Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 22, 1911, Zweiter Theil, Image 14

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    Der Kunstreiter
Erzählung
von Friedrich Gerstäcker
CII FortsesungJ
Hekt- et übrigens gehofft, hier noch
Ums mit Georginen zusammenzu
Mffem sp sollte et sich darin getäuscht
scheu. Geotg empfing ihn Mein und
Mchtichtigte ihn. daß sich seine Frau,
« eines leichten Unwohlseins wegen, ent
fdlldigka ließ-, zu so früher Stunde·
on ihrem Mahl Theil zu nehmen. Das (
stühstiick wurde dann fast schweigend
eingenommen, und Geokg begleitete
danach feinen Gast in das Dorf hin
unter, um ihn sicher und schnell un
terwegs zu sehen.
«hetr d. Gedfeln', sagte nier, arg
sie das Dorf fast erreicht hatten, der
Veran, indem er sich zu seinem Be
gleiter wandte. »ich roeiß wirklich nicht.
sie ich Ihnen genug für die mir so
Its-ich erwiesene Hülfe und Gast
fretlndschaft danten soll. Jch wollte
nut. daß Sie selber mir einmal Gele
genheit güben . . .«
»Sie haben ein Mittel, Herr Ba
ron«, unterbrach ihn freundlich Georg,
»und noch dazu eins, das den Danl
ganz und gar auf meine Schultern
werfen würde.«
»Oh, bitte. nennen Sie est« rief v.
Zübbig rasch. »Sie glauben gar nicht,
wie Sie mich dadurch verpflichten wür
den.«
»Es ist sehr einsach«, lächelte Georg,
aber er fühlte selber. wie er sich Zwang
anthun mußte. unbefangen zu schei:
nen. »Wir sind uns, tvie Sie gestern
ganz richtig bemerkten, nicht zum er
sten Mal in diesem Leben begegnet.'!
»Nicht wahr?« rief v. Zühdig rasch
» und entzückt über diese Bestätigung
»Es wäre thöricht, das verleugnen
zu wollen«, fuhr Georg ruhig fort.
»Was mich dabei bewogen haben mag,
eine Zeit lang die frühere Laufbahn zu
verfolgen, kann dem Fremden, der
kein weiteres Interesse als das einer
. flüchtigen Bekanntschaft an tnir
nimmt, vollkommen gleichgültig sein.
Jeht aber bin ich in das gesellschaft
liche Leben, mit dem früheren ab,
schließena zurückgetreten, und wie ich
hier still und abgeschieden von der
Welt, fast mit Niemandem verlehren-d,
lebe, rnschte ich die frühere Existenz
auch als abgeschlossen betrachten. Sie
werden mich also außerordentlich ver
binden. here Baron, wenn Sie. der
Zeit gedenkend. die Sie mit uns ver
übt, ßch nett erinnern wollten« daß ich
d. Sei-fein heiße. Ich brauche Ihnen
kaum zu sage-; dafr weder ich noch
meine Gattin stolz auf unsere früheren
Triumphe sind. Einen Monsieur Ber
trand, den ich früher kannte, have ich
vollständig vergessen, ——— wollen Sie
das Nünrliche versuchen?«
»Mit dem größten, innigsten Ber
gniigen, bester-Freundl« rief herr v.
Zühbig rasch und herzlich. »Ich selber H
muß nur noch tausendmal um Pardon
bitten, daß ich vielleicht durch irgend
eine indiserete Frage . . .·«
»Die Sache ist abgemacht«. lächelte
rg. die dargebotene Hand ergrei
-«s Tend; »unter Männern ist nichts wei
ter nöthig, und ich tann Ihnen ietzt
mit gutem Gewissen sagen, daß ich
mich von her-sen freue, im Stande ge
wesen zu sein« Ihnen den kleinen, un
bedeutenden Dienst au keiften. - Aber
hier sind wir bei Ihrem W.igen; et:
was plump ist das Rad qemacht, doch
miissen Sie mit unseren Doriarbeitern
schon fiirlieb nehmen. Jedenfalls hält
es, und Sie können Jhre Reife unge
hindert fortsetzen«
Also nochmals meinen wärmsien
Dant, und wenn ich Jhnen in »I
vielleicht irgend etwas
»Ich danke freundlichst«, wehrte
Georg ab »Sie kennen untern Ver
trag, und nun glückliche Reise!«
»Bitte, empfehlen Sie mich noch
Ihrer Frau Gemahlin auf das Unter
Mnigste, und wenn Sie je wieder nach
« kommen sollten» «
»Es wird nicht geschehen; wäre es
aber, so wiirde ich mir erlauben. Sie
anfznsuchen.«
.Sie würden mich außerordentlich
glücklich machen -i Alles in Ordnung
»Abs, gnädigee Herrl«
—- zufahren —- alfo cdieu,
lieber Osten, adieu!«
Georg neigte sich leicht, als der Wa
gen, von einein Theil der Dorfjugend
umfing-dem vorüberrasselte, und herr
Lse III-is unterließ nicht, noch mehr
fmendlichft aus demWagen nach
dessutöckbieidenden hinauszuwinlen
s» k- Uäbqanbfisernftraße stehet-: und
Ia leichte Ia wert
; die-M Ecke verschwunden war
-Dcnt» MM er la Ham. feinen eige
In Wien na spend, auf das
17
M war nicht allein
W mach in Sechzig
» 's« , schon an und
, « eine seen in dem sonstigen
szwsznch
- LMozart-sites
»Es-dein
Abend sehr fptendid gezeigt, und der
Tanz, neben anderen theils vorbereite
ten, theils zufälligen Genüssenj bis
nahe zum Motgengrauen gedauert;
mit ihr nntärtich das Zechen nnd Jn
btliren.
Der alte Mühler wäre mit Karl»
gern ebenfalls an dem gesitigenAbende
in? Dorf hinunter gegangen, nur der
Beifall des Morgens hielt ihn ab.
denn er wußte recht gut. daß Georg
nicht damit einverstanden war, und
wollte ihn nicht noch böser machen.
Auch Karl durftk nicht fort, und
lvcllll cllllclfh II tlvlllkklc ou- unt
jungen, bis dahin teines Zwanges ge
wohnten Burschen nur noch mehr.
So saf, er um elf Uhr Mittags etwa
—- Georg war schon lange wieder auf
das Gut zurückgekehrt und arbeitete
auf seiner Stube --— dem alten Onkel
gegenüber, an dem auf den Hof hin
auzsiihrenden Fenster, kaute an den
Nägeln und baute und derwarf Plan
nach Plan, um sieh diesem, ihm uner
träglich werdenden Leben zu entziehen.
Da ertönte plöhlieh unten auf dem
hpfe lustige Musik -- die Kirche war
aus, und die Pius-Wanken die gestern
Abend im Stern aufgestüeln war hin
auf aufs Gut gezogen. sich dort ein
Trinkgeld zu verdienen. —- Mit ihnen
aber ——- und Karl fuhr mit einem
Freudenschrei von seinem Sis empor
—— waren wunderlich und phantastisch
gekleidete Gaukler gekommen, die in
kurzen Jucken und eng anliegenden
Tricots zum Takte der Musik auf
dem hofr und vor den Fenstern
Georg’s ihre Künste begannen. Einer
hatte Stelzen an die Füße geschnallt,
womit er zur Musik einen Walzer
tanzte und andere Capriolen aus
führtex ein Anderer überschlug sich
und tugelte sich, Brust und Bauch nach
außen, wie ein Ring zusammen, und
der Dritte lief an einer freistehenden
kurzen Leiter hinaus, auf deren ober
fter Sprosse er dann mit großer Ge
schicklichkeit seine Kiinfte aussiihrtr.
»Bei Gott« Onlel!« rief Karl ju
belnd aus, ,da unten ist Müllheimer,
Henh und Bentling -—- tomrn rasch —-— «
Henh macht sein Leitertunststiick ——’
siehst Du dorti«
..Alle Teufel!« murmelte der Alte in i
den Bart. »was wollen die denn hier« I
und wo kommen sie her? Ob sie wis
sen, daß Georg das Gut bewohntW j
.Schwerlich«, lachte Karl, «sonst
then sie wohl kaum ihre Kunststlicke
im Hofe gemacht. sondern wären gleich
von vornherein herausgekommen Die J
werden Augen machen!« »
.Was willst Du thun?« rief der alte
Mühler erschreckt, als Karl eben im
Begriff war, das Fenster zu öffnen.
»Ja-R sagte der junge Bursche er
staunt, »sie anrusen natürlich; ich soll
doch wohl meine alten Freunde und
Kameraden bei Euch hier nicht auch
fnoch verleugnen und nicht mehr kennen
-diirsen?«
! »Du bist rein verrückt!« rief der
sAlte, bestürzt dazwischen springend.
i»Na, das Donnerwetter und das hallo
sdon dem dadrüben möcht’ ich sehen,
wenn der dazu käme. Wenn Du nicht
absolut willst,· daß n un§ Beide noch
heute am Tage zum Tempel hinauss
j.1gt, so geh dom Fenster und thu gar
nicht, als ob Du die da unten siehst.«
Karl war leichenblaß vor verhalte
nem Grimm geworden, aber erliefz es
geschehen, daß ihn der Alte beim
Handgelenl vom Fenster zog und das
Rouleau herunterließ, jedes weitere
Hinaussehen zu verhindern. Er selber
blinzelte nur eben einmal hinter der
Gardine vor, und sah —gerade, wie der
alte Verwalter auf die Leute zuging,
ihnen ein Geldstück gab-und sie vom
Hofe schickte. Das Geschenk mußte
auch ein ziemlich reichliches gewesen
sein, denn die Gauller schienen sehr
erfreut. Desto weniger zufrieden wa
ren aber die Leute vom hofe damit,
die sieh schon um sie hergedriingt hat
ten und ihnen jetzt, als sie den hof
verließen, meist in das Dorf hinab
folgten, um dort vielleicht noch mehr
von den fabelhaften Künsten zu sehen
zu bekommen. Noch stand er am Fen
ster und fah ihnen nach-als die Thiir
aufging und Georg eintrat.
»Das ist recht, Mühler«, sagte er,
ali er die niedergelassene Gardine be
merkte. » eh weiß nich-t, durch wel
chen Zufall, aber einige unserer alten
Bekannten haben, wahrscheinlich auf
der Durchreise, ihren Weg bis zu uns
hierher gesundem Ihr seid, wie ich
sehe, verniinftig genug, Euch fern von
ihnen zu halten; überdies werden die
Burschen Schildheirn jedenfalls heute
wieder verlassen. Jeh brauche Euch
also nicht weiter zu ermahne-m Euch
heute lieber zu hause zu halten, damit
Ihr ihnen nicht etwa zufällig in den
Wes liefet.«
«Denle r nicht dran ausz-agehen«,
bereuen-te - til-ler. »und will selber
mit ihnen nichts zu thun haben.«
Ich habe es von Euch nicht anders
erwartet«, sOste Georg, .und auf den
sangen Bieran da werdet Ihr mir
mich ein nachts-M III-as bat-m- Jst
Fesse, Karl, das Du verstanden hast,
Das ich eben Mk«
; «Ja«, erwiderte der junge Bursche,
fsich gleichgültig til-drehend — »wenn
kirlsi nicht wieder vergesse-"
F »Nicht wieder vergesse?« fragte
EGeorg scharf, »ich ersnche Dich. Ge
ifelle, Dein Gedächtnis anzusirengen,
loder Du möchtest das nächste Mal
Inicht wieder so leicht davontommsew
Ich will, daß Du es nicht vergtssest,
und das merte Dir, Patron, sonst
sprechen wir ein anderes Wort zusam
men. Jch werde überhaupt —-- doch
genug«, brach er turz ask-, »O wird
keine weitere Warnung nöthig sein«
denn Du weißt selber am besten. Karl,
ywas Dir gut ist und was Du von mir .
Izu hassen ——- oder zu fürchten hast«
iMit diesen Worten verließ er rastle
das Zimmer.
«Berdammt, oh ich das nicht weis-, f
fluchte der junge Bursche. als die
TThiir kaum hinter dem Fortellenden1
«zugefallen war. —- ..desser als Du es
neu-ichs denkst. mein setz, und dass
sich es thun werde, darauf tannß Du«
zDich verlassen.«
» a.ftarl", warnte ihn der Alte, .seil
"verniinftig und mach’ teine dummenf
Strßeeiuchr. Georg läßt nicht mit ficht
«Ob er’s thut oder nicht« was liitn- !
mer« mächt« troste der Knabe.’
»Wenn Du Luft haft, Onlel, feineni
Knecht und gehorfamen Diener zuj
imachen und dafür das GnadenhroH
zu nehmen, gut —- Du bift alt genug,
’um zu wissen, was Dir zusagt, ich!
aber vertrage es nicht. Er hat gefagt,
ich wisse, was mir gut fei, und ich will
ihm dtefes Mal wenigstens ibeweifen,
daß er sich nicht geirrt.«
»Was haft Du vor?« sagte der alte
Mann besorgt, als Karl feine Mühe
aufgriff, »Du darfst fett nicht fort.«
,,Darf ich nicht?« lachte der junge
Bursche. der ihm unter den banden
fort und zur Thiir glitt. »und wer
will mich hindern«?" und mit denWor
ten fchon verschwand er im Gange
draußen.
.Ka«rl!« rief ihm der alte Mühler
besorgt nach: Karl aber war nicht
mehr zurückzurufen und mit dein
Gute und dessen Auf-Sängen genau
betannt, lief er in die untere Etage
hinab, sprang von da in den Garten.
um Georg in diesem Augenblicke nicht
zu begegnen, und gelangte ungesehen,
wenigstens ungehindert. in das Dorf
hinab. Dort brauchte er auch nicht
Ilanae nach feinen früheren Kameraden
’zu suchen« Ein Ball-haufe, der fich
vor einein Bauernhaufe fchreiend und
iachend umherdriinate, verrieth ihm
auaenblicklich die Stelle. wo die drei
:»Kiinftler« eine rohe ar von su
sfchauern entzückten un unterhielten,
shiitte feihft nicht send fchan wieder
auf der Spise der Leiter. den Kopf
nach unten. die Beine in die Luft ge-—
streckt, hoch über die ihn umgeben-dem
Dörfler hinausgeragt (
Karl hatte auch vom sjenirer au
ganz recht gesehen. Es waren in der«
That jene drei jungen Burschen, die
früher zu ihrer Gesellschaft gehörten
und bei der Auflösung derselben brod
los in die Welt geworfen wurden.
Wie sie indessen ihr Leben gefristet,
zeigte sich deutlich in dem gegenwärti
gen Possenspiel auf offener Straße,
und Karl schämte sich fast, sie hier
vor allen Leuten anzureden. Aber
sprechen wollte und mußte er mit ih
nen — er wußte überdies, das; die
Mittagszeit sie zwingen würde ihre
Künste einzustellen« denn hier nnd
da entfernten sich schon einzelne der
bisherigen Zuschauer-, um ihren eige
nen Wohnungen und gedenken Tischen
zuzueilem Karl hatte sich darin auch
nicht geirrt. Die Glocke des kleinen
Kirchthurmez hob kaum aus« ihre
zwölfmal anzuschlagen, als die Zu
schauer, die bis jedt einen festen Ring
um das Künstler-Trifolium geschlos
sen, nach allen Richtungen hin aus
einander stoben, und ohne daß Einer
non ihnen daran gedacht hätte, die
doch jedenfalls eben so hungrigen
Equiiibristen einzuladen, ja ohne selbst
das Geringste siir den gehabten Genuß
zu zahlen· waren sie im nächsten Au
genbiicke spurlos verschwunden
»Alle Teufel!« rief der Eine von
ihnen, Dens, der diesen plöhlichen
Rückzug aus der deriehrien Vogeipw
spective von der Leiter aus mit ange
sehen, indem er mit einem geschickten
Sah herunter und auf die Füsse kam,
—- »tpie die Canaillen laufen, und
Du, Müllheimer, läßt sie auch fort,
ohne einzusammeln!«
»Da sammle Du einmal«. brummte
der Angeredete, »wenn bei derartigem
Gesindeh noch sda u an einem Sonn
tage, die Fuss « sehtiigii Aber nach
Tische tpi ich sie schon wieder zusam
mentriegem und dann sollen sie dop
pelt dafür bluten. —- Wetter —- wer
ist denn das, der« da driihen sieht? —
das Gesicht tornmt mir sehr bekannt
bor.
»Geb- thhen wie geht-V .
»Ehe-eint bei allen sieben Tot-sün
den!« rief die bei seinem Spottnarnen
Ungeredete erstaunt aus; Jene Hasel,
III-ID- too konnan Du aus ein-mal wie
out den Wolken heraeschnettk
; «
» »r
» »Der-on nacht-Ä sagte Karl, dein
nicht daran lag, hier auf der Straße
»ein langes Gespräch mit ihnen anzu
»tniipfen. Jede-mai in’s Wirthshau
Hiach T ich werde dort für Euch etwas
zu essen besiellerss —- und ohne eine
Antwort abzuwarten, bog er in die
nach dein- Stern fährende Gasse ein
und überließ es seinen früheren Ge
fährten, ihm, der willkommenen Ein
ladung nach, so rasch mit ihren ver
schiedenen Utenfilien zu folgen, wie sie
eben konnten.
Es war dreiviertel aus ein Uhr «
pünktlich um ein Uhr wurde Sonn
tags aus dem Gute gegessen --— als
Karl, eben so heimlich, wie er sich ent
fernt, durch das in den Garten siihi
.rende Saalfensier mit Hülfe einer in
der Nähe lehnenden Stange zurück
stieg und seines Onlels Zimmer be
trat.
»Na, da ist er — Gottlob!« sagte
dieser. »Ich stirchtete wahrhaftig, er
hätte dumme Streiche gemacht. —- Ei
ist gleich Eins, Junge.«
sher Blick haftete aus Georginem
die in der Mitte der Stube, die rechte
hand aus den Tisch gestilsh stand,
und starr vor sich niedersah ohne von
dem Eintretenden die geringste Notiz
zu nehmen.
»Ja. Oniel«, erwiderte Karl ruhig,
ohne den Blick von der Frau zu wen
den, »und wahrscheinlich auch das
letzte Mal, daß-ich es hier werde Eins
schlagen hören.«
»Bist Du toll?«« ries Mühler er
schreckt, und Georgine sah rasch und
forschend zu ihm aus. Karl aber, ohne
sich im Geringsten irre machen zu las
sen. entgegnete: »Nichts weniger als
das. Onlelx ich habe im Gegentheil
heute ,wie ich glaube, meinen Verstand
erst wieder gefunden, und bin nicht
gesonnen mich hier liinger tnechten
und mißhandeln zu lassen, nur um
zu leben, wie ed einem Dritten gestillt.
während ich draußen mein eigener
Herr sein kann. Die Kameraden ge
hen nach Altona, wo sich ein neuer
Circuz unter dem berühmten Nohazet
etahlirt hat. Rohazet zahlt brillante
Gaaenx und wenn Georaine mit Jo
sephinen hei dem.eintriite, konnten
sie . ..« ·
»Rahazeti« unterbrach ihn Geor
gne empor-fahrend, und tiefes Rath
in dem Augen-blicke ihre Wan
gen-, Jurist Du das genaht«
«Gewisz«. erwiderte Karl bestimmt,
,,Mtiliheimer. send undsentling sind
eben dorthin unterwegs. Rohazet hat
sich mit dem größten Theil seiner srii
heren Gesellschaft veruneinigt, oder
sonst Schwierigkeiten mit ihnen ge
habt, denn sie sind ihm fast alte von
London aus nach Australien durchge
gangen. Bier allerdings bekommen
wir nichts zu hIren noch zu sehen,
ldrauszen aber hat’5 in allen Zeitungen
:gestanden. daß er eine neue Gesell
Fschaft griinden will, um mit ihr nach
Ausland zu gehen, and deshalb alle
namhaften Künstler auffordert, sich
an ihn zu wenden.«
»Aber ich have keine einzige solche
Aufforderung in den Zeitungen gele
sen«, sagte Georginr.
»Das glaube ich«, lachte Karl er
bittert, »wer liest sie zuerst? Georg,
und was wir nicht wissen sollen« das
weiß er gut genug zu unterschlagen.
Erst dorgeitern iam ich gerade dazu«
wie er die neue Zeitung in den Ofen
steckte, und meinen Kopf setze ich zum
Psande, daß in der die nämliche Aus
sorderung stand.«
»Von Rohazet will er überhaupt
nichts wissen« ,meinte Mithin nach
denklich, »und Du kennst den Grund
gut genug. Georgine, denn er ist eiser
-siichtig wie der Teufel aus ihn. Aber
wenn er wirklich dieZettung verbrannt
hätte, hat er doch nur Recht damit ge
habt. Was nüht es uns hier« zu wis
sen, daß sie da draußen m der Welt
noch lustige Streiche treiben! Wir
haben nichts mehr damit zu thun.«
»Meinst Du, Onkel?« ries Karl;
»wenn Du wirklich eine solche Schlaf
miise geworden bist, Dich ruhig unter
dem Daumen halten zu lassen...«
,Junge", lachte der Alte, »ich bitte
mir mehr Respekt aus . . .«
»So magst Du ei thun«, fuhr je
doch Karl unbetiirnmert sort.
»Er but Recht«, suhr Georgine da
zwischen, «,,wenn ich lo wenig hätte,
was mich hier bindet, wie er, nicht
drei Tage würde ich den Zwang er
tragen hin-ein«
,Den Henker auch«, sagte tnurrend
der Alte, «er hat seine ganze Familie
hier, und wenn ihn die nicht bindet,
was sonsti«
»Wenn die von der Muth an
denen mir etwas liegt, gescheidt sind",
entgegnete Karl, »so machen sie es ge
rade so wie ich und lassen den alten
Brunnenbin seine Felder allein düngen.
Zum deuten wennswrgine zu Raha
zkt time. der stellte sich auf den Kot-s
m lauter Freude, und aus den hän
den wiirde sie dort getragen, von den
Leuten wie vom Pudlitum.«
»Na ia. sey Au ihr nur auch noch
solche Dinge in den Not-h schalt der
Alte, «weiter hat gar nichts mehr ge
fehlt! Das braucht's auch eben noch
sie über die Stränge schlagen zu ma
chen — und sie weiß, daß sie nicht
dars."
»Ich kann nicht fort«. erwiderte
auch Georgine dtisier vor sich nieder
blickend, «er giebt mir mein Kind
nicht, und ohne Josephinen geb’ ich
keinen Schritt.«
.So nimm Dir’s«, trohte der junge
Bursche. »Was will er machen. wenn
wir heut Abend unsere Sachen beim
lich zusammenpacken und, am nächsten
Morgen iiber alle Berge sind?«
«Bal), Du sprichst. wie Du’s ver
stehst«. sagte der Alte; »Du könntest
vielleicht weglausen. und ich glaube
nicht einmal, dass es Georg’z Herz
ibrechen wiirdr. aber,die Frau und das
Kind —I-- in zwei Stunden bätt’ er sie
wieder, und nachher . . .««
Die Augen der Frau leuchteten von
einem unheimliche-r Glanze, aber sie
sagte sein Wort. Karl dagegen lachte:
.Aber mein armer Kandidat, —— dem
breche ich das Herz gewiß. Wen bat
er nun morge , den er auiilen und
drangsaliren l uns Und die lateini
sche Grammatik nebrne tch zum An
denlen mit."
.Red’ nicht to tolles Zeug, Karl!«
ermahnte der Alte; »Du sprichst wahr
haftig. als ob Du ganz im Ernst an
solche Thorbeit dächtest«
(Fortsehung solgt.)
Wie ein General lebt.
Viel besprochen— wird ein interef
lanter Artikel, den der General
feldmarfchall von der Gold unter
dem Titel Stellung und Einlommen
in der Deutschen Revue veröffentlicht
hat. Sehr lehrreich ist« was von der
Golh über den Haushalt und dasEim
kommen eines kommandierenden Gene
ralö erzählt.
Von der Golh fchreibtc »Das Ein
kommen eines kommandierenden Ge
nerals in Deükfehland beträgt MMIO
Mark (etwa 87500 brntto,neblt Woh
nung und acht Pserderationen Das
klingt recht stattlich, namentlich wenn
man es mit bürgerlichen Einkommen
iilterer Zeit vergleicht, wo ein Kauf
mann, der 30-000 Mark jährlich aus
keinem Geschäft zog, als reicher Mann
angesehen wurde. Näher geprüft,
schwindet der Werth indessen beträcht
lich. Zunächst ist zu bemerken, daß
dies noch genau dasselbe Einkommen
ist« das der durch die vorangegangenen
Kriege bitter arm gewordene preußi
sche Staat im Jahre 1814 für feine
kommandierenden Generale testfeyte.
König Friedrich Wilhelm lll. war
sicherlich sparsam, hielt aber doch die
4000 Thaler Gehalt und 60002haler
Dienstzulaae, die er ihnen bewilligte,
iiir nothwendig, damit sie ihreStellun
gen, ohne Nachtheil fiik lich selbst, aus
füllen konnten. Das Gehalt der kom
mandierenden Generale wird allo
demnächst das hundeetiährige Judi
läum seineftBeftethens feiern können.
Voll slcskm thlil Voll Its-Miit
Mart geben nun aber sogleich 720
Mart Mirogeid und rund 12M Mart
Steuern ab; dann lonrmt die Witwen
lasse, die Lebensversicherung ' und die
anderen Bersicherungenz es solaen die
Beiträge allerArt siirWoblthätigteits
und gemeinnühige Zweclr. Sie sind
meist nicht unerheblich: denn der
biichstgestellte Militiir der Provinz
muss doch auch in dieser Hinsicht mit
gutem Beispiel vorangehen. Es sagt
ja auch hier wieder ein jeder: »Wenn
solcheherrschnsten nicht beisteuern wol
len, wer soll es denn thun-" Kurz, ich
glaub-e nicht seblzugreiien, wenn ich
den siir haus, Wirtbschast undFanrilie
übrigbleibenden Nettobetrag aus höch
stens 2000 Mart imMonai, also rund
24,000 Mart im Jahre, berechne· Jn
den meisten Fällen wird weniger her
auslommem
Davon soll nun zunächst, außer den
rein persönlichen Bediirsnissem eine
Equipage unterhalten werden, zu der
nichts vorhanden ist als das Futter
und der Stall, das heißt ein nur ge
ringer Theil dei Ganzen. Die An
schassung von Pserdem Wagen, Ge
schirren, Decken, Stallgeriith und deren
Unterbaltun nimmt einen stattlichen
Betrag in nspruch. Iiir die Reit
pserbe ist eine besondere Stabsordos
nanz da. Umsonst hat man sie aber
auch nicht, »denn als llnterossizier
tann der Mann außerhalb seiner
Trupp-e nicht von seiner Löbnnng lei
ben, er must eine Zulage haben, die
nach dein iiblichen Sau bei-n komman
dierenden General 30 Mart monatlich
beträgt. Selbst Unterossiziere und
« Ordonanzen haben heute mit den thea
ren Preisen u rechnen. Der Kut
scher stir das ulmoerl aber muss ac
rnietbet werden. Er tostet in Berlin
und anderen grossen Stadien ieht 120
bis 150 Mart monatlich (der meinige
erbiilt MS Mart und IS Mart Woh
nunasgeld erkenntlich da ein zuverläs
siaer onn billiger tn Berlin W. nicht
Juba n war), in kleineren vielleicht
80 oder 100 Mart· Ein Stallbur che
loninrt bei sechs bis acht Pser n
geichsalli noch hinzu. Seiten wird tin
tall sehr gespart; denn — »wer soll
Wohlwan solche Der-schonen Ins-c
einmal zahlen wollen« So geht ei in
allen Dingen: mit Befchlag. Sattel-—
zeug, Stallgetätln
Jm Generallommando sind ein
oder zwei Orvonanzen thötig. Aber sie
mässen ernährt werden« und zwar
reichlich; denn wenn denselben es
nicht einmal im aule seines komman
dierenen Genera i gut hal, wo sollte
ei denn geschehen. Auch sie erhalten
eitlte monallicheZulage aus Privatinit
le n.
Ein Setz-nein iilterer Leutnant.neut
bei der Garde und ist verheirathet. Er
erhält 2500 Mart jährliche Zulage
—- nicht glänzend siir einen haus
stand aus den besten Kreisen in Berlin
oder Potidam, aber doch immer genug
siir den, der es von seinem Gehalt ab
geben soll. Der zweite Sohn ist zur
Linie gegangen, aber ein kommandie
render General darf sein Kind doch
nicht zu knapp halten; er muß ihn
mindestens mit 1200 bis 1800 Mart
siiri Jahr bedenken. Manchmal lommt
ein dritter und vierter. oder es tem
men ein paar verheirathete Töchter mit
gleichen Rechttn dazu, und es fallen
bereite von der noch verbleibendenJah
reieinnahme rund MOO bis 8000
Mart fiir die außer dem Haufe leben
den Kinder fort, so daß nur noch 16.
000 bis 18,000 Mart iibrig bleiben.
Es folgen die »ziirtlicben Verwand
ten." an denen es nir end-s fehlt.
Jn einem langen ienstleben leitet
man Herz und Gemiith auch an eine
Reihe von Mitarbeitern und Unterge
benen, von denen gelegentlich der
eine oder andere vom Schicksal ver
folgt wird, und den man aus Dant
barteit fiir geleistete Dienste nicht im
Stiche lassen darf.
Da bleiben nur noch —— selbst wenn
man die anderen gewährten außerge
tviihnlichen Unterstützungen nicht rech
net -- im günstigsten Falle 15,000
oder 17,000 Mart, von denen der ge
sammte Haus- und Hofhalt bestritten
werden soll. Daß das nicht leicht ist,
bedarf teiner weitläufigen Auseinam
dersehung
Both nun lommt die Gefelligleit an
die Reihe. Der tommandierende Ge
neral beispielsweise ist verpflichtet,alsz
die höchste Militiirperson einer Pro
vinz von mehreren Millionen Einwoh
nern zu repräsentieren. Dazu toll ja
auch die Dienstzulage bestimmt sein.
Er gibt entweder zwei große Balle mit
«sihendem Souper« oder einen solchen
Ball und ein paar zwanglose Tanz- «
sefte. Dann folgt eine Reihe von ileis
nen und roßen Diners, gelegentlich
auch ein ommer-, ein Gartensesi oder
die Einladung zu einem Aassluge. An
1200 bis 1500 Personen, natürlich
wenn man die öfter im Hause verleit
renddn mehrfach zählt. werden wohl im
Laufe des Jahres bewirthet werden«
Nun verlangen wir auch hierbei Ein
fachheit. Aber so einfach es auch her
gehen mag, wird man Speise und
Trant nebst Musit, vermehrter Bedie
klung, Einlndungsi und Tanzkartem
Kotillongegenständen u. s. w. für die
Person nicht unter fünf Mark berech
nen dürfen. Da müssen die jüngeren
tanzendenHrrren schon in ten entfern
teren Nebengemächern die Sorte Spe
ranza —- ,,Laßt sie draußen, ehe ihr
eintretei« — rauchen und mit dünner
Bowle zufrieden sein, die ja auch am
besten belommt. Nun ziehe man die
sen Betrag von 6000 bis 7500 Mark
noch weiter vom Gehalt ab — und
w. s bleibt?
Die schulmeisterische Weisheit aller
derer, die in den jüngsten Jahren über
den Luqu im deutschen Heere und Be
amtenthum geschrieben haben,- wird
hier einwenden, daß man auch in ho
hen und höheren Stellungen sparsam
sein und auf gute Wirthschaftsfiihi
rung achten müsse
Allein die eigene Uebertoachung
und Leitung eines so großen Haue
standes nimmt Zeit in Anspruch —
und das sollte ja gerade vermieden, es
solliferreicht werden, dasz die hohen
Staatsbeamien sich ausschließlich ih
ren Amtsgeschiiften widmen können
Thatfiichlich geschieht es auch, aber zu
ihrem Schaden Es sind nur wenige
von ihnen in Herr und Verwaltung,
die die Zeit eriibrigen, sich eingehend
um ihre höuölichen Verhältnisse zu
kümmern. Sie ehen ihre Familie
-taurn —- auszer be den gemeinsamen
Mahl iten. Die Frauen haben mit
derdshlthiitigleit den Vereinen, Ba
saren, Vorstellungen zum Besien der
Armen und Kranien zu tun. Sie
dürfen sich des Beispiels halber dem
nicht ganz entziehen. Da muss es also
noihgedrungen etwas nachsichtiger im
eigenen Hause hergehen als bei Leuten«
die nur für sich zu sorgen haben. Un
möglich kann genau auf jeden Heller
geachtet werden. Man muß sie wohl
oder übel rollen lassen. und wer Ver
mögen hat wird der Regel nach zu
sehen. wer keines besiht, sich in allem, ·
was den persönlichen Bedarf anbe
trifft aufs tin rfte einschränken müs
sen oder Schu den machen. Rothwein
dig ist ei seden alls, alle Ausgaben, die
sich irgend urlt ien lassen, abu
lehnen, au wenn te sonst der S el
lu zutii men. Dorn-ide entstehen se
ganz ernsie Mißsi nde