Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 26, 1911, Zweiter Theil, Image 12

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    Fpkzsstseiinntzzkne
U sein Frisch.
» jKllJemeinen spreche ich nicht
—s von neir selber. Denn sage ich
II Gutes so glaubi’ s mir Niemand
TO sey ich was Schlechte-E so heißt
- SM, ich wiss mich interessant
W ein Original sein Diesem
Wände verdanken es meine geehr:
U Leser, das sie bis heute nicht wis- i
ob ich blond oder verheirathet,
es oder kindetlos, jung oder
Illieh bin. Um aber diese Geschichte
uiählen zu können, muß ich doch ei
sen klein-en Zipfel des Schieieks liis
ten. der mich umgiebi. und runvweg
zugestehen, daß ich im verflossenen
Frühjahr einen kleinen» ganz kleinen
Unsah zum Embonpoint an mir be
merkte.
Bekanntlich ist das Embonvoint
das Zügenglöcklein für eine junge
Frau oder siit eine solche, die es sein
Will Jst diese Frau aber wie ich
eine inrische Dichterin dann iit das
cmbonpoint schon ein Begräbnis-.
Können sich meine geehrien Leser eine
seite, lyrische Dichterin vorstellen? Ich
nicht« Eine lytiiche Dichterin kann
häßlich, kann verrückt sein, sie soll so
gar verrückt sein aber dick? Gott
Wie! Und wenn sie die ärgsien
Steienschtnerzen hatte, kein Mensch
glaubt ihr, kein Mensch hat Mitleid
mä ihr.
unter diesen limitatier merk ich e
siir ein Gebot der stritten Nothtoendig
leit, nach einem besonders tüchtigen,
modernen Arzt Umschau zu halten; es
tvar das keine so leichte Ausgabe. Jch
habe nämlich gehört, daß die Aerzte
der Dicken Zwetschkentnödel, Nahm
strudeL Erdäpselnudeln und ähnliche
plebejische Mehlspeisen, die ich schon
mit der Muttermilch eingesogen habe,
direkt auf den Jndex setzen, und dem
Patienten nichts zu essen erlauben, als
gebackene Luft. Außerdem verordnen
sie Latwergen, deren Wirkung eine
satte. lhrische Dichterin sofort ang»
aller Stimmung reißt. Es galt also«
einen Arzt zu finden, der meinen Zu
stand von einem höheren Standpunkt.
aus beurtheilt, einen der mit der al
ten, verrosteten Methode gebrochen
hatte. Und ich fand einen solchen
Arzt in der Person des Doktors —
nein, ich sage nicht, wie er beißt: das
fehlte noch, daß ich dem impertinens
ten Menschen Retlaine mache! Sie
vollen gewiß wissen, meine Damen.
vie der Doktor aussieht? Verheirathet
sieht er aus, das ist Alles-· Es ist
schon nicht schön, von einem Manne.
wenn er überhaupt oerheirathet ist, ich
wenigstens betrachte das. meinen
Mann natürlich ausgenommen, als
eine mir zugesiigte persönliche Beleidi
gung, wenn er aber noch dazu verhei
rathet aussieht, so, daß man diese Be
leidigung gar nicht vergessen kann,
dann hat der Mann ausgespielt selbst
wenn er zehn Tarol, Mond, Stii und
Pagat in der Hand hat.
Also, der ausgespielte Dottor hörte
mir aufmerksam zu Und betrachtete
mich ebenso aufmerksam· Schon dachte
-isch, daß mein auberginesarbenes Popev
lintleid mit den Jrish-Jntrustationen
in derselben Farbe Eindruck aus ihn
gemacht hatte. da sagte et mit einem
leiten prüsenden Blick:
»Allerdings . . . die Hüften . . . sie
sind noch nicht dick, aber man bemerkt
sie schon. Vor Allem legen Sie die
ses Kleid ab. Prinzeßtleider sind jeßt
nichts für Sie. Tragen Sie Kostiime
mit langem Paletot.«'
Jch war wüthend. Das sagt der
Mensch einer Frau, die stins neue
Prinzeßtleider im Kasten hat.
, »Was die Diiit betrifft, so ordne
ich diesbezüglich nichts an. So weit
ich Sie beurtheilen lann, würde das
doch nichts nützen. Dagegen werde
ich dasiir sorgen, daß Jhnen der Ap
petit aus Zwetschentniidel vergeht. Sie
brauchen täglich mindestens drei an
- W Gemütdsbetve ungen; das
; Hist-mehr alF Bitterzva «er.«
»uno Woher Vlcsc OcmlllcsLDchs
gungen hernehmen. Herr Dottor?«
fragte ich etwas spitz.
»O« nichts leichter als das-. Der
Sommer steht vor der Thür. Sie sah
ten in ein beliebige-Z Bad und dort
verlieben Sie sich dreimal täglich ei
nen Eßlössel voll«. sagte der Doktor
mit unerschiitterlichem Ernst.
Ich tout sptachlo5.
»Aber unglücklich, selbstverständlich
nur unglücklich Glückliche Liebe er
Igt Wonne und Wonne macht fett·
etdings', sagte et mit einem ver
späteten Anflug von höflichieit, «diirs
te es schwer sie Sie werden, sich un
Wlich zu verliehen, denn Sie haben
eise wunderbare Schneidetin, und so
Wien oiicten Sie sich auch nicht,
sonst stehe ich wieder fiie nichts oder
Dielmeht fiit Niemanden Es ist ja
Ist siie kurze «t«, tröstete er mit
-Wiinentem itleid. »Noch zwei
Miete ordentlich-r unglücklicher
Liebe sind Sie wieder schlank und,
i- und Sie diirfen wieder Prin
det tragen, Mohnnudeln essen
M den Mond ansiiuseln wie zuoot.«
. " Ich hätte den Menschen ohrseigen
--M. sem- iseiu Oemiith im schon
W. Statt dessen gab ich ihm sein
s » « das et eest betrachtete und
. mt einem zustiedenen Lächeln
e- s- i
GmMnhdceiibet
«:·-«»M2Wksim
l
W
lich nicht dorthin, wo tnan Gefahr lie
fe· Jemaan zu begegnen. Jch liebe
zwar meine Freundinnen wie meine
Nächsten und vice versa, auch gönne
ich ihnen, wie sich Jedermann lebhaft
vorstellen kann, alles Gute, aber mich
unvortheilhast srisirt, schlecht gekleidet
und noch dazu unglücklich verliebt zu
sehen, das gönne ich ihnen nicht. Also
wohin? Das war nicht so einfach; Be
kannten begegnet man überall, sogar
im Yellowstonepark und aus Spitzha
gen, ich glaube, es giebt überhaupt tei
;nen Ort, wo Bekannte nicht hinkam
Tmen oder wenigstens Einer, der die
Bekannten auch kennt; gegen Beka te
ist eben kein Zacherlpnlver gewachsen
das wußte ich schon; ich hatte noch die
besten Chancen, wenn ich in Oester
reich blieb. und wählte daher ein ganz
kleines Baderlx ich ging nach Griechen
bod, und siehe! Gott hilft den Seinen.
Griechenbad ist kein Weltkurort. Jn
Griechenbad giebt es nur geriebene
Fußboden. einthiirige Kasten ohne
Hängeborrichtung Kommoden de:
ren Schubladen kein Mensch heraus
inehen kann, und Nachtkasteln mit drei
fFiißen — -- aber dasiir kann man stun
Jdenlang im Wald umherstreisen, obne
ceinem Bekannten zu begegnen. Jn
»Griechenbad giebt man statt der La
sdoirs den Kutgästen ovale Braten
schüsseln fiir sechs Personen. Essen
und Bedienung sallen schon unter ver
schiedene Paragraphen des Strafge
setzeö, gewisse Lokalitäten sind nie in
Engiand — aber nicht einmal ver
nahm ich dort den verwunderten Aus
!rus: »Nein, Sie sind auch da?« Grie
chenbad ist unter dern Rachtwachter
aber nächsies Jahre gehe ich wieder hin
sund nächsiniichstes Jahr wieder, und
iiiberhsaupi so lange bis ich eine Be
Itannte dort treffe Die Cholera kommt
;ja auch nicht überall hin, vielleicht
bleibt Griechenbad immun.
Nachdem ich mich instnllirt hatte
H— natürlich ohne Hilfe, denn »das
»Siubenmiidl ist nicht nur für Einen
da«. ging ich, da es regnete, in den
Lesesaal, um einen kleinen Ueberblirt
iiber die Kurgesellschaft zu gewinnen,
denn nächsten Tag in der Früh wollte
ich gleich mit der unglücklichen Liebe
anfangen und da waren einige Vor
lenntnisse nicht überflüssig Die mei
sten Damen, die ich hier versammelt
sah, hatten es offenbar nicht nöthig.
sich unglücklich zu verlieben, sie waren
von Gottes Gnaden dürt genug, und
die wenigen, die es nicht waren. de
nen konnte es schon wirklich egal sein«
wie sie aussehen. Die Tofletten waren
so elegant, als sie die Schneidetinnen
von Pettan, Csåttornya, Cilli und
Krumpendorf nur herstellen konnten;
nur eine verwittweie Postmeisterin
aus Riebertroitschen erregte meine
Aufmerksamkeit Sie trug zu einem
grünen Barösgerock einen Panzerleib
aus schwarzer Seide mit großen, ein
gewebten gelben Blumen, dazu Brü
nellschuhe. Jch wußte nicht, daß so was
noch eristirte. Von den Herren, die
ich hier sah, konnte ej mir teiner an
thun« das merkte ich schon; sie hatten
Alle die Nase streng in der Mitte. und
solche Leute machen teinen Eindruck
auf mich. Auf der Trrrasse sah die
Sache schon besser aus. An einem
Spieltisch saßen drei tren. »Der
Eine ist ein Franzosec agte mir eine
Frau mit einem Zahn aus Fiume,
.er spricht immer mit der Gräfin, die
hier ist: aber die können Sie fest nicht
sehen, die geht auch bei Regen im
Wald spazieren. Der Blonde ist ein
Journalist aus Budapeft —-— ja, fiir
die herren ist Griechenbad sehr gut«,
sagte die Alte boshaft -—-- «und der
große Schwarze —«
»Ja, wer ist der große Schwarze?«
»Das ist ein ungarischer Stadt
houptrnann«
Ich hörte nicht mehr, wag der Zahn
aus Fiume sagte· Der unanrische
Etadthauptmann gesiel mir. Er hat
te ein häßliche-, aber kühn und inter:
essant geschnittenes Gesicht und dabei
Hundeaugem So ein Mann liebt ei-:
ne Frau wahnsinnig, aber er vrügelt
sie auch darnach; so was hatte ich mir
schon lange gewünscht. Meine einzige
Sorge war jeyt nur, daß sich der
Stadthauptmann nur nicht in mich
verliebt. denn der Doktor hatte aus-—
drückiich gesagt: Wonne macht seit
Stadthauptmann hin· Ungar her, in
erster Linie will ich abmagern, dazu
bin ich hergekommen.
Meine geehrten Leser erwarten
seht gewiß, daß ich sagen werde: eg
war Alles umsonst; der ungarische
Stadthanptmann konnte mir nicht wi
derstehen; troh meiner nachlässigen
Frisur und meiner verpfuschten kar
rirten Bkouse mit den unmodernen
Aermeln verliebte er sich wahnsinnig
in mich, ich schwamm in Wonne und
Prügeh Wonne macht fett, Prüget
machen mager, und so kehrte ich zu
ritck wie ich gekommen war. Ader
dies ist tein Roman, sondern ein Er
kedniß, nnd im Leben geht es anders
zu. Jch war acht Wochen in Griechen
dad, und wenn ich sage, ich war dem
Stadthauptmann mit den hundertta
gen während der ganzen Zeit Lust,
so habe ich zu wenig gesagt; ich muß
das anders ausdrücken: Mit der Lust,
die ich ihm war, könnte der Zeppelin
dreimal tii iich seinen Ball-n stillen
nnd es drede noch genug stir die
deutscher-. sparsamen Hauisr uen zu
rsch die bekanntlich mit Les kochen.
Ich Lichte ihn so unglücklich, wie ich
Zagsinsw ask-en mein-: Klavier
e - " nnd ran
Ijt M das eilt Mann cis-F
M W eines Mc hastig
-: « t !
W
s
als ein tarrirte Blause mit breiten
Aermelm wenn gestreifte Blousen mit
schmalen Aermeln modern sind
Schon nach einer Woche mußte ich
die hasteln an meiner Blouse um
siellen, und je mehr jede Aussicht
schwänd. von dem Stadthauptmann
gepriigelt zu werden, umso öfter muß
te ich meine Blouse einniihem In
der achten Woche sagte ich mir aber:
Nun ist es genug, mein Kind, ab
genommen hast Du, zieb’ die unglück
liche Liede aus und anständigei Kleid
an· salbe Dein Haupt und laß Dir
etwas Anständiges zum Eisen geben.
wenn so was in Griechenland zu ha
ben ist.
Jch wählte zu meiner Auferstehung
ein heliotrop Crcspe de Chitin-klein«
srisirte mich, und kaum war ich ist«
tig. so war der ungarische Stadt
hauptmann wie weggeblasen Als ich
zu Mittag in den Speisesaal trat, er
regte ich Seniatitm und nun ließ ich
nicht locker: während der vier Tage.
die ich noch itn Griechenbad blieb,
hielt ich die Badegesellschast fortwäh
rend in Athem Sogar die Grösin aus
Knittelseld versäumte die Malt-spa
ziergänge, um meine Totletten nicht
zu versäumen, und was den armen
Stadthauptmann betrisft ..... Wie
konnte ich mir nur denten, daß der
im Stande wäre, eine Frau zu prü
geln? Er schickte mir ja täglich die
herrlichsten Rosen! Der und eine
Frau Prügean Jch lann es mir nun
einmal nicht abgewöhnen» die Män
» net zu überschätzen U
l
Am Vorabend meiner Abreise war
im Kurhaus große Neunion Jch tanz
te wie besessen. zum großen Mißver
gniigen der Frau mit einem Zahn aus
Fiume, welche einstimmig sand« daß
es nicht schön sei, detollettirt zu tan
zen. Aber es tam noch ärger. Beim
Souper saß ich mit dem Stadthaupt
mann an einem kleinen Tische, ohne
daß eine ältere Dame dabei gewesen
wäre.
»Und Sie reisen also wirtlich mor
gen Früh, gnädige Frau? Und sind
doch erst so kurze Zeit hier . . .«
»Volle acht Wochen!«
»Ich kann es wahrhaftig nicht be
greifen, daß ich Sie nicht sriiher be
merkte « mir ist es, als hätte ich Sie
erst vor wenigen Tagen erblickt.«
»Gesehen werden Sie mich schon
haben, herr von Jvansnl Ader das
ist es eben, Sie haben mich nicht he
mertt. Wissen Sie. daß Frauen das
am schwersten verzeihen?« fragte ich
lächelnd. «
«Schade -- - ewig schade - - hätte ich
Sie wohl bemerkt;
nur geahnt · · ." -
»Ich aber habe
sogar gleich-am ersten Tag«, scherzte
ich weiter
Ollj Antwort erhielt ich einen Blick,
der nicht von schlechten Eltern war.
»Ja, wenn Sie wüßten ..... aber
das sag’ ich nicht .«
»O, sprechen Sie, gnädige Frau »
wir sehen uns heute zum leyten
Mal.«
»Schlieszlich« warum auch nicht?
Jetzt tann ich’s ja sagen ich war
sogar verliebt in Sie. Herr von
Jviinsy. so thöricht verliebt wie .
Nein, bleiben Sie doch ruhig, ich
spreche in der Vergangenheit Daß
die Männer auch nie wissen, wenn es
Zeit ist .. . . Je t ist keine Zeit mehr,
here von Jviin h, jeht nicht und nie
wieder . . .«
«Jch begreise das Alles nicht
wie tonnte ich so blind an Jhnen
vorübergehen? Was war wohl schuld
daran?«
»Eine larrirte Blouse«.
«Aber wozu diese Masterade, diese
Verstellung? Was suchten Sie über
haupt in Griechenbadk
IEine unglückliche Liebe.«
»Sie, eine unglückliche Liebe?
Das verstehe, wer kann. Wozu brauch
ten Sie ein unglückliche Liebe ?«
»Um abzumagerrh Herr
Inanan
Damit erhob ich mich und drückte
VOU
ihm zum Abschied freundlich die Hand. «
J
Wh
Thiterseks Rai-.
Der berühmte Nvmnncier That-le
ray hatte eine gebrochene Nase, die
seine Physiognomie arg einstellte Man
sagt, daß das gebrochene Nasenbein
aus einen ehrlichen Vortainps zurück
zuführen-sei eine alte Dame jedoch,
der Thackeran die Geschichte seiner
Nase selbst er ählt hat« gab diese Er
zählung wie szolgt wieder: Als einer
der jüngsten Schüler im Chartetboule
wurde er von einem älteren Knaben
dazu ausersehen, als sein »Fag« zu
dienen, was ungesähr dein deutschen
Leibsuchs gleichkommt. nur mit dem
Unterschied, daß in England die jün
geren don den älteren bedeutend härter
unterdrückt werden. Thaaeray ertrug
alle Berunglimdsung so gut er konn
te« lehnte sich aber gegen einige bespa
tische Befehle aus und weigerte sich, zu
gehorchen. hieraus nahm der ältere
den Tbackeray unter seinen Arm und
bearbeitete sein Gesicht mit dem Absatz
seines Schuhes, bis die Adlernnse
laeh wie das Gesicht war. Er zer
brach die Rose des armen Jungen
vollständig, und seine Entschuldigung
war: »Das nächste Mal wirst Du
wohl meine Schuhe puhenk
sehr ricktlx
»Wu, schon vier Wochen hier und
noch tetne Besteigung des Montblane ·
unternommen-P
. »Ja, mein Lieber, der Month-ne
lässt nieset so eins zwei drei —
Wi nie brechen« «
Vie kalte Manrselll
Novelle von C. P rie h.
-»-. - »»-,»
Sie hieß Elisabeth Dorothea Ol
dendarp. aber dieser Name sand sich
nur aus der ersten Seite ihres Konfirs
mationsgesanghuches und im Register
des Standeoamts, --- man nannte sie
imrner »die lalte Mamsell'. Sie war
selbst schuld daran. Als sie in unser
Laus tam eg war eine schlimme
eit damals, das Siebente schrie in
der Wiege neben Mutters Krankenbsett,
und die sechs anderen tobten ohne
Aussicht und Lebensart in Haus und
Hof herum da singen alle ihre Ge
schichten und Ermahnungen an: »Als
ich noch kalte Manisell im Großherzog
von Meellenburg war —---." Jch er
innere mich noch des angenehmen
Schauder-ro und der höchst eigenthiim
lichen Vorstellungen. die mir beim
Nachdenken über diese Stellung ta
men.
Ob nun diese interessante Vergan
genheit uns imponirte oder od Mam
sell pödagogische Talente besaß, -
jedenfalls brachte sie es fertig, das
halbe Dutzend nnniitzer Kinder zu
bändigen und in Ordnung zu halten«
Das Siebente in der Wiege umschloß
sie von vornherein mit einer leiden
schastlichen Liede. und die Mutter
piipoelte sie mit all den Krastsuppen
und Leckerbissen bald gesund. die sie
als »talte Mamsell« im Großherzog
von Meellenburg" zu kochen gelernt
hatte.
Sie war eine Perie, unsere lalte
Mamsell. Ein gut Stück Wärme
und Liebe war mit ihr ins Haus ge
kommen.
Vom Hausherrn herunter, iur oen
sie immer »ein biischen was Armes-"
in Bereiischast hatte, wenn er miid
und hungrig vom Feld heimlam,
bis zu den Külen und Lämmern im
Stall siihlte alles ihre treue Hut und
Pflege und ließ sich’s ohne viel Nach
denten und Danten wohl dabei sein.
Es gab gar nichts Besseres und
Wörmeres. als von der talten Mam
sell Abends im Bett eingebuschelt und
noch mit etwas Mundvorrath siir die
Nacht ausgestattet zu werden« Es
boclte sich auch so wunderschön neben
ihr aus der Herdbnnt« wenn sie Obst
und Gemiise herrichtete, oder ihre be
rühmten Kuchen anriihrte. Dabei
mußte sie uns Geschichten erzählen.
Die Geschichten singen natürlich alle
an: »Als ich noch talte Mamsell im
Großherzog von Medlenburg war.«
Was hatte sie aber auch alles in dem
großen Gasthaus der alten Ostsee
stadt erlebt! Am liebsten hörten wir
natürlich die Liebesgeschichtem
»Als ich noch tnlte Mamsell im
Großherzog von Mecklenburg war, da
war ich dreimal mit dem Obertellner
verlobt, immer mit einem andern na
türlich. Der erste war zu gut und
u nett, eine Seele von einem Men
schen« nur daß er die Schwindsucht
lriegte und eine Stellung in Jtalien
annahm. Da ist er mir dann ge
storben —- o Gottogott, was hab ich
einmal ausgestanden, als ich die
Nachricht triegte. Der andere war
eigentlich nicht so gut von Charakter-,
aber bildschön ist er gewesen« und wir
wollten zusammen ein Logirhaue in
Warnemiinde aufmachen. nur daß er
vorher mit der Buchhalterin durch
ging- Und den dritten hätte ich ganz
sicher gebeiralhet« aber da war irgend
etwas mit seiner Vergangenheit nicht
in Ordnung. Er hatte teine Papiere
und mußte ein bißchen in«5 Ausland
geben« Ich dent immer, er kommt
noch mal wieder, denn er war sehr
treu und anhiinglich von Natur. Jch
habe meine Adresse im Großherzog
von Meitlenburg gelassen, wenn er
sich da nach mir ertundigen tommt.
Da mochte ich denn auch nicht mehr
sein. So was geht einem doch aufs «
Gemüll-. Und dann ist das auch sehr
nöthig, daß ich jeyt hier bei Euch bin
Und wenn Jhr mir jest nicht die
Finger vorn Teig laßt, schmeiß ich
Euch einfach aus meiner Küche her
aus« und Ihr trie i keinen Lappen
Kuchen mehr zu ehen Euer Leben
lang.«
Trotz ihrer reichen Erfahrung in7
Liebesannelegenheiten war die kalte
Mamsell immer noch nicht abgeliililt
genug dem andern Geschlecht gegen
über. So erlebte sie bei uns aus die
sern Gebiete weitere Schicksale und
Abenteuer.
Es gab da ein Jdtill mit dein alten
Mister im Ders. dem sie die Glucken
setzte und die Steiilteenden viättete,
bis er ein munteres junges Ding
heirathete und unsere arme tnlte
Mantsell sich damit trösten munte,
daß fte Gevntter beim ersten Buben
stehen darste.
Es gab einen Detettivrotnan mit
einein von unseren Eleven der Wiirste
und Gänsebriiste stahl und die talte
Mantsell in einem schauerlichett Kan
slilt zwischen Liebe und Ehrlichteit
brachte. Aber die Ehrlichkeit trium
phirte und der junge Mann ging nach
Siidwest.
Es war da auch eine kleine, zarte
Novelle mit unserem inngeeen. drast
schwachen Hauilehrer. den Marnsell
gänzlich heraussiitterte und der von
der Bildsliiche verschwand, als er sich
rund und gesund fühlte, urn anderswo
zu leben und zu lieben.
Eine ganz erstaunliche Ernst, zu
lieben, steckte in unserer kalten Main
sell. Denn neben all diesen Män
nern liebte sie jedes von uns Kindern
nett einer Meine und Treue, die
durch diese jeweiligen Liebe-geschich
ten nicht im geringsten litt oder er
schiittert wurde Deshalb hatten wir
auch gar nichts gegen Mamsellj Lie
ben einzuwenden und genossen sie als
eine gan angenehme Sensation in
unserm sonst ziemlich einsiirmigen
Landleberr.
Aber als der Maler sie dann heira
then wollte, hörte bie Gemütblichteit
aus« unb wir geriethen alle in eine
ehrliche Entriistung
Die Sache war diese: Die talte
Mamsell war nun schon so viele
Jahre lang unseres Hauses Stufe
basz man anfing, zuweilen so eine
Art Dantbarteit gegen sie zu em
psinben. Jn einer soichen Amor-nd
lung, die zufällig mit dem Wunsch
zusammentraf. einem wandermiiben.
bungrigen Malergesellen Arbeit zu
geben« beschloß unser Vater, Mamselle
bescheidenes Zimmer neu anstreichen
und tapeziren zu lassen. Nach vielen
Konserenzen mit brr talten Mamsell
in Küche und Speisetammer ent
wickelte ber Malerjiingling vornehmei
Manieren unb eine wabrbast genialej
Unverschämtheit. Er malte sebr lange
an einer Rosenguirlanbe die sich in
seltsamen Reingeln und Kränzen ums
Mamsells Zimmerbeete zog· Als die
Guirlanbe endlich sertig war, batteH
ber Künstler Mamsella Herz gänzlichI
erobert. und sie nannte sich in bemiitbiiT
gem Stolz seine Braut. »Eigentlich
bin ich ja ein bißchen zu alt siir ibn«.
sagte sie, »aber wo er mich doch so
herzlich liebt - unb endlich möchtes
ich benn doch auch mal zur Rahel
kommen. Unb von Herzen bin ich
jung get-neben das ist doch die»
hauptsachr. Und dann mein Spars
lassenbuch. Da will ich ihm wohl.
mit aus die Beine helfen. Von der»
Zeit her, daß ich lalte Mamsell im«
Großherzog von Meellendurg war,
hab ich noch einen Hausen Bekannte
in der Stadt, da will ich ihm schon
Arbeit verschaffen. Und wenn er
nur den Großherzog selber kriegt, da
ist allein schon sast das ganze Jahr
lang dran auszubessern und srisch zus
malen. Jch werd schon sorgen, daß
er da in die Praxis kommt. Jch
hal« auch einsach siir meine Pflicht.
sonst läust er mir doch wieder aufs
der Landstraße herum und verlommt
mir wieder, wo ich ihn doch jetzt so.
schön herausgesiittert und von oben
die unten sauber in Stand gesetzt
habe. Wenn das nicht wör’, Kinder,
keine zehn Pferde brächten mich von
hier. wo Jhr doch alle so schrecklich
ungezogen seid und es mir das Herz
bricht, dasz ich Euch in diesem Zu
stand verlassen soll "
Aber diesmal wars ernst mitl
Mamselli heirathsplänem Der Ma
lergeselle hatte es so eilig, daß sie
kaum Zeit iiir all ihren Abschieds
schmerz sand. Jhre Wäscheaussteuee
lag ohnehin seit Jahren sir und fer
tig unter dem Bettzeug in der großen.
Truhe, und gut verschniirt und ver
steckt im seiniten Dukend Hemden das
Spartassenduch mitten dazwischen. i
So zogen sie miteinander in dies
Stadt, und alle Wärme und Ge
müthlichieit schien mit der kalten.
Mamsell aus unserem Hause iortgesi
zogen. Aber ehe wir auch nur ange
sangen hatten unt an diesen unlei
digen ustand zu gewohnen war die
talte amiell wieder da. Eines
Morgens schmeckte der Kasse so gut
wie nie seit ihrem Weggehen Da(
sand es sich, dass sie ihn eigenhändig
gekocht holte nnd nun in der Fäche
stund und rnii der neuen Kochin
herumscholl.
Der Maler war mit ihrem Spor
iossenbuch one Tage vor der Hochzeit
durchgebrannt
»Ich war wohl ein bißchen zu alt
siir ihn«, sogte vie laue Momsel1.
und die schweren Thronen fielen sui
ihre weiße Ladichiirzr. »Man soll
wohl sein olieo Herz nicht so on
einen Schönen Jungen hängen. Als
ich noch lalle Momiell irn Großheron
von Meckienburg wor, da war ich
ansehnlich genug, da sind sie alle hin
ler mir her gewesen. Aber heutzu
luge wollen sie ja immer nur die
ganz jungen Dinger-. lind von un
sereins wollen sie nur das Gelt-. Ader
einen wunderschönen Briei hat er
mir zum Abschied geschrieben Ter
iog zwischen meinen Hemden, gerade
va, roo sonsi das Epirrlassenbuch
hingehörle: daß er mir danlisor iil
siir meine Liebe und mich nie nein-s
ien lonn und daß ich iyn nicht bei
der Polizei onzeigen soll. Als ob
mir das möglich wäre, wo ich ilm
doch so geliebl habe! llnd im übri
gen ist das ganz anl. Daß ich wieder
hier bin. Ich limn man gleich mil
dem Großreineinachen von oben her
unter wieder anfangen, nnd in der
Speiseloenmer isl ja rein one nichts
Vernünsliges mehr. Zum Gotte-ser
bormem wie das hier bei Euch ons
Fehl man gut, daß ich wieder da
in.«
Jo« es Wst glit, Das-. unsere tunc
Mamseli wieder da war. Diese
Assiire mit dem Maler blieb auch the
letter ernsthafter Versuch, »zu( Ruhe
zu lornmen«. Sie liebte natürlich
noch häufiger, aber doch gewisserma
ßen nur so nebenbei und mit halber
Krastanstrengung. Dazu lam, daß
sich bei uns im Hause immer mehr
Verwendung für ihre Liebe und
Treue sond.
Es lonien die Jahre der großen
Sorgen mit den großen Kindern·
Die lalte Mantsell slocht IJinrthens
lriinze und Todtenlriinze und ver
stand das Mitsreuen und das Mitbe
weinen am allerbesten. Und es lo
rnen wieder lleine Kinder ins Hang.
Entellinder, die ein doppelteg Anrecht
aus Liebe zu haben schienen und
ihren Antheil ganz selbstverständlich
auch von Mamsell einforderten und
einheimsten.
Dariiber ist unsere lalte Mamsell
alt und müde geworden, aber ihr
Herz ist weit und warm geblieben
bis zuleht Gan rasch und itill ist
sie dann eines ags gestorben, an
einer Kinderlranlheit, von der sie
die lleinen Kinder im Hause just ge
sund gepslegt hatte.
Und da ist leins von den grossen
Kindern des Hauses draußen in der
weilen Welt. dem nicht immer wieder
ein Heimweh kommt und die Sehn
sucht nach Wärme und Treue der al
ten, kalten Mamsell. «
Ob
Monosss einre- Stint-litt
»Da heeszt et nu: Gesundheit is
Reichthunt. Dummheit. ick bin doch
jewisz jesund un hab’ doch nischt.«
Der lleine Friy ist nnartia gewesen,
und der Vater hält ihm seine Sünden
vor. »Ich verstehe nicht« Friszchem
wie du so ungezogen sein kannst. hast
du das vielleicht bei mir gesehen, al
ich so alt war wie du?'«
Det Mem-schlim
Jn Petersbukg konnten Spazier
gänger in den Straßen ein unges
wöhnliches Gefährt beobachten. eine
Akt Schlitten, an dessen hinterm
Ende sausend und brausend ein Pto
pellet durch die Luft wirbelte und so
das Fahrzeug vorwärts trieb. Es
war die »nene« Erfindung eines Jn
kienieutss die hier in der Praxis
hte erste Probe ablegte, ein regel
eecknek Schraubenschlittem des ausge
zeichnet zu arbeitest schien. Tab Ge
stell ruht auf 2 Paar Schienen oder
Schlittenbabnen, von denen das vor
dere Paar beweglich ist nnd zum
Denken des Schlittens dient. Tek
JMotot und die Luftfchronbe lind am
Jhintern Ende des Fahrzeuqu ange
bracht Tie Versuche waren so gün
stig, daß mit dem Schraubenschlits
.ien in den nächsten Tagen eine große
Fahrt unternommen werden soll,
wenn es gelingt, von Prtcrsbutq
noch Moskau.
Dir M Düfte-.