Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 19, 1911, Zweiter Theil, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    M Hkhrethkhktkk non
Itzzik Innkmngkh
No. 567. Wenn mer e Dußend
Mensche nein-ne duht un duhi se in
ein Platz beisamme, dann kann met
drauf befie, daß met zwölf dissetenie
Leeres-fees hat un in Mich es gibt
nirgends wo so en Differenz als wie
er unnee die Mensche- wo doch all zu
eine Familch belange vuhn, zu finne
is. Da is der Philipp. was mein
Hosbanv ist en Schick-naht wie er
im Buch stehn wenn ver nur seine
Ruh hat un kann zu den Wedeoweilek
gehn, dann is er sättisseit. Da is der
Wedesweiler: das is en Blohhard, wo
denke duht, seine Kostiemersch wäre
nur ans die Welt sor ihn zu pehtro
neise; er fühlt insoltet, wenn einer
ebbes iwwer seine Drinks sage duht
un is nur dann sättioseit, wenn jeden
Dag jeder von seine Kostiemersch da
war un hat sei bestimmtes Kwandum
Bier vertilgt, so daß wenn er Abends
seine Käsch bällenze un seine Ressiehts
abscherke duht. den nämliche Emaunt
eingenomme hat· Da is die Wedesis
weilern: En ganz guter Rerreckter,3
awwer bei sie is die Hauptsach schassej
un sich uss zu primpe· For Hetdwens»
Sehks wenn ich all mei Geld an meins
Buckel hänge wollt, dann könnt ich eg;
auch mache und könnt se sogar noch
biete. Bieseido daß, is se stock an ihre»
schöne Figur. Jch will nit blohe, aw-!
wer ich nemme es noch einige Zeit mits
sie aus. wenn sie auch immer mit ihre
Schlanliteht dick duhn will: answer ich
In mehr Korvuo daliegted aufzuweisr.
ann da is unsere littererie Frend die
Didol Well, die schwärmt sor Poems
un Dichter un Komposersch un ich muß
sage, daß ich am mehrschte inlleint sin,
denseltoe Weg zu siihle wie sie.
Ich hen mich die Werte von heinrich
Heinie gekauft un hen schon e ganze
Latt davon gelese un da hen ich zu
erscht ausgesunne, daß der Schiller un
der Goethe nit die einzige Pebbels in
die Bietsch sin nn ich sin nur surpreist,
daß der heinie nit grad so viel Mann
iuments geseßt hat triegt, wie die zwei
annere. Ich glaube das kommt nur von
sein sortgeseßte Lebenswandel her: das
könne die Ptebelo nit so iesig vergesse.
Wenn e Person so wie mich ihr ganzes
Lewe lang sür die Poetrie geschwärmt
hat. dann kann mer sich leicht in die
cidiei von so en Mann verseßr. Jch
denke er is in seine Liebeggeschichte
arig unhäppie gewese« dikaho an viele
Stelle in seine Poems hen ich greine
müsse. Da kann mer sehn, daß ich
mich in all mein Batter und Trabel
mit die Kids un denPhilivp doch mein
jugendliche-z Sinn un mei jungfräu
liches herz bewahrt hen.
Ein Drahbäck hat awwer die Poesie
doch aus mich un das is, dasz ich an
Mr nieto nnnerschter mehr denle·
isse Se, ich hen nämlich mein Meind
ausgemacht, daß ich all die Poe-no in
den Buch bei herz auswennig lerne
wollt. Wenn awwer en Mensch so wie
mich, schon e bische in den Ehtsch eit
wehnzt is, dann is ost das Fleisch wil
ling awwer der Ropp schwach. Es is
en großer Strehn sor mich un es is e
Pittie« daß mein Alter so wenig Ge
siihl sor so Sache hat, daß er sich im
mer lustig itvtver mich macht. Er ig
sogar den annere Dag hergange un hat
e Poem an mich gemacht. Er hat ge
sagt: »O Lizzie, denkst du gar nit
dran, du hast die Kidg, du hast en
Mann; an heinie dentst du, Herz und
Sohl, doch meine Satis, die sin e i n
Hohl. Juhs besser deine fleißige Hände
sor unsere Stackings gut zu mende.
Koch gute Miete uns, spät un früh,
sell is besser, als wie Poesie.«
Jch muß sage, ich hen das nit im
Geringste gegliche. Awwer re geht nur
zu zeige, daß der Philipp en gnn un
gehobelter Kunne is un ich besser sprech
emal zu die Dido iwtvet den Mis,
mehhie, die lann mich en gute isttiveis
gen-we. Am Nachmittag hen ich mich
schnell sertig gemacht un sin emal hin
gelause. Ich hen die Wedesiveilern
niets davon esagt, bitahs die Wedess
meilersch bla e mit den Philipp in ein
horn, bitahl se sin essreht se dehte en
gute Kostiemet verliere, wenn se ebbes
gege ihn sage dehte. Die Dido hat sich
arig gefreut, wie se mich gesehn hat un
ich hen auch gar nit lang Montieschein
gemacht un sin gleich mit die Fari
eraut komme-. fzch hen sie alles gesagt
un dn hat se Trachmeilt un hat gesagt:
»Weil, Mit-, i is in oss Kohri nit
o nrig egtiedel. awwer ich tann Jhne
hren hosband nit so atig blehnie.
n en Pehnter bloß sor das Esse
schwört-te deht un deht denke. er wär
en guter Ku- un dehte seine Kollert
misse, wies en Kuck, Milch un Wasser
mickft un deht anstatt gelwe Faed die
Johis von Eier nunme, dann könnt
mer ihn in sei Bißneß nit brauche un
er deht gefeiert werde. E Wummen un
e haustieper muß in die erschte Lein
zu ihr Hauswert tende, un muß sehn,
daß alles tipptnpp is un daß Niemand
u tomplehne braucht. Wenn se mit
t re Arbeit fertig is, dann ietzt se sich
n, wenn le den Weg intleint is un
nimmt e gutes Buch un dhut lese un
duht ebbes for ihre Ettjutehichen duhn.
Die zwei Sache zu die gleiche Zeit zu
duhn, das hat noch niemand fertig ge
bracht un wer es duht, der macht aus
alles en Batfch Die Poesie is e
iRielriehichen for uns un is e«Blelsing,
! wenn mer se mit Verstand un in Tie
jspuhn Doses gebrauche duht; wenn
;mer awwer den ganze Dag mit den
lStoss verbringe dudt un an nicks an
’nerfchter mehr denlt, dann werd se
um Fluch der böse That wie der Mi
eter Schiller so schön gesagt hat. Men
de Se ruhig Jhren Mann un die Kids
ihre Stackings, toche Se Jhre Miels,
gut un plentie, strehtene Se Jhr Haus
gns un dann setze Se sich hin un sin
rre." "
Well, ich sin streht heim, un hen
mich an meine Arbeit gesterzt, wie en
Deibhenter un hen die Fellersch e
Miehl gekocht das war auteseit un wie
alles iwwer war un alles ussgestreh
tent war, hen ich mich mit mei Buch
hingesetzt un in zwei Minnits hen ich
geschlafe.
Mit allerhand Achtung
Yours
Lizzie hansstengeL
Zweikrlei Ton.
»Du, ist’s wahr, die tleine Frau
Haber, die einen so bescheidenen und
schüchternen Eindruck macht. soll zwei
Sprachen persett sprechen?'«
»Ja» die eine spricht sie zu Hause,
die andere in Gesellschaft.«
Manche.
»Wenn ich nur wüßte, wie ich mich
siir den »griinen Jungen«, den mir
mein Ches heute sriih an den Kopf ge
worfen hat, rächen könnte?«
«Machen Sie ihm zu seinem mor
gigen Geburtstag ein Festgedicht und
sprechen Sie ihn darin hundåtmal
mit Du an!"
Höflich.
Sängerin: »Ich habe hier ein Sitzt
liches Attest, daß ich heute Abend nicht
singen kann.«
Theatetditektor: »Deshalb brauchen
Sie sich nicht aufzuregen! Jch will
Ihnen sogar ein Attest geben, daß Sie
nie singen können!«
Philosophische Betrachtungen
Wir haben doch eine eigenthiimliche
Sprache: Wenn ein Dutzend Menschen
zu uns kommen, wir unseren Solon
zu musikalischen und deklamatotischen
llebungen. unsere sämmtlichen Kuchen
vokräthe und unseren besten Wein her-·
geben, so nennen wie das einen Em
die-Ins
Durch die Vlsmr.
Pianist: Wollen Sie mit wirklich
kein einziges Billett zu meinem dem
nächstigen Concekt abnehmen? Jhk
Vetter hat ja vier Stück bestellt.«
»Wenn ich so taub wäre. wie mein
Vetter, wükd’ ich sogar sechse nehmen-«
Das Loktbeillastesir.
Tante tzu Besuch): »Na, Mariechen,
wag sür eine Art Puppen magst Du
denn am liebsten?«
) »Ach, bitte, Tantchen, Zwillinge!«
Herr Wann-etc M- ein fürchtetlichck
Donnerschlag etdköhsn): »Er-M wie met
ne felige Attel«
——
deBlinden Sie sie mich zärtlich behan
lu?«
»An-s -- nur auf Oäudeu trage-n dür
fen Sie nicht verlaugenl"
- » --- -—- - JA-WW——-— -.
Zenqu der Sussragettes.
» Noliszöhlun in England, Volls
Ieihlnng in ondon wahrhaftig
.eine Kleinigkeit! Denn wir wis
set ja, wie peinlich es jeden Briten
secährh wenn ihnc ein anderer -—- und
sei ek- selbst der Staat die Nase ins
Privatangelegenheiten hineinstecken
möchte. Und wenn sich auch der Staat
dafiir verbürgt, daß nie und nimmers
- irgend etwas in Verbindung mit deth
Namen des oder der Betreffenden inJ
sdie Oeffentlichteit dringen soll, übers
s dieses Entblößen seines eigenen Selbst
s kommt der Engländer nur sehr schwer
hinweg. Am wenigsten leicht ist aber
die Ausfiillung der Papiere Albions
Frauen gefallen. Ganz abgesehen von
der enorrnen Anzahl unverheiratheter
Damen, bei denen die Frage nach dem
Alter allein schon ein Vergehen bedeu
tet, sind in sehr vielen Ehen hierzu
lande die Frauen bei weitem älter als
die Gatten. Ein Trost aber mag ih
nen geblieben sein: der König selbst ist
mit löblichem Beispiel vorausgegangen,
er hat auf dieselbe Weise wie der letzte
seiner Unterthanen seine Papiere aus
gefüllt! Und was der König von Eng
land thut, ist wohl gethanl Auch wenn
man gewisse Geheimnisse zu opfern ge
zwungen ist, auch wenn gewisse Dinge
das Licht der Welt erblicken sollen, die
man bisher sorgsam im Dunkel ver
borgen, die man sich vielleicht selbst
nicht eingeftehen mochte. Also ein
Seufzer W und wieder einer —-— und
dann zur Feder gegriffen. Denn wer
diese Papiere nicht ausfällt: 25 Dol
larg Geldstrafe oder Arrest! Und am
Ende ist der Staat doch nur ein ganz
I unschuldiger abstrakter Begriff.
« Manche Susfragettes jedoch sind
ihrem schon lange gehegten Vorsap
treu geblieben und haben sich nicht da
von abschrecken lassen: Frauen zählen
nicht« daher sollen sie auch nicht gezählt
werden« »Nein Stimmrecht, kein
Zensus!" schrieben sie Samstag auf
zahllosen Pflaftern, an zahlloseThiiren
in Kreide und gestern nachts über die
Zensus - Zettel in Tinte. Die De
monstrationen begannen bereitsSamss
tngnachrnittags in Trafalgar Square.
Aus den weiten Stufen der Riesen
Nelson-Säule sannnelten sich die Mit
glieder der Frauen Freiheitsliga um
den massigen Sockel des Siegeradmi
rale. Um die vier Riesenlötven grup
pierten sich die zarten, aber zähen
Stampferinnem zumeist mit den Far
ben der Liga angethan:- dunlelgriinet
Sammtkleid, güldene wallendeSchär
ve, weißehandschuhr. Dazu einhütlein
mit kühn : trotziger Feder nnd zierliche
Schühlein mit gewaltigen Absätzen.
lsin griin - gold - weißes Fähnlein in
der starten Hand.
Auf jeder Seite des mächtigen Qua
dratfockelg redete eine Dame, auf der
Charing Croß zugewandten die wiiri
dige Liga - Präsidentin, die greife
Mrs. Despard Aber ihre Worte ver
hallten. nur halb verstanden, aus dem
gigantifchen Saume. Jn der subb
rerschaft fielen uns alle möglichen Ty
pen von Londoner Frauen auf: ver
bitterte Gesichter neben interessanten
Physiognomien bekannter Schauspiele
rinnen, hier ein junges, terkes lebens
frische-Z Antlih neben einer Silberhaa
eigen. In der Umgebung der vier
Litiesenlöwen nehmen sich alleMenschen,
selbst die Löwinnen, unendlich winzig,
nichts-sagend aus. Und die Worte der
Rednerinnen zerflattern im Winde
Gestern, am Sonntag, hat derFIiini
.nel bis zu später Abendstnnde tein
Erbarmen mit den Londonern gehabt
— wie das gewöhnlich am Tage des
Herrn der Fall in Themselabel ist - -
nnd den Snffmaettes hat er ein Mee
tina, eine Denionstration nack- der an
deren ver-regnet Denn gestern sollten
Ja die offentlichen Paris an die Reihe
kommen! Aber amAbend hatte er end
lich ein Einsehen. ließ ein glitzerndes
Sternlein nach dem anderen herang
treten, eine bescheidene, alser dennoch
tröstliche Mondsichel und liefz es recht
knlt und trocken werden. lind ans dem
sonst um Mitternacht an Sonntage-n
beinahe aus-gestorbenen Trasalgar
Sauare fing es um diese Zeit zu krab
beln und zu wimmeln an, aber nicht
von Stlfftagettes, Neugieriae schienen
——- wie Quellen in ein Reservoir
aus allen Seitenstraszen in den
Square zusammenzustrdmen
Eines merkten wir gleich: tlotte
Studenten haben ein aar ansehnliche-z
Kontinaent gestellt. Brüllend, gröb
lend umzogen sie die feststebeudc itiel
san-Säule, Spottlieder aus die Sus
smaettes schwirrte-i durch die scharfe
Nachtlust. Gestern war ja Wettrudern
zwischen Oxford und Samt-riqu da
gab es also heute massenhuit Vertreter
der beiden Universitäten ir- London
und sie alle waren nicht aerade in üb
ter Stimmung. Aber die Leute in
Blau —- wie man die bochgeuchteteu
Wächter des Gesetzes scherzhast am
Themsestrand bezeichnet — -- gewohnten
in ihrer höflichen aber unwiderstebltch
entschiedenen Art die Demonttranten
an die Pflichten guter Bürger- »Ihr
Herrn,die Gloet bat zwölf geschlagen.«
Und mit der siir den Londoner to äu
ßerst charakteristischen Disziplin löste
sich der Zug im Saume aus und ein
zelne Gruppen wanderten dem Atr
wvch Statinq Rjnl zu
Dort waren inzwischen Schaaren
riesiaer Mädchen und Frauen unge
langt Sie alle mit Decken und Vro
viant siir das nächtliche Abenteuer
ausgerüstet denn hier wollten sie bis
»zum Morgen dieZeit mit Reden,Spiel
und Lustigleit verbringen, derweilenl
die Dienerng ihre Boten nnd Veoms
ten nussondte, die Pnpiere nbznoer
langen. So sollte der g««-.i;e Zensuz
vereiteli werden. In die lltollschliti
Mubbnhn von Aldtrsnelt til er cian nur
Einlaß gegen Kutte. Da: Bntnillon
von Studenten, das iirtk ei: ioeilen vor
den geschlossenen Thoren verschanzt
hatte. begann diese zu siiirmen, wie
nur junge, lebenssroheStunmien stür
inen ldnnen. llnd zuguterletzt ging
Gemalt vor Recht: die Jiinnlinge ohne
Karten dranqxn ein und die mit Tit
leis ausgerüsteten Sussrngetteg blie
ben vorläufig ausgesperrt.
Als nun die aufgeröumten Kumm
ne iohlend durch die Gänge iogemtrat
ihnen muthig eine der Ordnerinnen
entgegen. »Ihr habt lein Recht zum
Eintriit!« ries sie den Jüngern von
Oxford und Canidridge zu, »beneh!ni
Euch doch wie englische Gentlencen!«
Eine solche Aufforderung birgt fast
stets eine wahre Zaubetlrast in sich.
Eine Dame, die einem Briten ins Ge
sicht schleudert: »Sie sind lein Gentle
J man!« hat ihm den denliseir ärgsten
; Schimpf angethnn. Wenn sie nber di
« plomatrsch genug ist, vorher an sein
- Ehrgefiihl als enqlischen Gentlenmn
J zu appelliren, lann sie mit dieser For
I mel am Ende alle-« erreichen Der vor
» einer Minute noch unbezähmbnre In
gendgeist der zum Theil angeheiterten
Wildlinge war qehroehen wie Sschat
ten schlichen sie wieder hinaus-. Nun
erst tonnten die Damen in den Sta
tinquinL
Sie waren zu Fuß, in Cabs unds
tttzitomobilen hergetommeu, an die
Zweitausend etwa, nnd ein rascher
Pliet überzeugte uns, daß in ihren
Zweitausend wohl alle Stände, reicht
uno arm, hoch und gering vertreten
waren. Aber was bedeuten Zweitaus
send in einer Millionenstadt wie Lon
dan: Das Meeting wurde um ein Uhr
dreißig Minuten morgens eröffnet!
Jn London erlebt man zwar jeden
Tag etwas Jnteressantes « aber ein
Ngeeting in einer Samstag - Nacht
oder an einem Montag Morgen vor
Tagesanbruch um halb nach eins ge
hiirt selbst siir den Londoner zu den
Seltenheiten. Ja, die Sussragettes
wollen behaupten, es sei etwas noch nie
Dagewesenes. Jetzt aber sollten zwei
tausend Menschen bis liur Isriihe wach
grlnzlten werden!
Mus. Panthurst siihrte den Vorsitz,
lief eine zündende Rede vonr Stapel,
dir-n wurde gestmgen, eine angesehene
Musit-hall — Künstlerin rezitierte, die
bekannte Komponistin Ethet Sinhth
dirigierte ihren neuen Marsch-Hy!iinu5
—- im Geiste sahen mir die tapfer-i
Frauen wieder aus Weitminster los
schreiten und hörten die Fenstersckeiben
klirren und eine dunkle Spanierin
trillerte irgend ein Bravourstiick, das
fast niemand im ganzenRanm verstehen
konnte. Mit allen diesen Genüssen
jedoch wollte sich die Galerie nicht ab
sinden lassen. Immer lauter erschallen
die Rufe nach »Christabel! Christabel!«
und endlich erscheint Fräulein Pant
hurst, die beliebte Tochter der Führerin
der ,,Militant Sussragettes«, ans der
Biihnr. vollgeladen mit Energie, in je
dem Nerv, in jeder Fiber zuckend, nnd
ertliirte der Regierung, dieser nichts
nuhigem verlogenen, durch nnd durch
schwindelhasten Regierung KriegKrieg
und wieder Krieg bis aufs Messer-I
Aber selbst diese hochbegeisterte lfrtlä
rung vermochte nicht gegen die Natur
rsnzutämpserr Die Frauen wurde:;
müde. Und wenn auch um siinf Uhr
sriih ein lustiger Fiarueval ans den
Rollschlittschnhen beginnen sollte zu
einer recht fröhlichen, herzhast ausge
tassenenStimiueng lonnte e-.« doch nicht
tonimen. da die meisten Frauen bei al
ler Lustigteit zu giihnen anfingen·
Manche war eingeniat, andere entfern
ten srch unbemerkt, um »in Hause das
Versaumte nachzuholen, sie wollten
aber diese mertioiirdigste aller mert
würdigen Nächte nicht versäumt haben.
So schmolzen die streitbareu Damen
zutetzt aus ein ganz bescheiden Häuflein
von ein paar Hundert zusammen. Nach
dem Roller : Stating wurde dann um
sieben Uhr morgens in verschiedenen
schon lange vorher gemieteten Bestan
rantg ein trästiges Frühstück getraut
«mei- —--- die Sussragetteg verstehen sich
4
recht gut auf dac- Prattifche
Einige der fiihrenden nnd vegüteri
ten Damen hatten ihre Häuser allen
jenen fiir die Nacht eröffnet. welche die
25 DollarsGeldftrafe nicht« aufbringen
tonnten oder wollten. Alle diese
Hornes foraten für Unterhaltung und
zulefzt wurden die Besucherinnen aus
allen möglichen und nnmöglichen
Haustctensilien zur Ruhe gebettet, auf
Sesseln, Schantelstiihlen und selbst auf
TischenL Ja, in einer solchen Nacht ist
alles erlaubt!
si- - «
Einstimmig erklären die Suffraget
tell, einen glorreichen Sieg über die
Regierung davongetragen zu haben
Daß ihr Versuch. durch passive Resi
stenz·die Voltsziihlnng thatsächlich un
möglich zu machen, mißlungen ist, hat
der Telegravh bereits berichtet.
« C. Leonharv
Dr. Frederick A. Cool ist auf dem
Schattvlatz der merilanischen Wirken
eingetroffen. Erzählt er Dort von sei
ner »Nordpolentdeckunq, so könnte am
Ende doh die eine oder andere Partei
angreiszen
It- If
Man kann leicht Herr fein, wenn
man andere lnechtet.
-«——s-. . --— ----
Risspiratm
Von Ceuta, der südlichen Säule
deg- Hertules, zieht sich das Ge
stade des Mittelrneeres erst sub
östlieh, dann genau ostwärts etwa 150
Meilen bis an den Dschebbel Umla
an dessen Ostabhang Melilia liegt.
Felsiges, finsiekes Gestade, vultanische
Konturen eines wilden Gebirges, des
sen schroffe Zacken sich scharf abheben
vom wolkenumhiillten Himmel. Sel
ten sind Spuren menschlichen Seins
erkennbar« wie bebaute Hänge oder
verwitterte Hütten aus Tflbia, die sich
chaum abheben vom gleichfarbenen Ge
stein oder dem dunklen Buschwert. Es
ist das Ris. Von ,,ripa« stammend,
wird das Wort so gesprochen, weil
weder Berber- noch Araberzungen den
Buchstaben v kennen. Nach dem Jn
nern anerkennt man diesen Begriff bis
fast zum hochwiehtigen Sattel von
Tasa, der die einzige Straße von Fez
nach Algerien bel)errscht. Hier sind
die einzigen Herren.
Jn fast ganz Marokto mischte sich
bodenstöndige Bevölkerung niit ein-—
gewanderten Arabern oder mit nörd
lichen Augläufern schwarzer Rassen.
Die hellhitiutgen Besiedler des Rif aber
erhielten sich seit urdentlichen Zeiten
sorgfältig frei von jeder Beimischung
fremden Bluteg, und zu allen Zeiten
vertheidigten sie auch ihre Berge und
Schluchten hartnäckig gegen alle, die
während der Jahrhunderte sie 3u ver
drängen oder ihnen Fremdherrschaft
da aufznztvingen versuchten. Jhr al
leo überragender Freibeitgdrang em
vörte sich trotz denkbar losestem Vasal
lenverhältniß bei jeder Gelegenheit.
So gegen Rarthager, Römer, Byzan
tiner und alle, die von unaufhalt
samen Wogen der Völkergeschicke in
d:esen Stand getrieben wurden. Stets
Gewaner sie sich mit den Neuan
tismmlingein um die bisherigen Herren
«;:( verjagen.
lslnch der drennalige Ansturni von
Arabersehaaren fah nur das gleiche
Spiel. Ein halbes Jahrhundert wü
. theten grauenhafte Kämpfe der ariani
Ifchen Risier gegen die getvaltthätigen
Sendlinge von Mohamineds neuer
Lehre. Kämpfe, deren Heftigteii un:
sere Geschichte nichts Ebenbiirtigeg zur
Seite in stellen hat. von deren furchi
barerWuth heute noch monotoneLieder
tünden, die im Schilcha Dialekt von
den erzreichen Bergen der Gelaia bis
aa vie fruchtbaren Hänge bei Tetuan
erklingen und bis hinein an den stra
ßenbeherrfchenden Sattel von Tasa,
wo wilde Riataleute hausen. Selbst
in der Kabilie Algekieng singt man sie
neben jenen, die aus der Zeit des gro
fzcn Abd el tiader abstammen. So lebs
haft lebhaft wehrte sich im damaligen
Ringen um die Vorherrtchaft zweier
Rassen dac- Berbervolt, daß die semin
sehen Eroberer nicht wie am ganten
Weg vom Rothen Meer bis zum Atlas
auch dem tsiif Sprach und Religion
enfznzivingen vermochten.
Gar laue Anhänger des Propheten
find die Stiuafa und ganze Stämme
verstehen tein Wort Arabisch. Immer
noch nennt jeder Rifstannn ec— eine
Schande, wenn einer seiner Söhne ein
Araberniädchen freit oder ein Mau
rentind, nie tommt eine Tochter des
freien Berglandeg in das Zelt eines
Araberg oder gar in den Harem eines
inanriiehen Städtebetvohriers. Daher
die Rassenreinheit der Ruafa, die
i:;artigen fehnigen Gestalten dieser Ge
birggbetvohner mit den Blauaugen,
daher das viele Blondhaar unter ih
nen. Ein Menschenschlag der dem an
der Wassertante eher gleich lomnit.
als den rasseverioandten bräunlichen,
getehineidigen Berberviiltern jenseits
des: Atlas.
Wie seit urdenlliaxen Zeiten, so ha
ten alte Rifstäunne noch heute voll
tomniene Selbstverwaltung ihr Ge
biet untersteht ja nur nominell dem
Machsen Denn der Rifi sieht in der
Person des Sultans nur einen Raid«
ebenbürtig dem eigenen Stammes
haupt, dessen einziger Vorzug es ist,
ein Fürst der Rechtgtäubigen zu sein,
also Religionghaupt Jin iibrigen le
ben die zwei Millionen Ruafa nach
ihren vielhundertjährigen ungeschriei
benen Gesetzen, wie sie sich im Laufe
der Zeiten eingebürgert haben-nnd ei
sersiichtig gewahrt werden. Lite zah
ten nie Steuern, stellen nie Soldaten,
dulden lein vom Herrscher eingesetzteg
Stamntegoberhaupt Nie noch war die
Sterifenregiernng imstande, irgend
welche Oberboheit in diesem ist«-birgs
znge geltend zu machen.
Jhre Stammeseintheilung ist ein
Muster von Deinolratie: GleichesRecht
allen Männern, Frauen. Kindern.
Jede Kabila d. . Stannnezeinheit
-——, die selten Unter einein Großtiiid
vereint ist« häufig aber in scharfer
Fehde der einzelnen Stammes-Unter
abtheilungen unter einander liegt, theilt
sich in mehrere Dscherara (Einzahl:
Dscham), von denen jede ein Ober
haupt aufweist, meist einen Ftih, der
mit den Angesehenen der Frattion
eine Art Landtag bildet, auf dessen je
nach Bedarf häufigeren »der selteneren
Versammlungen über gemeinsames
Wohl Und Wehe berathen wird. Die
einzelnen Dscherara. die sich ost genug
feindlich gegenüberstehen bestehen aus
großen Familien, die wieder von einem
Aeltesten geführt werden« Solch eine
bis hundert Köpfe zählende Sippe
heißt Ahrnba und besiedelt zahlreiche
Dörfer.
Jede Ahruba iibt weitestgehendes
SelbstbestiinmungsrechL jede Dschara
pocht aus absolute Unabhängigkeit von
ider anderen. Nnr in ganz besondm
Fällen thun sieh einzelne Statnth
oder die Kabila selbst zusammen s
gemeinsamem Vorgehen. Dies imm.
wenn äußere Eintlitsse sich selM
achen, so wenn der Machsen die leie
gends vorhandene Autorität stärkre
will oder Spanien sich län st verstaub
ter historischer Rechte be ni. Rest
ver westlichste Stamm, die Beni Seid
lSöhne des Glücks), anerkennt halb
wegs die Regierung und steht unter
der Gerichtsbarteit des Amalats Te
tuan. Vorn Und Lahu dagegen bis
fast an die algerische Grenze hat der
Sultan alles Recht verloren —- besser
gesagt: nie besessen.
Zum Unterschied von anderen Ber
berstämmen des ausgedehnten Ma
rokto vermochte der Jslarn nie, Rifiet
zu ernsten Thaten zu begeistern, wohl
aber die Freiheit, wenn sie bedroht
schien. Wie nirgends sonst, erhielten
sich im Rif Sprache und Gebräuche
aus Urväterzeit. Rauhes Gebirgss
leben gab dein Risi sicheres Auftreten,
Unerschrockenheit und Energie im Han
deln, Eigenschaften, die dem Arabet
aller Striche abgehen. Schwerer
Kampf ums liebe Brot erhielt den wi
derstandsfähigen, unglaublich harten
Menschenschlag und schuf außerordent
liche Tapferkeit nnd ewige Kampfes
sreude, wie sie wenig Völker des Erd
ball-—- besitzen. Ewige blutige Streitig
keiten untereinander sorgen dafür, daß
sie selbständig nnd rücksichtslos wer
den, daß sie nie zögern, das Leben ein
zusetzen, aber auch das anderer weni
ger hoch einschätzen, als es bei sonsti
gen Völkern, bei denen Blutrache.
ebenso wie bei den Risioten, noch hei
iigk Pflicht ist.
Die Wohngebäude im Rif sind ganz
anders als jene der anderen Verder
stämme. Es sind widerstandsfähige
Häuser aus gebrannten Lehmziegeln,
sogenannte Tabia, deren Lehmmauern
mit flachen Schilflagen gedeckt und we
gen Feuersgefahr mit Kies oder Sand
bestreut werden. Jn der Mitte des 12
bis 15 Zoll dicken Daches bleibt ein
lreigrundes Loch, das dem Innern
Licht und Luft vermittelt. Stets be
findet sich an den beiden schmäleren
Seiten je ein Wohngemach, eines den
weiblichen, das andere männlichen Be
wohnern des Hauses zugetheilt. Von
den reftlichen Seiten dient die eine als
Vorrathslammer, unter der häufig noch
ein Silo zur Aufnahme des Getreides
gegraben ist, die letzte, durch die man
das Haus betritt, ist zugleich Stall
Wer sein Heim betritt, ist Gast des Ri
fi, mag es auch ein unerwiinschter sein.
Jedes Haus gilt als Feuerstelle, wer
den Schutz solch eines Herdes an
spricht, genießt den aller, die zur glei
rben Familie gehören. Dies gilt auch
Ungläubigen gegenüber. An den La
gerfeuern marollanischer Karawanens
straszen erzählt man manch rührende
Geschichte von der Heiligkeit rifischer
Glastfreundschaft
Obwohl aus ungemein werthvollem
Boden hausend, ist der Rifbewohner
der Aermsten einer. Und nirgends be
irahrheitet sich mehr das Sprichwort:
Armuth ist Feind dem Reichthum! Un
gebärdig, wie er zu Lind ist, so iennt
man den Rifi auch lzur Bee. Wie dro
hend Ungewitter aus heiterem Him
mel erscheinen seine priinitiven Fe
luclen an Spanien-Z sonnigen Küsten,
pliindernd, raubend, jeden mordend,
der sich zur Wehr setzte. Es ist gleich
sam Vergeltung dafür, was vertrie
bene Mauren unter dem ewig blauen
Himmel der Jberischen Halbinsel er
duldeteu. Selbst große Dreimaster
griffen sie aus offener See an —- und
meist mit Lsrolal RifPiraten ist ein
Wort, das heute noch unheimlichen
Klang hat bei Seefahrern aller Natio
nen.
So sind sie, die Bewohner von Ma
roltos Nordtiiste, die ungebärdigsten
freiheitvliebendften des Landes. Heute
wie früher sieht man teinen ohne sein
geliebtes Gewehr sechsfach überzablen
sie modernc Ajlebrlader, und um Geld
auf Patronen u erhalten. wandern sie
inSchaaren hiniiber nach Algerien, um
sich im Dienst verhaßter Spanier oder
Franzosen fernab der Heimath als ge
suchte fleißige Landarbeiter einige
sDuros zu verdienen. Auch heute ver
schmähen sie gelegentlichee Strandrecht
snicht Freilich Darnpfer fahren gar
sschnell dies Handwerk ist wenig ergie
big geworden in den letzten Jahrzehn
ten.
I Weniqer Orte nur hat dnv Ris, und
dies: sind bloß Getoirre von kaum ei
nigen Dutzend .f«iitten. Namlsast sind
nur Tetunn, an dessen Mauern geo
gravhisch das Nis beginnt, und das
20 Meilen südlich davon gelegene hei
liae Scheschnuen, beide eigentlich zur
Dschebaln gehörend. Industrie kennt
der Risi nicht. Wohl bringt er hohe
tohlen, Eier nnd Hühner aus die Wo
chenmärkte von Tetuan und Metikia,
nach Bastschnijre und aus Palmeteo
qeflochtene Schitnri. jene unverwüstli
chen Trogtaschen, die aus nllen Kara
tvanenstraßen des Mitahkeb benützt
werden« soweit man mit Manlthieren
und tfsetn reist.
—-—-—s - --——-—
Der Egoist veraifet sich leicht im
Verkehr mit anderen, weil er sich nie
vergessen konn.
It It- It«
Jn Mexiko scheinen sie es wieder mit
dem Sprüchwort halten zu wollen: der
Schwächen gibt nach. Nur fragt es
sich, wer der Schwächen iß.