Nebraska Staats-» Anzeiger und J set-old Japkgmgz. Gr« pas-Jst Im- 1.Jm ist Im Zwiter QTIZZU .) « Die Wellen Hermn von Sie-du« Wie tauschen die Wellen so eilend da ·hin! Und wie sie murmelnd die Häupter heben Und ichillernd in regellofeni Bestreben Dem fernen Ziele entgegenziehn. Sie glauben, es treibt sie ihr kühner Muth — lind doch nach tefiinnnten Gesesen sie gleiten Jn die Meeres-arme, die offenen« wel ten, Wie ins dunile Nichts des Lebens Fluthk ---—s—.— Es war ein Traum. Eine Hofgeschichie von Eufemia Grä"linv.Adiersfeld ’ Balleftrem. Jrn Herzenslchlosse zu Rauhenburg blihten die hell erleuchteten Fenster hinaus in die laue Mitten-tacht Es war Frühling geworden tm Lande, und zu der Frühlingswonne draußen in der Natur paßte das Fest drinnen im Herzogsfchloß gar treff lich, denn die leidenrauschende, dia manten-, gold- und silberftäahlendg sporentiirrende Menge, die ii in den Nococosälen auf dem spiegelt-lauten Parlett hin und heg bewegte wie die raufchende Fluth, feierte die. Verlo bung des Erbprinzen von standen burg mit der jungen, kaum den Kin der-fahren entwachsenen Fürstentochter von Liebenstein. Eil war natiirlich eine Konvenienz heirath. Der Fürst von Liebensieinj hatte nur diese eine Tochter. deren: Gemahl dereinft das kleine Fürsten-s thnm erben sollte. Seine Schwester; war die regierende Dersogin vonf Nauhenhurg und diese, beflissen das. Ländchen nicht in sremde Hände über- I gehen zu lassen. hatte die heirath ih-l res Sohnes mit ihrer Nichte arran-« girt. Die Liedensieiner herrschasterl«. die mit ihrem definitiven »Ja« im mer noch ein wenig geziigert hatten, waren nach Rauhenburg eingeladen worden und dort hatten die münd lichen ileberredungen das übrige ge than — die Verlobung wurde ge feiert. T Und während drinnen im Herzogss schloß das hohe Brautpaar die Cour des Rauhenburger Adels ahnahm, zog draußen der Frühling durch die laue Maiennacht, und da er ja am liebnen weilt, wo sich die Liebe zu Liebe sin det, so strich er auch durch das hohe, geöffnete Fenster des Ceremoniensaa les und hauchte einen sansten Kuß aus die Schulter der dein Fenster zunächst-— stehenden jungen und schönen Hos dame, welche neben der purpurrothen « Sammetschleppe der Herzogin stehend, leeren, dunklen Blickes zusah, wie eines nach dem andern sich vor dein Brautpaare tief verneigte. —- Sie fuhr beinahe zusammen, als der Kuß des Frühlings ihren weißen Nacken und ihr dunkles Haar streifte, dann seufzte sie ties aus. « Die herzogin wendete ihr Haupt. »Sie sind wohl unwohl, liebe Fals lenau?« sragte sie gütig. »Sie sind sehr blas-, heute — —« Die hosdame össnete die Lippen, aber iein Laut kam iiher sie. »Ich deurlaube Sie iiir heute.« suhr die herzogin sort. »Gehen Sie und erholen Sie sich. mein liebes Kindif - «« « s sc Sitsclnlic Voll jfcillcllml beugte nur über die ihr gütig dargereichte fürst liche Hand und drückte einen Kuß darauf — dann glitt sie leise hinaus, in der Meinung, Niemand habe ihre Entfernung bemerkt. Und doch folg ten ihr zwei Augen bis zur Thiir — die des Erdprinzent Die Hosdame schritt durch die lee ren, hellerleuchteten Korridore, durch deren dssene Fenster der Frühling draußen wundersam lockte — und sie folgte dem lieblichen Rufe, indem sie durch eine Seitenpiorte das Schloß verlieh und den Port betrat. Es war ja so warm, daß sie seines Schuhei für ihre entdldßten Schultern de durite und lo in Sinnen verloren wan delte lie durch die dunklen Landgiinge. daß sie es nicht achtete, wie ihre W tiae. rolenrothe Courlchledpe von schimmernde-n Atlas rauschend nnd lnifternd den Kiestveg setzte. Und im zweelloien Dahinwandein tam sie an eine Stelle. wo eine imiichs tiae Linde fis-IT wo ein strinerner Neptun einen hellen Wasser-strebt aus einer qrdßen Mal-bei rieleln ließ, und eine leltsam qelchweifte Marterort-unt einlud zum Träumen. hier lani Su lanne von Fallenan mit leisem »Bish nen in die Knie und barg ihr blumen; gefchntitcktei. schsneg bleiches Haupt un dec Lehne der Bank in ihren hän den wie in namenlosem Schmerze. Ihre Couefchleppe legte sich dopei in schimmernden Falten auf den- jungen, frischgrünen Rasen nnd der volle, gol dene Maimond trat hinter der Linde hervor und-warf sein mildes Licht auf das schöne, kniende Weib. i— Da J urplötzlich hob sie lauschend das Haupt s-— duniie Röthe wechselte mit fahler Blässe auf ihren Wangen — sie hob abwehrend die band — zu spät! Die von ihr vernommenen nahenden Schritte waren näher und näher gekommen und nun stand die hohe, gebietende Männergeftald der sie gehörten, an der Bank und beugte sich zu der Knieenden herab. — Dem Mond droben am Himmel aber flog vor Schrecken ein weißes Federwölkehen über das Unre, leuch tende Angesicht — denn unter der Linde dort ruhte die Hofdome Su fnnne von Fatienau in den Armen des Erbprinzeu von Nnuhendurg. »Ich wußte, daß ich dich hier fin den würde Susannr. « flüsterte er ihr ins Ohr. ,,hier wo unsere Herzen sich fanden!« »O, ich bin namenlos elend," hauchte sie mit iiberseligem Lächeln aus den bleichen Lipven. »Du sollst es nicht länger sein," sagte der Erbprinz innig. »Sie haben mich heute überrascht mit der Verlobung drinnen —- es blieb mir kein Wort zu entgegnen und sie hatten es fein eingeiiidelt. Sei ruhig, Susanne —- morgen schon werde ichses sprechen, das erlösende Wort, morgen schon werde ich die nn wiirdigen Fesseln von mir weisen, morgen schon werde ich Menschenrechte sitt den Fürsten fordern. Und dann wirst du mein Weib sein, mein ge liebtes Weib! Susanne, ich schwöre es dir in dieser heiligen. Stunde, dosz ich alle hindernisse besiegen will, um dich zu gewinnen — und bei Gott« ich werde meinen Schwur halten! Willst du mir treu bleilienim » »Ist-en bis in den Tod« sagte sie jauchzend, ties bewegt. Wie wunderbar der Born rauschte —- war’s Spott, wand Trauer-i — Zwei Stunden spätek pochte es an die Thiir Susannes von Falkenau im berzoglichen Schlosse und zum großen Erstaunen der fdame betraten die Heezogin und de Prinzessin s Braut das reizende Stäbchen, in welchem Susanne noch am ofsenen Fenster träumte. L «Die Cour ist vorüber,« ries die herzogin, «und ich wollte noch einmal selbst sehen, wie es Jhnen geht, mein Liebling! O. nicht doch, lassen Sie -mich Jhre Stirne kiissen! Sie sehen jmich verwundert an-—o, ich bin heute geneigt, Glück und Gnade mit vollen l Oänden auszustreuen, da so viel Glück smit der Braut meines Sohnes unter mein Dach eingezogen ist!« ! »Und denken Sie nur, Fräulein-von ;Faslkenau,« vlauderte Prinzeß Beatrix )mit ihrem stoben Kinderlachem »den ken Sie, ich habe mir Sie von meiner gnädigen Schwiegermama als Ge schenk zur Vochzeit ausgebeten Jch bin Ihnen so gut —- Sie sollen meine Freundin werden und zugleich meine erste Hosdarnel Das mußte ich Ihnen heute noch mittheilen. Sie willigen . doch ein J « , ;Dukch..4ucht sind allzu gnadtg," murmelte Sulanne erbleichend. »Ich habe Beatrix’ Wunsch gern er füllt«, fuhr die Herzogin fort, »denn obwohl ich Sie schwer vermissen werde. liebes Kind, so hoffe ich doch viel von Jheem schönen, veredelnden Einfluß auf den noeh zu formenden Charakter meines geliebten Töchter cheng. Und mein Sohn, der Erb ptinz, spricht auch mit soviel Bekeh rung und Achtung von Jhnen —« «,,-Q, und ieh will gern Ihrem Rathe folgen!« rief die Peinzeisin und fal tete dabei ihre händchen wie ein Kind, das artig zu sein verspricht, »ich möchte ja alles, alles thun, um Edgar zu gefallen, damit er mich liebt, wie ich ihn: so recht aus vollem Herzen —« »Gott ieane dicht« sagte die Her zogtn gerührt. »Gottlob, daß die hohe politische Wichtigkeit, welche die let Ehebund liir uns und das Land hat, getriint wird durch die Liebes Ein Jehlfchlaaen der hoffnunaem dte M an diese Veemählunq knltplen, hätte uns nicht nut tief gebeugt» — es Ette uns zur Erde geworfen. Doch nun weilt eitel Sonnenschein über uns Ind- dem Lande, Gott let gelobt dalttet Komm' ieht, Beatrix!« Mit gittigem Lächeln wandte lich die deezoain zum Gehen. Da endlich littte sich Sulanneö ltaeee Ruhe. ,.Eine Gnade, hoheitt« bat sie. »Sie ist im Voraus gewährt! Was ist’S?« »Ich fühle mich leidend und soll Landluft schöpfen, Hoheit! Darf ich mich aus ein paar Wochen aus das Gut meines Oheitns, des Grafen Sausenburg zurückziehen? Er ist, wie Hoheit wissen, mein Vormund —«' »Gewiß. liebes Kind, reisen Sie morgen und bringen Sie dann wieder rosige Wangen mit! Gute Nacht!« Noch ein freundliches Lächeln und die Herzogin rauschte, gefolgt von der Prinzessin, welche Susannen eine Kußhand zuwarf, hinaus. Sie hat ien es so verabredet, Prinx Edgar und Susanne. draußen unter der Linde am Born — sie sollte zu ihrem Oheim, indeß er den Sturm entfesselte. Und von Taubenburg wollte er sie abholen —- als seine Gemahlin. Die ganze Nacht durch und all die Stunden lang während ihrer Reise flogen und jagten die Gedanlen durch Susannens Hirn, und ohne Unterlaß hörte sie das rührende Liebesbekennt niß von deni Munde des bräutlichen Fiitsteniindes, klangen ihr im Ohr die Worte der Herzogin wie Glockenklang. Endlich, endlich hatte die Reise ihr Ziel erreicht und sie betrat die schöne italienische Villa, in welcher Graf Taubenburg in ländlichet Stille sei nen Studien lebte. — Der vornehm und stattlich aus sehende here mit dem weißen vollen Haar und den seinen durchaeistigten Rügen empfina feine Nichte mit freundlichem Willkomm. Und als sie am Abend feinen Thee bereitete und lauteres Behagen um ihn schuf, da sagte er: »Ich wollte, Susanne, du bliehefi immer bei mir!« Sie preßte die Hand aufs Herz und lniete dann neben dem Sessel des Grafen nieder. »Ich möchte wohl, Oheim,« sltifterte sie mit blossen Wangen, »aber ich lann nur bleiben. wenn — wenn ich deine Frau sein sdarf!« «Sufanne —- was verlangst du von entri« rief der Graf tief bewegt, er staunt. »Ich verlange nichts. Oheim, ich bitte nur! Erhalte unserem Vaterlan s de seinen künftigen Fürsten, einer hol den unschuldigen Braut den Glauben und mir —- mir ——« Ihre Stimme brach, leise fchluchzend legte sie ihr Haupt an des treuen Freundes Brust wie ein müdes Kind. Er aber sagte leise: »Ich verstehe dichl« Es tvar etwa vierzehn Tage später. Jm Kabinett des Herzogs von Rau henhura stand der Erhvranz vor sei nen Eltern. welche tief bekümmert und gebeugt nach der dem Sohne zu diltirten zweiwöchentlichen Bedenkzeit von diesem aufs Neue vernehmen mußten, daß sein Entschluß unabän derlich sei, daß er seine Würden dem jüngeren Bruder übertrage, der Krone entfage und Susanne von Fallenau zu seiner Gemahlin machen wolle. Da, in der elften Stunde, in der Prinzeß Beatrix den Tod ihres jun gen Glückes erfahren sollte, da traf ein Schreiben des Grafen von Tau henburg an den Herzog ein, in wel chem ihm derselbe feine Vermähluna mit seiner Nichte anzeigte. L ————————————— Wenige Monate . später fand die feiertiche Vermiihlung des Erdprimen von Rauhenbutg mit der Prinzefz Beatrix von Liebenftein statt, und was in feinem betrübten Herzen vonl Liede noch übrig geblieben war, das-i schenkte der Bräutigam am AttarT der Braut und hat es ihr nimmer ae j klommen. Sie hat es nie erfahren; und ahnt es heute noch nicht« daß derj Kaufpreis fiir ihr hohes, reines. Glück, das fte an des geliebten Gatten « Seite fand, Sufanne von Faltenankr unerhörtes Liebesopfer war. I Der Graf von Taubenburg ftand nach wenig Jahren am Grabe feines vfttchtgetreuen, schönen Weibes mit herdern Schmerz. Er hatte ja nim mer ihre Liebe besessen, aber als fie endlich am gebrochenen Versen ftarb, da trauerte er tief um die freundliche Gefährten feiner fchiinften Lebens« tage. Dem Erbvrinzen sandte er aus ihrem Nach-laß den Ring, den er ihr in jener holden Maiennacht gege ben, und auf defer Papierhiille ihre Hand die Worte geschrieben hatte: »Es war ein See-um« Dienstuntan Lehrer-: »Mir Einer hat ans Erden gelebt, der ohne jeden Fehler, der ftets fein Muster war, wer war dass« t Der kleine Fett-: »Mutters erfter LMannX i -T-———M— F Das französische condon. Das Leben und Treiben des fran ziejxischen Biertels in London ist ei n - der fehenswerthesten Stücke der Wunsch-n Hauptstadt Zunächst an nnd fiir sich, und dann, weil es einen Maßstab gibt fiir das gegenseitige Verhältniss der beiden großen Kultur nntionen Westeuropcrs. Dies Verhält-v niß hat sich ja eigentlich trotz allen Kriegcn bis in die Gegenwart hinein nie geändert. England und Frankreich sind die beiden Länder Europas-, die m- stärksten gegenseitigen Verkehr von Gütern aller Art stehen. Sie tauschen ihren Whiskey und ihren Champagner-, ihre Seide nnd ihr Bier, ihre Maschi nen und ihre Autos aus und verdienen riet Geld damit. Sie tauschen auch ihre Gedanken ans, und auch das ist für bei-den Theile von großem Nutzen Wean sie aber anfangen, ihre Gefühle augzutauschem dann fängt die Ge schichte stark an zu hupern, und nach einiger Zeit merkt man die Wahrheit, daß nämlich jede «Entente Eordiale« zwischen den beiden Ländern nur ein Geschäft ist, das die Polititer machen, an der das Volk aber selten Antheil nimmt. Diese Entente ist.sozusagen eine Ehe mit vertraglich ausbedunge neit«112iszverftiindnissen, die gewöhnlich bald die fatale Form von politischen Rechenfehlern annehmen. Man braucht einen Fremden in London nur lurze Zeit sich selbst zu überlassen, dann findet er schon her aus, wo das französische London liegt. Die Gegend zwischen Leicester Square und Soho Square mit-ten im Westen, kaum zehn Minuten vom Bahnhos Charing Croß entfernt, ift der Mittel puntt des gallifchen Einflusses an der Themse. Das ernsteLondon fängt hier auf einmal an, ein toiettes, frivales und vergnügungssitchtiges Gesicht auf zusetzen, und da die Straßen auch ent sprechend schmutzig sind, so kann man mit einiger Einbildungslrast glauben, auf einmal in einen Stadttheil von Paris versetzt zu sein. Das glaubt«man zunächst in Lei qitek Square selbst, dessen Ränder ringsum mit Variestsspalästen besetzt sind, und in dessen Mitte sich sinnig eine Statue Shaiespeares erhebt, da mit hier doch etwas ist, was nachKunst aussieht. Das Rachtleben von London steht hier auf der Hähe, und aus dem Bürgersteig schiebt sich jeden Abend eine nach Tausenden zählende Menge aneinander vorbei, die allen Nationen angehört. Besonders aber hören wir Französisch, und die hübschen Töchter Frankreichs flanieren hier zu Dutzen den und lachen unter ihren breiten Hü ten ihr tolettestes Lachen hervor-, wie es das griesgrämige London sonst sel ten hört. Die Zeitungsjungen reden uns an mit Monsieur (Enalisch zu sprechen!). die Bierhäuser heißen hier »Brasserien«, und die hartiiäctigsten Engländer ahnien hier tontinentale Sitten nach, ja sie wissen sich sogar zu betbeugen, wenn sie mit einer Dame reden. Leicester Square ist der Tal-ni chlevard von London. Es wird nicht anders, wenn wir uns in die nach Norden führenden tleinen Nebenstu ßen begeben. Da sind im besonderen Watdour Street, Lisle Street, Ger rard Street und andere alte Straßen, die zwar von der Kultur der Reuzeit Gasgltthlicht und Aspalt angenommen haben. die aber ziemlich eng und ver tehrreich sind. Die Hälfte der Firmen schilder zeigt hier sranzösische Namen. An den Straßenecten sehen wir stan zösssche Zeitungsagenturen und Buch handlungen, die gelben Romanbände von Paris-, dte ltcvenstourdrgen Lau genichtse der Weltliteratur, drängen sitt zwischen die ernsthaftesten engli schen Zeitschriften, Fieepsakes und »Guides«, und die neuesten Zeitungen von Paris sind hier zehn Stunden nach Erscheinen zu haben. Photogra phien von Pariser Künstlern und be sonder-s Künstlerinnen locken die lern isegietige Londoner Jugend, und mit Ierselben sentirnentalen Unbeholsen lzeit und derselben Tolpatschigteit wie in gewissen Berliner Geschäften wer den die Freuden des Pariser Vergnü gungjlebenö angewiesen Nicht als ob Photographien und Bücher sich äußer lich hier auch nur im geringsten diesel ben Freiheiten erlauben könnten, die etwa im Palais Royal, oder in der Rue Montnrartre üblich sind. Jn die- » fer Beziehung Paßt die Londaner Pa ltzei heiser auf und beweist, daß Alt Englands Moral kein leeresGerede ist. Jn allen Straßen ringsum sehen wir scanziisische Vvtelö mit französischen Preisangaben im Eingang. Jn den Reftaurants gibt es keinen ,,Lunch« mehr, sondern ein »D(««jeuner", der »Mutter« verwandelt sich wieder in den ,,Gar(;on«, und tn den Bars erfreut ,,echter« Absmth (zu 3 Pence« jedes biedere Franzosenherz. Die Namen uot allen diesen Restaurants täuschen » berühmte gastronomische Stätten in Paris vor, da gibts ein Restautant Maxim, Monte Carlo, Riche, Richt lieu u. s. w. - Diese gallische Kulturquelle geht bis in die Gegend des malerischen alten Soho Squares, wo das Viertel Sohn beginnt. hier fängt ein anderer Ein stuß, der italienische an, denn Sobo ist ein altes Quartier von Jtalienern. Das stanzösische Quartier ist nicht etwa eine Errungenschaft der Neuzeit. Es ist nicht etwa ein babylonischer Garten, den sich das üppige London so ganz im Stillen angelegt hätte, un dort die verbotenen Früchte zu kosten, Edie bekanntlich immer am besten lschmecken Das war schon ein altes Emigranten - Viertel. Es mag solche Viertel sriiher auch in Berlin gegeben haben, als dies seine Hugenottenslut erlebte, aber sie sind dort infolge der Entwicklung der Stadt längst ver-· schwanden t Jn London erhält sich alles länger. l Jn der Nähe von Leirester Square sie delten sich nach dem Edikt von Nantes eine Menge Franzosen an, die über den Kanal geflüchtet waren. Noch fünfzig Jahre später schrieb ein englischer Chronist, es seien in diesem Viertel so ;biele Franzosen, daß es siir einen Fremden leicht sei, sich in Frankreich zu glauben. Drei französische Eigen schaften, die Galanterie, die Fein Tschmeclerei und die Händelsucht, schei nen sich dauernd in Leirester Square » behauptet zu haben. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden hier die da mals noch in London iiblichen Zwei tänipse zwischen Gentlemen stati. Auf der einen Seite und im Zentrum des Platzes standen zwei Paläste von gro ßen Herren, die einst eine Rolle spiel ten, Leicester-Haus und Savile-Haus. Das Leicester-Haus, etwa da, wo heute die Alhambra steht, war ur sprünglich fiir Robert Sydneh Earl of Leicefter gebaut, dessen Rolle am Hofe Elisabeihs bekannt ist. Später starb hier eine tragische Figur der Weltge schichte, die WuteriänigiM Elisw lseth von Böhmen, die Tochter Jakobs i. Jm Savile-Haus daneben ver kehrte viel die literarische und künstle rische Welt des 18. Jahrhunderts-. Dort logierte man auch Peter denGro ßen während seines Londoner Aufent halts ein, wobei er allerdings einige Sittenbilder lieferte, die weder litera risch noch kiinstlerifch, sondern nur rusfisch waren. Beide Häuser sind jetzt längst verschwunden Aber Leicester Square hat auch sonst in seiner Nähe manchen berühmten Gast gesehen. Die Maler Hogarth und Reynolds wohn ten hier, Jfaac Newton hauste in der nahen St. Martins-Straße. Jetzt hat das Bari-if- sie alle beerbt, worüber man sich in unserer Zeit nicht zu wun dern braucht. Wie wir im Leben oft die Beobach tung machen, daß gerade ernste und reife Männer für das Lächeln eines liebenswijrdigen Triuaenichtses -—— brauchen wir einmal das sehr nialeris sche Fremdwort: eines ,,Charmeurs« --—« sehr viel mehr Nachsicht zeigen als für ihresgleichen, so zeigt London in seinem ganzen Berhältnifz zu Paris viel mehr Instinkt als Urtheil. Jrnmer wehte es hier von Süden herauf über den Kanal wie eine heiße berauschende Welle, lockerte die Steifheit und Strenge puritanifcher Lebensgewohn heiten und brachte die Phantasie der niichternsten Whiskeytrinker zu dem halb neidischen, halb zärtlichen Aus frust »Ach fa, Paris!« lTon auf der s ersten Silbe!) ; Man muß das allerdings in dem be s scheidenen Maße verstehen, in dein der ; Engländer überhaupt fremde Einstijssx sannimmr Der Grund für den franzö lsifchen Einfluß liegt eben auch nicht ’nur darin, daß die sranzösische Kalb nie verhältnismäßig start ist (12,00() Köpfe) sondern auch in jahrhunderte langer Gewohnheit und Ueberliefe rang. Jm Mittelalter bildeten ja ei gentlich drei Jahrhunderte lang beide Länder sast eine politische Einheit; die Hälfte Frankreichs gehörte den Eng ländern, und der Hos von London sprach Normännisch-Französisch und lernte erst nach und nach Englisch.; Später verbreiteten sich die eigentlich französischen Industrien, Spiegel- und Möbelsabritation, Wagenbau nnd Uhrmacherei nach London und sind zuin Theil noch französisch. Wie das aber immer geht, neben den guten und tüchtigen Eigenschaften des französi schen Geistes -nahrn man vor allem seine leichtsertigen an und wußte dann in diesen-viel weniger Maß zu halten, als es im Lande Boltaires selbst üb lich ist. . Die Puritaner konnten schon- sur Zeit König Karls ll. nicht genu don I nern gegen den Einfluß des französi schen Theaters, des Komödianten, noch mehr den der Komödiantin. Und mits der französischen Komödiantin kam der sranzösische Tanzmeister, der französi sche Fechtmeister, der Friseur und der Koch, sie alle wußten Englands ernst haften Gentlernen das Geld für ihre »lächelndenThorheiten aus der Tasche zu Tziehen. Jn diesem Lande bezahlt man das Lächeln so theilen es steht hoch im PreisU Dieser Austausch zwischen den beiden Ländern wurde auch durch Kriege immer nur ganz kurze Zeit un terbrochen, und unmittelbar nach den Friedensschlüssen trat regelmäßig eine Ueberfluthung Frankreichs durch englische Vergnügungsreisende ein. Zu Ende des 19. Jahrhunderte-» nach 1870, verlor Frankreich an seinen nördlichen Nachbar einen wichtigen Kulturpostem die Herrenmode, deren Zepter endgültig in Britannias Hände überging. Vielleicht eine Art Ent schädigung dasiir verschafften ihm die letzten zehn Jahre durch den Drachen flieger und das Auto. Nach wie vor ist aber fiir die weibliche Konseltion i das Wort »Modes de Paris« die beste Empfehlung in London, und im Fe bruar wimmelt es aus den Dampfboo ten Dover-Calais und Folkestone Boulogne von kleinen Pariser Modi Binnen, die mit großen Schachteln nach ondan reisen und mit kleinen Schecks, zufrieden, wenn auch seetrank, denWeg über den Kanal wieder zurücksuchen. Von seinem geistigen Einfluß auf das Londoner Literaturleben hat Frankreich äußerlich noch nicht viel eingebüßt. Noch immer findet jede neue Richtung der Pariser Literatur oder Malerei ihren Weg nach London. Das Londoner Theater insbesondere ist geradezu angewiesen auf Pariser Erzeugnisse. Aber dafür wird der fri vole gallische Hahn auf den Londoner Bühnen zuweilen arg gerupr Man richtet ihn für die englische Sittlichteit in einer derartigen Tunke her und ent fernt alles, was- irgendwie »shocling" sein könnte, daß von seiner fröhlichen Laune nicht viel übrig bleibt. Uebrigens nimmt jetzt unzweifelhaft der Einfluß deutscher Kunstanschau ungen, besonders in der Kritik und Aesthetik zu, nur kann man sagen, daß die mächtigste Stütze des Pariser Ein flusses immer die räumliche Nähe bleibt. Auch Jdeen müssen sich ein biß chen nach den Eisenbahnstunden rich ten. Wird die englische Vorliebe für viele Seiten der Pariser Kultur nun auch auf der andern Seite des Kanals erwidert? Wenn man einer bestimm ten Oberschicht des Pariser Lebens-« glauben tvollte, unbedingt. Für einen Pariser dieser Schichten gibt es nichts Höheres als das Wort ,,Englisch«. Er übertrumpft den etwa gallisiertenEng länder dreifach. Die Anglomanie in Paris ist ja überhaupt eine geistige Erscheinung, das ein eigenes Buch ver-— diknt. Sie schlägt um Pferdeliingen alles, wag man je dem Deutschen an Fremdthümelei vorgeworfen hat. Sie ist ohne alle Kritik ohne alle Zurück kialtung und hat etwas rührend Kind ticheszz Sie folgt blind den armen mißleiteten Jnstinlten des halbenSüd länderg, der in der PariserNatur steckt· Dieser Südländer sieht in der kalten und berechneten Ruhe des Engländerg vornehme Zurückhaltungyf in feinen materiellen Jnstinlten gesunde Lebens kraft, in seiner künstlerischen Unbil dung anziehende Naivitiii. Er versteht alles falsch, zieht aus allem falsche Schlüsse und vergißt, daß er mit einein der verwickeltsten Charaktere zu tun hat, die Rassenmischung und alte Kul tur hervorgebracht haben. Der Eng länder seinerseits dentt nicht daran, die sanften Jllusionen seiner Pariser Freunde dieses Schlages zu stdrenn. Welch ein Narr wäre er, wenn er es täte! » Verlassen wir diese Obersclncht, fu treffen wir bei den Volksmassen beider Länder eine starke Abneigung, vor allem aber ein unausrottbareg Miß trauen gegeneinander, für das die jahrhundertelangen Kriege keine ganz ausreichende Erklärung sind. Es er klärt sich jedoch aus der völligen sozia len und CharaHer-Verschiedenheit bei der Volkstypen Der Aufbau des-« ganzen englischen Lebens ist noch heute artstotratisch, der des französischen demokratisch. Jn nichts stimmt dass seelische Konto der beiden Völker über ein. Höchstens daß in neuerer Zeit der Sport eine gemeinsame breitete Basis geschaffen hat. Frankreich und Eng land werden immer nur eine Diskurs liaison miteinander haben, Liebe, die auf Entfernungen angewiesen ist. Man sngt sich die schönsten Dinge, fltrtet und toastet bei schäumenden Kelchen. Sowie man aber acht Tage zusammen ist, geht die Geschichte nicht mehr.