Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 22, 1911, Zweiter Theil, Image 11

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    -M .»,«sp A JI1
z Ollkmt schwillt-Mk m
: sit-zu sank-ungel.
d.
Aa. oda Die lonne es mich jest
glanive odder nit, ich sin all in. Mei
Bohns die duhn mich so tveh un sin
so soht, daß ich es gat nit sage kann.
Ich sühle noch immer als ob ich an
den Sattel von densMotorseitel sise
deht. Wei ich hen gar nit streht gehn
tönne un das Siye hat mich auch
Teubel gemacht. Weil der Bennie soll
mich noch emal mit sein Motersetel
komme. Der Philipp, was mein Hos
dand is, der hat mich e Dosend mal
gefragt, was die Mättek mit mich wiie
un ob ich mehhie Rummetissem hätt.
Jch hen ihn awwet oss Kohts nit sage
wolle. was die Mättet war un da hen
ich gesagt, ich deht denke, es mißt so
edbes sein, mehdie es wär auch en
heckseschusz. Was wee'n Se denke,
det alte Fahl hat gar nit geivißt, was
en heckseschuß is! Jch hen gesagt: Du
besser gehst noch emal in die Schul un
duhst das schmale Ebiesie lerne. En
heckseschusz is, was mer aus deitsch
Lumpehio risse duht un wenn met sich
etumdrehe oddet siuhpe duht, dann
denit mer es dehi ein Jemand in das
Schmale von den Bäck werfe. Ach, hat
er gesagt, das is en Heckseschuß, iot
warum nennst du es nit gleich bei sein
rechte Name? Jch hen heckseschuß
gesagt, hen ich gesagt un denie se nur
emal an, hat doch dek Fahl geseit wie
alles un hat insistet ich hätt n it
heaseschuß gesagt! Well, hen ich ge
dentt, was soll ich mich mit so e Ka
meel etum seite un da stn ich still ge
wese.
Es hat so ebaut en Dag odder zwei
genomme, da is der Bennie komme
un shat gesagt, ich sollt emal mit ihn
in den Stohk gehn, for e Moteeseiiels
, auszupiclr. Da is mich widder allesi
eingefalle. For Guntnes GrehscheM
hen ich gesagt, bist du immer noch nit?
die ikehsige Eidies los? Ei schuttseh
nati, hat er gesagt, du weißt gut ge
nug« was du mich gedkammiszt hast,
sot daß ich den Pa nicts von unsere
Neid gesagt hen. Da hen ich gesagt,
no Bennie, das hen ich nit vergesse,
atvwet ich meine du sollst eschebmt»
von dich sein, daß du bezahlt sein»
willscht, wenn du deine Ma e Fehivet
ouhn duhst. Einiges Kind sollt pranti
draus sein, wenn es seine Ma pliesej
kann un ich sin schuhr ich hätt sorJ
meine Ma einiges gedahn. Wei, ich
iann noch ganz gut tietnemdete, daß
meine Ma einal so schrecklich Tuhseht
gehabt hat« daß sie es hakdlie hat
stende könne. Was hen ich gedahn.
ich hen mei Schahlche umgehiingt un«
sin heimlich sortgeschnielt un sin zu’
den Bari-et, wo sellemals auch Zähnl
aepulli hat un hen mich den Tuhö soki
die Ma pulle losse wolle. Sieh, das?
is was ich Liebe un Kansiddecehschen
tuse.«
»Weil, hat dek Bennie gesagt, dann
will ich dich emal ebhes sage," sell is
gar niclö, das deht ich auch einige
Minnit. biiahs ich wüßt ja doch, daß
mich der Dentist gleich widdek heim
ichehse deht, bitahs, das weise doch
jedes Kind, daß dei Tuhseck nii
stappe dicht, wenn ich mich en Tuhs
pulle losse. Was awwer das Mater
seitel lonzerne dicht, so is das e Biß
neßiPtapposischen un das is all, was
es is un es is gar nit schön von dich,
daß du e Ptammiß mache duhst, un.
willst nachher ausbäcken sok den Nie-!
sen sag ich: Schelm-« an iuh!« Beii
Gan-, Mist-: Entom-, wie vek But-I
den Weg zu ’tnich qesvtoche hat, da hens
ich schuhr genug so tschieo gesiihlt wie»
allez. Jch hen aesagtc Bennie, wenns
du dei ganzes Lewe lang den Wng
denle dubsi, dann machst du noch emal
en gute Bißneszmanm so oiel is
schuht, ich will das rechte Ding an
dich duhn un sor den Riesen sag »ich,
weht .e Minnii, ich mache mich teddig
un dann gehn mer in den Stohk.
Nau fuhr tahiing, hat der Bennie ge
sagt un it soe lauter Freud eisum
aetschmpt wie e ltehsiges Schickem
Nach e kleine Weil sin ich teddig
gewese un met sin sott sange. Jn
den Steht hat mich der Bennie in
ttoduhst un hat gesagt, dass ich die
Lehdie wär, wo ihn das Moterseilel
lause wollt un auch daioe bezahle deht
un er sollt uns emal ehhes Gutes
zeige. Ich hen at nickt z sage dran-J
che, der Vennie got olles gesagt. Well«
ich muß etmitte, daß der Stohriiepee
ensarig seiner Mann gewese it. Er«
war atig neis zu mich un hatnar niti
pui um dem vermi- iek Geschmatj
fgewwe ask hat e Wicht innige-.
bracht, das war e Pieisch. wie ich aw- l
wer gesehn hen, daß hinne noch eni
zweiter Sattel gewese is, da hen ichi
die Schills kriegt un mein deckst-s
schoß hat mich arig gedaitert. Jchl
hen den Bennie das Wiel ausredde«
wolle. awwer er hat insisiet, daß er
eins siir zwei hen wollt, mehhie daß
,eniai eins von die Gehrlis mit ihn en
»Mit nein-ne wollt. Ei hätt nit viel
sgenonnny dann hätt ich die ganze
IStorie eweg gewwe, Zion-er ich sin
Jnoch in die rechte Zeit still gewese.
- Well, wie ich von den Stohriieper die
Preises sor die Moterseitels gehört
hen, da hen ich mich aus den Stuhl
»sehr müsse, sonst wär ich schuhr genug
umgefalle: das wag sich der Bennie
ausgepicki hat, hat drei Hunnert Dah
ier gekost! Der Siohriieper hat e
Glas Wasser herbeigehoit un hat mer
en Tsrhoni Eis aus mein Kopp ge
legt, hiiahs er hai gesehn« daß ich
ilohs zu en Kohlläpps gewese sin.
Well, sor e lange Storie iorz zu ma
chen —- ich hen das Wiehl geiausti
Awwer in meine Jnseit hen ich das
seierliche Pietsch geseint, daß ich nie
nii mehr edbes zu die Kids dram
misse wollt, wo ich nachher sattie sor
siihie duhn. Jch hen immer gesagt,
wenn die Kids klein sin hat mer
iieine Truhei un wenn se groß sin,
hat mer große.
— Mit beste Riegatdö « —
Yours
i
Ltzzie hanfftenge-l. »
tiefem-deren
Mutter: »Na, haft Du denn gar
leine Luft, die eingeleitete Scheidung
rückgängig zu machen?"
Tochter: »Nein, es ist auch schon
alles abgemacht —- mein jetziger Mann
wird als Trauzeuge bei meiner näch
ften hochzeit fungiren!«
Die trasrtsen Luftldtelr.
Luftspieldichteu »Ich werde näch
stens etwas Trauriges fchreibeni«
»Da haben Sie recht; in Jhrem Al
ter tviirde ich auch nicht mehr umfat
teln.« J
Die srfcheidte Stsdtfrnru
«Hiiren Sie, die Milch sieht aber
furchtbar blafz aus. Sind denn Ihre
Kühe fo blutarm? Dann sollten Sie
ihnen fleißig Rothwein und weichgei
kochte Eier geben!'·
Der Zweck der Misitt
Bräutigam: «Jest will Papa ftatt
W Gulden gar nur dreitaufend
tnitgebenx darauf lasse ich mich aber
nicht eint«
Braut: »Aber Eduarix fiir dreitau
fend Gulden lannft Du mir doch auch
Echon eine hübfche Menge Kleider lau
ent«
ins Bad reimt-«
-—»Sa, it das also der Dank, daß ich
ein ganzes - ahc gesund CejsliehemäM l
——-..Liebfse Dom, du sannst unmöglich (
-»Du« Vase-, was soll denn bös alletveil
san: Doppeltoiizert?«
»Na, dös wird halt was Aehnliches
sau- wie Doppetsümmell' " «
· s c I
Einma: »Gut-a, ich weis- tvaä Neue-;
hört-, der Mensch stumme vom Mer
a
Papa (enirüitet) »Das kann A It
der Fall fein, aber ich danke für s- yet
Unsinn.«
——--q—
Schlafhändler in Paris.
Im Programm der sogenannten
Großfiirstenrunde, die unter Geleiti
eines Bärensiihrers oder Minirnalsj
schnhcnanns durch die nächtlichen;
Sümpfe der Weliftndi Paris, durch»
die finstern Schlammhöhlen der Licht-s
findt führt, darf such ein Besuch beiml
Schlafhiindier nicht fehlen, wie derl
Vollsmund sehr hübsch die Her
bergsvöier der Rachtnsyle nennt.
Das Obdach,- das die städtilche
Fiitiorge den Wohnungslolen ge
währt, ist viel, viel zu ilein für das
tausendiöpfige Heer derer, die am
«Motgen noch nicht wissen, wo sie
Abends ihr Haupt hinlegen werden«
Außerdem wird die ftädtische Gastlich
keit nicht länger als drei Abende hin
tereinander, innerhalb eines Zeitrau
mes von zwei Monaten, gewährt, und
schließlich ist die Kontrolle, die in den
städtifchen Asylen geübt wird, nicht
nach dem Geschmack jedes Schlaf
gastes.
Fiir die Industrie des Sol-losband
lers bleibt somit noch ein weiterer
Spielraum, und sie nährt, so armselig
die Kundschaft auch fein mag, noch
imfmer ihren Mann. Die Menge thut
Is. —
Vor nicht langer Zeit bat man den
populsrsten diefer Hoielwirthe, den
Pere Feadim zu Grabe geleitet; eine
große Schaar heimathlvser gab dem
Todten, der« Mitglied zahlreicher phi
lanthropischer Gesellschaften gewesen
war, das letzte GeltiL — Der. edle
Menschenfreund hat bei seinem Wohl
thätigleitswerte doch immerhin sein
Schiischen ins Trockene gebracht. Von
jedem der Gäste, die er logierte, bezog
er eine Abgabe von 4 Sous (ettva 4
Cents); und die stets bis in den Kel
ler und unters Dach gefüllte finstere
herbei-ge in der alten Rue Denis faßte
allnächtlich 700 bis 800 Schläfer, fiir
dern Komfort sich der Wirth nicht in
große Unkosten stürzte. Sehe jeder,
wo er bleibe....
Pisre Fradin hat einen Nachfolger
gesunden, der das Geschäft ganz im
Geiste des Verstorbenen fortsetzt. Jn
langer Reihe warten Abends Schaaren
zerlutnpter Gestalten vor dem schma
len, schwarzen hochstöckigen Gebäude,
aus dessen geschlossenen Läden lein
Lichtschein dringt. Eine enge Pforte
gewährt Einlaß in den Vorraum, wo
eine an dem Zahltisch thronende Ma
trone Wache hält. Hier ist gewisser
maßen der Schiafsaal erster Klasse,
wo die Privilegierten hausen. Mann
an Mann aneinandergeriiclt sitzen fie,
etwa hundert an der Zahl, an einem
langen Tisch, den Kon vorniibergelegt,
und schlafen in unbeauemster Hockftel
lung den Schlaf des Gerechten. Unter
ihnen befinden sich leine zweideutigen
Erscheinungen; die Mehrzahl sind
junge Zeitungsansrufer, die erst gegen
Mitternacht eine kurze Ruhegelegenheit
suchen, um schon gegen drei Uhr friih
wieder in die Straßen auszuschwäp
men; auch gesetzte Leute« Marlthelfer
von den nahen Hallen, zählen zu der
besseren Knndschaft von Fradinsiiiiachs
folger. Sie sparen bei ihm das Lo
gis, obgleich sie guten Lohn verdienen.
Durch schniutzige, gewundene Trep
pen geht-s hinab in den Keller; schon
auf den Stufen liegen und iauern le
bende Wesen, über deren Körper der
Tritt des Besuchers ftolperi. Jn
chaotischem Durcheinander sind in der
Tiefe des Keller-Z, den dumpfer, uner:
trägliche Moder erfüllt, menschliche
Körper aufeinandergehäuft. Bettelnde
Hände strecken sich aus den Lumpen
hervor, schlaftrunlene Augen glotzen
verstört in das flackernde Licht der
Laterne.
III-J- 4!-I-- I-!.--k. Ist-A LI- EIN
JIUW Iscsks VIIUIU III-II UII OIUHI
in einen zweiten Kellerraum Dei-J
nämliche Bild, in seiner schreckenhafi
ten Häßlichteit noch gesteigert. Auf
das Erdgeschoß thürmen sich die-Stock
werte, alle dicht mit Schlaftunden be
feht, sodaß kein freies Plähchen bleibt,
und viele Schläfer in phantastiicher
Vertriimmung hingebettet liegen. Tie
hitze und der grauenoolle Geruch in
den von jedem frischen Luftzutritt av
gesperrten Räumen erreicht in dem
niedrigen Speicher unterm Dache eine
Intensität, die selbft abgehärteten
Nasen das längere Verweilen annim
lich macht· Heraus aus dieser Stätte!
ist der einzige Gedanke neugieriaer
Besuchen die fiir diese Sehenswiirdizp
leit von Paris dem Schlafhändler Js
feph ein sränllein geopfert haben,
um —- vie leicht nach einem luxuridsen
Diner —- ein wenig das Grufeln zu
lernen.
Und doch gehört diese Stätte noch
zu den begehrteften Nachtalylen, so
daß häufig genug, zumal im Winter,
tvo der Schlaf unter den Brücken oder
in den alten Feftungsgrähen teine
Reize mehr hat, Schlafgäste wegen
Ueherfiillun der herberge abgewiesen
werden mit en. Zudem liegt Fradin
nahe den Hallen und es ist so schon
warm dort; die miiden Gäste wissen
außerdem den Zwang des Schioeigens,
der in dem hause herrscht, zu fchätzen
und sind dankbar, daß Trunlenen der
Zutritt streng verweigert wird. Nicht
selten fällt auch ein mehr oder minder
reichlicher Obolug oder eine Nah-kal
gabe wie Tabat und Zigaretten fiir
die Schläfer ab, denn die reichen Be
sucher, fat fämmtlich Ausländen ha
ben eine offene Hand.
»Wohin nun'i« fragen die armen
Burschen, die bei Fradin keine Unter
tunft mehr gefunden haben. Drau
Blen in St. Quem in den nördlichen
rheitervierteln liegt aus wüstem
Baugelände eine Baracke baufälligfter
Art, durch die der Wind pfeift und der
Reden tropft. Dort theilen sich die
Stammgäste, 600 bis 700 an der
Zahl, allnächtlich in die engen,
fchmutzigem verwahkloften Räume,
wo große Ratten ungehindert verkeh
ren. Für die Ncsnlichteitsbedütsnisse
der Kunden dient einkeinzige Wasch- i
schiifsel. Doch sie ist langst zerbrochen
und verstaubt, denn Wasser gibts inJ
dem Etablifsement nicht mehr, seit der »
Wasserhahn einmal von einem Kunden
,,adoptiert« wurde. l
Jn den Schlafquartieren der ver- i
dienstlichen Heilsarmee sieht es etwas
tomfortabler aus« es gibt sogar Eisen
betten und lojenartige Abtheilungen;
ja selbst Zimmer siir etwas Bemittel
tere. Allein mit der Hygiene schaut’s
auch hier recht zweifelhaft aus; der
»foizier«, der die Aussicht führt, ist
offenbar mehr aus die seelische als auf
die körperliche Reinheit seiner Schütz
linge bedacht, denen nur insgesammt
tunf Waschichilsseln zur Verfügung
stehen. Auch mit dem Wechsel der
Bettwäsche wird kein Luxus getrieben.
Aber immerhin sind hier die Verhält- T
nisse noch erträglich zu nennen, na
mentlich wenn man sie mit den Schläf- .
gelegenheiten habgieriger Herbergs- »
väter vergleicht. Eine verdienstvolle
Folge von Untersuchungen, die ein
Arzt und ein Journalist in einer Pu
riser Zeitung iiber diese Zustände ver
öffentlicht haben und die eine harte
Anklage gegen die PariserWohnungs
fürsorge bilden, enthüllt furchtbare
Tiefen menschlichen Elends. Sie läßt
in jene schwarzen, grauenhaft schmut
zigen Höhlen alter Stadtviertel, die
man bei gelegentlichen Wanderungen
durchs dunkle Paris mit Verwunde
runq und Elelgefiihl gewahrt« hinein
bliclen, sie öffnet uns die Thür jener
schwierigen Wintelschenlen, deren
Gäste sich ein paar Stunden Schlaf
am Wirtsiisch durch ständiges Trin
ten erkaufen iniissenz jede Stunde
wird der Schläfer durch die Faust des
Wirthes aus seinem dumpfenSchlum
mer aufgestört, und wenn erjich wei
gert, weiter zu trinken, ohne Erbar
men hinaus auf die Straße gesetzt.
Viele nächtigen, um der Habgier der
Schlafhändler zu entgehen, unter
freiem Himmel, bald auf der heißen
Asche der Kaliäfen und Gipsfabrilen,
bald in Kanalisationsröhren oder auf
dem muffigen Stroh in den Stallge
lassen der Treidelpferde. Wer noch
nicht ganz vertommen ist, zieht den
Aufenthalt bei Mutter Natur vor, so
lange ihn nicht die grimme Kälte zwi
schen die Häusermauern zurücktreibt.
Alle Gesellschaftsschichten, alle Be
rufe finden sich unter diesen Penner
dern vertreten; das meiste Wracks, un
tiichtig zur Fahrt auf dem Meere des
Lebens, steuerlos dahintreidend oder
elend gestrandet. Seltsame Existen
zen begegnen den Entdeckern jener Un
tergriinde von Paris. Verabschiedete
-Offiziere, Notare, die ihre Kundschaft
verloren, Bankiers, die im Börsenspiel
ihre Existenz ruiniert, Gelehrte, die
vergeblich nach miitsamen Studien
eine Anstellung erhofst haben und nun
tagsiiber einein armseligen Brot
erwerb als Hausierer nachgehen· Jm
lateinischen Viertel verkauft ein
sprachiundiger ehemaliger Seminarist
Bleististe an Studenten, ein früheres
Klubniitglied, dessen Auge noch die
Spur des Einglases trägt, handelt
mit Heftchen, andere leisten Handlun
gerdienste in den großen Markthallen.
Sie alle gehen, wenn die Nacht ein
bricht, mit den anderen Enterbten des
Schicksals auf die Jagd nach dem
Schlnfe, ver ne ihr eienors Los ein
paar Stunden vergessen lassen soll
und opfert oft das Letzte ihres erbet
tekten oder mühsam erworbenen Ge
winns dem Schlafhöndler, um sich in
seiner dumpfen Höhle fiir kurze Frist
zur Ruhe betten zu dürfen.
Dr. Einil Schulb.
Der König der Wasserfälle
Jm Hochsammer und Spätherbst
verbrachte ich oft, in meinen Plaid
gehüllt, ganze Stunden auf der mor
schen kleinen Brücke unterhalb un
seres berühmten brausenden Kohl
bacher (Tarpatat) Wasserfalles und
versenkte mich in Gedanken in das
packend großartige Panoraan der
immerwährend dauernden Arbeit
der ewigschönen Mutter Natur.
Eine jede schäumende Woge zerstob in
Millionen von Wellenringen und eilte
in reinem Schneeweiß, der frischen
Milch ähnlich, mit rasender Schnellig
keit das doränenartige Felsgerölle der
einstigen Eistvelt hinab.
Jch hatte in dem engenThale der un
teren Donau, oberhalb des Haksan-T
des mächtigen Stromes Schnellen und
Kaskaden gesehen nnd mein träumen
der Blick schweifte weit in die große
Weit hinaus zum Niaqara, dem Stan
ieyfnlle am Kongo und dem von Liv
ingstone entdeckten Victorichasserfall
des Zambesi. der sammt dem Niagara
eines der größten Wunder der« Natur- .
irelt ist.
Mein träfnnendes Auge siihrte mich
weiter zu der ohne Gleichen dastehen
den Gegend des Yellowstone National
Part: ich sehe die großen Wasserfälle
im Canon des aus dem Yellowftone
kommenden Flusses, die Terrassen
Cannons des mit ihm torrefpondteren
den Green und die in die Tausendund
einenacht gehörende Wundertvelt des
250 Meilen langen Großcannons.
Und es kam mir in den Sinn, nach
zudenlen darüber, welcher eigentlichi
der König der Wasserfälle sei ? Der
des Niagara oder der des Zumbesii
Keiner von beiden. Bisher hatte ich
nämlich gemußt. daß der größte und
interesse-nieste Wasserfall der Welt der
Yguassa oder Jguaza sei. Neulich aber
Jvard ich auf folgende Zeitungs-Notiz
aufmerksam: «
J »Chamberlain - Wasserfall. Nach
dem berühmten englischen Ex-Kolo
Mal-Minister wird jetzt der neue-it
»deckte Wasserfall benannt, der mit
Recht mit dem Niagara wetteifetn
kann! Di. K. Bovallius machte näm
i lich neulich eine hochwichtigeEntdeckung
in Britifch-Guyana. Ek’entdeckte an
keinem Nebenflusse des Jreng, nahe an
Fdee brasilianischen Grenze einen Was
Einfall, dessen Höhe dem Niagata
ngeichlommi und dessen Natuzschdjiheit
iDckIcUIgcnss Des Kcilccllkwllssck-FCUH
:ähniich: Der neue Wasserfall
iströmt bei einer Breite von 200 Fuß
von einer Höhe von 800 Fuß herab.
Am Fuße des Felsens bildete sich ein
ovales Becken, von dem aus das gesam
melte Wasser 100 Fuß vom ersten wie
der einen 30 Fuß hohen Wasserfall bil
det. Bovallius schreibt in einem an
Iden Gouverneur der Provinz gerichte
ten Schreiben wie folgt: »Wäher
ich die mächtige Schönheit des Wasser
ssalles bewunderte, kam ich auf den Ge
)danten, diesem namenlosen Wasserfall
irgend einen glorreichen, großen Na
tnen zu geben Für uns englische Ko
lonisten gibt es außer dem Namen Sr.
Majestät keinen wichtigeren und ruhm
reicheren als den Josep Chamber
"lains. Darum bitte ich - ure Erziel
lenz, mir gestatten zu wollen, daß ich
diesen neuen Wasserfall Chamberlain
Wasserfall nenne."
: Nun habe ich nicht die Ehre, Herrn
Dr. Bovallius zu tennen und habe
auch gar teineUrsache, an seinerGlaub
Twitrdigieit zu zweifeln. Nichtsdesto
-tveniger suchte ich mit großer Sorgfalt
Hauf unseren größeren und kleineren
Lcsndtarten wenn schon nicht den
Chamberlain Wasserfall, so doch we
nigstens den Jreng-Fluß, den ich je
denfalls an der Grenze von Britisch
Guynua und Brasilien hätte finden
müssen. Doch nirgends konnte ich ihn
erspähen, nur auf der Doppelfeite 115
des großen Andreeschen Atlafses traf
Zieh aufdem Feld D 8 aus das Wort
’Jrenga, aber auch das ist nur der
Name einer unbedeutenden afrilani
schen Gegend und des Jrengastammes
Wenn meine bescheidenen Nachfor
schitngen vorderhand auch erfolglos
blieben, so ist darum beileibe nicht aus
geschlossen, daß es den erwähnten Fluß
doch gibt: unsere Karthographen hat-·
ten wahrscheinlich bisher keine Kennt- »
nis von ihm gehabt. Das mag uns
nun nicht im geringsten Wunder neh
men. Brasilien ist doch eine ganz be
sondere Welt, von deren mit Urwäl
tern bedecktem, zentralem Morast- Ge
biete wir uur sehr wenig hoffen, auch
vom Becken- Gebiet des Amazonas nicht
viel mehr
Jn diesen Urwäldern brachte derj
Präsident von Columbien. General R.
Reises den größtenTheil seines Lebens
zu: während seine zwei Briider En· ;
rioue und Neftor bei der Erforschung ;
der Gegenden des Aniazonas und Pa:
rana zu Grunde gingen, trachtete er;
selbst darnach, dieses Riesengebiet mit-·
tels Eisenbahnen und Kaum-Netzen
mit den bekannten Theilen des Konti
nents zu verbinden und darum- zeich
nete ihn auch die französische Regie
rung i. J. 1906 mit Recht mit dein
Orden der Ehren-Legion aus.
Dort war Dr. Uhrenreich, Dozent«
der Ethnologie an der Berliner Univer: ’
sität; von den Helden des Territorio
Nacivnal de Missiones unterstützt, »
forschen dort im Quellen-Gebiete des
Xingn die Brüden von den Steinen,s
von denen der eine, Karl, auch Prof. f
der Ethnologie ift, der andere, Wil-;
l,elin, der rinquforfchende Maler, fiiri
die Zivitifation eine gnnz nene Weltj
eröffnet und von dem Leben der Urein s
wohner Brasiliens den Vorfahren der
iKaribem namentlich der Batairi, den
ldicht deckenden geheimnisvollenSchleier
jenthiilltr.
’ Da gibt es Wasserfälle im Ueber
fluß. Denn die unermeßlichen Neben
fliifse des wasserreichsten Stronies der
WeltJdes AmazonensStromrs, strö
nien alle mit Wasserfällen herab, von
dein Hochgebirge der Andestetten oder
von dem Hochland Gnyanas nnd Bra
siliens: dort ist der Rio Negro mit fei
desn Nebenflusse. dem Bandes der
San Francisco (Paulo Alfonsv- Waf
serfalli und die Wasserfälle des Pa
rana und der oberen Nebenfliiffe Para
Uuays
Entlang des von Bovallius erwähn
ten Ober-Gebietes von Grimm find
noch sehr wenig Reisende gewesen, nnd
da kennen fie nur dienöchften Ufer
gegendem Besonders in dem venezo
lanifchen Theile Guyanas eilen die
Flii in unzähligen Karatten auf den
Sa ksgeinftufen des Hochgeländes her
unte, vom Essequibo ostwärts aber ei
len sie in Wasserfällen und Kataralten
brausend von den Paralleltetten des
Urfchiefer-Gebirges den tiefer gelege
nen Becken zu. Sicher man unter
diefen Wasserfälle-i der Chamberlain
sein.
Der Arqentinaforscher G Nieder
Llein beschreibt mit packenden Farben die
iKntaratte des anassu, des großen
flintsufrigen Nebenflusses des Parana
nnd besonders den bewundernstverthe
I sten, den Satt-) Viereck-.
f
Dach der König der Wasserfälle tsl
nicht der Viktoria, der nur« 500—-—600
’ Fuß breit ist, sondern der des Yguass
u, von dem die Geographen gelegent
lich des 8. Jnt. Kongresses zu St.
Louis vor vier Jahren aus dem Be
richte des Vertreters von Argentinien
Horacio Anasagasti Kenntnis erhiel
ten. Hierüber schreibt das Blatt der
Wiener Geo. Gesellschaft: »Der größte
Wasserfall der Welt, ein Natura-un
der. das die Niagamfälle und die
Viktorinfälle des Zambesi bei weitem
übertrifft, ist in Südamerila entdeckt
worden. Es handelt sich um die
anassnfälle.«
Der anassu, sagt Anasagnsti, dem
die beiden Riesenfälle auch persönlich
bekannt- sind,ist in seinem unterenLau
se in-einer Länge von 70 Meilen der
Grenzfluß zwischen Brasilien und Ar
gentinien. Der Fluß schlängelt sich
auf einein zerrissenen Hochgedietr. Un
gefähr 12 Meilen vor derMiindung in
den Parana stürzt der Yguassa mit
riesiger Schnelligkeit dahin, dann wen
det er sich nach rechts und bildet da den
weltberühmten Wasserfall. Der Fluß
ftiirzt hier in eine Schlucht von 210
Fuß Tiefe, während der Nia ara unt
aus einer Höhe von 167.-, u in die
Tiefe fällt. Der Wa erfall des
Yguaffu ist 13,122 Fuß breit. mithin
29 Mal breiter als der des Riagara.
Die in einer Stunde herabstiirzende
Wassermenge resNiagnra-Fcilles wird
auf 100 Millionen Tonnen geschätzt,
während vom Yguassa in einer Stun
de 140 ·Millionen Tonnen Wasser
hinabstürzen Dieser Fall ift zu jeder
Jahreszeit die großartigste Naturfel
teilheit der Erde. aber besonders zur
Regenzeit zeigt fich diese Erscheinung
ohneGleichen in ihrer unbeschreiblicheu
Großartigleit. Zu dieser Zeit erhebt
fich das Flußwasser schon auf der obe
ren Stufe oberhalb dem Wasserfall in
einer Breite von 80,000 Fuß von 6
Fuß auf 10 Fuß Höhe. Die Jnseln
des Flusses verschwinden: keine Feder
kann eine auch nur annähernd entspre
chende, würdiae Beschreibung Von der
Pracht des Wafferfalleå geben
Zuletzt war der preufzifche Globe
trotter Rich Eltz vor 5 Jahren am
Yguassuz mit ergreifenden Farben
malt er in seinem Tagebuch den auf
dem Missionär-Territorium Dignaiz
Rivales de las Cataratas del Niagara
genannten Wasserfall. Ein Dampf
fchifi führte Eltz in 5 Tagen den Pa
rana hinauf bis Corriente5; zwei Ta
ge darauf erreichte er die Hauptstadt
der Missionent Pofiidas. Von da
ging er auf kleineren Dampfern bis
zur Mündung des Yguassu, dort, wo
die Grenzen von Argentienien, Brafis
lien und Paraguay zusammenstofzen.
Wieirohl sie zwei Stunden entfernt
waren, hörten fie dennoch schon das
s Getöse; in einer Entfernung von einer
’ Stunde aber konnten sie sich schon an
dem Panorama der unteren Wasser-—
fälle ergötzten. Vom beasilianischen
Hauptwasserfall aus überblickten sie
dann dieer wundergleiche Natur-Phä
nomen. Dem ganzen Horizont ent
lang ftriimten die Waffermassen bald
in Kaskaden, bald feukrecht,bald mur
melnd und bald mit Donner-Getöse in
die 200Fuß tiefe Schlucht. Ein jeder
Tropfen des wirbelnden Wassers iur
zifchenden Herenlessel zerftcb in Mil
liarden und Milliarden nassen Stau
bes, um sich alsdann in dichte Dampf
wollen zusammen zu scharen.
Ein qtanzenoer Dornesptnegendogen
erhob sich iiber der rauhen Schlucht
beren grausenerregende Eintöniqteit
plötzlich Leben bekam: tausend und
abertausenb slatternde und lreisskhende
Papageien erhoben sich schaarenweise in
den Ivalleiiden Wollen und den golde
nen Strahlen der Sonne. Ueber dem
unermeßlichen Urwald streben schlanke
Palmen iu die Höhe, —- ein jung
fräulicher Wald in einem Kranze von
Palmen bildet einen würdigen Rah
men zu den-. feenhasten Panorama der
göttlichen Natur-. Kein rußiger Rauch
der Fabritsschlote, kein Gt«istharts, noch
Hängebriicken — wie in der Union ——
stören die ewigschöne ergreifende Har
monie und den vor Freude strahlenden
Blick unseres von solcher Pracht mäch
tig ergriffeuen Auges-.
Der spekulative Geist der Menschen
hat sich bisher znrs Ascslentnna der
Ygunssn noch nicht gezeigt, es gibt noch
keine für teures tkintrittsneld erreich
bare Aussichtsthiirme Doch in 1 bis 2
Jahren wird sich auch da das Bild Ein
vern. Tausende, ja Millionen werden
zum Yguassu- dem neuestenNaturwuni
ber, wandern. Pros. Samuel Laß,
Herr Verse-leis: »Sieh, Panlm wie der
Storch dort lange auf einem Beine steht!«
Frau Bettstro: »Mit deinen Beinen
i könnt« ers allerdinng nicht mache-up