Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 14, 1911, Zweiter Theil, Image 12

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    Jn sonnigen Gründ en. ·
Eine Liebesgeschichte von L e n e
lotte Winfeld.
II dge Ecke des Gartengitters, wo
see listige Graben sich zwischen die
- Eies-he und die Wiesen schob, stand
shs Telegraphenmasi.
Dr hatte noch Anderes zu thun, als
M sinnen Drähle hoch oben in der
Mde zu halten. Jeder Mensch.
It Eber den schmalen Steg den Gra
hs passirth griff nach dem ftarlen
— , um sich an ihm auf die sieil
esperftredende Straße zu ziehen.
Die lang-, graue Stange verwei
krte seinem ihre Hilfe. Nur wurde
ihre summende Stimme zuweilen et
ICI lauter, wenn ej gar zu gierige
Gilde waren, die nach ihr fasten
Dann wieder brummte sie beinahe be
haglich. wenn schüchterne, lleineäyande
siz Leishttem —, » T Of .l" · " «
f Sie Knie den Draht-m die von ih:
weg in weite Fernen liefen, viel zu.
erzählen. Was sah sie Alles von ih-?
»rein erhöhten Standpunkt aug! I
Wie der Sturm, der ihr nichts an-«"
haben konnte, seine wirbelnden Hände
nach den jungen Bäumchen streckte, die
sich schlau-demüthig vor ihm neigten·’
Mc er die trohig aufgereckten Zweige
der knarrigen Pappel brach, daß esl
lnackte, und dann urplötzlich still
schwiez um dem sammtenen Fall der
Schneefloclen zu lauschen, die sein
Ungestüm aus ihrem Wollenbett ge
riittelt. «
Und nun das Lenzen drüben in den
sonnigen Gründen jenseits des Gea
bensl —- Zuersi nur ein paar verschla
fene, erschrockene Blattspitzem Im Nu
aber ein schillerndes Schleierspannen
—- griinsgolden —- iiber die ganze
haldr.
Bald darauf leuchtet es allenthal
den roth und weiß und blau im
Grün. Nicht Blumen bringen die
Farbentupfen in das strahlende
Bild. Kinder sinds-, spielende Men
schen, deren Hände beim frohen
hinunterflattern ins Thal nur flüch
tig die haltbietende Stange ges
’ streift —
Der erzählende Pfahl begann blos
lich wobllautender denn je zu brum
men. Ein vaar zarte Frauenbände·
umklammerten ihn — so seit, als bieli !
ten sie das Glück. Ein paar sehnsüch: s
tig - dunkle Augen schauten über den
Graben hinweg in die sonnigen
Gründe, wo die Sonntaastleider vie
ler lustwandelnder Menschen zum
Licht ausgliinzten
Aber die schmalen Füße der Frau
wen-selten scheinbar aus dem winzigen
Fleck neben dem Pfahl. Der weiße!
Steg über den Graben lockte verge-;
beut «
»Sie wartet«, brummte der Tele
phenmafL »Jrgendwer soll an-«
dein goldenen Tbal über den weißen
Steg Zu ibt kommen«
»Wir wissen-, wir wissens« wisper-;
ten die Drähte. »Wir trugen heute
stillt eine Botschaft zu thr, eine Sonn
, sagsbotschast — Du weißt dach, daß
heut’ Sonntag ists«
« Die Stange summte ein verlegenes
«Nein«. —- Darum also waren in der
Friibe Glockentlänge iiber die gelben
Wege gewandert und hatten das feier
liche Glänzen über die schweigenden
stünde gebeeitet. War nicht in den
»Mutt, im Thun und Lassen der
Spaziergänger dort unten etwas
Neues, gleichsam Besteitess
Fest lösten sich zwei winzig erschei
nende Gestalten aus dem bunten
schwamm hand in Hand traten sie
aus den hellen Pfad, der sie liebevoll
auf-abm.
Die wartende Frau aus der Anhdbe
erkannte die beiden. Jn jähem Schreck
ließen ihre Hände den Pfahl los. Bei
nah- wiire sie die Böicbuna binab ins
Wasser geglitten. Zitteknd lebnte sie
sich an den sie tröstend stüdenden
Pfahl. Jbre Augen weiteten sich in
Entsetzen.
Das also war der Sinn des Tele
gvaan »Errvarten Sie mich heute.
—- Jch dasse, mein Glück in den son
nigen Gründen zu Füßen Jbrer Höhe
zu sinden.«
Lisa, ihre junge Schwester mit der
er jeht Hand in band den Parlweg
durchschritt, war dies Glück. Ihr
hatten alle Huldigungen, ibr die
freundlichen Maul-erstanden gegolten.
s Frau Leona’s weißgetvordene Lip
pen preßten sich in bitterem Weh aus
einander-. Alles, was seit Monden
unter dein Sonnenschein der Liebe in
ihr begraben, ihre Wittwenschwermutb,
Oe Dadern rnit dem Geschick. ihre
Sucht, sich selbst zu quälen, erlebte in
dieser Minute ein trauriges Auferste
heu.
Ob sie noch wagen dürfte, den Rück
bes zum Hause anzutretenf Aber man
hatte ihr helles Kleid aus dern hoch
selegesen Glas sicher schon bemerkt. —
« Die junge Frau senkte müde das
. sie Miede sie es tragen,
ld in den seinen der Schwester
its sehf — —- Darum wollte Lisa
M durchaus aus die holde, die Leute
. b idem sesttagspus zu bewundern
sie est. M He W Mistwagen
Ists-send schaute Lona in das
J » f - stau, das in so innigem
; Ue smism Gründe zu ihren
H « es —- Die blanke-i
—
I i
zufrieden sunenden Pfahl beschwichti- «
gend zu. —
Die beiden, froh nebeneinander
Schleudetnden waren fest dicht an;
den Sieg gekommen. Lisa schwenktez
lachend einen Strauß Veilchen detH
Schwester entgegen. j
Der Mann mit dem strahlenden Gei- !
ficht zog tief den Hut. Leif’ erstaunt,
bemerkte er Loncks müdes Los-inei
gen, ihr müde-Z Gesicht, dessen Farbe
sich dem Ton des weichen Gewandeg
anpaßte.
Aber das Glück in Reinhoid’s
Seele durchbrach siegreich wie die
Sonne die Sorgenwolten. Er schritt
zuerst über den Steg und reichte dann
Lisa die Hand. Sie behielt sie lä
chelnd in der ihren.
»Geftatte, liebe Lona." rief sie
übernriithig der etwas hochftehenden
-Sehwester zu, »daß ich dir mei
neu —« « « »Ob«-W
- Die verstummte erschrocken. Lona
hatte eine heftig abwehrende Bewe
gung gemacht und war rasch rück
wärts auf die Straße getreten. den
Pfad für die beiden Emporlliw
menden frei zu geben.
Reinhold und Lisa berührten nur
flüchtig die sich ihnen darbietende
Sternge. Befremdet schauten beide aus
die blasse, ftnmme Frau vor ihnen.
Lisa, die blonder, runder, beweglicher
war, als ihre Schwester, hatte schon
Thrünen des Unmuths in den Augen.
»Daben Sie keinen Willkomm für
mich, Frau Lonak fragte der
Mann, und in feiner Stimme zit
terte ehrlicher Gram. »Ich hoffte,
Sie mit Lisa in den fonnigen Grün
den drüben zn finden, überwand
aber meine Enttiiufchung, als ich Sie
auf Jbree einsamen Höbe wartend fie:
ben fah. Und nun —? —- Frei-en
Sie sich gar nicht?«
Auf Lona«s Lippen trat ein
Lächeln. das in seiner weben Ge
zwungenheit den beiden sie aufmerk
sam Betrachtenden ordentlich in’s
Herz schnitt. »Aber gewiß freue ich
mich,« murmelte sie.
Lisa warf sich weinend an des-'
Schwester Brust. »Du bist traut,
Lona — was ist bloß geschehen? —
llnd gerade heut’!«
Sie fühlte das Zacken der feinen
Gestalt in ihren Armen und wandte
sich hilfesuchend nach Neinbold um.
—- Der stand mit finster zufammen
gezogenen Brauen und ffattte in dag
dunkle Wasser des Chame auf
dem der lachende Abglanz des Him
mels lag. l
»Dann kann ich also wieder geben« 7
Frau Lona,« sagte er endlich in hei
serern Tone.
Jm Nu brachten Angst und Liebe
tu Lisa die junge Frau zur Besin:
nuna.
»Verzeihen Sie mir, Reinhold,«
sagte sie bittend, »ich wollte Euch
wirtlieh das Fest nicht verderben. »
Sie werden doch Lisa heut’ nitr
allein lassen!« ,
»Mich?'« fragte das Mädchen in
hellem Erstaunen, »aber er kommt
doch zu Ditt«
Aus Frau Lona’3 Gesicht wechselte
in jäher Folge die Farbe
s »Du selbst hast ihn doch vorhin ais
IDeinen Verlobten vorgestellt,« stam
melte sie.
Die beiden Anderen schauten sie-«
eine Setunde verblüsst an. Dann
lachten sie. Lachten, daß sich die alse
Telegtaphenstange veranlaßt fühlte,
zu den perlenden, hell und dunkel ge
säthten Tönen eine extra starke
Brumrn - Begleitung anzustimmen.
Und die schwanken Drähte hoch oben
blinten vor Vergnügen
Reinhold nahm Lona zärtlich in
die Arme
»Ali ihren Schwager wollte mich
der Ueberrnuth die vorstellen,« sagte
er, Jst dir das rechts«
Er wartete keine Antwort ab, son
Zern driickte die Ergliihende innig an
ch. —
Sie gingen zu Dreien dem hat-fes
zu· Das bestiedigte Summen des(
Telegraphenmastes tönte ihnen natlH
—- Roeh einmal schaute Reinhold zus
den Wiesen zurück. auf deren!
Sammetgrunde die Sonne Teiumphel
feierte. H
»Dort wolltest du mich nicht et-’
warten, Loncr. Nun laß mich dies
sonnigen Gründe in deiner Seele;
finden.« - ’
MAY habe einen fürchterlichen
»Unser wie gut et Ihnen sichtl« !
[ ,
Jn er rtaS dtdes Mann-ers
» Diesmal habe ich in Genua etwas
neues gesehen. Was siehi man da ge
iioöljnlichi Nun, ungeheure ins-nu
mentale Marmortreppen« die einen zu
der Ansicht drängen, daß zur Zeit der
Doria und des Fiesco die genueiischen
»Patrizier aus ihren Treppen speisien,
saßen, schliesen und sonst keine Raume
nöthig hatten; sodann enge Gassen,
die unten mit wimmelndern Volke
und Gerüchen von Käse, Wein und
Schweiß, oben mit ebendenseiben Sie-T
riichen und trocknender Wäsche ange-;
füllt sind; ferner einen großen Leucht-;
thurm und einen Hafen voll vonH
rauchenden und rußigen Dampsern;
endlich herrliche Aussichten von den
Bergeshöhen a.us Häuser und Meer.
Diesnial gab es ein besonderes Schau
spiel: durch die engen Gassen ging
eine Prozession: voran Waisenlnaben
mit ihren geistlichen hüterm dann
drei verschiedene Schaaren von Mön
chen, worunter mir nur die Kapuzi
ner nennbar sind, denn sie lenne ich
an ihren Kapuzen und Bärten, dann
endlich der Erzbischof ganz von Gold
strahlend. eine suszhohe goldene Mühe
aus dem Kopie, den silbernen Krumm
stab in der einen Hand, während die
andere ohne Aufhören segnende Be
wegungen machte, zu guter Letzt ein
herrlicher großer silberner Neliguien
schrein, dahinter frommen Herren im
Frael. ängstlich bemüht. das von den
Kerzen in ihren Händen träufelnde
Wachs von ihren Feiertagshosen ab
zuhalten.
Da in Franlreich die Prozessionen
verboten sind, sieht man so etwas mit
Interesse. Die Franzosen sind rabiate
Menschen und springen gern von ei
nern Ertrem in’s andere, wobei sie sich
in’s eigne Fleisch schneiden. Denn da
sie die religiösen Umziige verboten ha
ben, mußten sie das Prinzip der
Gleichheit gelten lassen und alle an
deren öffentlichen Umziige ebenfalls
verbieten. Darum wurden neulich
die höchst friedlichen und gesetzliedem
den Vater und Müller zahlreicher Fa
milien auseinandergejagt, als sie sich
zu einem öffentlichen Zuge versam
melt hatten, und darum —- sowie
freilich auch aus anderen Gründen —
giht es in der französischen Repnblil
weniger öffentliche Straßen-i nnd Ver
sammlungsfreiheit als in den meiften
anderen euroviiischen Ländern. Jch
tann mir leinen Freidenter vorstel
len, der gegen die religiösen Umziige
etwas einwenden tönnte, sobald man
ihm selbst den nämlichen Spaß er
laubt und ihn mit seinen Gesinnungs
genossen Fahnen und sonstige Jnsigs
nien durch die Straßen tragen läßt
Das Straßenhild nnd das öffentliche
Leben gewinnen durch solche Schau
spiele ungemein, und was in den
engen Gassen von Genua möglich ist,
lann doch auf den breiten Straßen
von Paris nicht als veriehrftörend ver
wiesen werden.
Die Genueser machen tim, wie eg
scheint, nicht fehr viel aus soichen
Dingen. Die Polizei tümmert sich
nicht darum, und vom Volke blieben
so wenige stehen, daß man sich bequem
durchwinden konnte. Die meisten
Passanten nahmen den hut ab, sehr
viele aber behielten ihn auf dem
Kopfe, und weder das eine noch das
andere Verfahren fiel auf oder belei
digte gar. Von dem Pomve religiö
ser Umziige in Spanien gab diese ge
nuesische Prozession nur ein sehr
schwaches Echo. Mir fiel der Frohn
leichnamszug in Sevilla ein; alle
Straßen, wodurch die Prozession geht,
werden von Dachrand zu Dachrand
mit großen Plantiichern überdeat da
mit Sonne oder gar Regen nicht scha:
den können: aus allen Fenstern hän
gen bunte Teppiche und Tücher, auf
den Baltonen stehen Blumen, Gewin:
de von Pflanzen und Blumen ziehen
sich von Fenster zu Fenster, die Stra
ßen sind vollständig in festliche Thea
terriiurne, die Fenster und Ballone in
Logen und Galerien verwandelt; das
Straßenpslaster ist mit kleinen Zwei-.
gen bedeckt. welchen heim Zertreten
ein harziger Wohlgeruch entströmt;
alles tniet nieder, niemand bleibt be
ideetten hauptei, wenn die Prozession
;voriiberzieht; nicht eine, sondern drei
xßig oder vierzig Statuen von Marion
nen und anderen heiligen werden im
Zuge getragen, und alle diese Figuren
sind dermaßen mit Kleinodien be
ihängh das man von ihnen überhaupt
ssonst nichts sieht als glicerndes Ge-.
sich-neide. Edelsteine und Perlen.
Wahrscheinlich sind die Prozessionen
in Italien schon seit mehreren hundert
Jahren nicht mehr so prächtig und
eindrucksvoll wie in Spanien. Trotz
dem müssen aber unter der piipstlichen
Zerrschast die öffentlichen Feiern der
irehe von großartiger Pracht gewe
sen sein, und ich für meinen Theil be
dauere sehr, daß uns solche Schau
spiele in Rom nicht mehr geboten
;werden, die im Grunde ihres herzens
bedauern daß die ewige Stadt nicht
mehr dem Papste gehört, sondern nun
i mit aller Gewalt aus dem ergreifend
’sten, mächtigfien und erhabendsten
Denkmal tuttureller Größe in eine
moderne Großstadt mit breiten Stra
ßen, Automobilen und nunmehr sogar
Weltausstellungen Verwandelt wird.
Doch davon werde ich später zu erzäh
len haben; in diesem Briese will ich
—
Sie nicht weitersiihren als bis zur
Marmorsiadt Carrara.
) Eigentlich liegen da sechs oder ste
;ben Marmorstädte bei einander. aber
Idie beianntefte ist doch Carrara, und
kwiihle ich sie zum Ziele eines seit
Jahren geplanten Ausfluges. Schon
vier oder fünfmal bin ich auf dem
Wege von Genua nach Pisa hier vor
übergetommen und neben den unzäh
ligen entzückenden kleinen Fischerhä
fen und Felsennestern der Riniera del
Levante reizten mich stets die aus der
Ferne wintenden schneeweißen Ber
ges-halbem die man im ersten Aug-n
bliek wirilich fiir Schneefelder und
Eisgletscher hält, bis man sich darauf
besinnt, daß hier die Marmorbriiche
von Carrara und Seeravezza ausge
beutet werden. tlm die rechte Wahr
heit zu sagen: ich hätte nichts dagegen,
wenn diese Marmorberge bald abge
graben wären und wir aus eine so be
aueme Art von der Statuomanie be
freit würden. welche auch das kleinste
Städtchen nicht mit seinem langweili
gen Denkmal verschont. Indessen
würde uns das doch nicht viel helfen,
denn die Bronze bliebe übrig und auch;
aus Kallitein und unzähligen anderen
Steinarten kann man lebensgroße
und tolossale Staatsmiinner, Kriegs
leute, Fürsten, Dichter-und alles an
dere meißekn. Das Material ist also
nicht unser Feind» zumal man aus ihm
auch treffliche Treppenstusen, Kaming
platten, Waschtische. und — was inan
in Carrara sehen tann —- ganz ge
tkvöhnliche Arbeitethäuser fertigen
ann.
Wir stehen dem Marmor mit einem
thörichten Vorurtheil gegenüber.
Wenn man uns sagt, in der Stadt
Carrara seien alle Häuser aus Mar
mor gehaui, so sehen toir im Geiste ein
ideales Anwesen von Palästen mit mo
numentalen Säulenhallem Portalen,
Treppen, Statuen. Jn Wirllichteit
gibt es in Carrara auch thatsiichlich
mehr von diesen schönen Dingen alis
sonst in Landstiidtchen mit 15,000
Einwohnem aber im großen und
ganzen ist die Stadt nicht monumen
taler als andere Städte auch, und oh-!
gleich die allermeisten hausmauern geil
miß und wahrhaftig aus dem echtestens
carrarischen Marmor gebaut sind, ma
chen sie je nach den Umständen ihrer
Besitzer oder Bewohner einen reichen,
wohlhabenden, mitteLmäsiiaem armen
oder gar lumpigen Eindruck; denn
selbstverständlich sind sie nicht von
herrlichen Säulen oder auch nur von
mächtigen Blätter-, sondern von dem
tleinen Krodvzeug, dem Ahiall der
Steinhriiche, ausgeführt und wie an
derswo bald mit einem Kalthewurs
heileidet. hald von der aus Staub und»
sonstigem Schmuhe bestehenden Pati-;
na der Jahre bedeckt, sodaß man schon4
genau hinschauen muß, wenn man dies
Natur des Steines feststellen will.
Aber wohlhabend scheint die Bevöl
terung von Sarrara allerdings zu
fein Sie erinnert fo an gewisse ans
dere Landftätte, die sich einer lontur
renzlosen Spezialität erfreuen und
damit einen nicht gewöhnlichen Grad
von Wohlstand erreichen. Die Sitze
der deutschen und damit beinahe der
mondialen Achatschleiferei Oberstein
und Jdar befinden sich im gleichen
Falle wie Carrara: es giebt da eine
verhältnismäßig große Anzahl reicher
Leute« und auch der Arbeiter hat fein
gutes und sicheres Auskommen Da
mit gewinnt er dann auch ein freies
und ftolzes Auftreten, das in Carrara
febr aufiallend ist. Man dentt an
Geibelo Nheinliedc »Die Mänan fo
frei und die Jungfrauen so stolz, als
wär ej ein adlig Geschlecht « Viel
leicht hat der Beruf damit etwas zu
thun, daß alle die jungen Leute. die
arn Sonntag Nachmittag den Platz
und die Straßen von Carrara füllen,
fo frei und ftolz einherschreiten. Man
sieht kaum einen häßlichen oder miß
wachfenen Menschen« Männer wie
Frauen zeichnen sich durch schöne Ge
stalten und Gesichter aus. Da nun
fchon seit zweitausend und mehr Jah
ren der Marmor in Carrarq gebro
chen und bearbeitet wird, und da die
Bildhauer schöngewachsenee Menschen
»als Modelle bedürfen, so lann man
ssich ganz gut ausmalen wie Carrara
als Sammelplaß schöner Jünglinge
Innd Mädchen im Laufe dieser vielen
s Jahrhunderte die heimath einer beson
dert gut gerathenen Rasse werden
mußte und man wundert sich nicht
mehr, wenn man ein junges Mädchen
rote eine Statue vor sieh her schreiten
sieht oder wenn die Wasserfchiipserin
nen und Trägerinnen am Brunnen
immer wieder an bekannte Statuen er
innern. Von alter Pollitracht ist aber
nichts mehr zu vemerren, abgesehen
von den oft bunt bestickten Pantoffeln
mit Holztoblen und hoben Absätzen
und einige alte Frauen ausgenom
men, die den großen goldenen Ohrrin
gen, dem bunten Kopttuch und den
farbigen Mitten treugeblteben sind.
Ja der Stadt selbst sind diese lenten
Zeugen der entfchwundenen Tracht
sebr selten, dagegen sieht man sie häu
figer in den Dörfern der Umgegend,
fast alle hoch in den Fellengebtrgen ge
legen und auf Wegen zu erreichen, die
wunderbare sit-B über die nahen
Weinlauben und - ltvenbaine, die ter
neren Pinlen- und Etchenmälder, die
fahlen Gipfel, die fruchtbare Ebene
und das leuchtende Meer bieten.
v-- - ·
Ifchtsame . »Sage-: Sie mal. Den- Dorwt. glauben Sie an ein »zweite« Ge
) I
H e r t: »Unte: der Schminkk — ja wohll«
Jch gestehe, daß ich meine Leser am
liebsten aus einem solchen Spazier
gange mitnäbrne, aber wenn man in
Carrara ist« muß man vor allen Din
gen von Marmor reden, so sauer ei
nen das auch antommt. Sauer ist
nicht das rechte Wort, durstig sollte ich
sagen. Mir dörrt sich Gaumen und
Zunge trocken zusammen, wenn ich an
die Marmorbriiche deinle! Als gelind
licher Mann begann ich den Besuch an
einein der dreißig oder vierzig Lager
pliiße in der Stadt, wo hunderle von
großen und riesigen Marmorblöclen
dem griinen Grase die Existenz schmä
lern. Ein überaus staubiger Weg
oder vielmehr eine durch lnietiesen
blendend weißen Staub gewählte
Wagenspur leiten neben einem raschen
Bache steil zwischen hoben Bergen
binaus zu den Brüchen. Alle hundert
Schritte ist die Wasserlrast des Baches
zu einer Marmorsiigemiilsle benutzt,
worin die Blöde gleichzeitig von zebn
oder zwöls Sagen in ebensodiele
dünne Platten zerschnitten werden.
Nicht die eiserne zabnlose Sage, son
dern der immerfort mit reichliclxem
Wasser zuströmende Sand besorgt das
Zerschneiden des Steines. Bald te
geanen uns die ersten Marinorlarren
und zwingen uns zum achtungsvollen
Ausweichem denn aus dem steilen·
bolprigen Kniipvelung lrachen und
schwanlen die starren so bedenllich,
daß uns Laien dabei recht iibel zu
Matbe wird. Indessen gewöhnt man
sich an alles, und weiter oben haben
uns der Staub, das blendende Flim
mern des Bodens und der ganzen
schneeweißen Umgebung und die bren
nende Sonnengluth so apxitbisch ge
macht, daß wir die starren dicht an
uns vorm-erlassen« obne auf die Seite
’zu springen. Besagte Tapferleit hat
allerdings noch den anderen guten
Grund, daß zur Linien gleich neben
der Wagenspur die Marmormauer
senkrecht ansteigt, während zur Rech
ten der Bach sein tieses Bett gewählt
hat.
Unten werben die Karten gewöhn
lich von zwei starken Ochsen uno ei
nein kleinen Eselein gezogen, welches
die schwereren Thiere zu leiten und zu
stinken scheint. Ganz oben aber ta
rnen uns Karten mit zehn Ochsen ent
gegen Die Thiere sind sast alle röth
lich stahlgrau und haben meist sehr
große, weit abstehende hörner. Wo
der Weg steil absiillt. werben nur zwei
Ochsen und der Leitesel irn Gespann
gehalten, unb als Beemse werben
hinten bis zu siins und sechs Mar
morblöcke angelettet, deren Größe und
Schwere sich nach ber Labung richteH
Diese Blöde schleisen nun aus bern’
Boden hinter dein Karten ber, uan
man kann sich benten, baß dadurch der
sogenannte Weg greulich ausgerissen,
ver weisse Staub gewaltig ausgewü
belt und der Spaziergänger einbring
list bewogen wirb, seine Knochen in»
Acht zu nehmen. Denn ber letzte einerj
solchen Kette von sit-If Bremöblöclen
schleist zehn oder siinszehn Meter bin
ter dem starren ber, unb zwischen ihm
unb dem Karten poltern unb stiiuben
ote anderen.
Selbstverständlich wimmelt es
allenthalben von Menschen mit Heb
eisen, hämmern und Meißeln, nnd
ohne Unterlaß hallt das Wochen,
Schreien, Peitschentnallen an den
marmornen Schlüsten wieder: ein
sehr anziehendes und lebendiges
Bild, wenn nur nicht alles so furcht
bar weiß wäre, wenn einemdie Au
gen nicht so wehe thaten, wenn man
nicht innen und außen mit Staub
angefüllt und bedeckt wäre, — wenn
es, um die ganze Wahrheit rein her
aus zu sagen, jetzt hier ein schönes
liihlei Wirthshaus mit fchäumendecn
Biere gäbe. Es gibt keins, nnd der
Gedante, daß anderswo so etwas
eristirt, erhöht unsere Unlust: mit an
derthalb Kilo Marmorstan auf Schu
hen und Kleidern und mit nicht viel
weniger in Mund Kehle und Magen
treten wir den Rückzug-. an und schlän
geln uns vorsichtig an den gefährliche-if
Bremsblöeten vorbei.
Ehe ich mich aber zum Biere iliichte
das ich mir durch die Schilderung und
Erinnerung neu verdient zu haben
glaube, muß ich ordnungsmäßig de
richten, daß diese uralte pittoreate Art
der Beförderung der Blöde aus den
Brilchen zu That heute nur noch für
einen tteinen Bruchtheil der ganzen
Produktion angewendet wird. Jn die
großen Briiche führen heute Eisen
bahntinien hinein, und besonders
mächtige und schwere Blöde werden
überhaupt nicht mehr umgeladen, son
dern taufen auf dem nämlichen Wag
aon aus dem Steinhruche bei Carrara
bis in den Güterdahnhof in Paris
oder München —- Müncheni Da ha
den wir es wieder! Sie müssen mich
ichon entichuldigem der Marmorstan
muß weggespütt werden, nnd das be
sorgt man am besten mit der Birra di
Man-um Karl Eugen Schmidt
-«—
Irimöftfche Denkens-m
Folgende ursprünglich aus Franks
reich stammende Itatizeu entbehren
nicht gänzlich des Humors und wer
zur Echadrnfreude Vlnlkae lzat, der ißt
feine einfache Hauzmaunelott mit dop
pelter Befriediauna, uaa dein er erfah
ren. was den Verdauunagdraanen.der
Leute zugeniutbet wird, denen »seine«
und namentlich theuere Speisen «ein
Bedürfnifz find. Jcb finde in einer
Schweizer Zeitung das nachstehende:
Die Nahrunaginitteldersaischungen
bieten ein fast unerschöpfliche-z Thema,
dem noch immer neue Zeiten abgewan
nen werden. Wie unerquietlich seine
Erörterung auch sein mag, so wirtt
doch die Freiheit und der arosze Auf
wand an Scharfsinn seiten-« der Fäl
lcher fast tomiich. Man denie sich z.
B, eine gewöhnliche Lebervastete in
eine ganz feine Strahl-arger Gänse
leberpastete umgewandelt mit Hilfe
von Borar und Salicnlföure und klei
ner, ganz fein aehactter und geschickt
verstreuter Stückchen schwarzer -—
Seide, welche die Triisfeln darstellen.
Der »Er-sinds« verbürgt ferner die
Thatsache, dasz unter der Bezeichnung
eines Büchsenhummers Weichtheile
von Tintenfischen und Krabben ver
kauft werden, die in Zinnbiichsem mit
einer großartigen farbigen, einen herr
lichen dummer darstellenden istiiette
eingelegt sind. Wie viele Leute mögen
vielleicht schon iiber die Feinschmecke
die Achsel gezuckt haben, die 4 bis 5
Fr. fiir einen lebendigen hummer be
zahlen, während man einen solchen
tonservirt doch fiir die hälfte haben
könnte. Jn Paris bilden bekanntlich
seit neuerer Zeit die Schnecken ein be
liebtes Nahrungsmittel. und trohdenr
diese Thiere doch nicht so sehr felten
und ioftspielig fein tönnen, da nur
das Suchen zu bezahlen ist, haben sich
die Fälscher alsbald auch ihrer bemäch
iiat, indem fie sie mit Pferde- und
Rinderlungen verfehlen. Es werden
sogar auf diese Weise Schnecken aeras
dezu fabrizirt, indem alte Gehöuse,
die von neuem mit Fett und Schleim
überzogen werden« mit Lunge gefüllt
werden. Das Kunstdrodutt wird dann
als Burgunderschnecke von feinster
Qualität verkauft. Gerade die Fein
schmeaer werden in Paris überhaupt
nicht felten an der Nase herumgeführt
und das ist der humor davon. Lieb
haber von frifchen Hahneniiimmen z.
B. werden mit einem Surrogat be
trogen, das tiinftlich aus den häuten
des Schweindarmes auigeschnitien ift.
Das Eosin, ein aus dem Steintohleni
theer gewonnener Farbftoff dient auch
zum Nachfiirben mangelhafter Krebse.
In Amerika sollen Fabriien bestehen,
die sieh mit der Umwandlung gewöhn
licher beringe in Sardinen beschäfti
gen.» Die tleinften Fische werden aus
gewählt, ihnen Kon und Schwanz ab
gefchnitten und dann werden sie in
anfaefeischte Büchsen mit französischen
Etttetten verpaat Erfahrene haus
frauen. gute hoteli und Reitaurants,
solide Deliiatefrgefchöfte wissen fich
indes noch immer zu schiiIen
I Irwilsrllsh
; Barbier lzum Laden hereintretend,
entleym »Wie sieht-denn der hetr
aus« »
I Lehrling (llotternd): »Ach, Meiste-,
Sie blieben lo lange aus da habe
»ich ihm provisoriich die haare geschnit
en.«