Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 19, 1911, Zweiter Theil, Image 12

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    Dis- --»----«---.-W. , ,
Brand von Henkeron
Irre Erzählung von Ernst Harten
Mhling im Thüringer Wald.
- , . lachender Himmel darüber-.
und Berge in ahnungsvollem
Mira- holder Lenzeosreudem Die
an zagen Knospen spielend und
Ist die ganze wundersame Berg- herr
W den Frieden Gottes ausgie
g. Es isi Sonntag. Vom sieilen
iherg herab putzeln prickelnd sri
D Windloholde und haschen sich um
II vielen, stolzen Turm der Kirche
m Hatten-de Die Kirche liegt aus
einer-erhöhten Platte und hat gerade
eben. wie eine Henne ihre Rück-lein,
die im Thal in einfachen Holzhäusern
Iphnenden Gebirgsdörsler unter ihr
breites Dach gelockt. Aug den Schall
Sehern desThurknes verhallen die les
ien Schwingungen der Glocken, und in
It Kirche beginnt Kantor Wedde sein
Or elspiel
ni Dorf ist es still. Kaum ein
Hund bellt und der auch dann nur
Verhalten, als wüßte er daß heute
Feiertag ist
Welche Weltabaeschiedenheii in die
sem Thal! Welche Ruhe! Aber nichti
ehe viele Wochen mehr dann rücken;
e vor-, die Sdiyenretter der Courr l
en. der Waldbumtnler, der müden s
Stödter mit-ihren lranten Lungen,;
mit ihren matten Herzen Der Strom
Jschwillt an, und im Sommer über:
schwetnmt die Fremdeniluth das sried
ltche Thal. Dann ballt es und schallt
es in den Gründen vom Singen der
dtstudenblassen, waldsüchtigen Men
then. Und wenn sie wieder fortzieben,
e ost gar wunderlichen Sommervö
gel dann nehmen sie ungewollt immer
ein Stücklein Dorf-rauben ein Körn
lein Boltsthum mit weg Nur der
Galdfuchg bleibt zurück nnd bringt
nanchetn Dörfler Glück u· Reichthum,
manchem aber auch Unglück, wenn er
des rollenden Goldes nicht zu pflegen
weis-— So geschehen dem Posthalter
Iasch in Hackerodr.
Einen stattlichen Wagenpart, acht
Karte Bergpserde Stall und Scheune
rrnd ein ansehnlich Wohnhaus, in dem
einige Fasch Geschlechter die
sosthalterei betrieben hatten, nannte
er sein eigen. Nannte, s- denn man
niantelte allerlei von Schulden.
Vor acht Tagen aber halte er plötz
lich und unerwartet ins Gras beißen
miissen Wie das denn wohl so schnell
keenrnen kann. Wieder wurde von
Schulden und gar von Gift gemuntelt,
aber keiner getraute sich’s, ossen aus
wsprechem wessen man den Verstorbe
Ien anklagte.
»Ja« sagte man, »wenn die Frau
nich gelebt hätte — aber in den zwei
hren seit ihretn Tode ist g mit Fa
n höllisch bergab gegangen«
»Aber was der Gustav ist, meinteI
ein anderer, »der wird das schon wie- «
der tn Ordnung bringen«
Eustav Fasch war der einzige Erbe z
des Posthalters und wie eg üblich in
der Familie, übernahm er natürlich
das väterliche Geschäft. So griff er,
m er vor einem halben Jahr
seine Militärdienstzeit beendet hatte,
witiriisti er Faust in die väterliche
. Mrthscha hinein. Jn lehter Zeit war
ih allerdings das dst derstörte Wesen
seines Vaters ausgesallen, und ihm
nte Unheil.
« Sein frisches, offenes Gesicht war
its ganzen Dorf bekannt und sein
sehen männlicher Charakter überall
fschöst
Es war am Tage nach dem Begräb
Iiß seines Vaters gewesen, als er zu
feinem Entsesen entdeckt hatte, daß es
w seine Bermögensverbältnisse sehr
schlecht bestellt war. Schulden über
-Schnlden! Verfehlte Spekulationen
nnd Berpsändungens
Eines Tages brach die Volle Er
Ienntniß des bevorstehenden Unglücks
sticht-F über den noch nnersahrenen
« ann herein, daß sein ganzes
in Stücke zu gehen drohte. Ja, es
als habe die surtchbare Kata
he die gegen ihn und gegen die
des Namens Fasch nrit ersehnt
M Eise im Anznge war. alle seine
verwirrt.
. An jenem Sonntag, der wie eine
udenhnrnne über den schönheitae
treten, nach Frühling und Sonnen«
fass lechzenden Thüringer Wald da
hinzog, befand sich Gustav Fasch in ei
set furchtbaren Verfassung. Er stand
bot des Vaters Schreibpult und zer
AIseteterte sein Gehirn, wie er das Un
Eck abwenden könnte· Alles um sich
II
?
um hatte er vergessen: Sonntag,
- ’ chgang und Braut. Ja, auch seine
staut die Kantorstochter. die nun ge
g? heimliche Umschau in der Kirche
t.
E Dichte Nebel wallten vor dem Geiste
T sei jungen Mannes aus und nieder.
;- selner Verdüsiernng hantierte er
allerlei sonderbaren Sachen im
. . Da die Tante hössle
« , die während der letten Jahre den
·- » Hätt . schrie, inwsenthal zu ei
Ek- Ier . tran gegangen war, die
-· W W Kitchzaen hatte und der
W von einer at nach Gotha
sten- Montag zurückkehren würde,
Gustav Iasch sich ungestört in
Marginalien Treiben·
sei M stöhnte ee heftig, und
·M die trockenen Lippen kamen nur
, - W siedet a ettssene Satt-rot
· .«seis Imseh ocl ei ersah-en —
--t nausbeennenden
.—-,-.-;- :--«-».. —
von einem an ziindeten zweselsai
den stieg zur tuhenvecke empor.
Gustav Fasch richtete sich steil aus
« mit diisterem Blick schloß er Stube
und haus und ging mit großen
Schritten von dannen. Wohin. das
wußte er selbst nicht. Jnstinktiv wur
de er zur Kirchhöhe gelenkt·
Von dort her schlugen fest die Töne
der Betglocke an sein Ohr. Dieser
helle Klang ging ihm scharf ein. Er
schrocken vlieb er stehen s— wandte sich
uni —— hörte er es nicht knistern?
Die srisehwiirzige Vergl-ist vermoch
te nicht, ihn in die Wirtlichteit zu ver
sehen. Einen Moment hatte sein Fuß
gesteckt. Dann aber hasiete er weiter.
»Es ist zu spät « zu spät!« stüsterte
er·
Unllare Gefühle trieben ihn vor
wärts. Eben betrat er die Plattsorni
svor der Kirche« von der aus man einen (
JUeberhlick iiher das Dors hatte.
Wie von magischen Gewalten wurde
sein Blick aus den hohen Giebel der
Posthalterei gelenkt. Vor seinen Au
gen flimmerte es —- was war das? —
da, — da war? wieder! Es blintte
etwas hinter dein Dachfitstl -—-- Ein
Taubenschwarm stieg aus dem Hof in
die klare Sonnenlust hinein und zog
isn schlanlen Bogen nach der westlichen
Felderhöhe hinüber
Unverroandt starrte Gustav in den
litzernden Sonnenschein, dann glitten
cfeine Augen über die Dächer bin «
jeden Augenblick konnte -— doch nein.
so schnell?
Gewaltsam ruette er sich zusammen,
denn eben verließen die ersten Kirch
gänger das Gotteshaus. Mit ihnen
zugleich drang das iubilierende Orgel
nachspiel aus den geöffneten Thüren.
Die rauschenden Attorde, die Gustavg
empfänglichern Gemüthe sonst immer
Freude gemacht hatten, gleiten heute
wirkungslos an seinem Ohr vorüber.
Jetzt sah er die«Maad daberlomnren.
Er winkte ihr, und als sie auf ihn zu
trat, schiste er sie unter dern Vor
wande größter Eile rnit einer Bestel
lung nach der Kruseiniihle, eine Stun
de Weges unter hackerodr.
Das Mädchen schlug sofort den
Fußpfad an der Berglehne entlang
ein. Als Gustav das sah, lehnte er
sich aufathniend wieder an die Bar
riere des Kirchplatzes.
Die Leute tannten ihn wohl, den
schmucken Burschen, den Bräutigam
der herzfeinen und waldfrischen Kan
terstochter. Kurz vor dem Tode des
alten Fasch, als tein Mensch an dessen
baldiges Ableben dachte, hatten sich die
beiden verlobt.
Jn Gedanken versunken, er wußte
eigentlich gar nicht, warum er hier
stand, ließ der junge Mann die Leute
dorbeiziehen Mechanisch erhob er von
Zeit zu seit die hand und legte sie rni
litärisch grüßend an den Mühenrand
Plöslich stieß ihn jemand an, und
schelmisch lann’s aus lachendern Mäd
chenmunde: »Viel-h nachdenklich Ge
sicht, Herr Posthalter?« Dann aber
gleich darauf, als das Mädchen die
dräuenden Furchen in dein Antliy des
Mannes sah, mit tief empfundener
herzlichteit: ««Schaust ja so übel drein,
Gustav? Hat dir die Nitodeniuspre
digt des Pfarrers ans herz gellopft?
-—— Oder —- —? Jst’s noch der
Schmerz um den Vater —- -—?«
Momen. wir gehen noch ein bessel hin
lauf. Jch hab’ noch Zeit. Es ist mir s
leythin doch schon ausgefallen, daß ;
dich wag drückt. Das mußt du mir
nun sagen — —·« »
Langsam zog das hochgewachsene,
helläugige Mädchen den leise wider
sirebenden Freund den steilen Hang
hinan, der sich in weitem Schwunge
von Berg zu Berg dehnte.
Mit echt stattlicher Weichheit und in
fast mütterlicher Sorge sprach sie auf
ihren Geliebten ein. Dabei glänzte
ihr blondes haar im Schein der
Sonne, und der sanfte Südwind, der
iiber die Höhen strich, fächelte ihre vol
len Wangen.
Aber Gustav Fasch war in Träu
men befangen. Ab und zu wandte er
sich hastig uni, —·- er glaubte das
Feuerhorn zu then — dann schaute
Mithe Wedde ihn wohl rathloö an und
fragte immer wieder, was er denn
fürchte oder erwarte.
Sie versuchte sein Jnnereö zu erfor
schen und begann von seinem Vater zu
reden. »Hei-l vor acht Tagen begru
ben wir ihn, Gustav. Jst es dat, was
dich trauria Nichts«
Statt aller Antwort drückte Gustav
Faich seine Braut fest an sich. Eng
umfchlungen standen sie auf einer
Bergnase Das ganze Dorf lag weit
unten zu ihren Füßen, und aus über
hundert Essen ieg de: Rauch ver
herdseuer in hie flimmernde Mittags
luft hinauf.
»Welches Friedenöhild, unser
Darf!« tiefe die naturfrohe Kontori
tochter aus. »Mein sagt immer, es
läge wie in Ahrahqnis Schoß, da
könnt ihm nichts passieren«
Der junge Mann zuckte zusammen.
Seine Augen flogen unsiiit hin und
het.
Rathe Wedde aber plauderte munter
und glückerfiillt vom kommenden
Sommer und von dem Fremdenveri
lehr· «Wirft du auch wohl alles allein
schaffen können? — Ach, wenn ich erst
an deiner Seite sein könnte, wie wollte
ich dir helfen! Aber Vater sagt, nicht
vor Vgl-fu«
Inzwt chen waren sie höher und
höher se · . Durch eine Sehnetse
mfeu fest einen Blick zurück ins
Thal· De las das Dorf tief unten tu
Iris- selsettet und die Bäuchen und
tm Instan- Illestchen auf den Stra
lien gleichen winzigen Figiirehesn ans
einer Spielzeugiehachtet
Mithe machte diesen Vergleich recht
Iirohgeiinnt nnd inficirt-Weilt Orest-d
Fasch aber that das alles so weh« so
weh. Denn sein Herz lrainpfte im ent
lehlichen Angstgefiihl zusammen
Eben hatte das Mädchen besonnt-.
von ihrer Arbeit an der Aussteuer zie
;erzählen. als Gustav Iafch einen
Hdumpfem grauenerregenden Bruiltvn
Lvon sieh gab — —- iin nächsten Angen
thice hatte ek sich los-gerissen und sit-et
sWurzeln und Dickicht stolpernd«
sprang er die mit ranlendern Bodenges
Titriipp überwucherte Schneise hinunter.
»Was haft du?« rief das bestürzte
Mädchen dem Geliebten noch. Da sah
sie, wie er mit auggeitrecktem Arm nach
dem Dorf hinunter wies, fast zugleich
aber. wohl infolge eines Fehltrittö,
vorniiherschoß und mit dem Kon ge
gen eine dicke Tanne frhluq.
Gesund schrie time auf, tief hinter
her, und als sie die Stelle erreichte, an
der ihr Geliebter gestürzt war. fand sie
ihn bewußtlos am Boden liegen. Sie
drehte ihn aus den Mitten, kniete neben
ihm nieder, riß ihr Taschentuch heraus
und hielt es gegen die heftig blutende
Wunde an der Stirn.
Dann machte sie schnell einen Roth
vervand und hob den Bewußtlosen aus,
schleppte ihn « trug ihn s- schleppte
--- trug ----. Mit teuchender Brust —
durch unwegsames Gestrüpp zog sie
den schweren Körper bergab.
Von Zeit zu Zeit mußte sie innehal
ten. Jhr zitterten die Knie. Es war
ihr, als müßte sie jeden Augenblick zu
sammenvrechen. Dabei herzte sie den
Geliebten. der noch immer kein Le
benszeichen von sich gab. Von seiner
Stirn siaerten große rotheBlutZtropsen
über ihre hände und über ihr helles.
sonntiigliches Gewand. Aber sie achtete
des nicht. Sie hatte nur eine Sorge,
den Verunglüetten zu retten.
Da schlugen merkwürdige Brumtngs
töne an ihr Ohr. Was war das? Nun
ein Blasen im Dars? ;
Jm Laufen und Schleppe-i wars sie;
einen schnellen Blick hinunter. »Es(
brennt!« gab ihre gepreßte Kehle her
aus. Zugleich hatte sie gesehen. wie am»
Südende des Dorses aus einem hause
eine dicke braune Rauchsäule empor
stieg, die von dem inzwischen stärker
gewordenen Südwind über das Dors
hingeweht wurde.
So war Küthe Wedde mit ihrer Last
endlich unter sast übel-menschlicher An
strengung bis in die Nähe des Kirch
hoss gekommen. Hier rief sie einen
Mann. der unten vorbeilies, um hilse
an. Nun trugen sie mit vereinten Kräf
ten den Ohnmiichtigen in die Fried
hositavelle und betteten ihn dort aus
einige Strohsäckr.
Der sremde Mann hastete davon.
Mithe hörte nur eben noch. wie er ries:
»Das Dors brennt an drei Stellen!«
Käthe beugte sich über ihren Freund
Der schien die Ohnmacht überwunden
zu haben. Langsam gingen die Augen
lider aus. Zärtlich umschloß das Mäd
chen mit ihren Armen des Geliebten
haupt.
«Brennt es?« war die erste Frage,
die Gustav tat. ;
«- —-— Ja, —- aber du sollst dich»
seht schonen. Nichts staan —« l
»Sieh zu, wo es brennt ——« tnm es
über seine zuckenden Lippen.
»Die Schmiede, Gustav. Ich habe es«
gesehen. Aber sie werden es schon lis
schen. Sei nur ruhig.'
»Die Schmiede?« Der junge Mann
richtete sich plößlich hoch und stüßte sich
aus einen Arm. »Die Schmiede?" wie
derholte er. Es war ihm unsaßtich, daß
es nicht hieß: die Posthalterei.
Dann sank er mit einem Aechzen
wieder zu Boden. «Meine Stirn!«
klagte er.
Mithe gab dem Geliebten schnell eine
» möglichst beauerne Lage. sagte, sie wolle
irasch nach hause, Verbandzeug holen.
j Doch kaum trat sie aus der Kapelle ins
; Freie. als sie entsest zusammenfuhr.
»Das ganze Dorf brennt, Gustav«
rief sie zurück. Doch eilte sie bem nahen
Kantorhaufe zu. Dabei bemertte sie.
wie ein heftiger Zugwind, ber vom
Krufenthal herauftam und iiber das
l Darf hinftrich, die Flammen von Gie
sbel zu Giebel trug. Die Luft war er
I füllt mit rothglänzenbenFuntem die in
einem ziehenden Qualm schwammen
Ueberoll stiegen Rauchfiinlen empor,
Flammen schlugen aus den Dächern
und ein unheimliche-s Rauschen erfüllte
das Thal.
Durch den Schwaden hindurch sah
man die Sonne nur noch wie einen
rothen Ball am himmel hängen.
Die leicht brennbaren Häuser und
die rings um fie herum aufgeftapelten
Holzhaufen fingen das Feuer wie
Zureden
Jeht flammte in nächster Nähe der
Kirche der Giebel des Pfarrhaufes auf.
Mithe stieß einen halberstickten
Schreckensruf aus und sie spürte, wie
eine wahnsinnige Angft ihre Kehle zu
fammenfchniiren wollte. Sie bog ge
rade um die Kirche herum, als wenige
Schritte neben ihr ein glühender holz
kleben zu Baden trachte Erschrocken
sprang sie zur Seite.
Vom Kircht In dröhnte die Sturm
glpetn in der ähe und in der Ferne,
überall hörte nian das Rufen und
Schreien der Menschen, dazu das Kni
fie»rn und selten der brennenden
Uetl
lMithe fand den Vater wie vnn Sin
nes von state stube renne-. Vier
Aste er ein unt es gleich
auf wieder lasse-lassen tatst rii er eine
Ungleiche Gesellen.
Ein Unser-ers der Scheere.
Die Eilbouctte verdankt ihren
Hslmnen dein sranzösischen Minister
Etienne de Silbonettr. und es ivar
ein Spattnainr. der aus die Knauses
»7ei des armen bedrängten Finanz
« inannes hinweisen sollte. Der Schat- »
tenrisi selbst. dem uin die Mitte des.
Is. Jahrhunderts jener Name act-;
Iebönat wurde, ifi aber viel älter,
nnd eine hübsche Sage schreibt die
Kommodenschublade aus, um die Sa
chen daraus iin Zimmer zwealos zu
verstreuen. Mit ein paar iverthlosen
Kleidungsstüeten in den Händen, stellte
er ficb der hereinstiirzenden Tochter
entgegen und wallte ihr etwas sagen·
Diese aber zerrte aus einem Wintel
einige alte Leinwandreste, nahm den
Vater wie ein Kind bei der Hand und
verließ mit ihm das Haus. Draußen
saß im Vorgarten dieMutter in Wein
triimpsen. »Mutter, loinin rasch!« ries
Rathe ihr zu. Eil war die höchste Zeit,
daß die drei sich entfernten. denn ge
rade hatten sie das Haus hinter sich.
als rothgliihende Schindeln aus das
-Daeh prasselten und ein dichter Fun
tenregen die trockene holzverschallitng
in Brand setzte.
Die Mutter schrie auf. Der-Vater
ftöhnte und warf einen unfiiglich lla
genden und traurigen Blick auf das
Haus zurück.
Jm ielben Augenbliet leclte auch
.fchon am Kirchendach eine Flamme
hinauf.
Der Kantor wollte ivieder zurijckx
feiner Frau drohten die Sinne zu
schwinden. Nur mit größter Mühe
brachte Rathe ihre Eltern in der ftei
nernen. ableite gelegenen Friedhofe
tapelle in Sicherheit
hier hatten sich mittlerloeile auch
noch andere Flüchtlinge eingefunden.
meift alte Leute und Weiber mit
- Säuglingen
Rathe fah neben ihrem lieben Ber
wundeten den Dottor tnieen. Man
hatte den Arzt, der mit einem tleinen
Arzneilaften unter dem Arme vorbei
gelaufen tarn. hereinge:ufen, damit er
den verletzten jungen Mann verbinde.
Wie sieh Mithe niederbeugte, legte
der Dottor Ruhe gebietend feine Fin
ger auf den Mund und fliifterte ihr zu:
j »Leife, er ift eben wieder eingefchlafen·
— Eine groer Mattigleit —- enormer
Blutverluft — ftarke Kontufion am
Kopf ——- weiter nicht«-. —- Aber was
haben Sie denn hat« Der Doktor deu
tete auf das blutbespritzte Kleid.
Mit gediimpfter Stimme berichtete
Käthe dem Arzt von deinllnfall. Dann
drückte sie ihm dankbar beide Hände
und lief- fich neben dein Geliebten
nieder.
So faß iie lange, rnit großen Augen
das langfarne sthrnen des Schlum
mernden betrachtend. Die Leute in dem
kleinen Raum sprachen leife unterein
ander. Mitbe hörte nicht darauf. Jhre
Seele fuchte unabliiffig das räthfel
hofte Welcn des Verlobten zu ergriini
de:’;ri«ztitifelferr waren auch der Pfarrer
und eine Frau eingetreten und hatten
ftch deni Kontorpaan das sich von dern
ersten Schrecken zu erholen begann,
betaefellt
Durch die kleinen bleiverglastenFen
sier drang der Schein des- feuergeriiihe
ten bisnmels, und ans der holt-geöffne
ien Thiir glitt der Blick über das in
Qualm und Gluth versgnleng dem
Untergang geweihte Dorf.
Nach langer Zeit —- Mitbe hatte un
verwandi am Lager ihres Kranken ge
deckt -— hieß es, das Feuer wäre zum
Kisten Theil erloschen, man bahne
ge durch die Schuttnmssen Auch
ständen noch einige häufen darunter
die Posthalierei.
Wie Mühe das le tere hörte,
fchnellie sie aus ihrem hin üten in die
List-. Ein Gedanke sing ihr durch den
spi: die noch vorhandenen Wohnun
k
Knnst des Silhouettircus einem to
rtnthiichen Mädchen zu, das heim
Abschiednehmen den Schattenriß des
Geliebten auf eine weiße Wand ge
warten tah und das Bild schnell mit
Kohle nachzeiehncte Auf alten Va
jen, Urnen u s w finden wir diese
schwarz eftaltiae Kunst, aber aufge
hliihti t lie, wie Mant, erit wieder
var etwa this Jahrhunderten obwohl
schon Ruhmes und Tür-er Silhouets
ten actehnitten haben. Es ist bekannt,
daß Göthe eine besondere Vorliebe
gen mußten fiir die Ohdcichlosen her
gerichtet werden!
Schnell theilte sie den Plan ihrer Um
gebung mit. Man griff ihn freudig auf
und zog in Gruppen hinunter um
gleich ans Wert zu gehen. Vornehmlich
den Kranken und ven alten Leuten
wollte man out diese Weile eine Unter
tunft bieten, während die übrigen sich
an die Barmherzigkeit der Nachbar
dörfer wenden sollten.
Käthe bat ihre Mutter. auf den Ver
wundeten zu achten, der noch immer in
tiefem Schlummer lag. Dann ging sie.
Durch jammerndeMenlchengruppen,
die sassungslos ihre verbrannte habe
umitanden, durch aualmende Trüm
—
mer und angesengte, hier und da noch
glimmende Möbelreste, über heiße
Aschenberge hinweg führte ihr Weg.
Wie sie die vor Rauch schmerzenden
Augen erhob, sah sie die Posthalterei
unversehrt mitten aus dem schwelenden
Wirrwarr emporragen. Wie durch ein
Wunder war dieshaus deni verheeren
den Element entgangen. Neben dem
Wohngebiiude stand noch der Stall
Käthe hörte deutlich das unruhige
Stampfen derPferdr. Nur die Scheune
und die Wagenremise am Ende des
Hofes waren ein Raub der Flammen
geworden.
Die Haustür fand sie verschlossen;
aber vom Hofe her gal) es noch einen
Eingang Sie betrat den Flur und öff
nete dieWohnstubentiir: mit einem hel
len, llingendenAuzruf schrat sie zurück.
Was war das? Was bedeutete das?!
hochaufgeschichtete Reisigbiindel -«—
——- dazwischen eine halb abgebrannte
Ziindschnur —- --— ils
Das Mädchen stierte sprachlos in
dieses seltsame Durcheinander.
Plöhlich aber wurde ihr der Zusam
menhang zwischen diesem offenbar ver
brecherischen Anschlage und Gustav
mertwiirdiger Verschlossenheit llar.
Da mußte etwas ganz Schlimmeö
in der Lust liegen —- !
Sie sah mit einem Blick aus dem
Pult des Posthalters aufgeschlagene
Bücher und Schriftstiiae liegen, lief
daraus zu und durchslog einige der um
hergestreuten Briefe. Sie waren von
ihr unbetannten Personen abgefaßt
und in drohendem Tone gehalten. Jhr
tlarer Verstand oerhals ihr rasch zu der
Erkenntnisz, dass die Gerüchte von
gänzlicher Verschuldung der Posthali
terei der Wahrheit entsprachen. Auch
hatte Gustav einmal mit tiefer Beküm
merniß etwas derartiges durchhlicken
« lassen.
’ Jest wußte sie alles.
Nicht lange aber hielt ihre Beitür
sung sie gefangen· Kätbes lebhafte No
tur drängte nach entschlossenetn han
deln. Jhre kräftigen Arme schlug sie
um die ReisiabiindeL warf sie auf ben
hol, tilgte alle verrätheriichen Spuren
und war bereits beim Anordnen der
provisorischen Betten und Lager-Mitten,
als andere Frauen unb Männer ihr zu
helfen lamen. -—
Stdn-ere. feuchte Abendnebel ienlten
sich über das Unglücköthab Jm wie
licht de- icheibenben Tages trat iitbe
über die Schwelle der Friedhofslapellr.
Fu ihrer Verwunderung und Freude
ab sie den Geliebten auf einer Bant
site-i, nur gestiiht von ihrer Mutter.
Mit mattern Lächeln empfing Gu
stav leine Braut.
»Du Liebste mein," sagte er. »was
hast bu für Rath um cnieh Lehabt —--«
Milbe wollte ihn beschwichtigen
aber der iunae Mann wehrte ab: «Sei
für die Silhouettc rnmsnnin weil fis
die charakteristische Prisiiuinic io zic
tkeu Mode-mich das Schneiden der
Silhouettc war zu seiner Zeit in der
Hofgesellichoit eine beliebte Beschäfti
gung: auch iu Berliner Kreisen, mie
dem der Rahel Var-ihrigen usw« be
trieb man iie in den »in-n Jahrzehn
ten des ist Jahrhunderts-, und eben
so giebt es heute io manchen geniale-i
Silhonettenichneidcr. inu- nnier köst
liche-I Bildcben von Hijmnr Silveie
beweist.
nur still, ich weiß es. Man hat mir
etzsiihlh wie du mich dergnb geschleppt
ha i."
»Du sollst dich doch schonen." bat
Mitbe, indem sie ihren Arm sanft um
feinen verbundenen Kopf legte. »Ich
war eben nur fort, um nus euremhans
ein Nachiafnl zu machen. Wirst doch
wohl bis dahin gehen können?«
»Was? UniethausF fuhr der junge
Mann auf. »Ich dense. es ist doch ab
gebmnni »s- —« es mußte doch « — —- ei
war doch —-— das erste? v, ich
elendet Mensch!«
Kathe schuttelte rnrt einem sonder
baren Lächeln ihr Haupt »Gott hat
es nicht gewollt." sagte ste, »es sollte
nicht brennen.'· tFine bedeutsame Be
tonung legte sie aui das »sollte".
»Und du warst --- drin?« unter
brach Gustav iie, wobei seine Augen
unsicher ausslaelerten
Käthe Wedde niette nur. Dann sagte
sie ruhig und sehr mild: »Ja. ich hab-e
es wieder in Ordnung gebracht. —
Und nun toinml«
Gustav Frisch sühlte einen stechenden
Schmerz in der Stirn, als er sich ers
hob. Er biß aber die Zähne zusammen
und hängte sich sest in den Arm seiner
Geliebten. So traten sie hinaus.
»Siehsi du, da steht es« dein haus«'«
sagte Rathe fröhlich und streckte ihren
freien Arm aus·
Gustav Fasch suhr mit der hand
durch die Lust, und eg llang bitter, als
er sagte: »Mein haus? - Meins? —
--— Rathe, wenn du wiisitesil Kein
Stein aus der Mauer ist mein, teine
Schindel aus dem Dache. Morgen wird
alles gepsiindet --— —"
»Ich weiß es,'« erwiderte Käthe
Wedde. »Das ist aber nicht das Aller
schlimmste. Das Allerschlimmste ist
Gott sei Dank abgewendet Und was
nun kommt, da sorge dich nicht. Jch
—- will Bürgschast leisten. Mine Mit
gtst — du weißt. von der Mutter her
ist es genug --— liegt in Schmalkalden
—-—— ——- es wird alles gut werden —- —'«
»Du —- du —— -«' stammelte Gu
stav, von Freude übermannt, dann
reckte er sich hoch und wars seine Arme
um dass geliebte, tapsere Mädchen. »Du
herzallerliehste mein «sagte et inbrllns
stig- .rvie soll ich dir das je danken?
Du —- du — —!
Und während ringsumher der
surchthare Brand langsam »in Asche
und Trümmerschutt erstarb. wurde die
Gluth einer jungen starken Liebe zu
hellen Flammen entsacht.
W
JU
Des Kenner-.
»Gegen Sie. verehrtek here Kom
metzienratb. Sie sollen da bei einem
Ttiiblet in Vollan einen noch ganz
unbekannten «Reinbeanbt« aufgeltiibett
haben, sind Sie denn auch sicher, baß
es ein echter Rembtanbt ist?«
»Na aber ich bin doch Kenner, lieber
Feennb, mit tann man doch nichts
weismachen.«
»Nun, unb was stellt denn das Bild
eigentlich vor, Heer Kommerzientaib?«
»O, ein sehe interessantes Sinken
Beethoven bei bek Compssiiion seines
Etoica.«
ssfsicktisp
Et: «Jch habe niich entschlossen, ge
liebte Jtma, bei Deinem Vater " um
Deine Fand anzuhalten! Wie bentit
Du, da ich ihm am besten scheeibeli«
Sie (iingstlitb): «Jch glaube, lieber
Gustav, es mäte am belieik Die
schriebst ibne —- away-IF ·.