damit
sie sich vor den klugen Augen und dem
hellen Verstand der Schülerin teine
Blöszen gaben. Fall hatte es schon
leichter. Er brachte der wißbegierigen
Dame den Segelsport bei. Aber auch
seine Sache hatte einen kleinen Halen,
denn er durfte nur in Begleitung
Marias oder Kreutzers das Mädchen
feiner Liebe aus das Wasser entführen.
Qberleutnant Paulfen war aus den
genialen Gedanken verfallen, dem
Hans Reitunterricht zu geben. Die
schönste Neitbahn hatte man ja vor der
Tür. Und so gings denn fast täglich
um die Rasenrondells herum; der Leh
rer hätte auf die Menge der Zuschauer,
die er aber heimlich zu allen Teufeln
wünschte, stolz fein können. Jeden
falls konnten Kreuhers beruhigt fein,
der ganze herrenstall bildete dabei
gleichsam die Gardedame und der
band hatte eine Freude mehr. Ihr
schien nichts an einem Tete-a-tete mit
einem ihrer Verehrer gelegen, sie wa
ren ihr alle fünf gleich willkommen
Ja, fiinf Freier! Das Ehepaar sah
es voller Sorge, denn die Situation
fing an, ihnen über den Kopf zu wach
fen. Sie trösteten sich damit, daß der
Anfang der Manöver vor der Tür
stand und wenigstens Willmeroth-und
Paullen entführen würde. Dassel be
trachteten sie als Kind, da blieben nur
noch die beiden nächsten Nachbarn.
Doch ei tvar, als ob die drohende
Trennung alle Teufel in den vieren
wach rief, und der hanc hatte Mühe
jeder Rioalität nach wie vor die
Spihe abzubrechen und das Gleichge
wicht in ihrem Herrenstaat zu erhal
ten.
Eifrigr denn je bemühte sich der
Schweigen dem Hans zu versicheru,
daß der Iorstafsessor siir immer hage- i
stolz bleiben wolle, was das fanget
Mädchen dazu veranlaßte, fo ost eti
-
Ianging vor Falls Ohren zu betonen«
welche Fortschritte sie in ihren Stu
dien mache und wie sie es nicht er
warten könne, ihnen wieder ganz zu
leben.
Jn diese Zeit der allgemeinen Net
vosrtät und höchsten Spannung siel die
große Regatta, die alljährlich aus der
Schlei abgehalten wird. Der Hans
war überglücklich eine solche mitrnachen
zu können« denn sie batte im Segel-—
sport derartige Fortschritte gemacht.
daß sie der Sache viel Interesse und
Verständnis entgegen brachte.
Schon Tage vorher war nur von
»der Negatta die Rede und die Vor
aussesung Johanitas, das; sich ihre
siins Kavaliere doch selbstverständlich
alle daran beteiligen würden, hatte zur
Folge. daß Dassel, die eingesleischte
Landratte, sich Tag für Tag Jnit ei
nein alten Fischer aus die Schlei bin
ausmachte. um seesest zu werden. Er
hatte doch Mut genug. aber wie das
Boot störler schwankte. wünschte er
"lieber, nicht geboren zu fein. Es war
eine verteuselte Geschichte und um den
Spott brauchte er nicht zu sorgen.
Der Tag der Regatta brach an. Der
Wino frifchte machng auf uno ote
kräftige Brise hale Neigung böig zu
werden. Unter den Vooten die sich
beteiligten. befand sich auch die Jacht
des Regiments, »der Sturmvogel«,
geführt von Willmeroth und Paulsen.
Der erste, der Vorbereitungsschuß,
fiel, jeder Mann nahm seinen Posten
ein, während Dassel sich in möglichst
liegender Stellung ein sicheres Ruhe
pläychen suchte. Der zweite Schuß
lrachte. es folgte der dritte. Der
kleine Begleitdampfer setzte sich in Be
wegung, er trug neben dem Vorstand
des Regaitavsereins. die Herren und
Damen der Garnison sowie der der
Regierung so daß es an interessierten
Augenzeugen nicht fehlte, die dem
Kommenden mit Spannung entgegen
sahen «
lFortsehung solat.)
--—-·
Beduinen.
Es gibt wohl nur wenige Volls
ftämrne auf der Erde, über deren We
sen, Zahl unt-Lebensweise man schlech
ter unterrichtet ist als über die Beduis
nen. Nomadische Bewohner schwer zu
gänglicher Wüsten- undSteppengebiete,
Belenner einer Religion, die dort, wo
sie die Macht dazu beschl, dem fremden
Andersgläubigen das Eint-ringen in
ihr Land zum mindesten nicht erleich
tert, sind die Beduinen bis heute ein
Voll geblieben, dessen Dasein von aller
phantaftifchen Noniantil des Orient
urnschleiert ist. Selbst in einem nde
wie Aeghpten, das, längst unter e ro
päischer Verwaltung stehend, mit west
licher Kultur fast allzu reichlich bedacht
ist. hausen nur wenige Meilen von der
Hauptstadt entfernt in der Wüste noch
jene unheimlichen Vaganten, rnit deren
Namen die Begriffe Plünderung und
Mord unlöslich verlniipft sind.
Der Fremde, der heute Aegypten be
sucht. sieht, falls er nicht längere XII-ji
ftenrenen macht, raum 1e anoere goe
duinen als die degenerierten Bewohner
der Pyramidendörfer, die, dort seit
langer Zeit angesiedelt, die Ausbeu
tnng der Touristen zum einträglichen
Gewerbe gemacht haben. Gelegentlich
trifft man toohl auch in den Kairoer
Basaren auf fremdartiar Gestalten in
braunen, härenen Mänteln, den Tur
lsan mit schwarzen, gedrehten Stricken
umwunden, und erfährt von Landes
tundiaen, daß es Beduinen seien, die
einmal die heimatliche Wüste verlassen
haben, um ihre sparlichen Eintöufe in
der Stadt zu machen. Kein Tourift
aber läßt sich träumen, daß noch vor
taum hundert Jahren derSchrecken des
Riltals diese selben Beduinen waren,
deren Raubziige den friedfertigen Fel
lachen Tod und Armut brachten. Was
der Pascha und seine unbarmherzigen
Steuererpresser den Bauern gelassen
hatten, betrachtete der Beduine als sei
ne leicht zu erjagende Beute. Erst un
ter der Regierung des ersten Khediven
Moharnmed Aly änderten sich diese
trostlosen Zustände. Teils durch Ver
träge, teils durch Waffengewalt zwang
der Khrdive die Beduinen zur Ruhe.
Er riiutnte ihnen an der Fruchtland
grenze Distritte zurBesiedlung ein und
machte die ehemaligen Plünderer zu
Wächtrrn gegen die Einfälle der nicht
angesirdelten nomadifierenden Wüsten
kewohner. Durch das Privileg dau
ernder Befreiung vorn Militärdienfi
erwarb er sich ihre Dantbarteit. Seit
dieser Zeit hat die Ansiedlung der Br
duinen und damit ihre allmähliche
Asstmilierung an die fellachische Bevöl
tcrung stetige Fortschritte gemacht. Die
seßhaften Beduinemsdie sich im Muße
ren heute kaum noch von den Fellachen
unterscheiden, mit denen sie teils ver
mischt, teils von ihnen getrennt in ge
fonderten Dörfern leben, machen jetzt
sacht Siebentei ihrer gesamten Kopf
zahl aus, während noch 1882 iurz nach
der britifchen Oitupation taurn der
vierte Teil aller Beduinen angesiedelt
war. NachldrrVoltözählung von 1897,
die allerdings f werlich als unbedingt
zuverlässig anzu n ist, betrug die
Zahl der Notnaden auf iighptischem6e.
«biet rund 70,000 Häuschen Der
französische Forscher Bache, der im
Jahre 1825 eine Reise durch die Libhi
sche Wüste zwischen Nildeita und Cy
renaiia machte, gibt allein die Zahl der
zwei Stämme Auiad Aiy und Horai-i
auf etwa 38,000 Personen an, von de
nen mindestens 19,000 bewaffnete
Wehr-fähige waren. Noch heute sind
diese beiden Stämme mit ihren ver
schiedenen Untergruppen und Schutz
’9enossenschosten die zahlreichsten und
verhältnismäßig trastvollsten Bewi
nen-anilien der öftlichen Libyschen
Wüste. Die nonmbisierenden Aulad
Ath, deren Gebiet sich von Atexandrien
bis nach Tripolig hinein am ganzen
Nordrand der Wüste entlang erstreckt
sollen noch nach der Schätzung von
1897 iiber 15,000 Köpfe stark sein,
während die Horai-i, die etwas südli
cher wohnen. aus etwa 5000 Personen
zusammengeschmoizen sind. · Außer
diesen beiden Stämmen besitzen von
den lybischen Bedninen Aegvptens nur
die Gimeat und die Fotvajid noch eini
ge numerische Stärke. Alle übrigen
nomadisierenden Stämme sind zu ganz
unbedeutenden Gruppen herabgesun
ten. hand in hand mit dieser ständig
abnehmenden nunierischen Stärke der
Beduinen der Lihhschen Wüste ging
ihre allmähliche Verarmung. Nicht
nur waren die früher so einträglichen
Plünderungen zur Unmöglichkeit ge
worden auch der Tribut blieb nur«
durchan vormals die angsterfiillien
Fellachen sich« von der räuberischen
lheimsuchung der Wüstenftämme frei
zutaufen pflegten. Noch trüber ist es
um die Beduinen bestellt, die in der
Arabischen Wüste äftlich des Nils her
nmziehen Unteiegerischer und an Zahl ·
von jeher schwächer als ihre westlichen
Volksgenossem hatten sie ihre Haupts
rinnahmeauelle in der Vermittlung des
Verlehrs mit Syrien und Arabien ge
funden« Die Eröffnung neuer beque
mer Wege durch Dampfschisf und Ei
senbahn vernichtete diese Erwerbs-mög
lichteit. Das Ergebnis war, dasz die
heute noch in der arabifchen Wüste le
benden Nomaden, mit Ausnahme der
besonders privilegierten Sinaistämme
und einiger im Süden an der nubi
schen Grenze Biehzivischenhandel trei
benden Gruppen nichtarabischer Abs
kunst, ein ganz kümmerliche-z Hunger
dasein fristen. Irgend weiche Gefahr
fiir drisKulturland sind sie längst nicht
mehr.
Den einzigen Reichtum der Roma
denftämme bilden ihre herven schiert-i
genährter Kamele, Schafe und Ziegen,
die in der dürftigen Vegetation der
Wüstentäler ihre Weide finden. Aus
dem Vertan dieser Viehbestände an
die Iellachen bestreitet der Stamm sei
ne Ausgaben fiir den eigenen Unter
balt. Gleichzeitig liefern die Schafe
das Baumaterial fiir seine Wohnstät
ten. Aus ihrer Wolle nämlich fertigen
dieWeiber den groben, fchtvarzbraunen
Stoff, der gleichzeitig als Zeltlage und
Kleidungsmaterial dient. haust-it
mangelt fast vollständig: ein paar Kes
sel, Wasserschläuche und primitive-Eich
geschirr sind alle bewegliche Habe.
Ebenso unzulänglich ist die Bewaff
nung des agnptrtchen Beduinen Da
die Regierung die Einsuhr moderner
Waffen streng überwacht, so findet
rnan bei denNomaden faft nur vorsintf
flutliche Steinfchloßflinten, Säbel,
Keulen und Schleudern Daß mit sol:
chen Waffen selbst fo tapfere und der
schlagene Leute wie die Beduinen es
iInErnst nicht mehr gegen modern aus
gerüstete Soldaten aufnehmen können.
is: klar.
Die einzige Autorität, die der Be
duine wenigstens in gewissen Fragen
anerkennt, ist die feinesStacnmesobers
bannte-. Der Schech, der bei den mei
sten Stämmen irgendwo im Frucht
linde als wohlhabender Grundbesitzer
residiert, hat jedoch über feine Statt-.
niesgenossen auch taum mehr als eine
gewisse, durchIamilientraditionen und
Reichtum erworbene äußere Macht« Jn
Wahrheit fühlt sich der freie, für staat
lichen Zwang unerreichbare Wüsten
fohn nur durch die oft seltsamen Be
griffe feiner persönlichen Ehre und
durch ein sehr ftart entwickeltes Zu
farnmengehiirigteitsgefiihl innerhalb
feiner Sippe gebunden. Gegenüber
dem Fremden, auch dem Stammes
ftemden, herrscht anarchische Ungebun
denheit. Nur ganz wenige ungefchrie
tene Gesetze, wie das Gebot der Blut
rache, der Gastlichteit unter gewissen
Umständen, gewisser Eidesforrnuliei
rungen haben eine über die Stammes
grenze hinausreichendeGiiltigteii. Dein
Aegnpter hat die rechtliche nnd morali
sche Zügellosigteit des Beduinen von
jeher Schrecken eingeflößt Er gilt
noch heute alo absolut unzuderiiissig,
ftrupellos, felbfttiichtig und grausam.
So sagt ein bekanntes Sprichwort
.Die Thronnei des Türten ist besser
als die Gerechtigteit des Beduinen.«
Zum hetle des Fellachen ist das
Sprüchwort heute gegenstandslos ge
worden; denn beide haben ihre Rolle
in Aeghpten endgültig auige ielt,
und Lord Eromer hat recht, we n er
die iighptischen Beduinen politisch bei
trachtet eine »Quantitö negligeablef
nennt.