Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 04, 1911, Zweiter Theil, Image 10

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    Eine Erzählung
I IMI FFM
Ein Friedensstsrer
Umj TM Ums Hmnn JW JWMMI sonan in
Von Meter Blüthgm
Mnminnnrmtnnimn"
(6. FortsesungJ
s.
Der folgende Tag war ein Sonn
" cnrt war frühzeitig von Demmin
azgebrochem Vor ihm lagen ver
ene Cinkäuse, in Kisten verpaclt
Idee nnnoickelt und verschnürt; dazu
Ue Reiseiosfer. Er selbst hatte sich
Morgeniühle halber in ein ge
diirselles Plaid gehüllt und eine Rei
sedecke um die Füße geschlagen·
Inzwischen war die Sonne höher
gestiegen; der gesallene Nebel glitzerte
als Thau aus den dürren Blättern
am Boden, der wellenden Grasnarbe,
dem Gespinnst zwischen den Stoppeln
—- ein echter Herbstmorgenl Loch oben
kreisten Zwei Bussarde, die urt mit
den Augen verfolgte. Er hatte die an
genehmsten Empfindungen, etwa wie
iner. der mehrere Jahre aus Reisen
sen Auslande zugebracht und nur noch
wei Stunden »von der Heimath ent
ernt ist. Zuweilen fielen ihm auch
merkwürdige Gedanken ein« in diesem
Augenblick zum Beispiel der: was
wohl Cousine Lebzow heute fiir Toi
lette gemacht haben möchte? Es war
Sonntag, und ein junges Mädchen
in jedem anderen Kleide eine An
dere, auch in jeder anderen Umgebung
eine Andere. Die Einen sind nur
·Jbsch im Salon, in Primi, in künft
chet Beleuchtung, Andere im Freien,
im sauslleide, am hellen Tage. Wie
ker Andere sind immer hübsch: sie er:
halten nur in jeder Lage und jeder
veränderten Attrape einen neuen Reiz.
Bisher hatte er sich freilich nicht für
diese Thatsache interessirtx sie fiel ihm
mir eben als eine gelegentlich gemachte
Wnng ein. Große Totlette ver- J
trug Cousine Lebzow wohl eigentlichz
nicht; vielleicht bei Lampenlkchh das
ihre Farben milderte. Leonore von;
Qannewii sah gewiß in Sammet und j
Schleppe am besten aus. hebwig war !
wieder zarter gegliedert als Anne-;
Marie, aber viel unbedeutender. beii
aller Lebbaftigteit und selbst einem j
leisen pilanten Reiz; sie brauchte duf- J
Use Kleidung, Spihen feingelrausien
seies. Für Anne-Marie waren ein-s
Wirkungen das Beste w nichts»
ajestätisches, nichts Allzulebendiges, s
oße Farbenfliichem Weiß mit 4
chwanbesatz zum Beispiel, Blau,
then ganz hell oder ganz dunkel, auch
Irrine —
Die Glocken läuteten vor Curi; erj
Ia empor und zog die Uhr; sie zeigte
an Neun.
»Ist das Longzdori Jochen?« »
, eion Herr; sie läuten znr
Kirche« i
»So fahren wir iiber Langsdors.«
Wie, wenn er in die Kirche ginge
nnd nachher gleich dem Pastor einen
Besuch machte? Vielleicht waren auch]
die Pelchower in der Kirche« das heißt
der Baron und AnnesMarie von Leb
. Jochen bog voin Wege ab, und
Musherten sich rasch dem Orte.
»Gebt mein Onkel oft zur Kirche?«
»O ja. herr: wenn das Wetter gut
war, sind wir immer hingesahren.
Dann bleiben sie wohl noch eine
Stunde bei Pasiors.«
Aber der Tausend! Sie hatten
Kleinen Wagen, und zu Fuß sind es
merhin anderthalb Stunden bis
Lan Sdorf.
» «ebt es keinen Herrschastswagen
in Velchow als diesen?'«
»Nein, Herr. Die Art ist dem alten
s ertn Baron am liebsten; denn er läßt
ch ern durchschütteln. Wenn er viel
gegessen hat, dann legt er sich lang aus
eine Matratze, die mit Häcksel ausge
fobft ist, und dann muß ich aus den
chlechtesten Wegen fahren. Das hat
er gern.««
»Ich weiß schon: Herr von Banne
tvi hat ihm neulich die Matratze auf
ge chnitten.«
»Ja wohl, Herr!«
Hm! Da war es freilich nicht anzu
sehrnem daß man heute die Kirche
tu esucht hatte. Der Wagen hier
Im te übrigens dem Baron verbleiben
nnd die Pferde dazu. Curt wollte sich !
einen hübschen Einspänner anschaffen. T
Es wäre grausam gewesen, dem On-j
kel das gewohnte Fuhrwerk vor derj
Nase wegzunehmen Und im Grundes
, bar es doch ein Marterlarren. Aucht
« sein Reitpferd sollte dem alten Herrn:
Verbleiben. Sie fuhren durch neugie-«
rtge Kirchgänger.
.Daö ist er. Das ist der neue
Held-mer«
An der Kirchmauer stand ein Lei
teewageiU hinten, durch den Schuh
" khlten vier ausgestopste Säcke, zu
Men aus und neben einander pla
MO- Und darüber eine Pserdedecke ge
:- Mse -
» · , das istPelchower Fuhrwerl",
sz « M »nnsere herrschast ist in
Ists hatte eine Empfian als
- e ihn die Metdnng seines
rt wie,« ein-e Depesche einen
-« « bleibengetsöhnl
Mwhstors w
Kasianienblöitee wehren urn ihn von
gelb kahlen Bäumen zur Erde nieder.
t kannte diese kleinen Kirchen der
Gegend; sie waren so ziemlich alle
nach derselben Schablone gebaut. So
suchte er sieh den Eingang zur Empor-e
und stieg hinauf. Die Orgel spielte;
man san-g. Als er oben erschien, war
die Andacht gestört« so weit man ihn
sehen konnte. Vom Chor her stürzte
ein hageker Schalmeisier auf ihn zu:
Medeeow, von dem er einen Augenblick
beinahe nur die Stelle des Rückens ek
bliclte wo das Kreuz sich bog.
»Der gnädige Herr weiß natürlich
hier noch nicht Bescheid; ich erlaude
,rnir unterihänigst, Sie zu dem Pel
choroer Hertnftuhl zu führen.'«
Curt wies ihn liihl ab:
»Ich werde hier oben einen leeren
jPlatz benusen.«
F Der Schulineister entfernte sich rnii
Iforgenvolleni Gesicht Diese Abwei
kiurLg dünlte ihm ein böses Omen.
.....
! Curt saß ruhig. er wars nur er
nen flüchtigen Blick nach der Kanzel,
als der Geistliche erschien: ein hochge
wachsener Mann in mittleren Jahren,
mit blondern Lockenlopf, verständig
aussehend. Es war ein Mißgriff, daß
er diesen Plan gewählt hatte; das
herrschaftliche Chor war auf der näm
lichen Seite. Der Gottesdienst fesselte
ihn nicht. Er überlegte seine Einrich
tung. Wie würde es mit dem Ehsaal
werdens Wenn Onkel sich beschwichti
gen und gewinnen ließ, dann war al
les gut. Sie aßen dann zusammen
und lebten ganz gernlithlich. Warum
sollte der alie Herr so hartnäckig sein?
Nur ein paar Wochen Gewöhnung
»Amen!« sagte der Pastet. Man
rührte sieh in der Kirche, und in Kur
ern durfte Curt hinausgehen Die
meinde fang noch, als er reh bereits
auf dem Kirchhofe befand. s gehörte
wirklich Muth dazu. hier auf- und ab
zugehen und den grimmigen Onkel
und die grollende Cousine Lebst-w zu
erwarten; nein -—— nur eine gleich
nriifthige Miene. Er fehle den Zwicker
au .
Erst kamen Leute. die ihn anstarrten
und weitergingen, dann Kinder, die(
ihn anstarrten und nur bei Seite tra
ten. Endlich erschien Anne-Marie.i"
hinter ihr der Geistliche, der Baron
und ein anderer Herr, verinuthlich der
Besiger des Langgdorfer Gutes, ein
junger Mann noch. Die Blicke der
Kinder lenkten Amte-Marias Augen
zur Seite, und sie glaubte, sie müsse in
die Kniee sinken, als sie Curt erblickte.
Aber sie verneigte sich blos steif. und
flüsterte dem Ontel etwas zu. Es war
zum Verzweifeln, wie diese Kriegsstek ;
lung sie nervöz machte, sie, eine Natur i
fiir Frieden und Sonnenschein. Sie’
mußte eine Rolle spielen, zu der sie
durchaus nicht paßte. nnd das war
qualboll. Aber sie mußte s-— das stand
außer Zweifel; es war das einzige
Mittel, um ihre Würde zu behaupten.
Der alte Baron liatte kaum den
Neffen erblickt, als er ein Gesicht
schnitt, wie wenn er in eine unreife
Pflaume gebissen.
»Na, Adfchüs, here Paftor! Ad
schiiö· Kapniftt Jch hab’ eilig.«
»Wollen Sie mir nicht die Ehre
schenken -— «
»Anne-Marie. sag’ dem Herrn Pa
ftor Adfchüs
Ame-Mark bestellte hastig einen
Gruß an die Frau Pastorin und sie
käme in der Woche einmal herüber —-—
der Alte war schon bei dem Kirchhof
thore» Sie trug wirklich ein grün
farbenes Kleid· aber Tukt sah es nicht.
Er zog finfter die Brauen zusammen,
biß sich auf die Lippen und wollte mit
dem Fuße aufstampfen -—- da fielen
die verwundert Umfchau baltenden
Blicke der Herren auf ihn; er mußte
näher treten
»Ich bin das Gespenst, welches Ih
nen heute Ihren Sonntagsbesuch ver
treibt, here Pastor« sagte er, ge
zwun en auflachend. »Ich heiße Curt
von obdin und werde Pelchotv admi
niftriren.«
»A , sehe angenehm; mein Name
ist Pa or Zehnten — Herr von Kap
nift, mein herr Patron --—— —— aber
sagen Sie, was war das, Herr von
Boddins Jhr lieber Onlel —«
»Ich will Jhnen kurz das Räthsel
lösen; ich bin der Störenfried der
dhlle mit der Ueberschrift ,Pelchower
usiänbs und stehe bei meinem Onkel
wie bei meiner liebenswürdigen Cou
sine in allerhöchster Ungnabe.« Nun
:berichttte er von der Beraulafsun fei
jnez hierseins und bern Einfalle, die
sBoriiberfahrt zu einem kurzen Besuche
iine Pfarrhaufe zu betrug-I .
s Und er mußte r tig mit iw
l farehous und die ran Paftoriu
i nneu lernen; er nxuße auch herrn
Even LIMM der ihm sehr gefiel, ver
spreche-, ihn zu· besuchen. Er konnte
syst nicht umlnn Pflaumentcechen zu
) en und sordeaux zu trinken, von der
I a Schult, die einen Verwandten
der Nachbarschaft tte, und agre
deuc trösten : der oft
des rons wer , tote- ,«
fbrache getragen und wie einen erzie
hungsbeditrstigen Oackfisch gescholteni
W-«
Der Boden brannte ihm unter den.
Füßen; er hatte den Leitetwagen dort
Augen. in dem die Beiden fuhren —
mitten im Gespräch brach er ab.
sprang aus nnd verabschiedete sich. Er
war die Dankbarkeit selber; er ver
sprach, was man von ihm haben woll
te, aber plöylich befand et sich draußen
und aus dem Wege zum Kirchhofe, wo
Jochen hielt
Als der Wagen sich in Bewegung
gesest hatte, machte Curt sich selbst die
bittersten Vorwürfe. Weshalb war er
auch so sorglos nachlässig, so « tap
pisch ungezogen in die neuen Verhält
nisse eingetreten! Alles hatte er belei
digt· den Onkel war nicht direkt, aber
gewiß hatte Cou rse Lebzow demselben
Trzäbln wie er ihn beurtbeilte, wie er
ihn u behandeln gedachte. Er hätte
lfxch sachlicher einsiibren sollen, auch
pietätvollen Schließlich war der On
kel zwar ein verdrehtes Ori inal. ein
sVerschwender aber doch sein ern-and
Iter und ein alter Mann. Und die Cou
fme? Nun «
i Es geschah ihm recht, daß er vor
;offener Feindschaft stand. Allein sent
die Hand-bieten? llm Vergebung bit
’ten? Brei Er war so ftarrkiibfig wie
irgend ein Boddin Vielleicht fand sich
später ein gefölliger Nachbar, der die
JSache «arrangirte«, am Ende der Pa
»skor. Eine Weile mußte er die Lage
ischon nehmen, wie sie war, und sie war
Isast unerträglich.
s Er fuhr durch den Wald und wei
jter, den wohlbekannten Weg. Erst als
irr auf dem Hofe war. fiel ihm ein: ob
see wohl ein Mittagsessen bekommen
würdei Aber er bekam zu essen.
Das gnädige Fräulein hätte gesagt
daß er kommen würde, wenn er nicht
etwa bei Pastors bliebe -—« erklärte
Dürten Schorig. -
Das gab ihm plöglich bessere Lau
ne: man will den Feind wenigstens
nicht aushungerm dachte er heiter.
Nach Tische schrieb er. Zuerst nach
--Teterow: man mde ihm einen leich
pten Kutschwagen und zwei hübsche
Pferde besorgen, auch fein Reitpferd
schicken, und zwar möglichst bald
Dann einen kurzen Brief an den On
kel: er überlasse ihm Reitpferd, Kutsch
dserde nebst Wagen und Jochen dazu
siir feinen ausschließlichen Gebrauch.
«Schafskops! Das ist mein Rechts«
ssagte der Alte als er das Schriftftilck
sgelesem das Dürten ihm überbracht.
Er zerriß es und zündete mit der ge
salteten häkfte seine Pfeife an.
Dann ging Curt zum Nadmacher.
um die herrichtung der Zimmer .mit
ihm zu besprechen. Die Dicken wollte
der Radmacher schon legen und strei
chen; auch tapeziren wollte er, wenn er
Tapeten bekäme, Die hatte nun Curt
bereits in Demmin ausgesucht. Auch
der Maurer stünde zur Verfügung,
und man könnte bald anfangen; nur
müßten dann erst in den Ställen Bett
berschliige hergerichtet sein für die
Knechte; das halte sehr auf. Die
Mägde müßten doch wohl auf den Bo
sden hinauf; da sei aber zuvor Dach
ausbesserung und neue Dielung nöthig.
Er thue, da der Winter so nahe vor
der Thür stehe, am besten, einen Bau
Iineister zu rascher Herstellung zu ver
Ipslichtem Er solle an Neumayer in
ZDemmin schreiben und ihn kommen
slassen . Und nun —- so und so stünde
es in Pelchow um die Arbeiterfragr.
- Curt hörte mit wachsender Aufre
gung zu. Er war bleich geworden und
jdie grünen Handschuhe spielten
skramdfhast mit dein sineifen den sie
Ihieltem
I «Da hat man mir ja eine schöne
ZSuppe eingebrockt«, sagte er. Eber
sdie Komödie kann unmöglich lange
sdauern.«U
»Das ist recht", rief der Raomacher
Jerfreut, »daß Sie die Sache so ruhig
aufnehmen« Herr! Lassen Sie unsern
alten Herrn nur! Er kann das nicht
ausführen; dazu hat er ja das Geld
nicht. Sie kommen Jhnen schon wie
Eber: und andere Leute kriegen, ist
schtoet.«
» Curt kaute an seinem Börtchen.
»Sie kennen die Verhältnisse hier,
lRadmccherx fertigen Sie mir eine Liste
der arbeitsfähigen Leute an, auf welche
ich mich verlassen darf ,und eine zwei
te mit den Namen der Renitenteni Jch
muß erst genau wissen, wie ich dran
bin. Wo wohnt der Statthalter?'
»Das will ich J nen zeigenit herr,
Bin-d die Listen so en Sie auch ha
en.«
Er band sein Schutzer ab. Drau
ßen stand die Radma erin und kntxte.
Sie hatte Jehann au dem Arme, der
heute sauber aussah, und Curt streifte
mit dem Finger die Wange dez Jun
l
gen.
»Das ist Fräulein von Lebzorv’i
Pathenttnd«, sagte die Radmacherin
mit Mutter oh. YSie kommt oft und
besteht ihn , tote er gewachsen ist.«
»Spf« meinte Curt aufmerksam
und blieb stehen. »Meine Consine ist
Isfter bei Jhnenf«
»P, junger herr; ich btn mit ihr
M habe e als M d
mer garmrtekk si n
Diese » ers Turt lich
sehe Art-is- M er n tleyihr
liichelnd zu, als er mit dein Radmacher
ging.
Der Statthalter war zu hause. Sei
solle noch heute Abend alle Gntsange- T
listigen in der Knechtestube versam-«
mein. Um sechs Uhr werde Curt dort
erscheinen.
Curt von Boddin behandelte den:
Mann kurz, aber nicht unfreundlich»
Dann verabschiedete er den Radmas
cher, ging nach Haufe nnd naan die
Akten dor. Seine Stimmung war be- ;
eeits io umgeschlagen daß er den gan
en Streich, den ihm der Ontel ge-.
spielt. von der bumoristischen Seite;
nahm« Als er die fauberen Aufschrifi1
ten bemerkte, lächelte-er fast glücklich
»Das hat sicher AnnesMarie von Leb- «
aw geschrieben«, dachte er, »eine ilare, »
feste und zugleich anmuthige, ein nie-I
nig tindliche Hand.« Wie zieriich nnd i
accurat das alles geordnet war. undi
wie anständig! Sie könnte einem
Manne tüchtig an die Hand gehen.
hauswesem Milchwirtbschaft, Feder
vieh das gab eine Peripeitidr. »
Er richtete sich auf dem grasen Es
tische ein, machte Ausziige und Noti
zen und stellte zusammen. Aber hier
war wohl alles unvollständig Er hat-«
te eine tüchtige Arbeit vor sich, wenn
er über die gesammte Lage der Ver
hältnisse klar werden wollte. Das
Schlimmste war, daß keine Karte des
Gutes vorlag. Er schrieb sofort an
einen bekannten Feldmesserz eine flüch
tiae Skizze des Terrains wollte er
selber morgen herzustellen anfangen,
aber bevor das nicht gethan war, hin
gen auch die genauesten Angaben des
Statthalters für ihn in der Luft. Er
schrieb auch an den Demminer Bau
meister.
Als er, von dem Geräusch im Hause
aufmerksam gemacht, die Uhr zog, war
es schon über sechs. Er fand die Leute
versammelt, bezeichnete ihnen kurz
seine Stellung und nahm sie aus
handschlag in Pflicht. Sein kurzes,
festes, ruhiges Wesen schien diesmal
zu imponiren; er war nun schon der
»Herr«, und man betrachtete ihn mit
anderen Augen.
Sie mußten warten, während er
den Statthalter mit in die Eßstube
nahm, die er nun doch vorläufig be
wohnen musztr. Er ließ die Leute ein
zeln kommen und notirte die Biehbe-·
stünde, die Vorrüthe an Scheunen und
Futterstülle. Morgen wollte er rioi
diren; es sollte nicht eher ausgetriebem
eingefahren gearbeitet werden. Ali er
sich spät niederlegt, war er herzlich
müde. Was den Leuten auffiel, war.
daß er von der Arbeitseinstellung
schwieg.
»Das wird wohl morgen kommen.«
Aber es kam nicht. Die Revision
ging vor sich, mit einer scharfen Lei
tion über Reinhaltung der Ställe. Die
Hauptsache war hier freilich eine
gründliche Reparaturz der Baumeister
von Demmin bekam in Cur» Noti -
buch immer mehr Arbeit. Dann muc
te der Statthalter die Feldarbeit fort
sehen, einstweilen nach seinem Ermes
sen und »mit allen irgend verfügbaren
Kräften«.
Das war ein Wink· welcher außer
Zweifel liest. daß der Junge herr«,
wie Curt fortan hieß, um das Ge
schehene wußte.
Zum Glück blieb das Wetter für die
nächsten Tage beständig. Am Tag
zeichnete Cum am Abend revidirte er
die Ausnahmen mit dem Statthalter,
welcher schlau genug war, sich für alle
Fülle auch nach dieser Seite hin seine
Stellung zu sichern. Curt durchschaute
ihn, sah aber, daß er brauchbar war;
vor allem war sein guter Wille im
Augenblick unentbehrlich. Inzwischen
kam der Baumeisterz Curt mußte thn
wohl oder übel für eine Nacht in sei
nem Zimmer einlogiren. Nach wenig
T en erschienen Leute von Demmin,
w Bretter, Balken, Ziegel und
fonsiigeb Erforderliche brachten. Die
Knechte waren umauartirt7 die Bau
compagnie nistete sich an ihrer Seite
ein.
Jn dieser Zeit bekam Curt den
Baron und Ame-Mari- felten zu Ge
sicht; er war auch fo überhaftet und
überlastet daß er nicht viel Empfin
dung für fie übrig hatte. Uebrigens
wichen ihm beide nach Möglichkeit aus.
Der alte Herr ivechfelte in feiner
Laune; bald war er vergnügt, wenn
er an »seine« Arbeiter dachte bald
witthend, baß man fo gewaltthätig in
feinem Eigenthum fchaltete. Anne
Marie ging still herum und fühlte sich
fehr unglücklich Manchmal, wenn sie
im Garten bei der Arbeit faß, pafsirte
es wohl, daß fie nachdenklich lange in
das herbftliche Land hinaus fah und
daß sich ihre Augen dann plöhlich mit
Thriinen fiilltem Beim Rai-machet
horchte fie eifrig, wenn dieser von
Eurks Plänen erzählte und von dem
Geschick, mit dem er die Dinge angriff.
Der kluge Mann merkte bald, wie
gern er gehiirt wurde.
« las doch mal auf den Bu ch!«
meinte de Rabmacherin einma zu
ihrem Manne. «
«Iticht ftiirem fagte der Hahn. als
er Eier legen wollte«, war vie schel
mi che Antwort ·"
in Ende der Woche tanren zwei
iIlssgefanbte feiner Arbeiter sum Ba
rou.
i .Lir miitfen nun was Tegel-hu
ausbezahlt kriegen. rr,« sagten sie.
iZWir haben uns daseaufs Aeußersie
sberechnen mit fünfzig Thaler die
Woche kommen wir aui."
»Sollt Jht haben, Kinnings«. nickte
der alte Herr und ging zum Schreib
setretiir. Plilhlich aber besann er sich.
.,,Rein, das gehört ja meinem Anne
Marielen» Das ist-nicht mein-« Und
dann fuhr er laut fort: »Komm mal
auf den Abend wiederk«
Als sie am Abend wiederlamen,
überreichte er ihnen fünfzig Anwei
sungen auf seine Person, je zu einem
Thaler. Amte-Mark hatte sie schrei
’ben und siegeln müssen; er hatte sie
unterzeichnet.
»Das ist Papier-gelb la gut wie die
Thaletscheinr. Jch will mich jetzt nicht
ausgehen. Daß ich das harte Geld
Lade das sollt Jhr sehen. Kalt mal
t «
Er ließ die Leute in die Casse
blicken« welche Anne-Matie·s zweihun
dert Thaler barg
»Wenn mir Einer das Geld in acht
Tagen bringt, Liichting oder wer das
sonst thut, kriegt er jeden Thaler banr
ausbezahlt.« Lilchting hieß der Krö
mer und Schenltvirth des Ortes.
Die Leute waren etwas verdutzt,
gingen aber, und der Krämer nahm
das Geld auf ihre Erzählung hin nnd
berechnete nur etliche Prozente mehr
Ausschlag auf die Waare. Dem alten
herkn aber war ein paar Stunden
schwiilz er tauchte viel nnd griff sich
oft in die Haare.
»Ich muß mal sehen, wo ich Geld
her lriege.«
Am nächsten Tage dachte er nicht
mehr daran. aber als der Zahlt-nas
termin näher rückte, erinnerte ihn
Blum-Marie.
»Die Kerls faulenzen aber dafür«.
neunte er ganz zornig. »Morgen
miissen sie mir nachexerciren, daß sie
doch was thun.«
»Wenn Du nur mit ihnen etwas
verdienen könntest, Onkel. Vielleicht
könntest Du selber sie an Vetter Curt
vermiethen.«
»Ich werde ihm was Anderes
thun!« ries er ganz ausgebrachi, sodaß
Anne-Marie erschrat. So hatte er seit
lange nicht zu ihr gesprochen. Er
merkte den Eindruck und streichelte
und besanstigte sie sofort. Und der
angeregte Gedanke ging ihm im
Ko e herum. —- —-— —
m folgenden Tage in den Nach
mittagistunden suhr die Braniher
Kutsche die Landstraße am Walde
entlang. Herr von Pannewiß saß da
rin, und was ihn nach Pelchow führ
te war die Neugier, zu wissen, wie die
Verhältnisse sich dort gestaltet hatten;
denn weder Jemand von der alten Be
wohnerschaft« noch Curt hatte sich seit
her in Braniß blicken lassen. Nur ganz
verworrene Gerüchte von der Pelchos
wer »Nevolution« waren unter den
Braniher Leuten verbreitet.
— Bei einer Walde-le horchte Herr von
Pannewiß auf .
»Was Teufel, ist das nicht der
Baron Boddin?« fragte et zum Kut
scher hinauf.
»Das ist wohl seine Stimme,
Herri« war die Antwort.
»Ganze Compugnie —- kehtt!« et
scholl es jenseits der Ecke.
Als der Wagen um die Büsche
karn, bot sich dem Auge des heetn von
Bannen-is ein etstaunlichet Anblick
dar. Der alte Baron saß auf seinem
Pferde, wie gewöhnlich im grünen
Rocke, in Ledethosen und Stute-stie
feln, die Jockeymühe auf denkst-pf.
Dazu hatte et aber einen Reitetsiibel
umgeschnallh dessen Klinge et in der
Fand hielt. Hinter ihm matschitten
e n paar Dahend Männer und Wei
ber, ngabeln, Aexte, elen. Sensen
und anderes Oeriit chulternd, zu
drei und drei hinter nander. Die»Gei
sellschast kehrte demW en den Rucken
zu: sie war im Adam-Fels begriffkv—·
herr von Bannen-it brach in ein
schallendes Gelächter aus. Sosort
wandten sich die Köpfe zu ihm herum
s- lachende Gesichten Auch der alte
Baron.
«Ganze Compugnie « halt!'· ries es
aus dem Wagen, der rasch bei der selt
samen Truppe anlangte. »Was ist
denn das, Boddin?«
Der Alte saß seelenvergniigt aus sei
nem Rappen.
»Wir arbeiten spazieren, Zeiss
sagte er.
»Ja, was bedeutet denn dass Wollt
Jhr Pelchow erobern?«
»Das bedeutet daß dies hier meine
Arbeiter sind; über die hat die Pogge
aus Teterow nichts zu commandiren.
Und weil wir nun weiter nichts zu
thun haben, betreiben wir hier unsern
Spaß « wir wollen mal ein Hoch aus
Fritz Pannewitz aus Braniy ausbrins
gen, Leute.«
»Der Herr von Pannewid soll leben
hoch! hoch! hoch!"
»Na. das ist ein Leben wie aus dem
Kirschbaume«, sagte herr von Parme
witz. »Das ist mal wieder ’n richtiges
Stück don.Dir, Franz· Aber sag’ ,
mal -«.«
»Wenn ich nach hause komme,
Pnnnewitzz jetzt habe ich keine Zeit
dazu. Fahr’ nur ab festl«
Herr von Pannewitz lachte bis aus
den Hos von Pelchow· Dort suchte er
sofort Curt aus, welcher eben mit dem
Feldmesser conserirte: er sollte im
Herbst wenigstens noch so viel wie
möglich vermessen, während er die
Arbeit lieber aus das nächste Frühjahr
verschoben hätte. Mit erneute-n Aus
bruch von heiterteit trat der Branitzer
ein und sprudelte sein Erlebnisz ber
aus« siir das er eine Erklärung ver
langte. Der erstaunte Curt gab ihm
einen Wink; nachher stehe er mit der
gewünschten Aufklärung zu Diensten;
erst wolle er aver den Feldrnesser ab
sertigen, der heute noch zurücksahrr.
Der Mann gab denn endlich, da Curt
saus seinem Willen bestand, nach, und
dieser reichte ihm nun die Hand.
Dann siihrte er Herrn von Banne
wit in den Garten und erzählte von
Iden seltsamen Zuständen, welche jetzt
hier herrschten.
»Wenn rnan Jhnen nur helsen könn
te!'« wars here von Pannewih hin.
».Manche5 grenzt ja an rneine Felder,
Haber wenn ich da auch eingreisen woll
Zte, viel wärde es Jhnen nicht nähen,
sund Jhr Onkel ist mir ein zu lang
sjähriger Freund. als daß ich ihn direkk
»vor den Kopf stoßen möchte."
s Curt von Boddin hielt plählich an.
l .Jch habe eine Jdee, welche vielleicht
seinen Auswe bietet. Wenn meine
sNachbarn rnir das, was an den
IGrenzgebieten noch steht, zu ermäszigi
iten Preisen obkansten nnt der Ber
Ivslichtung, es selbst zu ernten? Viel
sleicht auch das Getreide in Dimean
- »Ganz-gut, aber wir haben keinen
;Arbeiteriibetsluß.« -
Gortsehung solgt.)
Mancher trägt zum Vergnügen ei
ner Gesellschaft dadurch bei, daß et
sorgt-leiht
e i
Paris fchtnachtet unter einer Hide
welie. Ein überzeugender Beweis von
der Freundschaft Frankreichs für
Amerita. Aber höfliche Leute bleiben
die Franzosen; sie lassen uns immer,
noch einen Vorsprung von mehreren
Graden. ,
.
I s —- I «
,,Nun, Hauch-m ich will dir Pera ein neues Kleid laufen —- imt mißt in
ehe-M
wir«t;m««ß«1"izs«3«3tc?"s«32"« s« i sann «v ein Meinen oder-tu
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