Der Kunstreiter Erzählung von Friedrich Gen-stärker (30. JortsesungJ Da trat neben Royazet Georgine in des Gang, zwischen die Schaut der dort eingedrängten Zuschauer, und wie das Kind vorbeipassirte, ries sie ihm einige Worte der Ermunterung ils. Die Aufmerksamkeit der Kleinen werde aber dadurch von ihrem Pfer de abgekle und gerade als sie Georg wieder gegenüberlam, verlor sie das Gleichgewicht und mußte. um nicht zu stürzen« vom Pferde springen. Jm Publikum herrschte eine Tod tensiille, nur auf dem dritten Range lachte eine Anzahl trunkener Matte sen, und einer schrie in seinem Platt deutseh: —«Rehmt doch die Deeren weg die kann ja nicht hopsenl Einer von den Haniwursten soll hereiniammen!« Ein Theil lachte; Josephine aber hatte im Nu wieder das Pferd am Zügel; der Bereiter sprang hinzu, ihr zu helfen, das geduldige Thier stand und von Neuem umsiog sie den Cir cus. Da wurden Reisen und Guit landen herbeigedracht, über und durch die sie springen sollte. Georgine stand noch immer im Eingange, mit leiner Ahnung, wie nah ihr Gotte sei — Josephine machte. als sie an ihr dot iiherslog, eine bittende Bewegung und zeigte aus die Reisen, daß diese ent sfernt werden sollten. Wie sie vor iiderkam, schüttelte Georgine mit dem Kopfe und lächelte dazu. Einige der Clowns sprangen jetzt mit anderen dazu angestellten Dienern auf den Rand der vordern Gallerie, um die Reisen auszubalten und dem Kinde das Springen durch Auf- und Niederheben soviel als möglich zu er leichtern. fepbine aber gab, obgleich das Pferd chon drei- oder viermal die Runde darunter durchgemacht hatte, noch immer nicht das Zeichen, daß sie bereit zum Bottigiren sei. Da endlich wurde das Publikum ungeduldig; es wiinschte diesen .Schuliibungen«, wie Einige meinten. ein Ende gemacht zu sehen, und Georgine, dadurch gereizt, gab den Leuten einen Wint, die Rei fen auszuhaltem »Svringl« rief sie dabei der Tochter zu, »Du hast es ja tausendmal ge than!'« Der Clown, der den ersten Reif hielt, zog ihn nochmals zurück, denn er sah, daß Josevhine nicht fertig wurde —- den zweiten mußte sie aberT beachten und tam glücklich hindurch, ebenso durch den dritten. Das Publi- « cum applaudirte, froh, dem jungen Mädchen einigen Muth machen zu können. —- Wieder wurden einige Rei- « fen aus ihrem Bereich gehoben, dennj das Kind hatte aufs Neue einen; Fehltritt auf dem Sattel gemacht; aber sie gewann das Gleichgewicht wiederp stand fest. bog sich zum Sprunge wie der und flog hindurch. War es nun Ungeschicklichleit des Halt-enden oder ihre eigene Schuld, es ließ sich das nicht in der Schnelle, mit der das Ganze vorwärts ging, be stimmen Josephine blieb aber mit dem Fuße an dem Reisen hangen — der Clown ließ ihn los, um sie nicht vom Pferde zu reißen; doch ehe sie wieder festen Fuß fassen konnte, schnellte der elastifche Reisen zwischen sie und den Sattel, und seitwärts ab gedrückt, stürzte sie nach außen aus den Rand der Balusiradr. Wohl streckten sich eine Menge Arme nach ihr aus, ihren Fall zu brechen. Josephine selber war aber auch ge wandt genug, die größte Gefahr schon selber zu vermeiden. Den fremden Armen dabei scheu entgleitend, sprang sie iq die Arena zurück, neigte sich be schämt gegen die lautlos zu ihr nie derschauenden Menschen, und ver schwand dann, an ihrer Mutter vor iiber, in den Gang. Unmöglich wäre es, die Gefühle zu schildern, die bei dieser Scene Georg's herz zerschnitten, und einmal drängte es ihn schon, durch die Zuschauer hin in den Circus zu springen, sein Kind auszugreisen und mit ihm zu entflie hen. Er mochte auch eine Bewegung dahin gemacht haben. denn Barthold hielt ihn plötzlich erschreckt am Arme fest. Er selber fühlte auch das Wahn sinniae eines solchen Unternehmens, hier in dem fremden Lande aus der Mitte der in Royazet’s Diensten ste henden Leute, in Gegenwart Georgi neni, die ihn augenblicklich erkannt hätte, etwas Derartigeg zu versuchen Ei hätte seine letzte hoffnung’vernich . ten müssen. Aber-er vermochte auch nicht länger diesen Anblick zu ertragen, und Barthen-J Arm fassend, zog er ihn mit sich sort, hinaus in’5 Freie. Der alte Iorstwart folgte willenlos, obgleich das Alles so viel Reiz und Zauber siir ihn hatte daß er wohl noch seen eine Weile länger dagehlie ben wäre. So verdust toar er aber auch zugleich iibet das prachtvolle Er scheinen seiner früheren Herrin und ihrer Tochter — der gnädigen Frau Var-via mit der lleinen Josephine — und so wenig konnte er sich in seinem sM Verstand das Ganze zusam MMM das ihm selber vom vielen Mit-bist its Kopfe wurde. Er feste M W set ftcchtbar llirmens den Musik zur Last, von der sie gar nicht weit gestanden hatten, und seine Ohren gellten ihm noch, als sie schon eine Strecke die dunkle Straße entlang geschritten waren. Unterwegs wurde tein Wort zwi schen ihnen gewechselt. Stumm und schweigend schritten die beiden Männer neben einander her, drängten sich durch das Gewähl am hamburger Berge« kreuzten die stillere Prvmenade die hamburg und Altona von einander scheidet, und wanderten dann noch eine Strecke durch enge Straßen mit «bamnhphsen" Häuserrh wie der Forst- » wart bei sich dachte. « Barthold, so gut er im Waldes draußen zu hause war, so völlig ausj seiner Sphäre fühlte er sich hier, und wenn er sich dort etwas auf seine Ortskenntnisse zu Gute that, mußte er » sich hier gestehen, daß er wie ein Kind z von der Führung seines Begleiters ab hängig sei. Eine Straße glich ihm pollftändig der andern. und bogen sie « jetzt rechts und dann links ab, so hätte er Zehn gegen Eins wetten wollen, daß sie genau denselben Weg zurückmach ten, den sie gekommen wären. Sehn süchtig bemerkte er indessen auf ihrem Wege eine Menge hell erleuchteter Fleischläden und Bäckerstände, und drehte ein paar Mal verlangend den Kopf danach um. Es war auch kein Wunder; Georg in seiner Aufregung hatte den Tag noch keinen Bissen über seine Lippen gebracht, und dabei ganz vergessen, daß der Alte keineswegs geistig so bewegt sei, um seinen hun ger ebenfalls darüber zu vergessen. So oertieft Georg aber auch in seine eigenen schmerzlichen Gedanken sein mochte, so entging ihm doch nicht das zeitweilige Zögern des Alten an sol chen Stellen, und er sagte endlich, als sie wieder einmal einen ähnlichen Ort passirt waren, ohne anzuhalten: »Ihr seid wohl hungrig, Barthold?« »Hm — da einmal gerade die Rede davon ist," meinte der Alte, »so hätte ich allerdings nichts dagegen, wenn ich mir ,ein Stück Brod und Fleisch kau fen könnte. Jn der Eile aber, in der wir daheim fortgingen, habe ich ganz vergessen, auch nur einen einzelnen Schilling einzusiecken.' »seiner Bartholdt« sagte Georg ge rührt, »hahe ich Euch doch ganz ber gessenl Aber wartet nur noch wenige Minuten; wir haben gleich unser Ziel erreicht, und dort wollen wir alle Beide ordentlich essen. Wir haben es alle Beide nöthig, denn wir brauchen Kräfte für den morgenden Tag-" »Oh, ich kann's schon eine Weile aushalten. wenn’s sein muß — nur-— da wir hier so bequem vorübergingen, dachte ich . . .« »Wir haben es dort noch bequemer. Seht Jhr den von vielen Laternen be leuchteten Plag, auf den wir zugehen? Dort sind wir jetzt zu hause· hättet Jhr selber dahin den Weg gefunden ?« »Im Leben nicht —- ich weiß auch nicht —- hier zwischen den hohen häu fern wird es mir so schwül und eng. Jch komme mir vor wie ein Vogel im Bauer, und wenn ich hier bleiben müßte — ich glaube, ich stürbe in der ersten Woche vor Sehnsucht nach einem Baume.« »Aber wir haben heute Baume ge-s nug gesehen.« 4 »Ja, leider Gottes,« seuszte der alte Mann, »und die atmen Dinger haben mich auch genug gedauert. Jn Reihen ausgepslanzt, stehen sie wie die Sol-s daten, diirsen keinen Zweig iiber die; Linie hinausstreckem wenn ihnen nichts das widerspenstige Glied weggeschnitJ ten werden soll, und statt der sreienJ Himmelslust, die gern von oben zuj ihnen möchte, aber nicht kann, bekam-; men sie Steinlohlenqualm und allens möglichen andern Dunst und Stanif zu athmen. Und nun erst so ein ar mer Baum mit einer slammenden La-: terne neben sich, wie muß dem zui Muthe sein! wie elend, wie gedrückt! muß er sich fühlen! Die Bäume ver-» J langen in der Nacht so gui ihre Ruhe,4 wie der Mensch und das Thier, und; ; lann so ein Baum schlasen, wenn ihan nie neugierigen Flammen sortwiihrend zwischen die Aesie hineinleuchten und’ Wagengerassel und Menschenstimmen ununterbrochen das Rauschen seiner Widsel übertäuben? —- Es tsi nichts mit den Bäumen in einer Stadt, und wie ein Reh kein Reh mehr bleibt, wenn man’s in einen Kasten mit Git terstiiben steckt und nothdürstig füttert, um das arme Ding'am Leben zu er halten, so sind meiner Meinungnach das hier, was wir heute gesehen ha ben, auch keine Bäume mehr, sondern nur ariiue Verzierungen, die sich das Menschenoolt da ausgestellt. Ich kann mir auch nicht denken, daß ein solcher Baum im Staude ist zu wachsen — es ist gegen die Natur, und sein Laub wird im Sommer auch durstig und staubbedeitt genug sein. Was st da solch’ eine ganze Allee gegen einen ein zigen Baum im freien schituen Waldes —- gegeu meine alte Eichst« ; Der Alte hätte noch ruhig eine Miit le tsrtielchwctt obgleich Seel-Ei mit seinen Gedanken schon wieder t s zuriich nicht einmal die Worte hörte. die er sprach; aber sie erreichten jedt den freien Plas, aus dem ihr hotel lag, und Georg bog liniz danach ein und betrat gleich daraus mit dem Forstwart die unten gelegene Restaus ration. Fühlte er doch selber das Be Idürfniß, den abgesponnten Körper auszuruhen und zu störten, und Barthold war ordentlich heißhungrig nach irgend etwas Genießbarem ge worden. Der große Saal war noch schwach besetzt, fiillte sich aber bald mit nach und nach eintreffenden Gästen, und Georg nahm an einem tleinen Tische Platz, bestellte bei einem rasch herbei springenden Kellner ein compactes Abenbbrod für sie Beide und hing in desxn seinen eigenen trüben Gedanten na . Barthold wußte sich besser zu be schäftigen und nahm einstweilen das vor ihn hingelegte Rundstiick oder Brod in Angriff, dem tnurrenden Ma gen nur wenigstens etwas zu bieten. Dann betrachtete er staunend das ge räumige, prachtvol! eingerichtete Local. das seinem Begriff von einer »Stubse« auch nicht im Entferntesten entsprach. Das ganze Iorsthaus daheim war nicht einmal so groß und geräumig« und auf dem Gute selber nicht die hälfte der Pracht an Hausgeriith Ta peten und Beleuchtung. Was fiir ein schmähliches Geld mußte das Alles kosten, und wie reich, wie steinreich mußte der Mann sein, dem das ge hörte! Dann interessirten ihn auch die fremden Holzarten, die er hier sah, und er wiirde diese näher untersucht haben, wäre nicht in dem Augenblick das Essen gekommen. Oh wie siisi das duftete! und der alte Forstwart hatte im Nu alles Andere darüber vergessen. Der Saal siillte sich indessen mehr und mehr, und dem alten Forstwart wollte nur das nicht dabei gefallen, dasz Keiner den Andern grüßte und Leute sich manchmal dicht neben an dere hinsehtem ohne auch nur so viel wie ,.guten Abend« zu sage-. Gearg hatte eine Flasche Wein bringen las sen und schenkte dem Alten ein —- und wie vortrefflich schmeckte das! —- er trant ein Glas nach dem andern. Mehr und mehr Menschen lamen und beseyten die ihnen nächsten Tische. Barthold unterließ dann nie zu grü ßen, erhielt aber kaum ein Kopsnicken als Antwort —- nicht einmal die hüte festen die groben Menschen ab! Das Essen schmeckte ihm aber trohderm und Georg war lange damit fertig, als er noch immer fleißig Messer und Gabel handhabte. —- Mehr und mehr Gäste lamen herein; an dem nämlichen Ti sche, an dem Georg und der alte Forstwart saßen. hatten schon neben ihnen vier oder fiinf andere Gäste Platz genommen: Georg sah sie gar nicht; vor seinen Augen schwebte nur die ungliickliche bleiche Gestalt des Kindes, das, seiner heimath entris sen, mit einer solchen Mutter in das wilde Leben hinausgeschleudert worden war, und Plan nach Plan baute er aus, wie er sich ihm nahen, wie er ei retten solle. Der alte Forstwart trat ihn aus den Fuß; er litt es, bis es ihn schmerzte, dann zog er den Fuß zurück, ohne weiter daraus zu achten. Barthold aber fühlte unter dem Tische vorsichtig weiter nach dem ihm entzogenen Glie de, und wieder fühlte Georg die» schwere Sohle des Alten aus seinen; Zehen. Erstaunt sah er zu ihrn aus und bemertte jetzt erst, daß der Alte,» über seinen Teller gebeugt und aus deri Gabel ein großes Stück Beessteat, ihms einen bedeutungsvollen Blick zuwars und dann seitwärts nach einein jungen Manne schielte, der. den Hut aus dem Kopfe, eine viereckige Lorgnette in's Auge getnissen, im Stuhle zurückge beugt, dicht neben Barthold saß und sdie Weinkarte musterte. Georg wußte im ersten Augenblick nicht, was der Alte wollte; daß dieser aber irgend eine überraschende Entdeckung gemacht haben mußte, ließ sich nicht verken nen. Dem Blick folgend, den er noch immer von ihrn selber ans den Frem den sallen ließ, schoß da plötzlich der Verdacht in ihrn aus, ob das vielleicht der Fremde sei, den er den ganzen Tag gesucht und der ihm also zufäl lig hier in den Weg gelaufen. Eine Verständigung rnit Barthold war aber an dem Tische selbst nicht möglich; er stand deshalb aus, gab dem Forstwart ein leises Zeichen, ihm zu folgen, und ging nach der andern Seite des Saa les hinüber. Barthold verstand im Augenblick, was er wollte —- blieb noch eine kurze Zeit sitery und stand dann ebensalli aus. ; Der Fremde sah ihn über die Wein ;tarte an nnd rückte seine Lorgnette schärfer in’t Ange; der Alte aber jdrehte sich langsasi von ihm ab und Hstand wenige Seennden später neben Geer Les-as habt Ihr, Bartholdk »Das ist ert« sliistette der Forst wart rasch zurück » Wert —- der Fremde von Schild bei-W s «Derselbe, den ich an der Eiche ge trossen habe, und der dann am näch sten Tage rnit in den Schlitten gestie gen ist.« »Seid Jlst dessen ganz gewiß? — Jbr habt Euch deute so oft geirrt.« «Allei, was ich gegessen habe, soll mir zu Gist werden« wenn das nicht der Rechte ist« versicherte Batthold. .Jn dem irre ich mich aber nicht; das Gesicht ist nicht zn vergessen, und über dies hat er mich auch wieder ertannt.« »Ihr glaubt wirklich?« ..Wenigstens ist ihm mein Gesicht bekannt vorgelommen, denn er hat mich ein paar Mal durch sein vierecki ges Glas, das er sich vor’s Auge klebte, betrachtet. Sehen Sie. here Baron, et dreht auch fest den Raps wieder nach mir um. Das isi der Bursche, und ein schlechtes Gewissen hat er obendrein-« Der alte Barthold hatte sich dieses Mal nicht geirrt; es war in der That Baron v. Silberglanz, der, in der ver drießlichsten Laune von der Welt, dort am Tische saß und die Weinlarte mustette. Daß er allerdings Dem,’ welchem er von Allen am letzten zu begegnen wünschte, so unverhofft in’s Garn gelaufen war, ahnte er noch nicht; des alten Forstwarts Gesicht fund Kleidung war ihm aber in der IThat aufgefallen. Er mußte das Ge ; sicht in lehterer Zeit irgendwo gesehen haben; das weiße haar besonders machte ihn ftußig — doch wo? Er be )fann sich darauf, konnte aber nicht fgleich die richtige Umgebung für ihn »finden. Jetzt stand der anderes )Fremde auf, der mit am Tische saß-— auch dessen Gesicht war ihm bekannt —- jeßt folgte ihm der alte Jäger, und die Beiden sprachen da hinten mit einander — er sah sich nach ihnen um ; - und begegnete ihren auf ihm haftenden I Blicken. Sie sprachen von ihm, und im Nu, während ihm das Lorgnoni aus dem Auge fiel und fein Blut zum j Herzen zurückfloh, kam ihm die Er-; innerung an alle Beide —- lam ihms das Bewußtsein der Gefahr, in der er i yfich befand. T Das war der alte Jäger aus demi Walde bei Schildheim —- der Andere zMonsieur Bertrand — der Baron v, » Gehfeln — wo um Gottes willen hatte Ier seine Augen gehabt, daß er ihn Hnicht gleich erkannte? Und rasch die iWeiniarte hinlegend. dachte er jetzt fnur daran, »sich so rasch als irgend )möglich zu entfernen, etwaigen unan genehmen Erörterungen am liebsten Haus dem Wege zu gehen. Ein flüch s tiger Blick dort hinüber überzeugte ihn Hauch rasch, daß er sich keineswegs ge sirrt. Georg, als er sah, daß er auf Iftand, bewegte sich durch die, dort fiir sihn glücklicher Weise gedrängt fißen Iden, Gäste der Thür zu, jedenfalls in Ider Absicht, ihm den Weg abzuschnei jden. Wenn er diese vorher erreichen Ttonnte —- fein Paletot hing dicht da Ineben —- so war er sicher. Baron v. Silberglanz dachte in der That in »dem Augenblick gar nicht daran, daß er »Caoalier« sei, was er sonst selten vergaß. Sein einziger Gedanke war ,,«slucht«, und während er sich fo we nig auffällig als möglich Bahn durch Kellner und Gäste machte, murmelte er leise und ängstlich vor sich hin: «Oh fa — weiter fehlte feßt gar nichts mehr, um der ganzen Geschichte noch die Krone aufzufeßen —- weiter gar s nicht« Daß mich auch der Teufel pla ’gen muß, gerade noch heute, den letzten Abend, diesem verzweifelten Menschen in den Weg . . ." Er streckte den Arm nach dem neben ihm hangenden Pale - tot aus; mit der Linien hatte er schon die Thürtlinle gefaßt, als er eine Thand auf seinem Arm fühlte und eine !ruhtge, tiefe Stimme an seiner Seite ist-ate ; »Aus ein Wort, mein Herr.« j »Ja —- hitte recht sehr —- guten ! Abend,« erwiderte herr v. Silberglanz rasch und verlegen. »Bitte, Barthold, holt mir doch ein mal meinen hut dort — vom Tische da drüben. Jch stehe gleich zu Jhren Diensten.« »Ich muß um Verzeihung bitten — ich bin in großer Eile.« »Sie haben Zeit,'« erwiderte Georg ruhig, «überhaupt ist es besser, daß ldai, was wir mit einander abzumas chen haben, mit so wenig Aufsehen als möglich geschieht.« »Ich begreise nicht, mein Herr — Sie irren sich wahrscheinlich in der Perfsom Jch bin Baron v. Selten dor .« »Ich tenne Ihren Namen gar nicht,'· erwiderte vollkommen kaltbliitig Georg. Der Name thut auch hier nichts zur Sache, wo wir uns blos an die Person zu hatten haben. —- Jch danke, Barthold. Wartet hier, bis ich wieder zurücktomme.« »Aber was wünschen Stei« O Sie so in Eile sind, werde ich Sie ein Stiick begleiten. Was wir mit einander zu sprechen haben, bedars überdies teiner Zeugen- herr Baron, ich stehe zu Diensten.« »Schön — sehr schön,« sagte v. IÆWI verleaem indem er seinen Paletot anzog und sich in diefenr Au genblicke nach Paris oder London oder in irgend eine andere, sehr entfernte Gegend wiinschte zWenn es Jhnen denn gefällig ist« Georg machte eine auffprdernde Be- s wegung sitt ihn, voranzugehem ins Silberglanz, sich jetzt mit einem tie fen Seufzer der Notbwendigteit fü ;gend, gehorchte, und wenige Minuten Ispiiter schritten die beiden Männer . draußen am Bassin des Jngfernftieges« den Niemandem weiter geftört, dahin. « »Herr Baron,« brach Geoer endlich das, für Jenen schon drückend wer dende Schweigen. «es ist zwischen uns beiden nicht weiter nöthig, große Um schweife zu machen, und das Beste wird sein« einfach und rasch zur Sache zu kommen. Jch weiß nicht« ob Sie micb kennen, obgleich ich es fast der mutbef »Ich habe in der That nicht die Ehre. »Nun gut denn — ich bin derselbe Mann, den Sie früher unter dem Na men Georg Bertrand kennen lernten, und Madame Georgine, die Sie aus Schildheini mit ihrem Kinde entführ ten. ist meine Frau.« »Mein Herr —- ich gebe Ihnen mein Wort...« »Halt! — Sie sind Cavalier,« un terbrach ihn Georg rasch, »bedenlen Sie, was Sie sprechen, und verpfäns den Sie Jhr Wort nicht an eine — Lüge.« »Herr Baron . . .« »Davon mehr nachher,« erwiderte Georg lalt. »Jetzt verlange ich Ant wort —- ausrichtige, unumwundene Antwort: Wo haben Sie mein Weib gelassen? —- Wo befindet sie sich sent und — was war Jhre weitere Absicht mit ihr? — Glauben Sie dabei nicht« mich durch leere Aussliichte, durch ir gend ein Märchen zu täuschen. Jch will die Wahrheit von Ihnen, und wenn ich —- doch genug." brach er, sich gewaltsam fassend. in seiner Drohung kurz ab, »wir stehen hier nicht allein aus deutschem Boden, sondern Sie sind auch gezwungen, mir Genug thuung zu geben« und daß ich mir diese verschaffen werde, daraus gebe ich Jhnen mein Wort. Also beantworten Sie mir einfach und ehrlich meine Frage. Sie konnen Jhre Sache da durch nicht der-schlimmerm sondern nur verbessern. Wo ist Georgine und ihr Kind seht —- in wessen Schulzei« »Herr Baron,« sagte v. Silber glanz, in dem Gedanken an ein Duell mit wirklich geladenen Pistolen inner lich erhebend, indem er zugleich ein sah, dasz alles weitere Leugnen frucht los sei, »ich —- fehe vollkommen ein, daß Jhr Zorn gerechtfertigt ist —- ich gestehe, daß ich gefehlt habe, und werde. Gortsehung solgt.) Holz-erbrause der Eise-nahmen Die Forstwirthschaft der Pennsylva nia Bahn bildet den Gegenstand eines interessanten Artikels in der ,,Railway Age Gazette«, denn es wird dort nach gewiesen, wie diese Bahn bei ihrem ungeheuren Holzverbrauch auch be strebt ist, den Verlust an Wald durch neue umfassende Anpflnnzungen zu er setzen. Die Bahn hat in 9 Jahren 4,c-99,524 sunge Bäume gepflanztz sie hat auch schon ansehnliche Flächen, die mit gebrauchssähigern Holz bestanden sind, so daß sich ihre Auglagen zu be zahlen anfangen. Sie hat nämlich in den legten 3 Jahren schon 2,600,000 Fuß Holz in Brettern und 15,000 Banmstämme verwendet, die in ihren eigenen Forsten gepflanzt und gewach sen waren. —- Die Bahnen brauchen ungeheure Massen holz fiir ihre Schwellen, denn jedes Ersavntittel aus anderem Material, wie Eisen oder Beten hat sich bis jetzt wenig bewährt. Wenn sie daher dem Beispiele der Pennsylvania Bahn folgen und durch Anpslanzungen für den Verbrauch an Bäumen sorgen wollten, so würde die Sache der Wald-Erhaltung eine ge waltige Förderung im- ganzen Lande erfahren. Die meisten Staaten ent halten weite Landstrecken, die zu nichts anderem als zur Baumtultur brauch bar sind. Die Bahnen lbnnten diese fiir sehr geringes Geld erwerben. und wenn sie dies thiiten und dort Wald lltxlturen anlegten, so würden sie einen hirsreichenden Bestand an gebrauchs fähigetn holz haben, lange ehe der lehte R t unserer natürlichen Wal dungen gegenwärtigen topflosen Raubwirthfchoft sum Opfer gefallen sein wird. — Dazu kommt, daß wenn die Bahnen ihren Linien entlang Waldluliuren anlegen,-fie auch dafür sorgen werden, daß die Funken aus den Losornoiiven, die gegenwärtig so viele verheerende Waldbriinde veran lassen, nicht mehr den riesigen Scha den anrichten, sie swiirden sicherlich ihr eigen Gutbesfer hehiiten. —- Das Bei spiel, das die Pennsylvania Bahn an deren Eisenbahnen gibt, ist der Nach ahmung werth. Jn New York ist die erste Aero So eieth fiir Frauen mit einer Mitglieder zahl von itosls gegründet worden. Zwölf Luftschisser, und lein Mann. Die Indlseinsouom Jnr Hamburger Tontiinsilervereiu hielt kürzlich H. Ferdinond Psohl ei Inen interessanten Vortrag über die -»Unsterbliche Geliebte« Beethovens und über die Versuche der Beethoven » sorscher« das Geheimniß der unsterbli chen Geliebten zu lüften. Ferdinand Psohl beleuchtete die Beweisführung rsie Schindler, Nohl, Marx, Kalischer veranlaßte, der Grösin Giulietta Guicciardi den Ehrentitel der »Un sterblichen Geliebten« zuzusprechem er untersuchte die Gründe, die Thaher, M. Tenger und La Mara die Hypo these verfechten lassen, die Gräsin The rese Brunswicl müsse die lang ge suchte Unsterbliche Geliebte sein. Er erörterte endlich auch die bestechende Erklärung von Wolfgang Thomas San-Galli, eines Forschers, der in Anialie Sebald jene Frau ertennt, an die Beethoven jenen berühmten Liebes bries geschrieben, eine Meinung, die schon darum große Beachtung ver dient. weil hier alle Momente fehlen, die der Beweisführung widersprechen und mannigfache positiveThatsachen die Sebald - Hypothese außerordentlich wahrscheinlich machen. Jm Lauf sei ner Ausführungen berührte der Red ner auch die Widmungen Beethoven scher Kompositionen an die Gräsin Giulietta Guiciiardi und an Therese Brunswict Beethoven hat der schönen Giulietta die Cis-Moll-Sonate, der Gräsin Brunswick die Fis-Dur-So nate Op. 78 gewidmet. Die Cis Moll-Sonate, der Rellstab den ebenso unausrottbaren wie irrefiihrenden Na men »Mondscheinsonate'· angeheftet, hat natürlich mit Liebe und Mond scheinromantit garnichts zu thun. Das wundervolle, in seinem ersten Satz so geheimnißvolle Wert wurde angeregt durch ein Gedicht J. G. Seumes, des bekannten Spaziergängers nach Sym cus. Dieses heute verschollene, längst vergessene Gedicht führt den Titel »Dir Beterin« und lautet: Auf des Hochaltar-Z Ztuten tnieet tina itn Gebet, ihr Antlitz glitt-et Von der Angst der Seele hingerissen, Liu des Hochgedcnedeiten zugen. Jlsre drtßgernngenen Hände beben. Ihre bangen« nassen Miete tchtvelten lint des Welterlosekö Tornentrone. Gnade flehend von des Vaters Throne: Gnade ihrem Vater. dessen Schmerzen Einem lieben, tutninervotlen Herzen m des Lebens schönsten Blüte-tagen Eimer jeder Freude dtcnn zernagen Rettung fiir den Jater ilirer Tugend, Riir den einzigen Fittner idrer Jugend. Tem allein sie nur ihr Leben let-et, lleder dein der Hauch des Todeo schwebe Ilnse tictaebrochenen Zenizer weben Ihrer Andacht deines, deines Flehen Hin zum Lpiertoeilnanan Cherubinen Etelfn bereit, der Flehenden zu dienen Tragt, ilir Engel, ilire Engeltrisinen Betend bin, den Vater zu verlohnem Frommer tveinte um die Durste-titulie :-i’ielit Maria vci dein toten Sohne-. Ziehen Freund, in den Vertlätnngsbiielem Etradlet stille-. ietigeo Entzücken Lina streicht die Träne von den Wangen, Jst voll itiszer Hoffnung weggegangen Eine Träne netzt auch meine Augenlider Vater-, gib ier ihren Vater wiederl til-ern toollt ich dem Tode italietretem til-innre sie fiir inich so gliilxend beten Man wird sich —- so etwa äußerte der Redner —- nicht leicht entschließen, diese kleine Dichtung etwa ein Mei ster-wert zu nennen: sie ist nicht frei oon weitschweifendenNeimereien ldritte und vierte Strodhe) und attl ihr lastet eine unvlaitische Sprache, die zweimal des Wortes »Vater« in ganz verschie denem Sinn sich bedient. Auch daß der Dichter zum Schluß auch noch ei nen Freund anruft, wirtt störend. Aber das Ganze ist malerifch empfun den. Das junge harmlose Mädchen in diinnneriger Kirche, an den Stufen des Altars, in Schmerz auf elölt, utn das Leben des Vaters flehen : tat isi eine Gestalt und ein Bild, das auf die Phantasie Beethovens einen starken Eindruck gemacht hat. Der ersie Saß seiner Sonate wäre im Anschluß an dieses Gedicht als inbeiinsiiges Gebet zu verstehen und auch so vorzutragen. Nicht etwa als blasses »Sei-et einer Jungfrau«, sondern als tnystilchser, de müthig-feierlicher Aufsiieg eines lei denden herzeni an den Thron Gotte-. Ungeachtet der großen und immer größer werdenden Zahl der Automos bile hat sich die Zahl der Pferde in unserm Lande nicht vermindert, son dern sie ist im letzten Jahrzehnt von 18·267,020 auf 19,731,000 gestiegen und hat sich also um beinahe andert halb Millionen Pferde vermehrt. Aber besonders mertwiirdig iit die große Zunahme im Werte dieser iere. Deren Wert belief sich in 1900 auf 8896513217 und für den vorjiihrigen Zenius wird er auf BL 076.297,828 angegeben, hat sich also weit mehr als verdoppelt. Nach einer Mitteilung des Ackerbaus seteetiirö Wilson sind im laufenden Jahr in den Südfiaaten 44 Millionen Dollars für Landstraßen-Verbesse rungen ausgegeben worden. Was das Intomodil nicht alles zuwege bringtt