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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (July 28, 1911)
Der Kunstreiter Erzählung von Friekrich Gerstscker (9. Fortsetzung) f 9. Im nächsten Morgen saß Corntesse -Ilauie allein in ihrem Bouooir. Ro , De war mit Louisen ausgesalpren -- - , seid-er hatte sie nicht begleiten löst: M —— oder wollen -- und Kopf schinerzem Unwohlsein vorgeschiitzt Sie war in ver That nicht wohl, we Iisßens ungewöhnlich aufgeregt und unruhig, und nahm bald ein Buch zur Hast-, ein paar Seiten desselben zu dnrchbliitterm bald begann sie an einer cngesangenen Zeichnung. bald an einer Siickerei. und schob nach wenigen Mi teuren Alles wieder bei Seite, um sich aus das Sopba zu werfen und ihren eigenen Gedanken nachzuhangen So Mr ee zwölf llbr qewarden, als es leise an die Tblir klopfte und aus ibr herein ein Diener eintrat, welcher mel deie: der Herr Rittmeister v. Gener sikin lasse nnsragen. ob er der gnädigen Comtesse seine Aufwartung machen diirsr. »Gras Get)erstein?« ries Melanie, sast erschreckt von dem Sopha empor salrrenn Die Ueberraschung dauerte aber nur wenige Momente, denn schon im nächsten Augenblicke wieder voll ständig gesammelt, sagte sie ruhig: »Es wird mir sehr angenehm sein; säbren Sie den Grasen herein.« , Wenige Minuten später hörte sie dran n den festen. tlirrenden Schritt M ssiziers· und der Gras stand in ihrem Zimmer« ehe sie selber sich ge nug gefaßt hatte, ihn ruhig begrüßen Fu können. «E-omtesse«. sagte ver Rittmeister, seh sZtmlicher vor ihr verneigend, als se sonst als alter. gerngesehenerFreund des Hauses gethan. »Ihr herr Vater . sägt die Schuld einer Störung wenn ich Ihnen eine solche verursacht habe; denn mein Dienst rief mich zu ihm, nnd da et siir den Augenblick noch be schäftigt ist« war er so gütig mich in des zu Ihnen herüberzuweisen - — ich wäre sonst nicht so stiib bei Jhnen er Wiesen« Eine rasche, freundliche Entgeg nung lag schon auf Melanie’s Lip: ven. aber sie zwang sie zurück und sagte artig, aber tanqe nicht mit der gewohnten Heulichteit im Ton und Ausdruck »Mein Vater toeiß recht gut, daß Sie uns immer willkommen H M, auch ohne die Entfchuidigung, Herr- Grai·« Ader auch ohne diese Veranlas siesg hätte ich Sie heute noch aufge stteht, Comtesse,« nahm der Graf nach einer teisen Verbeugung wieder das Wort. indem er sich, einer eintadenden sandbewegung Melanie·s folgend, auf einen Stuhl ihr gegenüber nieder ließ« »denn ich wollte mich auf einige Zeit von Jhnen verabschieden.« »Sie wollen fort von hier?« rief Meianie schneller und mit weit mehr Theilnahme cis sie vielleicht zu ver-s rathen willens war. »Ni« auf kurze Zeit; auf eine, vielleicht auf einige Wochen: und zwar in Angelegenheiten die meine Anwe: setzheit ani einer meiner Besinungen driand nöthig machen. Jcti habe dazu den Urlaub vorn Fürsten erbeten nnd erhalten« Melan.e fast W ihm mit und ver mochte seine Ente ais Antwort zu finden. Allerlei wunderliche, wirke Gedanken treu-ten iirr Hirn. Jetzt gerade wollte er Fort? jetzt, mo --— sie durfte dem nickt weiter fokgen » und fo kalt, fo förmlich nahm er jetzt Abschied er mußte bemerkt haben, wie sie Grafc elitoff bevorzuqtr. Und weshalb nicht? wir sie nicht frei, zn thun, zn lassen ivxsz sie wollte, — tvar sie nicht von ihm. der da so kalt Und eifern vor ihr faß, schändlich schmählich betroqu und verrathen worden? —- und wenn nicht? -—— such der Graf schwieg: das Herz war ihm voll und schwer. nnv dem kalten, förmlichen Empfang des Wesens ge - « aeniibek, das er mehr als fein eigenes Leben liebte, hatte er sich bezwingen, g hatte er eben so kalt und ruhig von ihr scheiden wollen — scheiden viel leicht für ein ganzes Leben, indem sie sich von nun an mir als Fremde wieder begegnen sollten-. Als er aber die Bewegung in Melanie’z Zügen fis-, als ihm nicht verboran bleiben IW daß die Jungfrau, so kalt und aWssen sie sich auch aezeiaL doch Wt wehe, ia inniaeren Antheil an ihm nehme da raffte er sich fel .ber auch empor, nnv mit beweater Gift-neue sagte er: »Er-Weise —- Me Miit —- ei ist in letzter Zeit etwas Mchen met gewesen —- toas, weiß IN Gott — was aber nicht fein . , , M.Detk Graf-«M unter ’ MID Mnnt Melanie die " Eiter-to si- sich ten-kege »M » sit Mich nicht so unge ’ " « W der Mit-miser der , MI- sii gestochen hatt i- U sie stleidigt oder ich M ei nicht , M Sie mich nicht so stolz an. Melanie, —- Sie waren sonst so ossen, so ehr lich gegen mich —- oh, lassen Sie die Zeit, die liebe Zeit, nicht so mit einem Schlage abgebrochen sein. Sagen Sie mir was ich gethan, wag ich verbro chen habe, gestatten Sie mir dann, daß ich mich vertheidige.'« »Was Sie gethan, Herr Eitan er widerte Melanie. der bei der Erinne rung alles dessen, iiber das sie Ursache zu haben glaubte —- gerechte Ursache --— zu zürnen. das Blut mit voller Macht in Wange nnd Schläse strömt - »ich glaube nicht, daß es mir zu steht. Sie über irgend etwa-, was Sie gethan haben könnten, zur Rede zu stellen. Hatten Sie es site gut gesun den. mich irgend eines Schrittes we-« gen, den Sie zu thun gedachten, um Rath zu fragen, wäre es vielleicht et-? was Anderes, doch so . . .« H »Ob« weichen Sie mir nicht aus,'« bat Geherstein in herzlichem Tone und von der Gewalt des Augenblicks hin gerissen, »Melanie, Sie müssen wis sen, wie mein Herz .. . .« »Herr Gras —- nicht weiter, wenn ich bitten dars,'« unterbrach ihn blöd lich mit ernstem, strengem Tone die junge Gräsine, indem sie sich zu ihrer vollen Höhe stolz, ja sast zürnend, em porrichteir. —- »E-rsparen Sie sich nnd mir ein Thema, das nur siit beide Theile —- schmerzlich enden lann.« »Melanie!« rief Gehersiein entsetzt-, »was, um aller heiligen willen . . .« »Sie vergaßen wohl in dem Au genblicke,« suhe die Comtesse sort, und ihre Züge glichen jest denen einer Marmorbiisie, »das Verhältnis in dem Sie zu der Seiltiinzertruppe se nes Bertrand stehen-? —- Sie det gaszen . . ." »Großer Goti!« stöhnte der Ritt meister, und bleich, wie das ihm ge genüberstehende schöne Mädchen. fuhr er von seinem Sik empor. «Wie das Geheimnis zu meinen Ohren iam.« fuhr Melanie kalt und ruhig fort, »bleibt sich gleich. Sie sel ber bestätigen Alles durch Jbr Schweigen. —- Jedt aber werden Sie doch auch wohl fühlen, daß zwischen uns nicht mehr von den Empfindun gen des Herzens die Rede sein kann. Die Tochter des Grasen v. Ralpben dünkt sich zu gut . . .« ,· »Halten Sie ein, Comtesse!« rief der Gras mit ausgestreckter hand nnd sast tonloser Stimme, »sagen Sie nichts weiter! Es ist genug —- liber genug s- « nnd das Wenige selbst hätte sich vielleicht aus weniger harte Weise sagen lassen — aber es ist ge-; schehen Sie haben nicht zu siirchten«1 daß ich Ihnen je wieder mit Worts oder Blick nur nahen werde —- den-» noch bitte ich Sie, in den Augen der. Welt . . ." » «Fiirchten Sie nicht, daß ich JhrI Gebeimniß mißbrauchen werde,« tin-s terbrach ihn Melanie, »Die immer die; Welt auch wohl dergleichen beurtbeilen ; möchte. Was ich gesprochen, sprachi ich nur iiir mich, und wie ich glaube.’ war ich das mir und meiner Stellung! in der Welt schuldig· Aber ich hörei meinen Vater —- er wird kommen« um Sie abzuruien.« « Ter Graf neigte lich ehren-reini» atser lalt vor ihr --— er batte seine qctnte Fassung irnd Mönnlichleit wie-« dergetoonneth tsnd in demselben An ctenblicle auch fast öffnete sich die Thür, in welcher der Kriegsminister, schon in ilnisorm, um gleich nachher zum Fürsten Zu fahren, erschien. »So. mein lieber Generstein,« sagte er freundlich, als er dem jungen Manne die Hand entgegenstreckte Jetzt bin ich mit Allem sertig nnd steht Jkinen noch aus »a- Imsiu Stunde zu Diensten. Er will nnd da oonlnusen, Melanie, will hinaus nach Mecklenburg und Hirsche schießen, Güter einrichten, und Gott weiß was Alles-. Wir werden Sie hier ver-s missen, Geyerstein, und Rosalie beson ders wird Untröstlich darüber sein. Wo steckt denn das Mädchen liber baupt heute Morgen —- tvobl wieder ausgeht-ren? Aber Du siehst so blaß heute aus, Melanie; sehlt Dir was, mein Kind?« »Nichts, lieber Vater — nur ein wenig Kopfschnterz hatte ich heute, und habe deshalb Rosalien auch nicht begleitet. EO wird bald vorüberge den« ,.Excellenz gestatten mir dann viel leicht. Ihnen oben in Jbrem Zimmer die Papiere vor-zuleng sagte Gras Generstein « »Schön: wenn Sie Alles bei der band hoben. desto besser. —- Apropps, sind Sie aus heute Mittag schon ver sagt? Ich möchte Sie gern noch so lange als möglich bei uns halten« »Ich muss unendlich bedauern »Ur-eben Sie tun Gottes willen keine Umstände; Sie sosen nicht im Mindesten genirt sein. Alsotornmen Sie. —- Adieu, mein liebes Kind; liei nicht zu viel, das nimmt Die den Kot-s nur noch mehr ein« Otss Mein verubschiedete sich sei der costesse mitetner tiefen Bee »in-M nnd eben to ksemttch dankte IIUI VIII-In Der alte here be i i ! ) merkte das aber nicht; er iibersahi schon sliichtig die Papiere, die ihm der, Rittmeister eben übergeben hatte, nnds mit srendlichem Kopsniclen nur von» seiner Tochter Abschied nehmend. per ließ er gleich daraus, von dem Grasen gefolgt, das Zimmer-. Melanie blieb, als die beiden Mön ner die eMiit hinter sich geschlossen hatten, noch eine ganze Weile stumm und regungslos stehen. Hatte aber auch ihr stolzer Geist in dem entschei denden Momente den Sieg iiber das nur zu schwache Herz davongetragen. jetzt —- jetzt vermochte sie nicht mehr. Ein leises Frösteln slog über ihren Körper, sie schwantte zum Sopha. barg das bleiche Antlitz in den hän den und weinte — meinte, als ob ihr das Herz vor unendlicheni Weh zer brechen niiisse in der Brust. l 10. Oben, inmitten des schönen Mec lenburger Landes« an einem der flei nen reisenden Seen, lag das nicht un betriichtliche Rittergut Schildheim. seit undenllichen Zeiten schon einem alten Mecklenburger Geschlechte erb und eigenthiimlich Der Lthe des selben heirathete eine Corntesse Gener stein aus einer Nebenlinie im nordiisi lichen Preußen« und nrn sie die Dei math nicht so sehr vermissen zu las-i sen, wurde damals das alte, durch-taki neu restaurirte Gut ganz nach preußH scher Art eingerichtet: ja sogar einen« preußischen Verwalter nnd eineWirthsF schasterin brachte die junge Frau rnit« dorthin, sowie Leute von ihren eige nen Gütern. und Schildheim hieß demnach nnd von der Zeit an in der Umgegend nur .das preußische Gul«. Der Besiher starb, aber seine Wittwe, i seine Großtante Wolf-S v. Generstetn. ’iiberlebte ihn noch viele Jahre, und salg auch sie in der Familiengrnst bei geseht wurde, ging das Gut durch Erbschast an Wols’s Mutter über. l Mit den Jahren hatte sich seht dort Vieles verändert. Die Wirthschaste rin- war gestorben und eine andere aus dem Lande selber angenommen worden. Dann hatte ein Pachter das IGanze übernommen, und die preußi Jschem dazu gehörigen Familien ver sdingten sich theils aus anderen Gü ! tern, theils hatten sie sich selber etwas erspart und einen eigenen kleinen Grundbesitz gekauft. Nur die Gebäude waren noch die alten und der Name »das breußische Gut« ebenfalls aus dem alten herrensige haften geblieben Die Leute in der Nachbarschaft kann ten es fast unter teiner andern Be nennung, und doch verdiente sie LJus Gut schon lange nicht mehr. on den eigentlichen, dort biniibergezages nen Preußen lebte in der That nur noch Einer. der alte Verwalter, ein Mann hoch in die Sechzig, aber rnit noch rüstigen Kröstem der sammt den sDienstleuten der seligen Besißerin und zwar als Ochsenjunge« herüberges tornrnen war und sich durch Fleiß nnd ehrliches Betragen zu solchem Eh renposten aufgeschwungen hatte. Das eigentliche Inventar aus ältester Zeit blieb aber eine andere, höchst eigen tbiimliche Persönlichkeit nnd das war der alte Forstwart, wie er dort überall hieß. Dieser, ein origineller Kauz. aber ein durchaus braver und recht licher Mann, hatte seine Carriere aus dem preußischen Gute von der Nile aus gemacht --- das heißt vom Holz 4 dieb bis zum Forstwart, wo er halten blieb und jekt in seinem hohen ttll . ter eigentlich mehr das Gnadenbrod asz, als noch wirklichen Nasen leistete l JDabei hing er an dem alten Platz be l ssonders an seinem Walde — denn um sdie Menschen bekümmerte er sich we snrg oder gar nicht —- rnit einer Zu nleigung, die man in dem sonst so ab geschlossenen und selbst scheuen Ge sellen gar nicht gesucht haben würde. Der Förster war allerdings sein Vorgesegten aber er betiirnmerte sich wenig um ihn und that seine Pflicht, ohne ihn viel damit zu belästigen Jener war auch gern damit zufrieden» wenn er nur den Holzsrevlern ein we-« nig aus die Finger sah und irn Win ter dem Raubzeng Fallen stellte, und zu beiden Beschäftigungen ließ sich Niemand besser verwenden, als der alte, siir seine Jahre aber noch außer ordentlich rlistige Forstwart Barthold Die Holzsrevler siirchteten nämlich den alten Mann weit mehr und gingen ihm weit sorgfältiger aus dem Wege, als wenn er der jüngste und träftigste Forstgehiilse gewesen wäre, denn sie glaubten: er könne mehr als Brod essen, d. h. er stände mit verschiedenen über- und unterirdischen Mächten im Bunde, was sieh mit dem Seelenheil einer gewiihnlichen Christen nicht ver trug. Ging er doch auch in keine Kirche und man erzählte sich von ihin ien Dorfe die tollsten und als-erneuer lichsten Geschichte-r —- und doch gab ei tanm ein harmlosetei Wesen in der weiten Umgegend, als eben diesen bra ven alten Jorstwart Nur dem Raub zeng im Waidex den Fischseiy Mar dern, Nitsch-, Jliissen nnd wilden Nasen war er ein grimmer nnd Mauer getan mit ne Sicherheit und i Leben feiner lieben Waldfänger —- der » Vögel —- bedrohten. Etwa zehn Minuten Weges —- oder eine halbe Pfeife Tabak. wie die Bauer-f manchmal ihre Wege messen —- von dem Rittergut Schildbeim ent fernt, und dicht am Ufer des kleinen fchilfbewachfenen Sees, lag ein febr freundliches Dorf gleichen Namens einigen wohlhabenden Bauern, wie auch von den Arbeitern bewohnt, die auf dem Gute ihre Nahrung fanden. Dort war eben Kirchweib abgehalten worden« und die Bauern und Jnfaffen feierten jegt noch —- gewissermaßen zur Erholung von den überstandenen Feftlichieiten —- die Nachkircbtveihe in einer Art von verlängertem blauen Montag. Die Köpfe wiifi von vie lem Tanzen und Trinken und den verschiedenen durchfchwiirmten Mich ten. hatten sie noch keine rechte Luft, wieder zu ihrer regelmäßigen fteten Arbeit zuriickzukebren, und glaubten die Zeit denn natiirlich nicht beffer anwenden zu können, als wenn fie das friiber be nnene Zechen ein klein we nig lange fortfegtetn Der arbeit faine Bauer ift fchwer aus feiner alt gewobnten täglichen Beschäftigung herauszubringen; wenn aber einmal draußen, bekommt er fich selber auch nur äußerst fchtoer wieder hinein. — Er weiß das felber dabei recht gut nnd läßt sich deshalb eben Zeit dazu. Im Dorfe war ein ziemlich großes Wirthshaus: Zum Stern; denn die Ebaussee fiibrte um den See herum und wurde besonders ftark von Fuhr leuten befahren.« welche die Landes vrodukte früher bis an die See nach Wismar, feii Errichtung der Eisen sbahn aber, mit noch-viel lebendigerem zVertehn nach der nachfren, etwa sechs lMeilen entfernten Eisenbabnstation schafften. Der Stern bildete denn »auch ieht den Mittelpuntt, in welchem ’die Honorationen des Ortes zusam Ernentamern bei Wein oder Bier die Nach-neben der überstandenen frohen ’ Tage zu vertreiben, und selbst der alte Verwalter vom Schloß, eigentlich tein Wirthshausgönger. war heute unter ihnen nnd saß mit einem Glase Wein vor sich am runden Tisch in der uns tern Stube —— denn kaltes, unfreund liches Wetter hatte die Gäste in das Innere des Hauses getrieben. Der »alte Verwalter war aber eigentlich nicht blos um zu trinten herunterge stammen, sondern er brauchte Leute ;aus dem Dorfe zur Arbeit, und Twußte wie schwer es hielt, sie selbst von der Nachtirchweihe sortzulocken So willig sie sich sonst »auch finden ließen. heute wichen sie ihm aus, und der alte Mann. der nicht hinter ihnen herlaufen tonnte, hatte sich deshalb hier wie die Spinne mitten in das Reh gesehn wo sie ihn, wie er recht gut wußte, doch zuleßt anlausen muß ten. Neben ihm, ineinander gedrückt und schläfrig. sasz ein anderer alter Gesell. der faule Tobias« wie sie ihn im Dorfe nannten. Er sah fast wie ein Müller aus« mit seinem hell-· blauen, weiß bestaubten Rock, war auch friiher ein Müller und noch dazu ein ganz tüchtiger gewesen, und wohnte in der untern· Mühle. aber nur zum auszug. irr narre vor tangeren zan ren Mühle wie Unwesen an seinen Schwiegersobn verkauft und sich nur« wie das häufig Sitte ist, seinen Aus zug« d. h. Wohnung uno Verpflegung bis zum Tode« vorbehalten, dann das Geld genommen und lustig damit ge lebt, und sent hieß es allgemein. daß er wohl bald mit der erhaltenen Summe fertig sein müsse. Das abek tiimmerte ihn gar wenig- Ohne die geringste Beschäftigung war er den Vor-— wie Nachmittag sicher im Stern» zu trefsen Nur an warmen Tagen! ging er manchmal mit der Angel anj den Bach, aber er war selbst zu saul, s Wiirmek zu suchen besteate seine An s »ge! deshalb nur legte sie in s Wasseri ’und sich daneben in den Schatten ir-: Igend eines Baumes und schlies so lange, bis er durstig wurde. Dann stand er auf, packte sein Angelzeug zu- « samtnen und ging wieder in den Stern, und die Leute im Orte nann ten ihn so mit Recht nur den saulen Tal-tas Daß der Bursche nicht zum Arbei ten zu bringen war. selbst wenn er noch hätte arbeiten lönnen, wußte der Verwalter recht gut, richtete deshalb auch tein Wort an ihn, und die Bei den saßen eine Weile, schweigend neben einander. wobei Tobias manchmal mit den rothgeränderten und feuchten Au gen nach ihm hiniiberblintte und sich nur bewegte wenn er sein Glas hob oder ei von Frische-n stillen ließ. «Na,« nahm da endlich Tobias das Gespräch aus, denn es verdroß ihn, daß ihn der Verwalter keines Wortes würdigte, »wirt) ja seit bald ein an deres Leben in dem alten Schlosse werden« he? —- tommt heute ein neuer Pachter hinein, der wahrscheinlich ein mal ein btschen reine Bahn macht.« »Möslich,« sagte Schönh der Ver walten trocken. — »Er-eh wird er aber doch wohl nicht ändern lönnen.« »Mit-di -- ne —- wäre auch schade,« lachte Tobiai stillvergnügt vor sich hin, denn er was-te seht, daß er den Verwalter geärgert hatte, ,,btn so hübsch genug, und muß nun auch so bis an mein Ende —- das Gott der lherr mir und seinem Schwiegersohne zu Liebe wohl noch ein paar Jährchen hinausschieben wird —- aufgebraucht werdens hehehe!'« Der Verwalter antwortete ihm nichts daraus, trank einen Schluck aus seinem Glas und sah ungeduldig nach der Thür. Die Gesellschaft gefiel ihm nicht. und er wäre gern ausgestanden. hätte er nur irgend wo anders einen passenden Plah gehabt. Der Alte merkte dies recht wohl, aber noch viel zudringlicher suhr er sort: »Es hieß ia einmal eine Weile im Orte, der Herr Verwalter würden den Pacht selber übernehmen. he? Der gnädige herr da draußen hat aber wohl nichts davon wissen wollen? — Ja — ist eine alte Geschichte: der Prophet gilt nichts im eigenen Lande; hehehe!« Damit hatte er übrigens, wie er recht gut wußte, des Verwalters wun desten Fleck getroffen Der alte Mann stand auch aus, tranl sein Glas aus und sagte: »Ihr seid ein unverbesser licher Schwäher. Tobias, und ein so nutzloses Subjekt, wie ie aus zwei Beinen herumgetaumelt ist. — Wenn Jhr einmal nüchtern seid. will ich wei ter mit Euch reden-« Und damit wollte er sich von dem höhnisch zu ihm aufschauenden Alten abdrehen. als die Thiir ausgerissen wurde und einer der Gutstnechte athemlos hereingestiith lam. lsfortsehung toan -.-— das spielende Berlin. Seit fünfzehn Jahren löst in Ber lin ein Spielerslandat den, an deren ab. Der «olle, ehrliche See mann« eröffnete den unfchönen Reigen. - Bald folgte der Prozeß der harmlosen, von denen die meisten aus so liebenswürdige Bezeichnung nichts weniger als Anspruch hatten. Der Klub von 1900 brach. mehr als eine Existenz unter fich begrabend, zufam men. n jüngster Zeit·erlebte man die Afsare Matistr. Und in den al lerjiingsten Tagen hat der Versuch. ein Kaisertelegramm als Aushängeschild und Werbezettel siiu einen neuen, wie eg— scheint. nur zu Soielzweaen ins Le ben gerufenen Klub zu benutzen, das unliebsanifte Aussehen erregt. Wer aus solchen Thalsachen den Schluß ziehen wollte, Berlin hätte sich allmählich in eine einzige grosse Spiel hiille verwandelt, oder auch nur an: nähme« daß der Berliner. seinen na« tiirlichen Anlagen nach, eine besondere Leidenschaft fiir die Aufregungen und Anreise des Spieles befaser würde uns freilich unrecht thun. Man lann, als Eingebotener und als Fremder, lehr lange in Berlin leben. ohne se nials der Versuchung, zu spielen, aus gesth zu werden. Aber es ist nicht zu leugnen, daß ganz bestimmte Kreise in Berlin gegenwärtig von der Spielwuth in früher ungeianntem Maße be herrscht sind uno daß allnächtlich in Berlin Summen deren Höhe sich jeder Berechnung entznht, im Spiel gewon nen und verloren werden« Diese Er lcheinnng fteht nint in so unlösbarem Widersprnche, wie man meinen könnte, zu der Thatsache, daß Berlin ohne Zweifel an Fleiß« an thrdeitsamieit und an zähem Erwerbfhn obenan un ter den modernen Letteltstiidten genannt zu werden verdient man hat noch im mer nicht den Rau ch der Gründer jahre ganz verzvund-·n, hat- sich noch immer nicht von dem Staunen über den eigenen Aufstieg vollständig er: holt. Es find noch Ei svorlöinnilings gefühte im Berliner weich Die Belli ner Mattrer trinken nicht« wie es zur Gründerzeit vorgekommen sein soll, französischkn Champagn.r auf dem Bau miteinander. Aber der einst so genügfame nnd bescheidene Mittelstand —- das Wort nicht zu eng gefaßt — ist mit der Vermehrung seines Wohlstan des start genufzfreudig geworun. Der Uebergang hat sich zu schnell, ,,u un vermittelt vollzogen Das Geld wird leichter als anderswo ausgegeben. Einst galt das Spiel, auch im nüch ternen Berlin, fiir eine der sogenann ten noblen Passionen, nnd der Jana lier, der ihr nicht ergehen war, tam leicht in den Ruf eines Duelmiiufers. Vom jungen Reiterofsizier forderte Jnan am grünen Tische edensooiel Wagemuth wie auf dem Schlachtfelde. iDen letzten Ausliinfern solcher An Ischannngen mit unnachsichtlicher «Strenge entgegengetreten zu sein, ift ein hohes Verdienst Kaifer Wilhelmä ll. So wenig Spaß der alte Kaiser in den eigentlichen militiirifchen Din gen verftand, so milde wurde doch während seiner Regierung das »Jen« in der Armee beurtheili. An Renntagen pflegte dem Mahl in den vornehmen Berliner Reftaurants im verschwiege nen Vinterzimmer ein Spielchen zu folgen, an dein nicht nur Sportleute vontsernf sich hetheiligten. Jeder zahlte bei seinem Eintritt zwanzig Mart nnd lonnte dafttr genießen, was er wollte. Der Wirth machte dabei ein gutes Geschäft, da die Spieler doch nur dann und wann mit einem haftig herabgegossenen Glase Wein die Ner ven auffrischten. Ali aber Prinz Wil helnt von Preußen 1885 an die Spiie der Gardekhusaren trat, war eine sei ner ersten Maßregeln, seinen Ossizie ren das Spiel zu verbieten. Er unter sagte ihnen den Besuch des vornehm sten Berliner Man tvo eine« Partie Quinze des Nachmittags in munterem Schwunge war, und befahl ihnen, den Verkehr in einem der preußischen Kö nigssamilie verwandten Hause aufzu geben, dessen Jntime manches Mal beim Tempel oder Malao bis zum Morgengraueu zusammendliebem Diese unerbittliche Verfolgung des Spiel-i dehnte der Kaiser auf die ganze Armee aus, nachdem er ihr oderster Kriegsheer geworden war. n der -. Berliner Gesellschaft ist der Of izier—— Anstände-s ertennen dies williger an als manche Julönder —-- der unbestrit ten tonangebende Kavalier geblieben. Was sich im Laufe der jüngsten Jahr zehnte in Deutschlands Metropole ali »goldene Jugend« auszugeben liebt, erweist sich, bei näherer Betrachtung, als Tal-ni. Und in diesem Sinne tann man getrost behaupten, daß das Spiel in Berlin aufgehört hat, eine Kavalierpassion zu sein. Trotzdem tvird in Berlin jetzt un vergleichlich mehr und höher gespielt als früher· Jahr-tus, jahrein wachsen, besonders im entlegeneren Westen, Klubs aus dentVoden. die. vorschrifts mäßig angemeldet und mit tadellosen Statuten ausgestattet,keiu andereisiel verfolgen als: Gelegenheit zum Spiel tu bieten. Diesen wirklichen Grund ihres Daseins verbergen sie oft hinter recht drolligen äußeren-. Schein. So wurde jiingst solch ein Spielklub aus geht-dem der sich Jagd-Klub betitelte, in der Reihe von Berlin ern richtiges · Jugdgelände erworben und seine Vor derzirnrner mit waidtnönuischen Tro phiien stilgerecht geschmückt hatte· Man erzählt, daß dieser Klub die Schöpfung eines wohlhabenden und ngeseheneu ehemaligen Handschuhin itanten war. der sein ehrsnntes Handwert den Kar ten zu liebe an den Nagel gehängt hat te. Und in der That, gerade in dem Milieu der aus dem sesten Boden eine-S gutgehenden. ost sehr bedeutenden Ge schäft-z stehenden Berliner Gewerbe treibenden hat das Spielfieter allmäh lich tuehr und mehr urn lich gegriffen Häufig entwickelt sich solch ein Klub, deren es gegenwärtig in Berlin Dut zende gibt, aus kleinen Anfängen, so zusagen organisch aus einer regelmä ßigen Spielpnrtie unter gutenBelann ten. Nach und nach erwacht derWunsch nach eigenen, behaglichen Räumen, und da das Anrteugeld eines leidlich besuchten Klubs nn einem einzigen Abend Hunderte von Mart betragen innn, so braucht man sich weder lu 1uriöse Möbel, noch eine erquifrete Küs che zu versagen. Auch ein Lesezimrner sehlt gewöhnlich nicht, aber darin herrscht Oede und Leere. so groß die Auswahl der Zeitungen und Zeit schristen seist mag. Umso ledhuster und angeregter geht es irn Spielzim mer am Potertisch zu. Denn das Pa terspiel hat alle übrigen Spielarten in Berlin siegreich aus dem Felde geschla gen, duldet höchstens noch das Bühng als zähen und ungesährlichen Konturi renten, neben sich-. VIII Ukm Vct Bcncldk keimt llllk Oli an die Thiir dieser alle gesehlichen Formen beoiachtenden Spiellli.in, wo lorrelte Diener mit Botsclpasterinienen den eintretenden Mitgliedern nnd Gä sten die Mantel von den Schultern nehmen. Nur wenn es zum Standnle lonnnt, wenn ein Falschspicler sich ein aeschlichen oder der Klub gewerbsmä ßige Spieler ausgenommen hat, wird mit itarler —— nicht immer glücklicher — hand eingegrissen Dann wandern die Einen aus die Anllagebant, dieAns dern müssen aus den Zengenstiibleu Platz nehmen, nnd die Dritten, die Zahlreichstem entschuldigen ihr Fern bleiben telegraphisch von St. Moritz oder Bodighera aus. Selten entspricht die Entfaltung des Apparates —- die »Ausinachnng« wie der Berliner so schön sagt —- dem Ergebnisse, erhält der Sensationshunaer deo Publitums die erhosste Befriedigung. Denn was hinter den dichten Por tieren der Spielllubz vor sich geht, — dnrilber wird underbriichllchesSchwei gen bewahrt. Ziir Spitzel ist hier tein Feld der Thätigleit. Und es ist sür die Wächter der össentlichen Sicherheit und Sittlichleit leichter, drei Bäckeraei sellen, die in einer Wirthsstube in der Elsiitserstrasre um ein paar Mnrl ge snauschelt haben, am Kragen zu neh men und der irdischen Gerechtigtelt zu liberantworten, als zu erfahren, wie -viele Tausende der Großerporteur X lebte Nacht in einem Klub der Joa chinijtalerstraße dem Abzahlungöges schlistllbefiher Y im Poler abgenom men hat« W Die Alchicnisten der Gegenwart: die Trustprornoters. Die machen aus Wasser wirtliches Gold. « I I L Was das rz dein Herzen gegeben hal, kann er verloren gehen, wenn Seide Herzen zu schlagen aufgehört ha en. -