Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 16, 1911, Zweiter Theil, Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Milde Seelen.
Stizze von Esel M Gewissen-.
Doltor Efchreiter ftand in der gro
ßen Glndveranda, die neben dem
Speifefaal des Sanatoriums lag und
die herrlickste Aussicht auf den breiten
Sirt-m bot, und fah in den November
tnittag, der grau vor ihm lag.
Todtensonntagl Wenn er auch ferne
von der Großftadt hier zur Erholung
keiner angegriffenen Nerven weilte, fo
iieg doch an diesem Tage wieder der
ganze mit allen Mitteln zurückge
drängte Schmerz des lehren Jahres in
ihm anf, der Schmerz am feine verstor
bene Frau. der ihm eine seit lang fafi
die Besinnung raubte, dann aber hier
im Satiatoriutm zwifchen Wäldern,
sich allmählig zu legen schien.
Jn diesem Augenblick sah Efchteiter
vor fnh nicht die wandernden Wogen,
er fal- nur im Geiste feine arme Frau.
wie sie bleich und tobt vor ihm auf
der Bahre lag.
Der Anstaltgleiter Prosessor Web
beeter trat leise an den Sinnenden
heran, klopfte ihn freundlich aus die
Schulter und sagte: »Nicht immer den
ten. Herr Doktor! Es gibt kein besseres
Heilmittel siir die Nerven, als Ruhe
und GedankenlosigleiL An nichts den
ken, das ist das bestel«
»Wenn ich das lönnte.'« sagte aus
seufzend Eschreiter. »Aber gerade
diese grauen Tage machen mich wieder
krank, da saßt mich alles Verlangen an
nnd läßt mich nicht los.« Er schrie es
sast in seinem Leid heraus, so das; der
Arzt ihn am Arme nahm und begiiti
gend sagte: »Dottor, Doktor, nur sich
nicht gehen lassen, sonst machen sie alle
meine arztlicke Kunst zu nichte.'« Er
siihrte ihn in den Speisesaal, wo schon
mehrere Gaste versammelt waren, und
sprach leise aus ihn ein: »Tapser sein«
Doktor! Sehn Sie Fräulein Mirih
an, die trägt schwerer als Sie, aber sie
hält sich tausen«
Eschreiter sal-, unwillkürlich zu dem
schlankem blassen Mädchen hinüber,
das ruhig beim Tische stand und vor
sich hinsah, gezwungen - gleichgültig,
gezwungen - gedankenlos, und doch mit
dem wehen Zug einer starken Dulderin
unt den Mund. Er hatte sie seither nie
so beobachtet« wenn er auch ihr Tisch-·
nachhar war nnd ans die gleichgültigen
Fragen, die sie an ihn richtete, gleich
giiltige Antworten gegeben hatte.
Sie triigt schwerer als du. dachte er,
und ein bewundernder mitleidiger
Blick aus seinen iniiden Augen traf sie.
Der Schmerz der sie so groß machte, er
machte ihn klein« das siiblte er.
Man hatte sich zur Mittagstasel ge
beten Kaum, daß das Gemnrrnel der
eidenden zu einem lauten Wort an
wuchs, nur des Anstaltsleiters tiese
Basistimme drang immer laut und so
noe durch den Raum. wie eine Aus
:nunteruna zur Nachahmung: dann und
wann nöthigte er einen Gast zum Es
sen, ries er einem anderen ein lustiges
Scherzwort »in, das dieser mit einem
müden Lächeln binnahm. Sie waren
in alle sonst gesund, nur ihr Gemüth
war wund nnd sollte hier Heilung sin
ten.
»Wer die Gräber ieiner Anverwand
ten in der Stadt besuchen will. meine
rrschasten, dem rathe ich, den Zwei
lfr—Zu zu nehmen und wieder um 6
Uhr herber zuriirlzusahren«, sagte
dann der AnstaltoargL »Aber alle
müssen mir versprechen, sich nicht dabei
»n- erregen. Fiir Sie, lieber Dottor«.
wandte er sich an Eschreiter, ,,ist es am
besten, Sie bleiben heute hier. Die vie
len Mmschen ans der Bahn, die Mai-,
sen aus den Friedhof-n werden Sie zu
sehr ausregen.'«
»Nein, nein, ich muß nach ihrem
Grade gehen«, sagte der Angeredete
hastig. llnd da der Arzt im Wesen
und Blick des Kranken merkte, wollte
er ihm nicht mehr direkt widersprechen,
sondern siigte nur dabei: Allein diirs
en Sie aus keinen Fall dorthin.«
Fräulein Mirisz sah mit ihren schö
nen dunklen Augen mitleidig aus den
nervitsen Mann ilsr gegenüber, dessen
ganzes Aenßere einen schweren Seelen
kam s ausdrückte.
» ch musz an ibr Grab«, sagte er
piii lich anssaheend. und da der Arzt
ro überlegte was er sagen sollte,
tönte Fräulein Miri ’ helle Stimme
herüber: »Ich dars ie vielleicht be
gleiten, Doktor Eschreiter?«
Es klang kaum wie eine Frage, mehr
wie ein Trost, den sie ihm zu der stren
gen Anordnung des Arztes bieten
wollte.
,.Jcl: bin Ihnen selir zu Dank ver
bunden«, entgegnete er förmlich, und
deckt llanq es wie Freude aus feinen
Worten, das: er den schweren und doch
sc lieben Weg nicht allein machen
mußte.
Da beide den Arzt dabei wie fragend
ansahen, sagte der Professor: »Friiu
lein, es ist sehr hübsch von Ihnen, daf;
Sie sich troy Jhres eigenen Leideg des
Kummers anderer annehmen. Sie sind
sehr muthig!«
Selbst-wer erfahrene Arzt wunderte
sich über Fräulein MtrW Kraft und
Energie. Er hatte erwartet, da der
Doktor auffalfren und sich die egleis
tung einer fremden Person verbltten
würde, und man hätte das verstehen
müssen Da er aber die Begleitung
dankbar annahm, fand der Arzt seine
Meint-n bestätigt, daß Fräulein Mi
rih' Mt ten-straft auch auf den schwa
chen Doktor eine starke Wirkung ans
ridtr. —- —-— —
Uekser die lange Landstraße, die
rechts und ltnls von alten Pappeln be
siiumt ist, iehen heute Schenken den
schweife-set etdetekl Menschen sum aw
ßen Friedhof, um die Gräber ihrer
Li ben zu besuchen. Mitten unter den
anderen geht auch Eschreiter dahin.
Seine Haltung ist gebeugt, sein Gang
schloss- in den Händen hätt er einen
großen duntten Kranz, indes hinter
ihm in einiger Entfernung Fräulein
Miris folgt. Sie führt an der Hand
einen Knaben, der sich traulich mit ihr
zu unterbntten scheint.
Eschreiter hatte sie gebeten, mit ihm
zu seinen Verwandten zu geben« die
einstweiten, da er im Sanatnrium ver
weilte, sein Söhnchen pflegten. Sie
fühlte, es war das Liebste, das er noch
besaß, an das et sich heute bei dtesem
schweren Gang tiammern wollte. Dann
Zotten sie den Jungen mitgenommen
»und waren zum Ftiedhof gegangen
Llls sie ihn heiraten, bat Eschweiler, sie
möge ihni den Knaben geben. Magst
lich fah dieser zu ihm auf, fast als
furchte er sich vor dem Vater und wollte
an der Hand des Fräuleins bleiben,
das sr nett mit ihm aevlaudert.
Jn der Nähe des Grabes wollte
Fräulein Miritz unbemerkt zurückblei
ben, aber der Junge lief zu ihr nnd bat,
doch auch fiir das todteMiitterchen am
Grabe zu beten. Da war sie schüchtern,
fast lautlos herangetreten; und als sie
den großen blassen Mann-tote in sich
usanunengefallen vor dem Grabe ;
ftehen sah, hate sie das Mitleid so mäch- s
tig gepackt, daß auch sie laut aufschlnch- s
szen mußte. j
»Meine-i Sie nur, wir beide haben ja f
so viel Leid erfahren«, sagte plötzlichL
Eschreiter, sich zu ihr wendend. f
»Es hat mich nur so ergriffen, da ich J
Sie so verzweifelt sah«, sagte sie wie
zur Entfcheldigung.
Da lachte er bitter auf und meinte:
»Es wird Jbr eigener Kummer sein,
Jhr eigener Jammer-, der Sie weinen
macht.«
»Nein, Doktor. mein Leid ist derart,
daß ich darüber nicht weinen darf. Ih
nen starb ein teures Wesen« und es
bleibt Ihnen im Tode. Der mir starb,
lebt und blieb mir dennoch nicht«
Ein harter Dulderzug furchte in die
sem Augenblick ihre Wangen. Ader sie
iiberwand sich und preßte nur des Klei
nen Hand. «
»Wenn ich hätte in all dem Leid et
was lieben und hegen können wie Sie,
Doktor, dann hätte ich’s leichter getra
aen. Der Knabe dürstet ja nach Liebe.
Darf ich ihm einen Kuß geben«-Z
Da läeielte zum erstenmal der Dot
tor: »Sie dürfen, freilich dürfen Sie«,
ursd da der Kleine seine Arme um das
Fräulein schlang, meinte er: »Von Ih
nrn ftrahlt Wärme, Liebe, Sonne aus,
Fräulein, in Jhrer Nähe wird der
Schmerz gelinder, das Herz ruhiger.
Sie haben etwas so Frauenhaftesi«
»Und ich wurde doch nicht werth be
funden, eine Frau zu werden«, sagte sie
bitter, voll hohn.
»Der Mann war blind", rief jetzt
der Doktor.
»Nein, er war nur schlecht«, sagte sie
bestimmt und ohne Erre ung. Da
siihlte der Doktor erst, was iesesMäds
then durchgemacht und überwunden,
daß sie sich dennoch ein warmes Herz,
einen mitleidigen Sinn bewahrt.
»Wir sind zwei müde Seelen«, sagte
er seierlich, »zwei iniide Seelen.«
»Sie antwortete nicht-, aber sie senkte
den Kopf, der innige Ton, mit dein er
es gesagt, that ihr wohl.
Da erwachte neben ibr ein Menschen
herz aus todtenähnlichem Schlaf, ein
Menschenherz wurde weich, das vor
Schmerz zu oersteinern drohte.
Als sie den Kirchhof verlassen, hat
ten sie wie selbstverständlich, den Kna
ben in ihre Mitte genommen.
»Jetzt gehen wir wie früher mit der
Manni« rief der Junge treuherzig.
Die beiden Erwachsenen wandten sieh
ab und thaten, als hätten sie die
Worte des Kindes nicht gehört.
Sie brachten den Kleinen zu den
Anverwandten zurück und fuhren dann
zur Anstalt.
»Nun lehren wir wieder in das dü
stere Hans zurückl« sagte der Doktor
im Coupe, schwer aufatmend. iSchon
war ich am Wege der Besserung. Nun
werden auch Sie uns verlassen, und
dann bin ich dort ganz allein mit mei
nen Gedanken.«
»Wenn man ein Kind hat, lann man
allein sein«, bemerkte sie. »Ich wollte,
es gehörte mir.«
»Sie können es baben«, sagte er selt
sam erregt, »aber Sie müssen sieh auch
seines Vaters annehmen. ---— Fräulein
".’)tirisi, Sie waren ja so iitia gegen
Inich, Sie haben mich ja iip lieb um
jene Klippe aesiihrt, das qibt mir
Muth, so quhnen zu sprechen. Wollen
Sie sich meines Knaben annehmen,
ibrn eine Mutter sein? Was ich an
Liebe und Lustigkeit nicht ·rnehr mit
bringe, das wird er Ihnen bieten.«
Sie sah hinaus in die Nacht und sie
sprach kein Wort. aber in ihren Auaen
glänzte eineThriine. Durste sie ihn der
Todten nehmen? Aber dann war ihr,
als nähme sie ihn nicht du«-Todten son
dern nur der Trauer« und gebe ihn sei
nem Kinde, der Allgemeinheit durch
ihre späte Liebe.
»Bei mir ist darinnen etwas ver
brannt, was tann ich Ihnen nach alle
dem noch sein?« sagte sie stockend. »Sie
sind ja so reich troh alledem, daß Sie
meiner armen Seele noch tausendfälti
gei Leben spenden tönnen«, erwiderte
er überzeugt«
»Was ich habe, will ich dir geben,
alle Liebe, alle Fürsorge!« ries sie da
und liess die Hand über seinen sriih er
grauten Scheitel gleiten.
»De! Knaben wegen thu’s, Munde-,
ich bitte dichl«
Und wie von einer schweren Krani
TM aebeilt sahen sich beide in die
Fluqu in die verbötmtm Züge. Aber
ein cckimsner der Freude schien sie zu
shrhellen Skllte doch ein neues Lesen
für beide beginnen!
stne «Bese0tptstole« für das
deutsche here-.
Vor kurzer Zeit ist, wie bereits im
Speziallabel gemeldet. im deutschen
Heer eine Leuchtpiftole eingeführt wor
den, durch die eine Beleuchtung des
Schlachtfeldes zur Nachtzeit möglich
ist. Durch eine Art großer Pistole
werden Leuchtgranaten in die Höhe
geschleudert, die 8 bis 10 Sekunden
lang leuchten und einen Lichtschein
von 3000 Kerzen über einen Umkreis
von 500 Metern verbreiten. Es ist
dadurch den Schützen die Möglichkeit
gegeben, die Stellung der feindlichen
Truppen auch zur Nachtzeit gut zu
erkennen und das Zielobjett zu tref
fen. Eine ähnliche «Leuchtkanone« ist
gleicherweise bei der Marine erprobt
worden. Hier handelt es sich um
Azethlengranaten, die vom Schiff aus
ins Wasser geschleudert werden« Das
Geschoß enthält eine Kammer, die mit
Calcium Karbid gefüllt ist, und die so
eingerichtet ist, daß das Wasser in sie
eindringen kann. Die Granate wird
nun in das Wasser geschleudert, wo
durch sich das Wasser mit dem Karbid
chemisch verbindet und bekanntlich das
Azetylengas hervorbringt. Die Gra
nate steigt wieder an die Wasserober:
släche und bildet so die Lichten-ekle
Diese Azethlengranaten haben, da sie
sich gut bewährt haben, mehrere Vor
züge aufzusweisen. Erstens haben sie
eine Leuchtsiärke von ungefähr 3000
Kerzen und brennen mindestens 3
lStunden. Sie gestatten also der Bei
satzung des Kriegsschiffes, die ge
ssammte Umgebung aus der Wasser
sobersläche bis in die genauesten Ein
zelheiten zu beobachten. Was aber
noch von größerer Bedeutung ist. ist
der Umstand, daß sie von dem eigenen
Kriegsschiff weit weggeschleudert wer
den. Zum Absuchen des Wassers
dienten bis jetzt im allgemeinen
;Scheinwerfer, die zum Beispiel als
ISchutz gegen das Eunbemerkte Heran
Inahen von Torpedobooten zur Nacht
szeit gebraucht werden.
« Die Sprache der daudfchulw
i
i Die neueste Liebhaberei in den Pa
stiser Salong ist die Sprache der
Handschuhe Sie ist viel augdrucksvob
ler als die ,,spanische« Fächersprache.
Um »Ja« zu sagen muß man einen
Handschuh fallen lassen, und um das
Gegentheil auszudrücken, rollt man
die Handschuhe in der rechten Hand
zusammen; will man begleitet werden,
schlägt man sich mit den Handschuhen
an die linke Schulter. Will man allein
gehen oder andeuten, daß man ganz
gleichgültig ist« streist man den linken
Handschuh ein Stiiek von der Hand.
»Ich liebe Sie nicht mehr« wird da
durch angedeutet, daß man mit den
Handschuhen sein Kinn ein paarmal
leicht schlägt. Haß wird gezeigt, indem
man das Innere der handschuhe nach
außen kehrt. Wenn man die Hand:
schuhe glatt streift, so heißt dag: »Ich
wünsche Sie in meiner Nähe«, und
um zu sagen: »Ich liebe Sie«, läßt
man beide handschuhe fallen. Wer
wissen will, ob er von der Angebrte
nen geliebt wird, trägt den Handschuh
an der linken Hand, doch so, daß der
Daumen unbekleidet ist. Um schließ
lich zu zeigen, daß man beunruhigt
ist, schlägt man die Hand mit den
Oandschuhenx und wer in höchster
Aufregung sich befindet. thut dasselbe,
aber stärker, doch niemals so start,
daß ein Unbetheiligter aufmerksam
wird.
-
Der fehlen-e put.
Meine Braut hält sehr aus Staat,
Und sie hat im Schrank parat
Eine Menge schicker Hüte:
Einen fiir die StippsVisite,
Einen Hut, um einzukaufen,
Einen Hut sür·g Tennisschlagen,
Einen Niesenhut siir ’n Wagen,
Einen siit’e Spazierengeh’n,
Einen Hut zum Fünsuhr-Theen,
Einen Hut fiir Soiteen,
Einen Hut siir Varietes,
Logenhiite fürs Theater.
Einen siir ’n Korso im Prater!
hine» Hut-, mehr ais üblich«
Dennoch fehlt, es ist betrüblich,
Meiner Braut ein wicht’ger Hut,
Der so billig, nöthig, gut! -
Als vom Rock mir jüngst gerissen
Jäh ein Knopf, mußt’ ich vermissen,
Was am meisten noth ihr thut:
Dieses ist ein - — Fingerhut.
("1llk.)
Um Ite peteranensspeuvr.
Aus München wird berichtet: Tsie
Vertheilung der Hunderttausendmarti
spende, die der Prinzregent zu Gun
sten der Kriegsveteranen gestiftet hat,
verursacht den Behörden erhebliche
Schwierigkeiten. Es haben sich näm
lich von den etwa 50,000 bayerischen
Veternnen nicht weniger als 41,000
Bewerber zur Berücksichtigung gemel
det, darunter auch viele reiche Leute.
Da aber die Spende sür wirklich Be
dürstige bestimmt ist, sollen jetzt die
4000 Bedürstigsten ausgesucht und
mit je 25 Mark bedacht werben
Iskklchkitt
Neugebaclnee Schulze, der mit dem
Schreiben schlecht sortlonnte: »Na,
Alte, jetzt get-W schon besser... jetzt
därs mir schon einer zuschaun und ich
schreib’ doch!«
L
professor coyser.
Von Ludwig Ganghofer. ;
Aus feiner Klasse fallen mir zwei!
kleine Geschichtchen ein. Jm Sommer
einmal, da hatte ich neue Stiefel, die
mich drückten. Unter der Schulbank
zog ich den rechten Stiefel herunter,
um dem fchmerzenden Fuß ein bischen
Luft zu vergönnen. Der verwünschte
Kerl, der hinter mir saß, merlte die»
Sache und gab dem Stiefel einen so
kräftigen Fußpuss, daß die lederne
Lotomotioe durch alle Banlreihen hin
aus-fuhr und pumpernd gegen den
Ratheder schlug. Professor Lober
guckte mißbilligend aus feiner Höhe
herunter, ließ den Stiefel unter fein
Pult stellen und sprach: »Wenn die
Unterrichtsftunde zu Ende ist, werden
wir das Weitere sehen!« Mir wurde
schwül. Und weil mein Bantnachbar
ein Stadtstudent war, der nicht weit
vom Gymnasium wohnte, tuschelte ich:
»Du! Verlang hinaus und hol mer en
Stiefel!« Nach fiinf Minuten war der
Stiefel richtig da aber es war nicht
der rechte, den ich brauchte, fondern ein
linker. Jch lam aber doch hinein Mit
festem Willen vermag der Mensch auch
nuturwidrige Hindernisse zu überwin
den. Unter wachsen den Schmerzen er
wartete ich den Schluß der Schulftun:
de. »stso!« sagte Professor Loher
und stellte sich vor die erste Banl·
»Heraus je t, einer nach dem andern!«
Wer zwei tiefel an den Füßen hatte,
durfte fortgehen. So leerte sich Bank
um Bank. Als ich hernustrat, machte
der Professor Lober auch bei mir den
entlassendene Handwint Jch wollte
rennen. Aber Ia fiel ihm plötzlich et
was auf. »Ganghofer! Halt! Du
haft ja zwei linle Stiefel an!«
»Ja, Herr Professor, weil . . -. weil
ich zwei linke Füß« hab’.«
»Gut! Weiter!«
L
Jch machte flinle Beine. Und ein
Viertelstündchen später erfuhr ich, daß
Professor Loher, als der letzte mit zwei
Stiefeln aus der hintersten Bank her
aus-trat, unter Kopfschütteln sagte:
»Das ist aber doch ganz unerklär
lich...«
Am andern Morgen, vor Beginn
des Unterrichts, gab Professor Loher
diese Erklärung ab: »Um auf die
Sache von gestern zurückzukommen . ..
wenn einer von Euch zufällig zwei
rechte Füße haben sollte, kann er den
überziihligen Stiefel beim Pedell in
Empfang nehmen-" Dabei sah er mich
an - und fchmunzelte ein bischen«
Jn der nächsten Turnstunde, als ich
einen tüchtigen Sprung über die Hoch
schnur gemacht hatte, sagte er: »Scha
de! Um wieveil höher würdest Du noch
pringen, wenn Du keine Mißgeburt
wärst! Aber zwei linke Füße ....« Er
zog mein Haardach an seine Brust
und versetzte mir eine Kopfnuß, die
ich am andern Tag noch spürte.
Auch die zweite Geschichte spielte im
Sommer. Jch hatte zeichnerische Ta-«
lente, die sich, wie an der Sakristeithiir
in Weiden noch heute zu sehen ist,
schon früh entwickelten. Diese zeichne
rischen Künste wurden für mich unter
Professor Loher zu einer Plage. Wenn
er Geographie lehrte, mußte ich immer
an die Tafel heraus und Landtarten
oder Bauwerke nach kleinen Vorlagen
zur Erleichterung des Anschauungg
unterrichteo in vergrößertem Maßstabe
nachzeichnen. Das war eine sehr un
bequeme Sache. Und drum schmiede
ten wir eines fchwiilen Sommer Nach:
mittageS ein erlösendes Komplott Die
große Tafel wurde so steil gestellt, daß
die geringste Bewegung genügte, um
das schwarze Ungeheuer aus deni
Gleichgewicht zu bringen. lind richtig
wurde ich wieder heraus-gerufen, un
die zyklopischen Mauern von Mykena
zu zeichnen. Ich zog ein paar Linien
mit der Kreide, dann fing ich an zu
taumeln, wurde »ohnm·cichtig«, fiel aus
den Boden hin, und dullerabums!
rasselte die Tafel sammt ihrem spreiz1
beinigen Geftell auf mich herunter
Ein sürchterlicher Aufruhr in der
Klasse. Und weil ich durch tein Mit
tel aus meiner »Ohnmacht« zu er»
wecken war. trugen acht Buben mich
hinunter in den kühlen Seminarhos,
wo der alte Brunnen stand d. h.
sie trugen mich nur bis zur Thüre
hinaus, über die Treppe lief ich selber
hinunter, und im Hofe ließ ich mich
«
wieder tragen. Um paar Minuten
später sprang in der Ftlnsse einer aus:
»ber: Professor-! Sollen mir nicht
nachsehen? Jch fürchte, dem Gnnghm
ser geht es sehr schlecht!« Zehn Buben
rannten davon, um zu fragen, wie es
mir ginge. llnd ioeil sie nicht mehr
kamen, schnellte wieder einer von der
Bank aus: »Herr Professor? Soll ich
mich nicht erkundigenk Jch fürchte, der
Ganghoser ist schon todt!« Da sauste
auch gleich ein ganzer Schwarm zur
Thüre hinaus. Und leiner lehrte zu
rück. Doch als Professor Loher niit
den paar Letztem die bei ihm geblieben
waren, nach dein Lauten der Stun»
denglocke heruntergelaufeii lam in den
Brunnenhos, da war ich wieder, wag
man »srisch und munter« nennt.
»Gott sei Lob und Dank! Und
spürst Du auch wirklich gar nichts
mehr?«
»Nein, herr Professor! Ganz guet
isch mer wiedert
Und dieser liebe, prächtige Mensch,
mit dem wir überniüthigen Fratzen
Schindluder trieben, sagte in zärtlicher
geende: «Siehst Du! Dein gesunde-?
urnerdlutt Ein anderer wäre da
nicht so glücklich davon getomment«
Yumo ri II i sch e s
, Grind-L
»Sie annonciten jeden Augenblick
in der Zeitung »Hu-the zugelaufen«;
wie kommt das?«
»Ja, ich bin der Einzige hier im
Stadtviertel, der kein Klavier hai!«
Definition.
Was ist PrüdetieZ
Aus dem Erröthen eine Kunst zu
machen.
Zukückgenebkw
Zanksüchtige Hausfrau (zum abge
henden Dienstmädchen): »Was soll ich
Jhnen denn inKIi Zeugniß schreiben,
Sie faules, unsauberes Frauenzim
met?«
»Na, schreiben’s halt, daß ich ein
ganzes Jahr bei Jhnen war.«
Sie weiß sich zu helfen.
Elsa (lesend): »Es ist nicht leicht,
einen Roman zu schreiben -
Jema: »Ach warum nicht gar!
Man braucht doch nur einen zu erle
ben und das schreibt man dann eben
nieder.«
Aus einem Schüler-Aussatz
Wilhelm Tell wurde in dem uralten
Ka(r)ton Uri geboren.
Gut gesagt.
»Wie hat Jhnen meine Dauertvurst
geschmeckt?«
»Ich danke -- wer die essen muß,
der dauert mich«
Mißverstandem
Die Berlinerin in den Bergen:
,,Jibt et hier im Jebirge jute Par
tien?«
»Gewiß Fräulein, unser Oberhof
bauer wär eine für Sie.«
Auiqtikerfltrt.
»Du hast heute Abend mit Deinem
Karl ein Rendezvous?«
,,; a, Punkt sieben Uhr vierhundert
Meter über den Frauenthiirmen!«
, Schwierige Ausgabe
s Lieutennnt tzum Fähnrich): »Ich
imöchie Sie noch auf Folgendes auf
merksam machen: Der Herr Haupt
mann macht ab und zu einen Witz.
Lachen Se laut, dag- verträgt er nich.
- Lächeln Se nur, so denlt er, Se ma
ichen sich über ihn lustig. Lachen Se
inr nicht, so nimmt er’s übel. Also
nu richten Se sich danach!«
Ueber-steifem
»Das muß ich Dir sagen« manche
Stellen aus Deiner Tragödie hätte
Shatespeare nicht schreiben tönnen.«
»Meinst Du wirtlich?-«
»Ja, ganz aufrichtig. Jch denle da
bei besonders an den dritten Alt mit
dem Eisenbahnunfall.«
I Geistesseqenwarb
, ,,Jn das Gasthaus bringen mich
lnicht zehn Pferde. Finde ich da neu
) lich in meiner Suppe einen Cigatren
FstummeL und als ich den Kellner da
raus aufmerksam mache, bringt er mir
eine Schachtel Streichhölzer.«
Buchstaben-Draht
,,Merttviirdig, dieser Zcppelinx
sntit’1n »Z« fängt er an und mit’m
! »N« hört er aus.«
s »Ja, was ist denn daran so merk
T tvütdig?«
i »Daß eg mit seinem Ballon genau
Tebenso ig. Der sing auch als »Z ll.«
. und jetzt is er ,«N Il!«
Der Kanns-Onkel.
-Dreißig Millionen - so ward jetzt
s entdeckt
« Der Liebsten hat«-«- Kleopold zugesieckt,
lDreiszig Millionen dem Volke entzo
zogen.
- Kleopold, war das nicht sehr ver
l Baughan?
w q
nkit es wahr, dass man deinem Vater
tscidc Brinc alwnomnnn hat«
» .,)c’ci«1, blos; Hut-; zwei J- das
wäre zu teuer.
-—— »No, Hauch s-—- heut is doch ka
Dienst; warum rnckit denn aus«
— »Ja, tvoas;t. Pein-let mei Schwie
acnnntta kommt heut, und wann di mi
mifm (-5’wcb1«lc sichm, nmtm hat f net so
lviel Sclmcidl«
-·7
Sie: Nun, Franz, ist der Zahn
Tauf-'s «
Er: Ja, und weißt du, was der
Jahnnrzt sagte-, wie ins-«- Manl anf
tlapvte: Heu-jeh- — Mensch Sic- haben
wohl sollen cin Brieftaitcn tvctdcnl
Die junge Haus-from
Er: »Die Eier sind doch frisch?«
Sie: »Wie kannst Du nur so fra
gen! Die Mali hat sie doch erft vor
einer halben Stunde geholt.«
Grund gering.
Herr (zu einem laut schlnchzenden
ijungen Mann, der in der Trommet
sammlung unter den Leidtragenden
eines mehrfachen Millionärs ift):
»Weshalb weinen Sie denn, Sie ge
hören doch gar nicht zu den Ver
wandten deg stverstorbenen Kommer
zienrathes"?«
»Eben des-halb weine ich ja!«
Buttme
»Wi) treffe ich den Herrn Direktor
am ficherften?«
»Drüben in der Kneipel . . . . Ader
Sie können ihn auch hier erwarten —
er kommt sehr häufig ’riiber!«
Die Berliner Möcht-n
Briefträger: »Hier, eine Karte-,
Fräulein, Jhr Schatz schickt Ihnen
wieder hundert Küsse-«
Köchin: »Der.Ungetreue! Frühcr
schickte er tausend!«
wiss-» II v «.-.-· U- I
««--—- Tri- Hnlvcrlmncr geht ja allabeudlirh jur- Lustspiclhans, wirft denn der da
un
O
Lactviß! T et is vom Direktor engagiert. denn wenn der aufnn t u la
chcn, dann lachenf scho glci all mitl g ö ,