Jamgm 2 tgkz Nebraska Staats-» Anzetger und J cerold September Imvl Zw eitc Odde l.) , U ummer »t. III Sonne nnd das Schicksal. Die Sonne achtet völlig gleich. Was sie bescheint aus Erden, Durch nichts vermag in ihrem Reich Sie fe bewegt« zu werden. Gewohnt an ihren alten Lauf Von einem Tag zum andern, Geht sie am Himmel leuchtend auf, Um leuchtend zu entrinnt-ern So legt sie ihre Bahn zurück, links Schicksal unbekümmekt, Das heute schafft ein Menschengliiei — Und morgen es zertrümmert Die Vioiine. cktizze von Agathe Herrmann. Der Herr Rechnungsrath war schlechter Laune. Mißmuthig schritt er in seiner Junggesellenstube umher, und die dicken Rauchwoiken, mit de nen er sich umgan, zeigten Frau Anne marie Mater —- der braven Haushal terin des gestrengen Herrn, die eben den Abendtisch deckte —- seine starie Erregung Es war aber auch wirt lich zu toll. Da wohnte man wett: draußen nur«-n Thor in einem ileinenJ mit wildem Wein umsponnenen Gar-! tenhaus —- wo die Utmen und Bittens zum Fenster hereinnickten. Man ist. voller Glückseligteit, so ein stilles Heinr, abseits vorn lauten Weltge triebe, gesunden zu haben. Man sreut sich der abendlichen Stillet ringsum. der letzten schmelzenden Strovben des Amselliedes in den ba hen Bäumen, all der Blüthenpracht, die iiber den Gärten umher ausge gossen liegt, als habe sie der- liebe Herrgott eigens nur siir ihn, den Herrn Rechnungsrath, geschassen Da iiiitt diesem Nentier Haber plötzlich ein, daß er in besagtem stillen Gar 'renhaus, seinem Eigenthum, ja noch ein Mansardenzimmer zu vermiethen habe. Und richtig, als der Herr Rath eines schönen Tages vom Bureau heimiommt, erblickt er voll Schrecken oben am Mansardenertee weiße Gar dinen, dahinter ein blasses Frauenge sicht -— die neue Miethspartei ist ein gezogen .,Lebt sie ganz allein? Wie sieht sie denn aus, Maiern?« fragte der Herr Rath und deutete mit der Pseisens spitze nach oben. Seit zwei Tagen tam er aus der Angst vor etwaigen nnliebsamen Ueberraschungen nicht heraus; es war zu unbehaglich, nicht mehr Alleinherrscher im Haus zu sein! »Macht sie Radau, wenn ich nicht daheim bin?« « »Nein, Gott be wahre, Herr Rath! Das is ja so’n stilles. alleiniges Frauenzimmer; die muckst sich nicht und geht immer so Mise, daß man ’nen Schrecken kriegt, wenn sie plöhlich vor einem steht, man weih'nicht wieso, woher, mit ihrem weißen Gesicht und den schwarzen Kleidern. Dünn is sie, herr Rath, unheimlich. wie ’ne Latie, ja!« Und Frau Mater sah bestiedigt an ihrer rundlichen Figur herab. Tagsüber is sie ja gar nicht zu Haus-; was sie draußen treibt, weiß ich nicht, es is ’ne aanz Verschlossene, die!« Ein lei ier Groll regte sich in der Maiern beim Gedanken an die wiederholten vergeblichen Versuche zur Befriedi gung ihrer, wie sie wähnte, berechtig ten Neugierde. »Und was ich noch sa aen wollte, Herr Rath ——" —- »Oui, was denn?« —— »Ja, sie läßt fragen, das Fräulein da droben, ob Sies wohl aenieren that, wenn sie Abendsl n Stündchen Vigeline, ich wollt’ sa gen, Violine, spielen thiite . . « »Was?« Der Herr Rath glaubte nicht recht zu hören. Ein Frauenzimmer· und Violinel Verriicltl —- Er schill- i telte den Kopf Rein, so etwas wart noch nicht da! Aber er hat’s doch ge- l ahnt! ---- »Das brauchts nicht das oulde ich nicht!'· Sagen Sie das der alten Schraube!« schrie er zornig »So ein Geiiedel bei der Nacht fehlt mit gerade noch; da wird nichts drausl" —- Ei pafste wie ein Schlot vor Autteaung. —- »Aber, here Rath«, wagte die Maierin eineni schüchternen Einwand, »ein Stündchent will sie doch nur spielen, und eigentil lich« —- sie nahm vorsichtig die Thür tlinle in die Hand — »eigentlich tön-, nen Sie s ihr gar nicht verbieten . . . »Oho! Warum nichti« schrie er. — ,,Weil jeder Miether spielen darf bis-halber elfel«— »Nein, hinausl« tobte der etwas polterische here Rath Aber die Masern war schon draußen und lachte vor sich hin: »Er neide schon dulden miilsen!«—— Das Fräulein da oben hatte wirt lich die Keckheit, allabendllch Violine tu spielen. Der Rath war außer sich. «Grad zum Troh thut sie'i,« grollte er. Doch darin hatte er un recht. Er wußte ja nicht, daß die gutmüthige Maiern auf die erneute ichiichterne Antrage der Mietherin die Befugnisse eigenmächtig überschritt. Das blasse, dünne Ding dauerte sie so, und mit Staunen fah es die Maiern, alt war sie noch gar nicht; nur weiß und leidend sah sie aus zum Guttat-armen »Die gute Frau Maier war gerührt, und das gab den Aus schlag. »Dein sperrn Rath ists ganz recht, Fröulein,« stotterte sie, »spie len’nur getrost!« Sie bereute auch — sontt die Ehrlichkeit selbst —- die kleine Lüge nicht, als sie die dankbaren Blicke in dem milden Gesicht aufleuch-. ten sah. »Spielen’s nur« Fräulein.«I wiederholte ste. —- »Jch danke, o ichs danke!« antwortete die schwache Frauenftirnr. »Aber bitte, das ist ein; Jerthum von Ihnen, ich bin lein FrauleinX Leise, stockend fügte sie( thei: »Ich hin Wutka — l ! »Den Rath, vie von vroven is "ne sWitttvh teine alte Jungfer,« sagte die »Maiern eines Mittags beim Abram men zu ihrem Herrn, »und -—« « »Zum Kuckuck, laß mich in Frieden mit ver albernen Person!« schrie der sRath erbost — »Na na! . . »Nicht einmal richtig spielen iann sie, « grollte er. »Es wimmelt ja von lan ter Fehlern —- aanz groben Schni trernl Das verstehen Sie eben nicht. Maiern! Durch und durch unmusiia lisch ist sie. sag ich Ihnen; und so et was hat vie Kühnheit, Violine spielen zu wollen und mir vie wundervolle Amnbruhe zu stehlen. Aber lange geht es nicht so weiter, lang nim mer!« — Tag siir Tag spielte die einsame Mansardenbewohnerin des Abends eine Zeitlang aus ver Biviine schlecht, das muß man zugeben; darin hatte ver Herr Rath recht. Dieser wurde natürlich von Tag zu Tag witthender, unv eines Tages hielt er vie »Qu«ale rei« wirklich nicht mehr aus »Das muß ein Ende nehmen!'· stöhnte er. »Na meine beschauliche Ruhe ist hin. Die insame Dudeiei muß sie lassen oder eins vo uns zieht aus, entwe ver ssie oder äst« Der Herr Rath zog den Bratenrock an und legte die Pseise weg. Die Maiern tvar starr. »Der Herr Rath gehen so spät noch aus?« »s— Miit grimmer Miene deutete der Rath anl die Decke »Ja der Wittwe oben 7«—— Jhre Lüge siel der Guten ein; sie tvurve talttveisz im Gesicht und packte ihren herrn am Arm »Lassen5 mich gehn, herr Rath, Sie sind so ungestüm.« -—— Der Rath riesi sich los »Nichts dat« —- Und schön stieg er wuchtigen Schrittes vie tnarrende Stiege empor. — Aus dem Mansatdenzimmek tönten die grausam verstiiinmelten Klänge ei nes einfachen Vollsliedeja hervor. Nicht einmal: »Es ist bestimmt in Gottes Rath« kann sie richtig fpietenl Hastig klopfte er an. Drinnen brach die Musik jäh ab und hastige Schritte näherten sich gleich darauf der Thüre Zum erstenmal stand der Herr Rath nun der Frau, der er grollte, gegen iiher. Mit leichter Handbewegnng lud sie ihn ein, näherzutreten. Zu gleich srug sie leise« sast ängstlich: »Was sührt Sie zu mir heraus, Herr Rechnirngsrath?« «—— Ob sie ahnte? »Sie lennen mich also schon?« hub er an, sich käuspernd — »Ich begegnete Ihnen schon verschiedentlich im Haus slui, der Herr Rechnungsrath sahen mich, glaube ich, nicht«, erwiderte sie leise. — «Hören, wollen Sie sageu,'« brummte er, ,,rnan hört Sie ja nicht, Jhre Schritte, Jhre Stimme, alles ist leise, nur« « hier hob er energisch den Ton « »Ihr Violinspiel, Sie .verstehen. das ist laut, aufdringlich laut!« —- Er wich den ängstlichen Augen vor ihm aus; das blasse Ge sicht schien noch uui einen Schein bliisser zu werden: aber —- es mußte gesagt werden! »Das geht nicht so weiter, Ihr falsches Violinspielen, hö ren Sie. Was war das eben wieder siir eine Dudeleit Das macht einen verriieltt« schrie er förmlich. Jetzt war es gesagt. was er zu sa aen hatte —- nierlwtirdig —- Triumph spiirte er gar keinen; im Gegentheil, wie Beschämuna itbersiel es ihn beim Anblick dieser traurigen Augen, der miid aebeuaten, Harten Gestalt. »Ich bin eben sehr nerviis," sioiterte et »u"nd abgesponnt, wenn ich Abends vom Bureou komme; diese allabend ltche Ruhestörung« -— »Sie« haben annz recht.« lchlua die leise Stimme, wie von Thriinen erstickt, an sein tOlm ,.ganz recht. Find ich werde nicht Einehe spielt-« Jltr Blick flog zu der Bioline dort aus dein Tisch unter der kleinen Lampe. »Ich werde sie von i i ( ( i W ab nur noch streicheln, streichelns und betrachten —- ——« Ein wehes Zacken flog um den blassen Mund nnd Thrönen blintten in den trauri aen Augen. Das konnte der Rath nicht mit ansehen. Er wat zwar nach; außen etwas poltekig, sonft jedoch einj weich veranlagtek Mensch; jeden Groll fühlte er schwinden. So stammelte er jetzt etwas tonsus: »Aber —- soI weinen Sie doch nicht, Wenn-es Ih nen so ata ist und —- so vermeinte ich es nicht, spielen sollen Sie schon ja! Nur eine andere Zeit —- tagsiibek — wenn ich im Geschäft bin, wiirde es mir eben lieber sein bitte!« — Sie seufzte schwer. »Ich bessere Spitzen aus in einer chemischen Reinigungss anstatt, wo ich auch mein weniges Essen verzehre. Ich bin nur Abends zn Hause. Das war alles anders, als mein Mann noch lebte und mein süßer Knabe," subr sie leise, wie um sich, halb unbewußt, zu vertheidigen. fort. »Es-Zehen Sie, Herr Rath, daß ich schlecht spiele, ich weiß es. Oft lachte mich mein Mann, der Theater niufitus war und mir zum Zeitver treib Unterricht auf der Violine gab, tüchtig aus wegen meines schlechten, musikalischen Gehors. Und ich lachte mit —- ich war ja so glücklich damals, so glücklich! Jch gab es auch bald auf, das Spiel, hatte keine Zeit mehr, als dann mein Kind zur Welt gekommen war. Später, als dieses heranwuchs, lehrte es der Vater nun auch das-ge liebte Jnstrument spielen. DerJunge war hervorragend musikalisch begabt; das war nun freilich etwas anderes als mein Spiel; mit 5 Jahren schon lonnte er einfache Lieder und Volks weisen fehlerlos und mit innigem Ge fühl vortragen. . Oh, es lautete so schin. das Spiel des lieben Jungenl «Und sehen Sie, Herr Rath — wenn ich nun, nach all den entsetzlich trüben Zeiten, in all der Verzweif lung des jähen Verlustes der beiden mir so theuren Menschen das Instru ment hier ergreife, da kommt ein mil der Trost in mein wundes Her-n Wenn ich mit dem Bogen über die Saiten streiche, da lehrt in der Erin nerung mein einftig Glück auf kurze Zeit zurück. Jch bin dann im Lande der Glückseligkeit bei dem Kleinen. Darum suchte ich die Töne, dik ich einst so oft und gern gehört-" ---— Leise weinte sie. »Und das Lied von vor hin, welches ich so oft spiele: »Es ist bestimmt in Gottes Rath, daß man vom liebsten, wag man hat, muß scheiden««, das, Herr Rath," sagte sie zuckenden Mundes, .die in Thriinen schwimmenden Augen zu ihm ausae schlagen, »das hat mein armer, schon dem Tod geweihter, tleiner Rudi an seinem Sterbetag gespielt —— vielleicht ebenso schlecht, ebenso zitterig wie icti —— mir klingt es, ach, wie Trost aus Himmelshöhem wenn ich heut ver suche. es nach.iuspielen!« Ganz math los fügte sie leise bei: »Nun ist auch dieser Trost vorbei!« «- «Nicht doai!« ——s Erschiittert strich der Rath iiber den leicht ergrauten Scheitel des armen, gebeugten Weibes, daß das Gesicht mit den blassen blinden deckte. Mit vor Rührung heiser-er Stimme bat er sie: »Spielen Sie getrost jeden Abend« liebe Frau! Mich wird es nimmer stören! Spielen Sie nur und -——- ver geben Sie mir!« Dann schlich er hinab in sein ein samea Junggesellenheim Und wenn er des Abends tmoeilen noch die Violine hörte, dann freute er sich und —- dafz sie falsch, zuweilen sehr falsch aesdielt wurde, das -— hörte er nicht mehr. — Morgengranen in Berlin IV. Sinnspriiche über das Recht der Persönlichkeit schreiben sich schon unsere Backsische ins Stammbuch. Persönlichkeit wünschen sie später bei jedem Stück der Aussteuer. Die ruhige Linie und Eichenhol.s Schwere des Büsetts sollen Den slatternden Geist sanft hinabzielsen in behaglicheni Genuß; leichte, artige Planderstimmuna soll sich im Muster des Salonteppichs spiegeln. Acri-net wegenmag sede Teigrolle sich durch individuelle Züge über die schnöde Dutzendwaare erheben; einemDing nur bestreite ich das Recht der Persönlich keit: der Anlomobilbrtppe. Wenn der Tag liirmt, siört die Verschiedenheit des Klanges laum. in der stillen Nacht aber wird das Ohr des Schlasloien, Schlasersebnenden peinlich hellhörig siir alle Modulationen. Jeyt schallt ein breiter-, heiserer Baß heraus, gleich der Stimme eines Großvaters, der aus der Tiefe des Lehnstuhls gutmü thig polternd ungebärdige Enkel zu-. »rechtweist, jetzt ein Ruf kurz, klar, me- i ,tallen scharf wie ein mililärischesl Mommandm dein Quälen einer übel qunnigen Xantippe ähnelt die War nung der nächsten Happe, und dann ertönt die Straße wie von den hasti gen Angstschreien einer Seele, die von bösen Geistern windschnell durch die Häuserzeile gehegt wird. Jm Halb tchlas bedrängen Uns wollenartig auf gequollene, wogende Phantome eines brüllenden Stier-T eines trompeten den Elephantem eines verschnupften Riesen, der sich in ein Riesensacktuch schnäuzt; vorn Kissen aufschrecteiid, werden wir uns bewußt, daß nur die permaledeiten Huppen den Alpdrucl erzeugt haben. Es gibt Hut-pen, hie ·hlegmnttsch tröten, Huppen, die cho risch barsch den Fußgönger beiseite scheuchen, sanguinische Hut-pen, denen es wie einem sidelen Nachtschrvärmer Spaß bereitet, mit hellem Juchzer friedlich schlununernde Philister zu Decken, nnd auch melancholische, kla gende anpm Da ist das einförmige Geräusch der « elektrischen Straßknbahnen noch er- ; irr-glichen wenn er- auch nicht gerade; wieMorphium oder Veronal toirtt.s Schon in weiter Entfernung ahnt man i den mächtigen Kasten aus Eisen undi Glas mehr, als daß man ihn deutlich ! hörte; plötzlich verstummt das leise j Grollen und eine dnge Hoffnung, daß l trir uns getäuscht, zuckt durch unser gequältes Hirn. 5Liber die unbestech kiche Stimme der Wahrheit erklärt das Ver-stummen durch eine Haltestelle und richtig: im nächsten Augenblicke Ietzt das Dröhnen wieder ein und schwillt an. bis endlich schmetternd die Fluth der Töne sich durch die Straße ergießt und das letzte Restchen Schlaf, das ins unseren Wimpern hing, un barmherzig mit sich hinwegspiilt. Wir alten uns die Nase zu beim Gedanken, daß unsere Vorfahren in schmalen, dumpfen Gassen Unrathhausen und l saulige Tümpel duldeten: wie werden unsere Nachsahren über den Sinndab urtheilen, der das arme Trommelselll der Gegenwart erschüttert? Wann ! werden dem iosseinsreien Rassen-, der ititotinsreien Zigarre, dem alkohol fteieg Wein liirmsreie Vertehrsenittel ’ EIN i· - iner uhet Jn- den Spalten der Jalousien schimmert nicht mehr der Schein der Bogenlampen, sondern biäuliches Dämmerlicht; ein tiihler Windhauch zwängt sich durch und spielt mit der Gardine. Jch schiebe die Schlasversrtche aus, ziehe dieJalousie in die Höhe und seße mich ans osseneFeni ster. Die Straße hat ein ganz ande res Gesicht als bei Tage. Die Häuser mit ihren inodischen Ziegeldächern, den iiblichen GeraniensBalions und scha blonenhasten Stuckornamenten sehen jeßt nicht aus wie gleichgültige Kupi talsnnlagen irgendeines Grundstücks speiulanten, die mit Zentralheizung und Müllschluaeru ausgerüstet und höchstens ein halber-Jahrzehnt alt sind-, ihre Miene ist so geheimnißvoll, als wüßten sie lange Geschichten zu be-« richten. Wie sie still, fahl, mit geschlossenen Lidern im leichenhasteu Licht deg sriis hen Morgens stehen, gemahnen sie an Menschen, derenAntlitz zeitlebens recht alltäglich und Platt vergnügt war, aber wenn die Hand des Todes darüber strich, einen seltsamen Ausdruck herbe: Hoheit, eines unnahbar-en Räthsels er halten. Durch die jungen Platanen, die den breiten Kiespfad und nie Ra sensireisxn in der Mitte der Straße ieiumens geht ein Wispern und Sum men, das man iagsiiber, wenn die Stimmen der Spaziergänger und spie lenden Rinder" herausbringen, nicht vernimmt; triumphierend schwingt sich als Bote des Lebens iiber die bleichen Hausgespenster eine Amsel, die in der Steinwiiste nicht die ländlicheGewohni heii des Frühaufsteheng verlernt hat. Sie setzt sich ans eine sezessionisiischc Wetterfahne, die das ganze Jahr hin-: durch unentwegt südwestlichen Wind anzeigt, und schmettert ihr knrzsirophi: ges, lautes, frohes, ein wenig schmal «5iges Morgenlied. Hinter Fenster scheiden antworiet ihr in der Nachbar schast ein KanarienvogeL seine Triller klingen wie in Watte eingepackt. Die Amsel und der gesungene Vogel musi zieren schon; noch musizieri die Zigeu nerlapelle des Cases an der nächsten Ecke. Zuweilen erhasche ich einen ver iehwommenen Geigenton oder ein Fengmeni harten Klaviergehäminerg. Vor dem Cafe blinzeln gelbe eletirische Lampen übernächtig und nmtt in den werdenden Tag; die Vorhänge sind heruntergelassen, als suche man drin nen die Nacht mit ihrem künstlichen Glanz, ihrer künstlichen Lust festzu halten. Wieder ein paar Automobile. Jm ersten zwei männliche Strohhüte, im zweiten ein ebensolcher Strohhui und ein schwarzes Riesenead, an dessen« hellblauer Pleureuse heim rnschenFah ;ren der Wind zupft, im dritten ein Zy linder, der zärtlich gegen einen knall grünenTutban mit Reihersedern lehnt. Ja die Leute im Westen, in Chor lotienburg, in Schöneberg sind leine» Hinterwäldler. Sie brauchen nicht 3 mehr zum eigentlichen Berlin zu wal len, wenn sie sich nächtlicherweile amti sicren wollen« Mancher Fremde, viel leicht auch mancher Berliner, denen die Friedrichstndt noch immer als gelobtes HLnnd der Burnmelseligkeii gilt, wür ’ den bei einem späten Ausflug nach dem »Westen erstaunt wahrnehmen, wie heil auch hie die liebe, lange Nacht funkelt, wie weit in Groß-Berlin die Dezen «tralisation des Vergnügen-Z vorge schrieben ist. Wo vor verhältnismäßig iurzerZeil noch Familien unter grünen Bäumen ihren unschuldigen Kassee kochten, braut jetzt in eleganten Sälen ein er sahrener Spezicilist echten schwarzen Mokkux wo in der bohnenumkaniten Veranda ihrer winzigen Sommervil len Gevatter Schneider und Hand schuhmnchek sich an einer soliden Wei szen labten, schlürfen jetzt Herren im Smoting stivolen Selt. Jn einzelnen Gegenden« z. B. beim Eispalast, ha ben sich Mittelpunkte desNachtbetriebs herausgebildet Manchmal find im Erdgeschoß von Miethäusern die-alten Außenmauern durch Eisenträger. po lierte Marmorplatten und Spiegel scheiben ersetzt, die Binnenwände ans gebrochen und die ehemaligen Zimmer zu einem geräumigen Saal zusammen gezogen, in dem große Wandspiegel, weiße Täselung, Gold-leisten und die Lichtfluth aus hochmodernen Kristall gehängen jede Erinnerung an die gut bürgerliche Vergangenheit des,Hauses verwischen. Ueber derThür leuchtet das Wort: Bar, vor der Thür steht ein tattliche Portier in langem, mit Gold litzen besetztem Rock, der vor den ein tretenden Herrschaften dieSchirmmütze lüstet. Von dern Publikum, das ähn liche Lotale der innern Stadt bevöl ke1t, unterscheiden sich die Nachtfalter des Westens hauptsächlich durch den geringen Prozentsatz an Provinzialen. Seltener treten hier die auserlorenen iLieblinge der Possensabritanten aus« Ldie lebenslustigen cältern Herren, bereit Glatzen daheim höchst würdig am Ho noratiorenstanimtisch oder gar im Rat der Stadtväter leuchten.» . Das dunkle, eigenthumltch scharfe Blau djs Himmels ist durch Weiß und eine geringe Beimifchung von leichtem Otet nnd Krapplack erhellt nnd gemil dert. Vom Bürgersteig ballt der lang same Schritt eines Privat-Wachman nes. der mit Schlüsselbund nnd ausge löfchter Laterne seine letzte Runde macht und gähnend die schutzbefohlenen Thüren sy. Fenster prüft. Ein Dienst mädchen mit hellem Wafchtleid und ei nem Kranz rather Mohnblumen auf dem Hut schlüpft, eilig und leise ins Hang. Wieder ein Huppenrnf nnd gleich daran eine Autodroschle mit zwei Herren, die die Beine auf dem Bordersitz ausgestreckt haben, mit den Spazierftöcken fuchteln und ein Raha retelied johlen. Es müssen sehr ju gendliche Herren sein oder keine richti ges-, Berliner Westender, denn diesen verbietet der Lebemann - Komment barschitose AusgelassenheiL Sie ist nicht vlornehtn Bornehnt ist, recht hübsch zugelnöpft und abgelebt vor der Var die Nacht zn verbriiten, der Um welt kalte, starre Blicke durchs Einglas zu gönnen und Sett zu trinken, als gäbe es außerdem tein menschentniirdi es Getränk. Zum letzten Male Verkoeilie iaz in einem westlichen Nachtresteurcnt an dem Morgen, der denBeginn desWetti flugs deutscher Luftfalirer brachte. Das Lokal war noch voller als sonst, der Zigarettenranch noch dichter; auf der Straße wartete eine lange Reihe von Automobilen. Herren und Das men hörte man selten iiber die Schau reden, die sie erwartete: die Gespräche drehten sich wie iiblich in engen und fveitern Zieleln nin einen Punkt: aber eine gewisse Aufregung und Erwar tung lag doch iiber dem Publikum. Ein-unerquicklicherGeaensatz5 die Flie get-, die mit äußerster Anspannung ih rer Nervenlrast die tückischen Schwin gen meistern, uin den gefahrvollen Er oberungslrieg des Mensrhengeistes ge gen die leere Luft loeiterzulämpsen. und die Zuschauer aus dem Nachtcase, die nach einer neuen Sensation giercn u. sich aus sicherm Rasen von dem Ge danten litzetn lassen, dafk der Mensch. der hoch oben dabinslieat, vielleicht im nächsten Augenblick als ein blutiges Bündel Von Fleisch und Knochen am Boden liegt. : Gegen drei Uhr aing eine Bewegung durch dieGäste; man rüstete zum Auf bruch. Die Herren —- Ellenreiter, Millionärstiihne oder Schieber s— zo aen lange, sportmiißigellekerziehet an. siulpten eine tarierte Sportmiitze auf den Kopf und srtxoben den Feldstecher fim Lederfntteral unter-nehmend vor ’ den Rauch: die Damen hiillten sich in Staubmäntel und banden sim die Hit Ie und falschen Locken mit Schleiern seit. Und dann quollen sie hinaus in Haaren and Kleidern den Geruch von Tabakraucls Schlummerwinschen nnd süßlichen Parsün!s, quollen hinaus in die kühle, keusche Frische des Morgens. Jetzt ist der Himmel ganz licht. Aus das helle seidene Blau tnpft Aurora mit ihrer Puderqncste ein paar zarte. tosige Flecken. Ji nner nocb rasen von Zeit zu Zeit Aulomobile durch die Straße. Ein Mann, der einen Hand tofser trägt, eilt voibei. vergleicht seine Taschenuhr mit der Uhx am Laden ei nes llhtmacheris nnd setzt sich darauf in Trab. Die Amsel singt bald hier, bald dort eine Stkephe; in den Pla tanen zanken sich Spatzen Von fern böte ich schwere Karten rninpeln. An einem Hause gegenüber steigt ein Schmuckausbau aus weißem Stint über den Mansardensenstern auf Ein schmalen röthlich goldener Streier zeigt sich an der höchsten Zacke des Aufbaus, erbteitert sich langsam und bietet den Anblick eines Miniatut-Al penglübens. Einen theoretischen Hym nus auf die Sonne, die strahlende Kö nigin, im Herzen, treffe ich praktisch Vorkehrungen, um ihr Licht aus-Dem Zimmer zu verbannen nnd, wenn möglich, etwas von dem versäumten Schlaf nachzuholen Ctn Dreavmmsm der Mußt Die Erobetung dec- täglichen Lebens durch die Musik, die mit Charpentiekg Louise eingesetzt hat, und durch die Symphonia domestica von Richard Strauß sottgefiihrt wurde, hat nun ei nen neuen Erfolg gezeitigt: Ein Eng ländet hat ein ganz riesiges Wert in Musik gesetzt. Bruce Stean, der Schöpfer der Dreadnought- Saite, ist Organist des St Bartholemew- Ho spitals und hat bisher nur Kirchen-: tompositionen geschaffen. Nun aber hat er sich ein Thema gewählt, das ie dcn echten Engländer begeistern muß; den thhm der englischen Flotte, darge stellt in einem ihrer riesigsten Vertre »tq,, , . » ..,». . Ein Londoner Blatt macht seine Le ser doll Stolz mit diesem Musikstück bekannt und erläutert die vier DIE-thei lungen der Suite durch Notenbeifpiele. Jm ersten Theil, dem Stapellauf des Dreadnought, wird uns zunächst in ei-« nent rythmifch kraftvollen Leitmotiv das mächtige Schiff selbst vorgefi.ihrt; ein feierliches Andante mit einem mächtig anfchwellenden Crescendo fol! uns den großen Moment vergegenwär tigen, da dasSchiff in die heimathlichen Wellen derMeersluth eintaucht und sich in stolzer Majestät zum ersten Male auf den Wogen fchautelt· Jm zweiten Theil, der den Titel trägt, Bei vollem Wind, wird uns das Leben an Bord in heiteren, bunten Farben ausgemalt. Wohl heult der Sturm und rasen die Wellen, aber die Natur kann dem Riesenschiff nichts anhaben, das in dem gleichmäßigen Stampfen seiner Maschinen ruhig das herbrauft. So schwillt denn der Ortan, den in einem Fortissimo das Orchester virtuoxi dargestellt hat, allmählich ab, und macht der Meeresftille Platz-» de ren lieblich - idnllifche Reize im dritten Teil der Suite vorgefijhrt werden. Eine sanfte Melodie ptäludiert und geht in die feierlich gehaltenen Töne über, die einen Sonntag-Zenos gen an Bord der Dreadnought schil dern. Jn feiertäglichem Staat und festlicher Ruhe gleitet der Dreadnought durch das strahlende Himmelblau des Mittelländische-n Meeres und wirft seine Anker aus in ruhiger Majeftät. Der Schlußsatz beginnt mit einem Ge bet; durch die langsam verhallenden Klänge tönen die Schreie der Seevögel, die rund um das Schiff flatternd ihre Nahrung suchen. Dann setzt plötzlich eine Fugenform ein, die im tiefen Bafz mit Cellos und Bratfchen beginnt und zu deren Begleitung bald das Blech einsetzt. Dann ertönt gewaltig das Kommandm Volldampf voraus nach der Heimatht Dac- Leitniotiv des Anfang-T das den Dtendnought verlörvert, und das bisher schon in der Suite immer wie der verwaben war, erhebt sich nun zu einer letzten Steigerung. In einem Unisono des ganzen Orchesters bran sen der Jubel über die HeimsahrL der Triumph über das Gelingen der ersten Fahrt des Schiffes, der Stolz ans die Macht bei britischen Flotte zusammen, nnd diese mächtige Tonentfaltung, die alle Motive noch einmal zusammen faßt, beschließt die musikalische Ver herrlichung des Dreadnouqht. Jn Deutschland scheint die Zeit nicht mehr sern zu sein, da man auch als einjährigsreiwilliget Lustschisser sei ner militärischen Dienstpflicht wird genügen können·