Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 06, 1911, Zweiter Theil, Image 10

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    Wir-ANY
Ein Roman aus dem
Leben
IQQQQQ LUQMUW. MX
Gib mich frei
MIMZUJFM UT MMWM Mc IMNUZFM
von
Hedwig courthiimahler
WJTFTMFWMIJJ IIFIITI
(3. FortsesuagJ
Lisa hatte den Brief langsam zn
Ende gelesen. Ein Gefühl, als wenn
eine warme weiche harrt- tröstend iiber
ihren Scheitel strich, stieg in ihr ans.
Ihre Zagen betamen einen feuchten,
- sehnsüchtigen Schimmer. Dorthin
fliehen, —- zu der Frau, die so herz
liche Worte siir sie hatte, die in Liebe
ihrer gedachte. Dort bei ihr sich ver
bergen mit ihrer Scham, ihrer Qual!
Tante dermine konnte sie nie sagen.
was sie in dieser Stunde erlebt, was
ihr herz bedritckte. Sie würde sie
nicht verstehen und sie mit kaltem
? hoher eine überspannte Närrin schel
ten, sie vielleicht zwingen, zu Ronald
partigzutehren und ein Leben der
qualvellsten Lüge an seiner Seite zu
jäherm
Aber dort bei Tante Anna fand sie
Liebe und Berftiindniß; daran glaub
te sie, daran wollte sie festhalten in
ihrer Herzensnoth wie an einer ret
tenden Planke, die sie vor dem Ver
sinken schästr.
Es war ihr eine Wohlthat, ein Ziel
Var Augen zu haben. Die Notwen
digkeit, das Ziel zu erreichen, riß sie
aus ihrem schmerzversunlenen Zu
siana Sie til-erzeugte sieh, daß sie
sum Glück noch ein paar Goldstüae in
ihrer Tasche hatte. Damit kam sie
; wohl nach Rahnzdorsi Es lag in der
- » Nähe von Jena, das wußte sie. Bis
sk Jena mußte sie mit der Bahn fahren,
—- nein, bis Parsiendors. Hier stand
es aus dem Zaudern Rahnsdorsi Sta
tipn Borstendprsi
Lisa bat das bedienende Mädchen
um ein Kuribuch und sah nach, wel
chen Zug sie benuien könnte. Zehn
Uhr fünfzehn Minuten ging ein
Durchgangszug Der traf schon zwölf
Uhr siins Minuten in Jena ein. Aber
er hielt nicht in Porsiendorf, und von
Jena aus hatte sie keine Verbindung
mehr dorthin in der Nacht. Da war
es das befie. sie blieb in Jena in ei
nem hotel bis zum nächsten Frühzug
der sie nach Porstendorf bringen konn
te. Die Erwägungen lenkten die junge
Frau ein wenig von ihrem Schmerz
ab. Sie sah nach ihrer Uhr. Es blieb
ihr noch bequem Zeit, den Zug zu et
reichen.
Ohne ihre Schotolade berührt zu
haben, verließ sie mit raschem Gruß
die Konditorei. Aus der Straße ries
- sie die nächste Droschte an, die ihr be
gegnete, und fuhr zum Thüringer
schuld-i
Dort erkundigte sie sich am Schal
tee noch einmal nach ihrem Zug unds
Kiste ein Billet zweiter Klasse nach
Jena. Sie mußte rechnen, daß ihr
Geld auch noch siir das Hotel aus
reichte. Nun siel ihr ein, daß sie nicht
einmal Nachtzeug bei ßch hatte. Aber
Das ließ sich nicht ändern.
Sie begab sich sofort in den schon
bereit stehenden Zug und sand im
rauenabtheil einen Sich-lah- Er
chösst feste fse sich nieder und drückte
Ich sröstelnd in die Ecke. Die feucht
talte Märzlust hatte ihre Kleider
durchdrungen und da die Wagenthii
ten noch ausstanden, war es ziemlich
tiihL Außer ihr befanden sich noch zwei
Damen in ihrem AbtheiL offenbar
Mutter und Tochter, die sich fortwäh
rend von Tante Laura und »Rese«
unterhielten. Mieze schien der daheim
gebliebene Katee zu sein, den man
Tante Laura anvertraut hatte. Denn
die ältere der Damen sagte unzählige
Male: »Wenn nur Tante Laura da
fiir sorgt, daß Mieze ihre Milch ange
wiirmt bekommt; kalte Milch betömmt
ihr nun einmal nicht« Ebenso oft
versicherte die Tochter zu ihrer Beru
higung, daß sie Tante Laura die an
gewärrnte Milch auf die Seele gebun
den hobe, was die Mutter jedesmal
auf fünf Minuten mit Beruhigung
erfüllte.
An Lifas Ohren glitt dieser Wort
schtvall vorüber wie ein Gespräch, das
in fremder Sprache geführt wurde
Sie dersant in einen Zustand halber
Betäubung-und schloß die Augen. Da
bei war ihr zu Muthe, als wenn sie
in eine bodenlose Tiefe stürzte. Sie
fiihlte sich körperlich so elend und
. matt, daß sie nicht mehr fähig war
die Größe ihres seelischen Schmerzes
zu fassen.
Endlich fuhr der Zug ab, und das
CesprÆ zwischen den beiden Damen
verstummte. Sie legten sich zurück,
nnd die ältere verkündete bald durch
sanfte Schnarchlaute, daß sie trotz ih
sz rer Sorge um Mieze entschlurnmert
.- Mk
Lisa hatte eiskalte Füße: aber der
Kopf brannte wie im Fieber. Jhte
vieren cedanten flogen zuriick in bat
» Ist-L m man ihre Mit feierte
« wußten es ihre Augehsrtgen we
IW gestehen war. Vio
. M sur seht wohl in das hotel zu
s« Mketehrb and Onkel und Tante wa
sae von ihm benachr t worden.
VII-h Ist-Erde furcktbor se fein,—
wsne Im- tic ersah-,
II Tät« mzttittdtrs selbst-s Im
» sing non in einein hin
W Ins aset so Iteiehsilth so
Its-lot
THIS
l Wie wenig nahe sie der Tante im
,Orunde ges-andern kam ihr jetzt ersi
·znrn Bewußtsein Das strenge ver
tnissene Gesicht hatte keine Macht
mehr iiber sie; diese Macht war ge
brochen nnter der Last ihres Leided
Aber ein anderes Gesicht stand nun
wieder vor ihr. das Ronalds.
Sie drtickte jäh die Hände aufs
Herz, als mußte es brechen So deut
lich sah sie sein ernsiei, geliebtes Ge
sicht vor sich, das sie so ost voll heim
licher Lust und Wonne betrachtet hat
te. Ob er wohl sehr böse aussah, als
er sie vergeblich suchte? Ob er sofort
errieth, weshalb sie vor ihm gesiohen
war, weshalb sie ihn frei gab?
Würde er froh nusathmen. daß er
seine Freiheit wieder hatte, daß er der
ungeliebten - Frau keine Liebe zu
heucheln brauchte? —-· Nun hatte er es
nicht mehr nöthig, sich ihrel lästige
Liebe und Jnnigleit gefallen zu- las
sen. Wie er erlöst ausathmen würde!
— Ob er wohl ein wenig Mitleid mit
ihr hatte?
Mitleid!
Sie biß die Zähne zusammen. Mit
leid wollte sie nicht-« —- um Gotte-wil
len lein Mitleid! ----- Ach wie sie sich
schämte, daß sie ihm so ossen ihre
Liebe gezeigt, wie ihr diese Scham im
Versen brannte!
So thsricht don ihr, an seine Liebe
zu glauben. sie, das reizlose häßliche
Mädchen, das so unbedeutend war,
sich so geschmacklos lleidete und frisirte
und ihm mit ihren Liebeibeweisen
lästig fiel. Nichts an ihr war begeh
reniwerth als ihr Gele und selbst
das konnte ihn nicht damit aussshnem
daß er gebunden war. Sein Herz ge
hörte ja jener blonden Lilli. Die war
gewiß schön und holdselig; nach ihr
verlangte sein Herz, wenn er die un
seliebte Braut in seiner Nähe dulden
mußte. O, diese Schmach, diese De-J
müthigung, —- bieser wahnsinnige
Schmerz! !
Jhr Kopf brannte immer nicht«
Trost-ern die Temperatur im Wagen
fest ganz behaglich war, kannte sie sich
nicht erwärmen· Die Zähne schlugen
ihr im Frost aufeinander. Es war
eine schauerliehe Fahrt, die kein Enbe
Izu nehmen schien Das arme junge
Geschöpf, das mit dem größten
jSchrnerz feines Lebens rang« war fast
pohmniichtig als es nach Mitternacht
jin Jena anlangte. Llfa schleppte fich!
nach dem erften besten hotel welches
in ber Nähe des Bahnhofs lag Man
Nahm sie
’ba sie ohne alles Gepiitk kam. Als sie
sich dann aber erkundigte-, wann sie
morgen früh nach Parsiendorf fahren
und wie sie von Porftendorf nach
Rahnsbprf zu ihrer Tante gelangen 1
Hönnte. wurde man freundlichen Frau i
Fvan Rahasbnrf pflegte zufällig ini
demselben hatei zu übertischten, wenn »
sie in Jena aufgehalten wurde. Man
fnahm sich der jungen Dame nun sehrj
freundlich und diensibereit an, bennj
Frau von Rahnsborf war hier ali;
reiche Gutsbesiherin ein gern gesehe- «
ner Gast, rnik beni man es nicht gern ’
lverberben wallte. Lisa merkte troh
lihm umh- deu ptssncheu umschcag
san Wesen der Leute; aber sie war
froh, als sie endlich allein war und sieh
niederlegen kannte.
Schlaf tam trotz ihrer Müdigkeit
nicht in ihre Augen. Nicht nur ihre»
traurigen Gedanken hinderten sie am
Einschlasen, sondern auch körperliche
JSchrnerzem Jeder Nerd that ihr weh,
und sie wars sich ruhelos von einer»
Seite zur andern. Diese Nacht präst
te sich süe immer in ihrem Gedächtnis
ein als die aualvollste, die sie je erlebt.
Ein furchtbares Gefühl des Verlas
senseins nahm ihre Sinne gefangen.
HSie wimmerte leise vor sich hin. Und
»dei alledem sah sie immer Normle
IGesicht vor sich, und ihre Sehnsucht
tnach diesem geliebten Gesicht steigerte
Mich zu siebethasten Phantasien und
verwirrte ihr Denken mehr und mehr
Als der Morgen grau und nüchtern
in das hotelzimmer schien, erhob sie
sich mühsam, wie gebrochen an Leib
und Seele. Friisielnd lroch sie in die
noch von gestern feuchten Kleider unsd
bestellte Kassee,
So heiß als möglich nahm sie das
jGetränt zu sich- ohne einen Bissen
essen zu können. Dann beglich sie ihre
Rechnung untägingf zun:I Bahnhos.
Eine halbe Stunde später stieg sie
in Porsiendors aus.
Bauersrauen mit Tragtörben, Ge
sliigeltäsien und riesigen Gemiisehiin
dein drängten sich aus dem kleinen
Peerom Sie warteten aus den Zug,
der sie nach Jena zum Wochen-nan
bringen sollte.
Lisa sah sich suchend in dem klaren
Morgenlicht um. Man hatte the tm
fee-I gen-ge daß vielleicht nah-erpr
er Fahr-wert am Bahahos sein witt
dr. Scheu drängte sit sickt Mischeu
den schtpasenden Weibern durch,· die
sitt neugierigen Augen das btasse
Mdtsrsnhin musterteen
Endlich sah sie den Stationtdoesih
·. sietratzu ihm und state-h
Zweit w- E o
kw siitaiwmtgww · r
s «Wollen Sie nach dem Dorf oder
nach deni Schloß?«
Lisa wußte nicht, daß man das
Rahnddorset Gutshaui in der Um
gegend das Schloß getauft heite.
»Ze- Frau von Rahncdorf möchte
ich'«, erwiderte sie.
Also ins Schloß,«Friiulein. Da
kann wohl Rath werden zum Mitfahis
ren; der Heinrich hält da drüben rnit
dein leeren MilchtvageW Warten Sie
mal, ich pfeife ihn gleich hierher.« Er
stieß zwischen den Fingern einen grels
len Pfiff hervor und winlte nach der
andern Seite der Straße hinüber.
Gleich darauf tain im gemächlichen
Schritt ein Fuhrmann tnit gestrictter
Jacke, blauer Schürze und in Stiefeln
jsteckenden Beintleidern auf sie zu. Er
; zog ein wenig an seiner Mühe.
L »Da ist ein Fräulein, Heinrich, das
zur gnädigen Frau will.«
; Heinrich guckte verduhst in Lifers
zblassei Gesicht rnit den dunkel tun
:riinderten Augen. Lieber himmel,
sah die elend und spillerig aus! Er
schob die Muse von-einer Seite zur
kandern was wohl einen Gruß bedeu
ten sollte. »Ja. —- davon hat die
gnädige Frau nischt gesagt, und die
Kutsche is nach nich nach der Bahn
geschickt worden«, sagte er bedächtig.
I »Frau von Rabnidorf weißt nicht,
daß ich komme. Ich will sie überra
schen, —-— sie ist meine Tante«, erlliirte
Liia iusarnmenitöitelnd
Der Stationsvorfteher machte ihr
eine ehrfurchtsvolle Verbeugung, und
Heinrich schob die Mühe auf ihren al
tcn Fleck zurück.
» »Je, das is nun ’ne dumme Sache,
gnädiges Fräulein. Jch lann da ooch
nifcht dabei machen. Wenn Sie sich
mit auf den Kutfchhock sehen wollen,
—--— zwischen den Milchkriigen is keen
Plnd.«
Lifa füllte fich zum umfallen elend
und milde. Nur endlich ihr Ziel er
reichen, damit fie sich verkriechen konn
te wie ein wundes Thier. Wie fie vor
wärts lam, war ihr gleich. Sie er
klärte sich bereit, auf dem Knifchhock
die Fahrt nach Rahnsdorf zu machen.
Der Stationsvorfieher half ihr ga
lant beim Aufsteigen und verabschie
dete fie mit einer schneidigen, militiirii
fchen Verbeugung. Heinrich kletterte
hinter ihr her und sorgte in einer An
wandlung von Ritterlichkeit dafür,
daß fie auf den zufammengelegten
Pferdedecken bequem faß.
Lifa dankte ihm mit einem matten:
Lächeln. Die gut genährten Giiule zo
gen an und liefen im gsiniichlichen
Trott auf der Landstraße dahin.
Heinrich fiihlte fich etwas geniert auf «
feinem beengten Sid. Er blinzelte
feine Begleiterin rnit verlegenem Lä
cheln in dem frifchen, fonnengebröun
ten Gesicht von der Seite an. Je -—
war das ein fchrnales. trauriges Ge
.ficht. Kein Tropfen Blut fchien darin
zu fein. Da war fein Schoß, die
Line, doch ein anderer Kerl.
Er lachte iiher das ganze Gesicht,
als er an die dralle Line dachte. Dann
nahm er die Mithe ab und holte aus
ihrm Innern eine Eigarre hervor, die
er vom Kaufmann in Porftendorf ge
fchentt helomrnen hatte. Aber als er
die Spise abgediffen hatte und das
Kraut in Brand stecken wollte. fiel
ihm das hlaffe Fräulein wieder ein.«
Die tonnte«arn Ende den Rauch nicht
vertragen. Er warf das Streichholz
fort und beförderie die Eigarre wieder
in das Innere feiner Mühe. Schwei
gend saßen die beiden verschiedenarti-’
gen Menfchen auf dem Kutfchbort
Heinrich iiherlegte fich, daß er doch ge
wissermaßen die Verpflichtung hatte,
feinen Jahrgaft zu unterhalten, da
»die Dame doch die Nichte der gnädigen
»Frau war.
- Endlich fiel ihm etwas ein. Er
Jzeigte mit der Peitsche im halblteis
Iumher »Das gehört schon alles zu
lRahnsdors ,gniidigei Fräulein: und
Ida drüben über’rn Wasser liegt das
EBoer
) Lisa raffte sich aus und blickte um
sich
,,Das Gut meiner Tante liegt wohl
weit vom Dorfe entfernt?«
»Nu, nee, —- nur die Saale liegt
dazwischen. Wir müssen erst noch
durch ein Stück Wald. Dann sehen
Sie das Schloß gleich liegen.«
»Ist das Schloß sehr groß?«
»Na, so groß wie das Dornhurger
is es nich. Aber danach das größte
hier in der Umgegend. Und sehr alt
is es poch. Solche dicke Mauern, —
ja. Ueberhaupt, —- Rahnsdoef is das
setteste Gut hier herum. Unsre gnä
dige Frau, die versteht ihre Sache wie
’n Mann. Früh die Erste, Abends die
Beste, — so Eene gthks nich noch e’
mal. sei uns is alles in Schuß, wenn
ooch seen here da it.«
Nach dieser-, stir heinrichs Verhält
nisse sehr umsangrei n Rede, glaubte
er seiner Pflicht g e gethan zu hu
hen. Aus dem Rest der Fahrt schwieg
er sich aus«
Lisa versank wieder in ihr schmerz
orseh Beste-. In der klaren, tiihlen
Morgenltst seor sie jämmerlich Das
Vers lag ihr schtoer tn der seiest
Wie würde Tante Anna fee aufneh
nren3 — -
Z Endlich fah sie das »Seht-if vor
fich liegen. Ei war ein ziemlich gro
sser, inafsiger Bau aus grauen Sand
fteinquadern. Eine schlichter-te Er
khölpung des Gebäudes Idee dem Mit
ttelportal sollte jedenfalls einen Thurm
vorstellen Er war ein bißchen unper- .
hältnißmäßig gerathen. Aber long-,
.blisernde Fensterreihen machten ei n
ifreundlichen Eindruck, zumal das
bäude von einem großen Garten uni- i
geben war. 4
Die Witthfchaftsgebiiude lagen hin- !
ter dein Schlon und bildeten mit die- l
fern zusammen ein Geistern welchesl
einen großen Hof umsfchloß.
Wenige Minuten später fuhr der
Wagen durch das hoftlfor.
Mitten auf dein Hofe ftand Frau
von Rahnödorf eine stattliche große
Frau von ungefähr fünfzig Jahren.
Sie trug ein tnappanliegendes Reit
tleid, welches fie ringsum hoch genug
gefchiirzt hatte, daß man die festen,
mit Erdspuren bedeckten Lederftiefel
fehen konnte. Ueber dem graurnelir
ten, noch fehr reichem haar. fafz eine
graue Mühe sehr feft auf dein Kopf
Die Neitpeiifche unter den Arm ge
tlernmt, in dem frischen energifchen
Gesicht ein gutmüthiges Lächeln.
ftand fie neben einem alten Mann of
fenbar einem ihrer Untergebenen, und
klopfte ihn auf die Schulter.
Nun geh nur nach Haufe» alter
Martin, und packe Dein fteifes Knie
ordentlich in warme Decken. Die
Salbe« die ich Dir gab, fchmierft Du
auf und reibft tüchtig ein bis es
brennt. Dann hilft’s fchon.«
Der Alte antwortete etwas, Sie
lachte.
«Unsinn; wir werden schon ohne
Dich fertig. hast Dich doch lange
Jahre siir mich geplagt. Jch weiß
doch. daß Du tein Drückeberger bist
Piun marsch ins Bett mit Dir, und
nicht ausgestanden bis es tote-der gut
ist. Berstanden?«
! Der alte Mann bumpeite davon.
! Frau von Rabnssdors piss laut aus
seiner kleinen, silbernen Pseifr. Dar
Taus erschien schnell ein junger Knecht,
dem sie ihr Pferd übergab das noch
neben ibr stand. »Dalli, dalli. Fried
rich. Hast Du nicht gesehen, daß ich
zurück bin Ohier nimm die Suleita,
-—— sie muß mit warmen Tüchern ab
gerieben werden. Fix, mein Sohn, be
-Hnn’ Dich nicht tange.«
Der Knecht sübrte das Pferd sort,
und Frau von Rabnbdors wandte sich,
um in das haus zu geben. Da bieit
Heinrich den Wagen neben ihr an.
Sie blickte aus. Ra, heinrich7 Wes
balb machst Du denn mitten auf dem
Hof noch einmal Station. Weißt wohl
nicht« wo Dein Wagen bingebört?«
Heinrich sprang« vorn Bock und
zeigte lachend iiber die Schulter. »Da
is ’n Fräulein, die will zur gnädigen
Irr-w
Erst ieht bemerkte Frau vonRabns
darf die blasse, zusammengetauerte
Gestalt, die mit ängstlichem scheuen
Augen zu ibr hernieder sah. Etwas
in dieser überraschenden Erscheinung
beriibrte sie eigentbiitniich Mit raschen
Schritten trat sie neben den Wagen
Ein Paar klare, gütige, kluge Augen
blidten in die scheuen, bilslosen der
jungen Frau. uFrau von Wahns
dorsf« srngte Lisa schüchtern.
» »Das bin ich; und — lieber Him
mel, —- diese Augen muss ich doch
iennen ——!«
»Ich bin Lisa, Tante Anna«, sagte
die junge Frau leise
Das volle, srische Gesicht Frau von
Nohnsdorss versärbte sich ein wenig.
Jhre scharf zusassenden Augen ruhten
einen Moment forschend aus dem blas -
sen Gesicht. Dann streckte sie plöhlich
die Arme aus und hob Lisa wie eine
iFeder vom Wagen herunter. Einen
Augenblick hielt sie die zitternde Ge
istalt sest in den Armen, und in ihre
Augen trat ein rniitterlich zärtlicher
Ausdruck.
»Das Kind, die Liset« rief sie so
zärtlich, wie man es der resoluten
Frau nicht zugetraut hätte.
«hils mir, — ich bin in großer
Noth und weiß nicht. wo ich mich hin
wenden soll«, sliisterte Lisa an ihrem
heise. Frau von Rahnsdors zog Li
suz Arm durch den ihren.
»Ro, heinrich, "—— nun bring’ mal
Dein Fuhrwert on Ort und Stelle.
Hast wohl Wurzeln gekriegt, mein
Sehn-, squ sie ink- dik Schutt-ins
zu dem Knecht und steuerte knit Lisa s
aus das haus zu. s
Drinnen im behaglich durchwiirws
ten Wohnzinuner drückte sie Lisa
sdoeigend in einen Sessel, nahm ihrs
mit einer unsagbar zärtliche-i Sorg-!
solt den hut vorn Kopse und strich ihr I
liebevoll til-er die Wangen. I
Lisat elendes, trauriges UnisehenU
die verängsttgten, hilflosen Augen er
zählten der ersahrenen Frau eine
asz- oesoion »
te legte erst ihre Muse ab. Dann
trot sie on ein Schriintchen und schenk
.te ein Mai Porttpein ein. Dei führte
sie Astv on die Lippen. »Trtnt eigen
Schluck. Du biß ja ganz durchsraren.«
Lisa trank gehorsam, die Tante immer
mit ihren großen Sagen tvie hilfesles
bend ansehend.
Frau von Rabnidors tiißte plöglich
in tiefer Rührung die armen, leidvol
len Augen. ·
»Wi- ift Dein Mann, tleine Lisa?«
«Jch —- ich weiß es nicht«
Anna von Rahasdors nickte, als
wollte sie sagen: » lsa. das ist et.«
»Armes, tleines Schwiilbchem haft Du
Dich verflagen?«
Große Tbriinen lösten sich bei die
ser liebreichen Frage aus Lisas Au
gen. Es waren die ersten, seit ihr
Glück zufammengebrochen war.
»Ich bin gestehen - - heimlich. Jch
wußte nicht. wohin. Dein Brief, —
da kam ich zu Dir. s— Laß mich bei
Dir bleiben, Tante Anna«
Es lag ein so ergreifender Ausdruck
in diesen Worten, daß Frau von
Rabnsdors erschüttert war. Sie
sireichelte nur immer die blassen Wan
gen der jungen Frau· Lisas Tbränen
liiften sich und fielen aus die streicheln
den Hörndr. «Schietft Du mich nicht
ferti« fragte Lifa angstvoll.
Ein weiches Lächeln erschien auf
dem Gesicht der Tanir.
»Nun saß doch erst mal ein bißchen
Vertrauen. Sieh mich nicht so ängst
lich an; da dreht sich einein ja das
Herz im Leibe herum. Jch Dich fort
schieten? Da tennst Du Deine Tante
Anna schlecht. Die schickt niemand
fort, der in Noth ist, am wenigsten
den einzigen Menschen, der ihrem
Herzen nahe siebt. Sei ganz ruhig,
—- bei mir bist Du in gutem Schutz.
Freilich, so recht freuen tann ich mich
nicht. daß Du endlich zu mir trunme
Dazu siehst Du mir zu elend und un
glücklich aus. Aber setzt will ich Dir
erst mal frischen Koffee tachen lassen.
Erst mußt Du essen und trinten;
nachher wird gebeichtet.«
Lisa hielt ihre Hand sest, —
»Laß mich fest gleich alles sagen.
Tante Anna; ich ertrag es nicht län
ger«. schluchzte sie aus.
Frau von Rahnsdori setzte sich zu
ihr und umsaszte sie liebreich.
»Dann herunter damit von der
Seele: sag mir alles. was geichehen ist.
Ich glaube nicht, daß es einen Men
schen gibt, der es besser mit Dir meint
als ich. «
Lisa erzählte. Erst stockend und un
sicher, dann in sieberhaster Hast. als
miisse sie sich alle Qual von der Seele
reden
Sie erzählt-, wie sie Ronald kennen
und lieben gelernt hatte, wie er um sie
geworden und wie sie gliietselig an
seine Liebe geglaubt hatte. Und dann
die grauen-alle Enttiiuschung, als sie
sein Gespräch mit Mallwih aehiirt. Jhr
Entsehem ihre Angst schilderte sie,
ihre Furcht, ihm nach dieser Enthül
lung gegenüberstehen zu müssen, - -
und dann ihre eilige, lopslose Flucht.
Alles vertraute sie der Tante an,
ihre ganze Seele breitete sie vor ihr
aus; und Anna von Rahnsdors lernte
aus dieser Schilderung Lisa kennen,
als wäre sie seit Jahren mit ihr zu
sammen. Sie übersah das ganze Le
ben des armen, jungen Geschöpfes
und erkannte mit scharsen Augen den
Einfluß, den ihre cchwägerin aus sie
ausgeübt hatte.
Als Lisa u Ende toar mit ihrer
Beichte, sah ihr die Tante ernst und
giitig in das Gesicht.
«Also ist es doch, wie ich ahnte.
herrnines hochmuih wollte einen Ba
ronstitelsiir Dich haben; alles andere
war Nebensache. Und Dich armes
Ding hat sie so gelnechtet und un-;
selbstständig erzogen, dasz Du Dir in:
solcher Lage nicht anders zu helsen
weißt, als auszureisen Das warj
Unrecht von Dir, Lisa, Du hsiittest
Pein-ne Mann ehrlich gegenüber tec
.ten neitssem hättest ihm sagen solle-.
dass Dn alles gehort hättest und the
seine Freiheit zurück geben willst.«
Ltsa schüttelte sich entseht bei die
sem Gedanken.
«Dai hätte ich nicht gelonnt, »
nicht um die Welt. Beksteh mich doch;
ich schäme mich so namenlos, daß ich
ihm gezeigt, wie lieh ich ihn habe.«
«Schöinenis’ Dich schämen, daß Dir
Gott eine große, siarte Liebe ins herz
lgetegt harrt Du arm-, nein- The-kein
Jst es ein Unrecht, einen Menschen zu
liebeni Wie hat man Dir durch die
engherzige-Erziehung den Sinn ver
totert. Stolz darfst Du sein, daß Du
feine Liede empfinden tonntest, die
kDich Dein eigenes Jch vergessen ließ.
iOd Dein Mann diese Liede verdiente
Inder nicht, das lommt dabei gar nicht
Iin Betracht. Frei hättest Du ihm de
ttennen sollen: Jch liebe Dich zu sehr,
sum Dir eine Sessel zu sein, und bin
Izu stolz. ohne Deine Liebe neben Dir
»zu leben; laß uns in Frieden schei
tden.'« Lisa sah bang in ihr Gesicht.
, »Ich hätte ei nicht gekannt. Jch
;liebe ihn zu sehr, um es ertragen zu
;lönnen, ihn beschämt vor mir zu se
n.
! .Mein armes. derschiichtertes Vis
!gelchen! hast Du denn nun auch be
Zvochn was Deika Frucht nik einen
kSlandal geben kann? Eine Braut
xdie ihrem eben angetrauten Gatten da
idonliiustt Du hast den Namen Dei
Hnes Mannes angenommen und damit
jdie Verpflichtung, diesem Namen Ehre
Izu machen· Wenn man auch Dir un
recht gethan hat, so bist Du dadurch
Jnicht berechtigt, unrecht zu thun. Das
Ehasi Du Dir nicht überlegt.«
! Die junge Frau schüttelte trostlos
den Kopf·
»Gar nichts hab’ ich überlegt und
bedacht; ich bin fortgegangen, wie von
einer fremden Macht getrieben, wußte
nicht einmal wohin. Und nun bin ich
bei Dir. Schilt mich nicht« Du bist
gut und hast mich lieb, -- - das fühle
ich. Jch hab' so großes Vertrauen zu
Dir. Hils mir und schicke mich nicht
sort. Wenn ich doch immer bei Dir
gewesen wäret«
Die ganze Vereinsamung ihres
wunden Herzens lag in diesen Wor
ten. Anna von Rabnsdoes hatte feuch
te Augen.
»Ja, .Kind. — was biitte ich dbrum
gegeben, wenn man Dich mir gelassen
sh
hiittr. So selsr hab' ich mich gelehnt -
nach einem jungen Wesen, dem ich
hätte Mutter sein tönnen. Einen an
dern Menschen hätte ich aus Dir aes
macht. Nicht so ein scheues, ver-schüch
teries, trastloses Geschöpfchen Siehst
aus« als hättest Du vor lauter Bor
nelsmheit Dich nicht satt essen dürfen.
Nun hat der erste Lebenssturm Dich
niederaeworsen. Na. wenn ich diese
Hermine noch einmal zwischen die
Finger kriege! Mit meiner Friedse»
tiateit ist es nämlich in solchen Fällen
schlecht bestellt. Was hat sie aus Dei
nem sangen Leben aemachtt Wie ein
Schattenpsliinzchen hast Du unter ib
kem uufkhivakeeiksdiiatet versenkt
Wild tönnte ich werden, wenn es nur
noch was helfen könnte. Aber da auiile
ich Dich nun auch noch mit meinem
Zaun Wir haben anderes zu beden
ten. Jedenfalls müssen wir sosott
depeschiren, daß Du hier bist. Viel
leicht läßt sich noch unliebsames Aus
sehen vermeiden. Meiner lieben
Schwäaerin gönne ich sa so einen tleis
nen Dämpsm aber es trisst meinen
Bruder auch mit. Er wird sich schwer
um Dich sorgen.«
Lisa nieste.
(Fortsenung folgt.)
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