Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 28, 1911, Zweiter Theil, Image 9

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    Jamngng
Nebraska
Staats- Anzetger und J set-old.
Mit-sit zweite r(Thi F)f
Nummer 50.
W
Einverständnis.
»- »«-.-.
Von Herma von Stude.
Deine Seele zu ergründen,
Suchte ich dein Augenpaar.
Dieses sollt« mein Loos mir tiinden.
Das in deinen Händen war.
Bei der Blicke stillem Fragen
hell es in der Seele tagt,
Augen können vieles sagen,
Was das arme Wort nicht wagt.
·.-—-.-.-—-—
Wer die Wahl hat« ..
Eine Erzählung aus dem Berliner Le
ben v. LenelotteWinseld.
Aenne Kirsten steckte einen Veilchen
tuts an den Fruuenhut. den sie zu
gnrniren hatte, nnd betrachtete ihn
unschlilfsig.
»Finden Sie ihn nicht zu dunkel-dW
wandte sie sich an die zweite Putz
macherin unter deren flinlen blinden
leise lnisternde Schleifen heworgin
gen. «Meinen Sie, ich nehme lieber
den hellen?'« ,
Sie risz die Veilchen herunter und
brachte eine handvoll blonder Phan
tasieblumen an ihre Stelle.
»Für die simple Kapotte sind beide
gleich gut oder vielmehr schlecht«,
lachte die Zweite. Nehmen Sie nur
den ersten besten!"
Aenne schaute über den huldserti
gen Hut hinkt-esz die andere vorn-aris
dollsum ----- ehmen Sie nur den
ersten besten! -— Als ob es so
leicht wäre. seine Wahl zu treffen,
wenn ein Duntler und ein Blonder
zur Vertilgung standen. Sie-beugte
ihren Kraut-todt plotzlich tief uder die
Arbeit .um das heiße Noth zu verder
gen, das ihr in die Wangen gestiegen.
Die Uhr im Laden nebenan that
einen dröhnenden Schlag. Aenne
zuckte zusammen. Halb acht! Jn
dreißig Minuten mußte sie sich ent
schieden haben. ob sie zum Vorder
eingang hinausgehen sollte· wo der
Dunkle wartete. oder zur Seitenthiir,
an die sie den Blonden bestellt hatte
Nachdenllich runzelte das Mädchen
die Brauen. Ehriich meinten es alle
beide mit ihr einen lonnte sie
aber doch nur nehmen! lind das
dumme war: sie lonnte alle beide
gleich gut leiden
Verzweiselt stichelte Aenne auf den
Hut los. Diese schreckliche Wahl!
Wiiszte sie wenigstens, wie sich ihr
Laus an der Seite eines jeden der
Männer gestalten würde! Aber der
schwere Schleier, der die kommenden
Jahre verhüllte, ließ sich nicht lüf
ten. »Wähle Menschenlind, auf gut
Glitrl!« sagten die duntlen Zukunfts
augen, und der geheimnißoolle Mund
lächelte ernst.
Aenne schrie leise auf. Sie hatte
sich in die Finger gestochen. Sie sog
schnell den Blutstropsen ein und setzte
den Hut aus einen Ständer. Er toar
fertig. Der tiesdlaue Veilchenstrausz
schmückte ihn.
.Aiso der Dunlle!« dachte Aenne.
Jhr alter, froher Leichtsinn lehrte
wieder. Wozu war sie denn neunzehn
Jahres Da wird man mit jedem
Mann glücklich, der's gut mit einem
meint.
Fünf Minuten später ging sie in
der ihr eigenen stolz-freien Haltung
zum Vorderringang hinaus.
Der Dunkle stand auf der anderen
Seite der Straße. Er lüstete den
Hut und lam strahlenden Gesichts
herüber. — War in der Art, mit der
er sich Aennes Arme bemächtigte, nicht
etwas recht Herrisches7 In Aenneo
vergleichenden Gednnten senlte sich
plötzlich die Wage zu Gunsten des
Blonden . Der roar entschieden gut
miithiger. «
Tauchte nicht seine ein toenäse tonm
lente Gestalt dort an der E auf-i
Aenne empfand heftiged Bedauern,
nicht zur Seitenthiir hinaus entmichen
zu sein. - —«
Da sagte der Dunlle neben ihr:
»Wie bin ich sroh, dass ich Sie endlich
habe! Den ganzen Tag dacht’ ich nur
an Sie s--«
Sie schaute in seine hübschen Augen,
die in so sammtenem Mailiiserbraun
voll Stolz und Freude aus ihr ruhten,
und sie schmie te sich fester in den
Arm. der mit o toranni cher Selbst
verständlichleit von ihr H genom
men. Nach dem Blonden wandte sie
sich nicht mehr um.
Der stand an der Straßenlreuzung
und schaute der zierlichen Gestalt ne
ben dem breitschulterigen Manne mit
tieftrauriaern Gesicht nach, bis der
lebte Schimmer ihres hellen Kleides
hinter der Wegbiegung verschwand
Ztoanzig Jahre waren vergangen
Ueber den staudiaen Fußsteig der un
zpflasterten Vorstadtstrasze rollte
ein alter Kindern-agen, schwer gestillt
mit Preszkoblen.
Die Frau ,die halb gebückt das Ge
siibrt lenkte. trug keine sonstwie-lang
Der Wind spielte mit ihren angestau- l
ten, lrausen hauen- Jbre ugen
blickten stumpf und miide geradeaus.i
So sahen sie auch die Droschle nicht, l
die scheinbar ratlslos mitten aus dem»
öden Damm bielt· Erst als die Frau
geb anrusen hörte, wandte sie den
leck. -
Können Sie uns nicht sagen,
Frauchem wo die Körnerstraße ist?«
Das Gesicht der Frau belebte sieb.
Sie blickte den bebäbigen, freundlich
aussehenden Herrn, der im Wagen
saß, gespannt an.
»Jn dex Körnerstraße steht nur ein
ganz«· sagte sie mit verschleiertee
timme. Rom-neu Sie vielleicht we
gen der Wohnung?«
Der Mann nickte lebhaft.
»Sind Sie die Vermietherin?«
»Ja, ich « f«
Der Mann studie. So seltsam
bekannt klang ian die Stimme der
: Fran. Er betrachtete aufmerksam das
hager-e Gesicht mit den vielen seinen
Fältchen, und plöhlich entdeckte er
einen winzigen, braunen Lebersleck un
ter dem linken Auge.
Er sprang aus dem Wagen und
streckte der Frau beide hönde entge
gen·
«Aenne —Aenne Kirstenl - Das
beißt —« verbesserte er sich - · »der
Name stimmt ja nun nicht mehr.«
Die Frau starrte erschrocken drein.
Aber ich weiß doch nicht -—--·«
«Glaub’s gern, dass Sie mich nicht
mesbr kennen -—« leise Traurigkeit war
in seinem Ton «einst liessen Sie
mich vergebens vor der Ladentblire
warten, und wählten den ande
ren.«
l
Zwei abgezirtelte rathe Flecken er«
schienen aus den Wangen der Frau.
»Herr Wehrmann!« ries sie heiser,
»daß wir uns so treffen milssenl'«
Er hatte sich umgewandt, den Kut
scher entlehnt und ging nun neben ihr
und dem Kohlenwngen her.
»Die Welt ist klein, Aenne", sagte
er lächelnd. »Aber nun erzählen Sie
mir: wie ist es Ihnen ergangen?"
Die Gestalt der Frau sank
Inehr in sich zusammen; um ihren
Mund zuckte es wie verhaltenes Wei
nen. - Wehrmann musterte sie halb
verlegen, halb mitleidig. Das ver.
ariimte Gesicht, die nachliissige Klei
dung erzählten deutlich genug Aennes
triibe Schicksale
»Ist Jhr Mann todt?« fragte cr
leistan den Augen der Frau slaaerte
ein seltsames Licht aus.
»Nein, er lebt " stiesz sie rauh
hervor, und dann - - als gehorche sie
einer Stimme, die sie gebieterisch zum
Reden zwang kamen ruckweise die
Worte aus der eingefallenen Brust·
Jhr Blick irrte dabei im Leeren, ver
mied es, dem mitleidigen des Mannes
neben ihr zu begegnen.
»Mein Mann ist ost ohne Arbeit
Und er trinkt. - Jch hatte vier Kin
der. Anfangs versuchte ich es mit der
Putzmacherei. aber die Kunden wollten
nicht kommen. Dann hatte ich ein
Gemiise eschöst Es ging nicht. Nun
vermiet ich die Zimmer und wasche
und plätte dazu.«
Sie verstummte. Aber Wehrmann
las in den bitteren Linien des müden
Gesichts, was ihm die sest zusammen
gepreszten Lippen verschwiegen. Nicht
nur von harter Arbeit erzählten die
beredten Spuren der Trübsal, von
Mihhandlungen sprachen sie, von Ekel,
Verzweiflung
Wo waren die glänzenden Mädchen
augen die unter den hellen Ringeltan
chen so iibermiithig in die Welt ge
schaut? Jetzt sahen sie, voller Angst
und Haß wohl nur . die dräuerrde
trunkene Gestalt des brutalen Man
nes, sahen den Hunger heranschleichen
und seine Hände nach den Würmern
strecken, die »Mutter« zu ihr sagten
Wehrmann fühlte, wie ihm die
Theiinen lamen.
»Ich möchte Jhre Kinder lennen
lernen, senne«, sagte er in dem Be
streben, etwas wie Wärme in die
stumpsen Mienen der Frau zu zau
hern.
Sie brachte mit einem Ruck den
Wagen zum Stehen und schlug die
Augen voll zu Wehr-wann aus. Er
erschauerte vor dein großen Schmerz
der diese stillte. «
»Ich hatte vier Kinder. —- Mein
Aettester ,der schon anfing, mir eine
Ctllhe zu sein, starb vor einem Jahr.
Das zweite Mädchen ist ein Krüppel
—- mesn Mann trägt die Schuld.«
Die Rsthe auss ihren Wangen
flatterte heißer aus, trosaenei hiisteln
schüttelte den ausgemergelten Körper.
»Mir die beiden Kleinen schuste
ich —-« ein riihrender Ausdruck ört
licher sorge verschönte sllr Augen licke
das verweltte Gesicht »Aber sie sind
sehr schwächlich Verlangen Sie nicht,
sie zu sehen."
Sie reichte dem Manne die Dand
hin, und ein dankbar-tin-dliches Leuch
ten, das an die Anmuth der jungen
Aenne erinnerte, trat in ihren Blick.
»Es ist mir ordentlich leicht um·s
Her , daß ich Ihnen das alles sagen
durfte. So manche Nacht wünschte
ich mir’s. « Und nicht nur das«
sie senkte den Kot-s s- »auch von meis
ner Neue wollte ich Jhnen sprechen.
Leichtsinnig habe ich damals mein
Glück ver-scherzt. « Und Sie? —
Jhnen ist es gewiß gut ergangen?«
Wehrmann streichelte die harte Ar
beits-hand, die in der seinen lag.
»Mein Leben hat sich behaglich ge
staltet, Aenne. Sorgen Links tägliche
Brod blieben mir sern. Aber ----« ich(
bin sehr einsam. Jch habe mich nicht
verheirathet.« l
Er suchte ihre Augen. Voll weh-»
müthiger Sehnsucht hing ihr Blick4
an seinem guten Gesicht. Ganz kleine, s
dünne Thränen , wie sie die rauhe-il
Jahre sder Schmerzensreichen übrigge
lassen, rollten iiber die nbgehärmtens
Wangen.
Sie riß hastig ihre Hand aus dek(
seinen, wischte mit dem Schürzenzipsel s
über ihre Augen und schob mit langen, «
weit ausgreisenden Bewegungen den;
Kinderwagen weiter. s
Wehrmann blieb stehen und schaute!
ihr nach Sie wandte sich nicht um. s
Der Wagen rollte jetzt über holpriss
ges Pslaster. Sein Nattern klang wie
hortes, höhnendes Rusen zu dem ein
samen Manne hin, bis es schwächer
wurde und schließlich ganz und gar in
der Ferne verhallte.
----. --.—--—
Das Wiener Kasseehans.
Dem großem Modernisirungs-Pro
zeß, den Wien gegenwärtig durch
macht. entgeht auch nicht das Miene
rischeste vom Wienerischen das Kas
seehans. Die neue Zeit, die gegen
wärtig mit der Eroberung der alten
Kaiseestadt beschäftigt ist, hat eben
ivor gar ni is Respekt. Sogar in das
»Traditio» ste des Wienerthums pol
tert sie hinein. reißt die niederen
Decken ein. wirst die alten gemiith
liehen Möbel hinaus und errichtet dns »
isiir Prunilolnle, wie sie als Wienerj
Last-s schon längst im Ausland be- j
i iannt sind. !
I Welch ein Unterschied zwischen dem J
; inodernenPrachtetnblissement des Cnfoi ;
de l’Enrope ans dem Stephnnsplntzs
kund dein ersten Kasseehnus, das wäl) »
rend der nehtziger Jahre des siebzehn »
I ten Jahrhunderts gegriindett Dort der i
rassiniertesie Luxus-, Rauch-, Spiel ,I
Damen-, Lese- und Schreibsalonks
Hier ein ganz kleines niedriges Ge i
l
wölde mit plumpen Eichenmöbeln
l Dort ein hyperelegantes Publikum
ldnn der Wind aus nller herren Län—
Idee zusncninengeblnsen hat. Hier ein I
paar Wiener Spießbiirger, hemdärine I
lig nnd behaglich. Dort ein heer von
hin und her schießenden Kellnerm hier ;
der Wirth allein, jedem Gast die Tasse 1
Kassee mit einem freundlichen Wort;
triirzend — jenes ist das Casss von -
heute, dieses das von einst. !
Jn Wiens große Zeit, die der zwei- »
ten Türkenbelagerung, rnuß man zu
rückgehen, will man dieses erste Wicner »
Ilasseehaus kennen lernen. Als vie
Türken vor Wien anriictten, brachten»
sie außer ver grünen Fahne des Pro
pheten und ihren Kanonen noch etwas
anderes mit: unzählige Säcke voll
Kasser. Denn selbst in Kampf nnd
Schlacht mochten sie des dustenden
Trants nicht entbehren. Als sie
rann mit blutigen Köpfen heimgeschiclt
wurden, vergaßen sie in der Eile dec
Davonrennens nicht nur die grüne
Provhetensahne und ihre Kanonen
sondern auch die Kasseesäcke. Die
Fahne und die Kanonen wurden als
Ariegstrophäen von aller Welt bewun
dert und bestaunt, mit den lleinen
braunen Bohnen wußte aber tein
Mensch etwas anzusangen. Schon
wollte nian sie als völlig werth- und
nuylos in die Donau werfen, als sich
ein Mann meldete, der zu wissen be
hauptete, wozu die unscheinbaren Din
ger gehörten. Ein Pole war’s, na
mens Kolschihlih der sich Jahre lang
im Orient beruingetrieben .und wäh
rend der Belagerung Spionendienste
siir dieOesterreicher gethan. Zum Lohn
dasiir erbat er sich nichts als die Säcke
mit Kasier. Man überließ sie ihm
achselzuclend. Die Stadt schenkte ian
ein Haus in der heutigen Docni
gasse, und hier eriissnete er das erste
Wiener Kasseehrruj.
uerst schien’- allerdings, als wolle
di ache nicht recht vorwärts. DieWie
net lamen zwar schaarenweise in die
Kasseeschenie des Peter Kolschitztv, um
sich von ihm seine Kriegsabenteuer er
zählen zu lassen, aber der neunwdische
Trank, den er ihnen vor-setzte, wollte
ihnen gar nicht schmecken. Nach türki
scher Art war er bereitet, siedendheisz,
und enthielt den Kasseesatz. Wer zum
erstenmal so eine Tasse Kaffee pro
bierte, verbrannte sich den Mund und
retpiette sich den Gaumen mit dem
etelhaften, tärnigen Sah. Nein, so
ein Gebräu konnte kein rechtschaffener
Mensch hinunterbringen. Kolschitzly
erzählte seinen Gästen Geschichten, bei
denen ihnen die Haare zu Berge stan
ten, aber es war umsonst. Nach ans
siinglichern Zulauf blieben die Gäste
aus, und der Pole konnte seinen Kas
fee allein trinken. Aber er ließ den
Kopf nicht hängen. Er war eben der
leaffeesieder, wie er sein soll, alle mo
dernen Casetiers sollten sich an ihr-n
cin Beispiel nehmen. ,,Meinen Gästen
schmeckt mein Kasfee nicht,« sagte er
sich, «gut — so werde ich ihnen einen
Kassee brauen, der ihnen schineclt.« Er
passierte den Laffen um ihn vom Satz
zu befreien, versitßte ihn mit etwa-:
Sirup und milderte seine Stärke, in:
dem er Milch dazutat. Er erfand die
Melange.
Als er zum erstenmal den schwarzen
Laffee mit der weißen Milch zusam
mengoß, war er sich nicht bewußt, wel
che tulturhistorische Bedeutung dieser
Moment hatte. Er war ein Erfinder
genie und als solches naiv. Er wollte
sein Geschäft heben und erfand den
Rassen wie ihn seit seinen Tagen alle
Welt trinlt und wie ihn alle Welt auch
in Zukunft trinken wird. Dadurch
machte er das Prodult Arabiens im
Abendlande bekannt, dadurch schuf er
einen Handelsztveig der heute Millio
nen von Menschen beschäftigt. Der
reiche Handelsherr in Hamburg oder
in Triest, der Kellner im kleinsten
Aaffeehaus verdankt seine Existenz je:
nem Geistesblitz des Polen Kolfchitzln
Wenn je einer ein Dentmal verdient
hat. er derdient’s. Und schnöder Un:
dank ist es, daß bis heute kein Mensch
daran gedacht hat.
Zunächst aber half er sich selber tnit
»seiner Erfindung. Seine Melange
ifand die Billigung seiner Gäste; schnell
Ebrach sich ihr Ruhm in Wien herum
nnd bald hatte er in seinem Gewölbe
teinen Plan fitr die Zahl der Besucher.
Er schlug also sein duftendes Zelt im .
Haus Zur blauen Flasche auf, ganz in
derNähe des heutigen Stock-im-Eisen
Platzes. Mit einem modernen Kaffees
hause hatte zwar auch dieses Lokal sc
viel Aehnlichkeit, tvie ein gothischer
Prachtbau mit einer Köhlerhiittr. Aber
ein Fortschritt tvar’s immerhin. Ein
ladende, blanl gescheuerte Etchentische
geil-I da, aus dem offenen Herd leuch
tete ein behaglich Feuer, würziger Kof
feeduft hing im Ratt-n, und der Wirth
(angetan wie ein türkischer Pascha)
sorgte, von feschen Schenkmädchen un
terftiish flir guteBedienung und fröh
liche Unterhaltung seiner Gäste· Na,
und die Tasse Koffer kostete, sage unk
fchreibe —- einen Kreuzer! Und Kot
fchißlh ward trotzdem ein reicher
Mann.
Naiiirlich ließen sein Ruhm nnd
sein Geld andere nicht schlafen. Ec
fand Nachahmer, und gegen Anfang
iexs 18. Jahrhunderts gab es bereits
eine ganze Anzahl Kasfeefchentem die
sich alle eines guten Besuches erfreuten.
Der Preis des Kaffeeg stieg zwar
enorm, er betrug ietzt schon -s-— ganze
vier Kreuzer, aber das Kaffeehaus
wurde den Wienern immer ver-trauten
ein immer lieberer Aufenthalt· Zwei
neue epochale Erfindungen kamen bin
zu, um die Bebaglichleit der Kasse
schenken zu erhöhen. Ein einsamer
Bäcketmeister namens Peter Wendler
tanr auf den ingeniösen Einfall unz«
and feinen Semmeln zur Erinnerung
an dieTiiriennoih dieForm eines Halb
mondj —- er ward der Schöpfer des
weltberühmten Kipfels. Ana) er starb
als reicher Mann, denn jeder patria
tisch denkende Wie-let hielt es fiir seine
Ehrenpflicht, wenn er in der Schenle
die dufiende Schale vor sil; stehen hat
te, so viel Halbmonde wie möglich zu
vertilgen, zumal sie appetitlich braun
nnd lnusperig waren Die zweite epo
chale Erfindung auf dem Gebiete des
’Kaffeehaustvesens ist mit dein Namen
einer Frau verknüpft: siäcilii Siraps
Mandoleiiibäelerin ihres Zeichens,
fchuf die Krafter (Pfann ucheu) diese
siiißem ratbraunen, runden T nack, die
sder Fafching zu seinem Wabrzeichen
’erhaben hat. Aber auch andere Geniiffe
bat das Kaffeehaus seinen Besuchern.
Billardbreiier wurden aufgestellt, die
Paar Zeitungen, die damals erschienen,
lagen auf und wanderten von Hand zu
Hand. Gierig lauerte immer ein Gast
auf den andern, daß er endlich Das
Tages-ach wichtigstcr Neuigkeiten oder
die Sazeiie de Vienne ans der Hand
legte.
Langfam aber stetig eroberte sich
das Kaffeehaus eine bedeutende Stel
lung im sozialen Leben der Kaiser
stadt. Natürlich fehlte es ihm nicht an
Gegnern, die ihm das Leben sauer
machten. Besonders die Branntwein
schenlen tobten gegen die neue, aus
demOrient importiert: »Heiden«-Kou-—
lurrenz. Moralisten weitere-n gegen
das immer mehr sich einbürgernchas
ster'«", und zum Schluß legte aud, die
Regierung ihre schwere Hand auf die
Kasseeschenien Scheint manchmal
ziemlich bunt in ihnen zugegangen zu
sein, denn Maria Theresia, vie Sitten
sfrenge, ordnete an, daß die Raffeehäus
ser zu ebener Erde liegen mußten und
am Abend nicht durch-Holzlaven ver
schlossen sein durften. Erst Kaiser Jo
seph Il. dachte weniger drakonisch, und
von dci ab hatten dir Bürger bei ihren
Kartenspielen nicht mehr die Polizei
als Kiebitz.
» Das war damals-«- irhon sa, wie es
Jhcute noch ist. Kartenspiel wuer im.
uer mehr und met-r die Hauptbeschäf
tigung, der man iih im Kssffeehauz
hingab Heute ist in Wien iein Koffer
haus, in dem nicht -«espielt wärt-, in
dem hochmodernen Luxuscaffs in der
inneren Stadt, wir in dem alten, ver
rilucherten Vorstatxtbeisel Natürlich
ist Hasard wie iekc andere »Bist von
Glücksspiel streng vers-Eint
E Darum intn in Wien, so elegantes
auch ist, das Klubleben schwer aufkom
men. Es gibt einige Klub-T so ganz
große, wie der Jo-jcssllub unadcr spie
sidenz- sowie der «:-»·.mchtluo, In denen
hoch gespielt wird, aber den- Bürger,
selbst dem wohlhabenden, genügt dieGe
müthlichteit seines Stammcases voll
kommen. Das Behagen des- englischen
Alublebens ist ihn: noch viel zu steif
und zeremonielL Etu- er den Frnck oder
rsen Smoling anzielt, um es sich ge
mijthlich zu machen, lieber verzichtet er
von vornherein dcrx es. E: braucht
leine Staatstoilette, um ins Koffer-·
haug zu gehen. Und da gibe keine
seierlichenDiener, die leise finstern und
bösische Verbeugungen vollführen,
wenn sie einen Giixsn Abend wünschen
Da sind der Zatkltellner und der Zu
tkäger, die beide den Stammqast be
treuen, die ganz gen-tu wissen. welches
Abendblatt er liest. welche Art von
Kassee er trinkt, ob einen Schwarzen
oder einen Kapuziner oder Nnßschale
braun. Da warten schon auf dem
Stammplatz die Tarocllartcn. Und
fik- allezeit getreuen Kiebitze birren be
reits. Einer kennt den andern, sie
sind bei der Partie miteinander und
nebeneinander alt geworden litku der
Wirth geht von Tisch zu Tisch, begrüßt
bevorzugte Stommgäste mit einem fo
vialen Händedruck und erkundigt sich
nach dem Befinden der werthen Frau
Gemahlin und der lieben Kinderln
Und die Atmosphäre ist so lieb und
traulich im Kasseehaus. Jn breiten
Schwaden ziehen Tabalmnch und
Kasseedust durch den Raum und erfül
len ihn mit jener dicken, schweren Lust«
in der allein der Wiener Kasseehaus
liesucher sich wohl fühlt. Da gibts so
manchen, dem das Turoclieren im Kas
seehaus besser schmeclt als daheim in
rser eigenen Wohnung
Die inoderne Zeit sucht auch da re
sormierend einzugreifen. Sie hat die
Veniilatoren im Rasseehaus einge
siib1«t. Sehr zur llnznfriedenheit der
alten Kasseehausisästr. Die sind gute
Luft über ihren Stammplätzen nicht
gewöhnt. Sie stört ihnen die Gemüih
lichleit, diese Ventilatoren surren und
stimmen, machen einen irr beim Ta
rockzählen und verursachen Zug. Jmi
mer-bin modernisiert sich das Wiener
ziafseehau6. Es nimmt mehr Rück
sicht aus die Fremden als ans die Ein
heimischen Denn diese schimpsen nnd
kommen schließlich doch. Kann doch
keiner das liafseehaug entbehren. Und
den Fremden muß man doch zeigen,
daf; die Wiener Cafisg in Wien selber
zuinindest so elegant sind wie die Wie
ner Cafag in Berlin oder in Paris.
Natiirlich haben sie alle ihr Publi
inm,das mit ganz bestimmten Interes
sen ins Kasseehans geht und sich aus
ganz bestimmten Gesellschaft-streifen
rclrntiert· Da ist das Cafs- Scheidl
in der Kärnlhnersiraße, das berühmte
Fenstergucler, in dem die Osfiziere ihre
freien Nachmittage damit verbringen,
durch die großen Fensterfcheiben die
vorüberftrömenden Passantem beson
ders die weiblichen Geschlechts, zu mu
stern. Da ist das Cafä Zentral, in
dein die Journalisten undLiteraten sich
in Hunderte von Journalen und Re
ivuen vertiefen können. Da ist das
sSucher auf dem Kohlmartt, das Ge
. neralstabseaffsv —- das Doburo, in dem
« die Mitglieder des Schauspielekstandes
die lieben Kollegen ,,ausrichten«. Da
sind die zahlreichen Geschäftscafiss die
eine Art Börfe fiir die verschiedensten
Berufe bilden. Jn dem einen werden
Häuser verkauft, im zweiten Diaman
ten. im dritten Weizen. Jn der Pra
terftraße befinden sich die Kaffeehallem
in denen die Turfweisen den nächst
!
i
jährigen Derbhsieger herausrechnen.
Und dann sind schon viele Cascss da,die
Tratschcasöå in denen die Damen sich
einfinden und sich jener edlen Beschäf
tigung hingeben, die in der Bezeich
nung schon zur Genüge ausgedrückt ist.
---..--—
Die Pflege dei- Rasend.
Das ist ein zeiigemäszes Thema für
einen Sommertag. Ein wohlgepsleg—
ter Rasen ist ein seiner Schmuck siir
einen Wol)nplatz. Aber seine Pflege
kostet Mühe und Arbeit, und leider
fallen diese dem Menschen am schwer
sten gerade in der Zeit, da man sich des
Rasens am liebsten freuen möchte. Den
Latvnmower, die schwere eiserne
Schneidewalze, vor sich herzuschieben
und mit ihr die Gartensläche strich
weise auf- und abznwanderm um das
Gras gleichmäßig zu scheeren, ist in
sden Sonimerrnonaten wahrlich keine
Kleinigkeit Da wird es denn gewiß
sur Viele sehr angenehm sein, zu er
;fahren, das-, man auch siir diesen Teil
Hder Rasenfläche ein Tierchen benutzen
s inmi, welches obendrein die Arbeit mit
wirklichem Vergnügen besorgt.
i Der amerikanische Konsul in Not
Ytingham, England. Herr Samuel
Iaylor, schreibt nämlich unserem Han
Ldels - Departement in seinem neuen
jBerichi iiber ,,Guinea Pigs als Lawn
sMowerX Folgendes:
s« »Ein sonderbar-es aber erfolareiches
Experiment wird in der Provinz Kent
iuf einer Anzahl privater Rasenflä
schen gemacht, und es wird aiich von
seinem Golf-Klub in der Nähe von
Greenhithe erprobt. Die Jdee ist neu
und besteht in der Substituicrimg des
Gninea Pig fiir die Mähmaschine zur
dlusrottung von lästigen Unkriiutern
lBenierkt mag hier werden, daß das
Wort Gninea eine Korrumpiernng des
Wortes Guiana ift Das sogenannte
Ginnischweinchen ist nämlich ein bra
lilianisches Nagetierctien von sieben
,oll Länge und sehr niedlich) .
Um den Rasen wird, wie der Kon
siil mitteilt ,ein niedriaes Drahtgitter
gesetzt und in dieser Umfriediguna
läßt man das Guinea Pia sich tum
meln. Das Tierchen macht sich sofort
1iiber die schlimmsten Unkränter her.
Zuerst attackiert ek- den Riegel-reib
dann den Löwenzahn und die Gänse
oder Wucherblume usw. Diese breit
ldlätterigen Kräuter, denen mit der
JMähmascbine nicht beizukommen ist,
werden durch die scharfen Zähne des
Jnnausgesetzt fleiszigen Nagerg bis in
Hoie Wurzelstöcke zerstört. Wenn es
mit den Unlriiutern, die breite und
saftige Blätter haben, fertig ist, macht
es sich an das Gras-, nnd in kurzer Zeit
sieht der Rasen aus, als ob er mit ei
aer tief gestellten Maschine geschoren
toiire Das Nagen tötet die Unlräns
ter, die fast jedem anderen Anariff tvi
derstehen, aber es tut dem Gras keinen
Schaden.
Die Rasenfliichen, auf denen das
Guinea Pig seine Arbeit getan hat, fe
hen prächtig aus und sind auch fiir dass
Golsspiel so fest ,als wäre der Monter
darüber gegangen. .
Jn der genannten Gegend hat man
auch gefunden, daß die Tierchen im
Winter nicht leiden. wenn man sie so
umherlaufen läßt. Man stellt dann
einfach durch Draht einen Gang her
zwischen dem Hüttchen und dem Ra
senplatz, so daß sie nach Belieben unter
Schutz oder im Freien sich aufhalten
können. Unter diesem-Verhältnissen
fiihlen sie sich sogar wohler nnd gesun
der, als wenn sie als Hätschelchen ge
halten werden. Durch die mit ihnen
in der oben mitgeteilten Art gemachten
Erfahrungen ist die Nachfrage nach
G1.inea Pigs ganz bedeutend gestiegen;
aber wegen deren natürlicher Frucht
barleit wird dem gesteigerten Bedarf
wahrscheinlich fiir lange Zeit genügt
werden. (Dav. Dein.)
—
Ein Philosoph.
Bauer (vor einem Theater, vor dem
sich viele Menschen drängen): »Gehen
sie alle ’rein, dann gehen sie nicht alle
’rein.«
Kurz und bündig.
Dichterling lzum Redakteur): »Bit
te· wollen Sie meine neuesten Gedichte
lesen! Jch bin meilenweit gelaufen,
um sie Jhnen persönlich zu bringen!«
Redakteur-: »Herr, da sind Sie ent
schieden zu weit gegangen!«
Rechtsertiqunq.
Mama: .,,Was, vom Klavierlehrer
hast Du Dich küssen lassen?«
»Aber, Mama, die Zeit, die das in
Anspruch nimmt, die rechnet er ja
nicht mit!«
»,- Auch mai-.
»Ich hätte nicht geglaubt, daß Jhre
Frau im Stande wäre, durchzugehen!«
»Die? Die ist im Stande und
kommt auch wieder-zurückt«