Ein Roman WW Neue Menschen von A. Flach- T W (11. Fortsetzung) Die Frau, die ihn angesprochen. war nnt einem Matrosen da. sie sühite sich durch des Geiger-Z Unhe henstoiirdigteit verletzt und bestand daraus, daß ihr Freund den .herge Iausenen Musikanten« zur Rechen schast ziehe. Der ging ihm nach timrde aber von Mr. Crocky ausge halten. Der Matrose schimpftr. in dem er von der Beleidigung erzählte. die dieser »Bettelmusilant« seiner Be gleiterin zugefügt hat. Mr. Crockd besaß die Geistesgegenwart, rasch et was Glaubhastes zu ersinden: Frev ung ist in Folge der Krantheit taub geworden. Der Makroseexab sich zu frieden. Bald ging di Mittbeilung von Tisch zu Tisch und sie machte ge tader Sensationt Man dente, ein sauber Geiger-, der so to".- idetbar spielt. Die andern .,Ftiinstler« woll ten nun die Bekanntschaft des neuen Kollegen machen, aber Mr. Crocky hielt auch sie davon «;itriirt, unter Hins weis ans Freyungg namenlose Ver: zweiflung iiber die Taubheit Dann begab sich der Direttor ins Bureau, Freyung zu beglückwünschen Er sand ihn am Tisch, das Gesicht aus die hände gestüyh tnit starrem Blick, regungslos sitzend. »Na, Mr· Freyung, glänzender Er sotg gratulire können in meiner »Harmonia« ein reicher Mann werden« »Rosen Sie nicht sehen. was Ih nen die Polta eingetragen hat?fm sagte Mk. Ctocky. «Ziihlen Sies« gab Frenung ton los zurück Der Direktor zählte und ließ dabei einen Dollar in seiner Westentasche verschwinden »Sieben Dollars 12 Cents..., sehr gut. Possen Sie aus, Mr. Freyung, die zweite Einnahme wird größer sein Weil sie stock taub sind, das Mitleid ist großmü thig. Da stecken Sie das Geld einl« »Freyung strich das Geld mit Etel ein ,,Und jeht trinken wir noch ein Gkiiichen KognaL so was«, rief Mr. Crocky heiter und langte unter den Tisch- . . . Irehung ließ sich nicht lange nöthi gen und trank ein Gläschen um das andere. Dann mußte er wieder aus die Biihne Er betrat sie nun mit an deren Gefühlen Eine seltsame wilde Lustigkeit erfüllte ihn jetzt. gleichsam der Gegenschlag der trostlosen Stim mung, die ihn bisher beherrscht hatte. Getränke hatten ihn heiß gemacht, ihm die Füße wie mit Blei gefüllt, er fühlte, wie sein Gesicht glühte. Als er sich vor dem Publikum verbeugte und dieses ihm zurief und zuwinkte, überiam ihn plötzlich das Gefühl des Abscheu-Z gegen sich selbst, gegen das Publikum, gegen das Leben. Er dachte einen Augenblick nach und be schloß dem Thema Himmel hoch jauchzend « zu Tode betrübt« eine Improvisation in Walzeriorm zu Grunde zu legen. Der erste Theil dieser Walzer - Nummer übersprudel te von Lebensfreude in gloclenhellen Tönen, der zweite tlnng düster, le bensmiidr. Die seltsame Musit übte auch dies mal eine große Wirkung auf das Auditorium aug. Manche deuteten sich den Walzer alg eine Schilderung seiner Freude, als er noch das Gehör besaß, und der Trauer über den Ver lust. Ein solcher Beisallssturm, wie er nach dem Walzer losbrach, batte die weite Halle noch nie durchbraust. Frenung ging von der Bühne ab, unten stand wieder Mr. Crocky mit dem Teller bereit. Tiefer Ekel erfaßte wieder Freyung. und es war ihm, als sollte er den Teller ergreifen und ihn an Crockys Kopf zerschlagen. Dann flüsterte er, um das empörte Scham gesühl zum Schweigen zu bringen: Mathilde, für Dich, Thilde, für Dich. fiir Dich, und begann seinen Rund gang. Diesinal regnete es Münzen. Freyung sah Mitleid erfüllte Blicke, die er sich anfangs gar nicht deuten konnte, dann erklärte er es sich damit, daß viele unter den Gästen in ihm den großen Künstler erkannt hatten « und Erbarmen empfunden, daß er an diesem Orte spielen mußte. Diese Auslegung minderte ein wenig seine Bitterkeit; dann kam er von dem Rundgang ins Bureau zurück, wie wenn er ehen Spießruthen gelaufen Mkcs Wieder zählte Ax. Croscky die Einnahme, mit dem Unterschiede. das; er Mal weiDollare verschwinden lies und da die Zahlng 14 Dollars und 15 Beute ergab. Nun eilte es Freyung. nach hause zukommen. Er mußte noch einige Gläschen Wein mit dem Direktor Wes und nahm etwas zumänahhern M Schlürsen fiir seine Frau —— der Direktor hatte kaltes Wbees eine Msje Wein und Weißhrod zusam W —- gern mit, da er nicht m er Im diese vorgekltckte the einkauft-c konnte. . stach var hocherfreut er rech « M miß-it daraus, saß - eitsdvesie et sich W. Icrhr. Er begleitete Freyung bis aus die Straße. Als die ser in die sreie Lust trat, schwankte er jetzt begann die Wirlung des reichli chen Altodolgenusses. Mr. Crocky bemerkte das und es that ihm leid, wie wenig Feenung vertragen tann — er hätte ihm statt drei mit Leichtigkeit zehn Dollars schnipien können. »Da bin ich!« schrie Martin, als er um zwei Uhr Morgens ins Zim mer trat; den Geigentasten wars er ausz Bett, den Hut aus den Tisch. Mathilde« saß noch am Fenster. »Ich bringe Essen, Trinken, Geld... Juchhe! Es lebe die Kunst!« Er ssprach schwer, seine Augen glänzten unheimlich naß, sein Athem erfüllte zdas Zimmer mit Altobolgeruch. ! Mathilde sah ihn voll Verachtung kund Abscheu an so ties ist er ge Hsunlenl Und Gott weiß. wie er in Ider Nacht das Geld ausgetrieben hat? lEs durchschauterte sie bei dem wider Iticheu Anblick. Als fie, ihm zunickend, das Zimmer verlassen wollte, ries er sie an: , »Du Mathilde, das da und das IGeld ist das Erträgniß meines ersten H Concertes.« s Er bedauterte gleich, daß ihm das sWort entschlüpst war; er hatte sich lsest vorgenommen. daß das Erlebnisz dieser Nacht siir Mathilde siir immer ein Geheimnis bleibe. »Dein erstes Concert?« sagte Ma thilde stehenbleibend. »Das kann doch nur im Cafe Chantant gewesen sein« ich will hoffen, daß Du Dich nicht so weit vergessen hast's -« JU Freyung wähle es vor versen dem Schmerz, er hat sich erniedrigt, hat die entsetzlichsten Qualen erdul det, um sie aus der Noth zu ziehen. das Herzblut hat es ihm gekostet. Und nun statt eines dankenden Blickes oder Wortes dieser hochfahrende Ton? Er antwortete nicht, er grub sich die Nö gel in das Fleisch des Armes, damit der physische Schmerz seine Aufregung absorbire, denn sonst... »Sprich » » Du hast wirtlich und wahrhaftig....? Wie hast Du Dir Geld verschafft? rief nun Mathilde mit gebieterisch erhobener hand Freyung lachte bitter. Es drängte sich ihm schon wieder auf die Zunge. ihr Alles zu sagen, aber noch besaß er etwas Herrschaft über sich. Nein. die Wahrheit wird er ihr nicht sagen ---- nicht jetzt, nicht morgen --- nie mals. »Liebe Mathilde«. sagte er nun wieder leise sprechend, «geseht den Fall, ich hätte für zehn oder zwanzig Dollars Entlohnung in einem Chan tant ein oder zwei Stücke gespielt wäre das eine Schande?« »Ja ..... das thut ein wahrer Künstler nicht. Ein solcher entweiht nicht in so schmählicher Weise die heile Kunst um schnöden Geldes willen den Musikanten zu machen!" »O, lieber will ich sterben, als daß Du Dich so erniedrigst!« Die Augen auollen ihm aus dem Gesicht hervor, er wurde dunkelroth und mit grausamer Freude im Blick rief er: »Nun denn ja. stirb .. . . ich habe in einem Cafe Cantant gespielt, ja, und dann habe ich.... ges zwanzig Dollars erhalten. Ja —« ich habe mich erniedrigt, Du hast Recht, ich habe meine Künstlerehre befleckt und meinen Namen « fiir alle Zeiten. Aber warum? warum? Weil Du Dich an Deine Eltern. die inGeld schwimmen, nicht wenden wolltest!" Mathilde war von dem beleidigen den Ton, in dem er ihr die Schuld an Allem beimasz, so betroffen, daß sie den Schluß seiner in unbeimlichen Zorn herausgestoßenen Anklage gar nicht vernahm »Al,so ich soll nun Alles verschul det haben!« ries sie schmerzlich be wegt und blieb einen Augenblick still Dann sagte sie etwas ruhiger: »Nein! Du sollst die Last nicht von Dir aus Andere abwälzen -- nicht ich, Du hast unüberlegt gehandelt. Jch ma che Dir das- nicht einmal zum Vor wurf: Du bist eben noch jung, hast wenig Erfahrung hast Dir Amerika ossenbar als ein Eldorado sür Mu siker vorgestellt!« »Ja gütig — ich danke für die nachsichtige Beurtheilung«, versetzte er mit höhnischem Lachen. Da gerieth sie in Zorn, der sich rasch steigerte: »Es scheint, Du zürnstr mir, weil ich nicht so schamlos, so charakterlos bin, meine Eltern um Geld anzuge hen Nan, solltest Du etwa da raus spekulirt haben, das; ich ans rei chem hause bin, so. Schweig!« schrie er außer sich mSie siel zurück an den Thürrah mPlshlich nahm sie ihren hat und stät-site aus dem Zimmer , Er feste sich wieder und seus te. Plsslich erfaßte ihn N.Schrect q tlrilde.. .aliein. N»acht .in den Straßen New Yorts. » ohne Geld . ans Ende . . .. geschieht noch ein Um löst Die leite Spur des Rausch-s ver flog, er seist noch dein Hut, lies hin untern-s die Straße, rannte bin fund her. verzweifelt .Maihilde!«i »Thildel« rufend, es lam keine Ant wort und er entdeckte ihre Spur nicht Er wurde nicht müde. die Riesenstadt treuz und quer zu durchsuchen. Um acht Uhr Morgens lehrte er gebrochen heim: noch lebte in ihm dir lehte hoffnung, daß ihr Zorn verrauchen und sie zurücktehren würde 12. Kapitel. Roberts Reise war seine erste ins Ausland. Jn Ziirich ließ er das Gepiick aus dem Bahnhof und unternahm einen Spaziergang durch die Stadt, die ihm aber nicht gefiel. Gerade was ;Anderen an Zürich besonders reiz jvoll erschien - das ziemlich ebene »Gehiet an der Limmat mit den von da aus die Berge hinantlimmenden Straßen. das Nebeneinander vonBau Iten aus alter und aus neuer Zeit — war nicht nach seinem Geschmack. Jm Thale siihlte er sich immer beengt. iwie in einem Gesängniszbos mit hohen »Mauern. Graue, »alte Kasten« moch te er überhaupt nicht, er lonnte sich nur als Bewohner eines modernen, sprächtig und praktisch einaerichteten hauses mit breiten und hohen. Lust Hund Licht einlassenden Thoren, Thü Iren und Fenstern denken. l Er suchte vergeblich nach einem ’möblirten Zimmer zu mäßige-n Preise in einem solch-en Hause. Das Erträg niß seiner Zeitschrift, ohnehin nicht bedeutend, war in der lebten Zeit se ringer gewesen und würde nun, da er nicht an Ort und Stelle ist, um nach dem Rechten zu sehen, ohne Zweifel noch ungünstiger werden. Er mußte also mit dem wenigen Geld, das er besaß, behutsam verfahren, und sahl sich schließlich genöthigt, in der Mün stergasse, in einem alten Hause. ein» Zimmer zu miethen· Jn dem großen Raum. in welchen von der Straße her( durch zwei kleine Fenster spärlichesi Licht eindrang, fühlte er sich unbehag- s lich. Die Decke war zu niedrig, ers hatte immer die Empfindung, erl müsse sich bücken, um sich nicht an den Kon zu stoßen; und das Zimmer hatte zwei Nischen, über die er sich är gerte, er tonnte solche «tiiekische Fal len« nicht vertragen. Die Möbel, die dem 18. Jahrhundert entstammten, waren plump, unschön und unt-rat tisch: Alles, was an Stoffen vorhan den war. hatte unfreundliche. ver schlissene Farben. Er verglich fein Zimmer mit einem schlecht gebauien und unvernünftig eingerichtetenKiisig Nach zwei, drei Tagen hatte er sich daran schon so weit gewöhnt, daß er sich in seinem Zimmer aufhalten lonnte, ohne sich jeden Augenblick zu ärgern. Während der Reise hatte Robert sich vorgenommen eine Reihe von Auf sähen zu schreiben. Jetzt begann er an dem ersten Aussatz zu arbeiten. Doch ging nun die Arbeit nicht soF flink wie sonst von Statten. Er prüfte jetzt gar zu ängstlich jede Be« bauptung, die er niederschrieb, über legte oft lange, ehe er sich zur An wendung eines kühnen Ausdruckes, der irgend etwas drastisch kennzeichnen sollte« entschloß. Als er die Arbeit dann überlas, vermißte er selbst die ihm eigene Verde. Seufzend verließ er das Schreibpult. trat an das Fen-l fterchen und sah mit unbeweglichem Blick hinaus, während seine Gedanken nach der Heimatb wanderten. Plötz lich erbob er den Kopf und riß die Au gen aus: drüben. in einem Sargla den, dessen Tbür offen stand, lebnte ein junges Mädchen an einem schwarz gestrichenen holzsarge und sang ein Lied. dessen lustige Klange klar undl deutlich bis zu ihm herauslamen.( Die seltsamen Gegensätze frappirten ihn: das von Gesundheit sironende Mädchen in sugendlicher Lebensfreude und Sorglosigkeit neben dem Kasten, der zur Aufnahme eines Leichnams bestimmt ist: die hellen Farben im! Gesicht des Mädchens und das zart-; blaue duftige Kleid, dahinter das! stumpfe Schwarz der Bretter: dies ebenmiißige, kleine lebenerfiillte Ge-l stalt der Singenden und der plumpe, große leblose Sarg! Ein schwerli cher Gedanke ergriff Robert diesesl holde junge Geschöpf wird auch ein-s inal in eine solche Kiste gelegt werden« Einmal? Wer weiß, vielleicht sehr! bald! Und es that ihm leid um sie,i als sähe er, wie sich der Tod von rück- H wärts an sie heranschleicht. Robert entfernte sich vom Fenster.; nahm Hut und Stock und ging hin-’ unter· Vor dem Laden mit der un-’ heimlichen Waare blieb er unwillkür-» lich stehen und blickte hinein. Das» Mädchen unterbrach den Gesang und machte einen Schritt nach vorwärts,» offenbar in dem Glauben, daß Robert ein Kunde sei. -- »Nein, mein Fräulein«, sagte er lächelnd. »lassen Sie sich nicht stören, ich brauche Gott sei Dank keinen Sarg.« Er musterte sie rasch: Jhm gefiel-n besonders ihre großen, hell brannen, klugen Augen, die schön ge bante, oben etwas gewölbte Stirn und das mattbraune haar, das schlicht gekämmt und mit einem einsa chen Knoten abgeschlossen war; an dem Gesicht; daß einen milchweißen ’Grundton mit zartem Noth darüber hatte, war auszusejem daß es in der Anmut-öde etwas zu sehr in die Breite ging. »Eine traurige Beschäftigung Sät ge zu verlaufen — nicht waer« sagte sie, bis an die Thürspalte vortretend. »O nein«, erwiderte Robert, den die Natürlichleit des Mädchens ein nabm, «denlen Sie daran: viele Menschen finden erst in solcher engen, sinfteren Wohnung Ruhe von großem Leid.« »Was großes Leid ist, weiß ich vor läufig noch nicht«, sagte sie mit fro hem Lachen, die Arme über der Brust lreuzend. »Das habe ich bis jetzt nur vorübergehend gefunden wenn es hier im Laden manchmal erschütternde Szenen giebt." »Sind Sie schon lange bier thö tig?« fragte Robert und fügte gleich hinzu: »Da müssen Sie wohl Inte refsantes beobachtet baben.« »Ich tam von der Schule geraden Wegs in den Laden. Mein Vater wollte es fo. Er ist Sargmacher. Nun vertaufe ich schon seit vier Jah ren. Jest ist·s langweilig, während der schönen Jahreszeit sterben weniger Menschen -- --Gott sei Dant. Denn manche von ihnen hat man ja persön lich gekannt und viele vom Sehen und von dem, was man über sie erzählen hört. Und da verschwinden diese Men schen aus einmal, für immer. Das tdut Einem leid, denn . . .« Sie schlug, pläslich auflachend, die hände zusam men und wies dann mit der Hand über die Straße. Ein erwachsener Knabe war hin gestiirzt und erhob sich beschämt, in dem er sich vor Schmerz am rechten Bein rieb. »Sie lachen, weil sich Jemand weh gethan hat?« sagte er oorwurssdoll. »Ich lache iiber ihn, weil er zu schnell gerannt ist, da fällt man stei lich leicht. Der Schmerz wird ihm zeigen, daß man nicht zu hastig sein dars, sonst verleht man sich ost und macht die Anderen lachen.'« Robert zog die Brauen zusammen und biß sich aus die Lippen; durch einen seltsamen Gedanlensprung wur de er durch die Worte des Mädchens an des Vaters Wochenschrist erinnert, welche den neuen Menschen unüberleg tes, überschnelles Vorwärtsstiirmen vorwars und sie verspottete. Das ver stimmte ihn. Es tgm ihm der Ge danke: hat aus dem Mädchen nicht jene tluge Einfalt mir gesprochen, welche das merlt, was dem Verstand der Verständigen mitunter entgeht? Er brach das Gespräch ab, zog höflich den hut und ging sort. Das Mittag essen wiirgte er mechanisch hinunter. Er wollte nun in einer tleinen, stin ien «Dampsschwalbe« aus dem Ziiri chersSee eine kleine Spaziersahrt ma chen. Arn Rand des Sees lehrte er plöylich um, es war ihm, als verhöhn ten ihn sortwiihrend die naiven Muße rungen der -Sargverläuserin. er wollte dies um jeden Preis vergessen, gab die Fahrt aus dem See aus und ging ins Case Wien. Jn dem Hin und her von kommenden und sortgehenden Gästen, in dem Lärm. den die Ge spräche der Leute, die Ruse der Stell ner und das Klappern an den Billards hervorriesen, erreicht er, was er beab sichtigte. Er hielt sich hier zwei Stun den aus, vertrieb sich die Zeit mit Lei tiire und mit Beobachtungen des Pu: blitums. Dann schlug er die Richtung zur Münstergasse ein; er wollte wieder arbeiten. Er trat in das Thor des hauses, in dem er wohnte, ohne einen Blick aus ·das- -gegen—ii-b«e·rliegende »Sargmagaztn Joseph wahns- zu werfen. und bald darauf stand er am Pult, die Feder in der Hand. Aber es ging nicht, er war zerstreut und Miß muth lag auf seiner Seele. Er be mühte sich seine Gedanten um da Thema, das er behandeln wollte, zu versammeln; sie kamen einzeln heran, stoben aber wieder auseinander, sowie sie sich in Gesellschaft anderer sahen. Robert warf zornig die Feder hin und durchmafz eine Viertelstunde dasZim mer« allein diesmal bewahrte sich das alte Mittel nicht. Nun stand er wie der am Pult, bist nervös in den Ze derftiel. stampfte mit dem Fuß, es fing nicht und es ging nicht. Da er-« griff er, gegen sich selbst von Muth erfüllt, das Papier, aus dem blos der Titel des Aufsatzes zu lesen war, zer riß es in Stückchen und wars sie auf die Diele. Er trat ans Fenster und blickte hinüber. Die Sakgvertäuserin war nicht zu sehen, aber zu hören — zein munteres Lied drang in gediimpf jtern Ton aus dem hintergrund des JLadenI hervor. Er ärgerte sich, dqu isie gerade nicht da war, wenn er· sie lieh-u mai-. Es tin ihn nicht taug ’ im Zimmer. Bald war er wieder aus der Straf-; Er ging einige Male vor dem Laden hin und her, trat fest auf, schlug mit dem Stock auf das Pfla sier, allein die junge Miihln iant nicht hervor. Da drückte er zornig den weichen hat fester auf den Kopf und eilte fort. Auf dem linlen Ufer des Zilricher Sees machte er einen weiten Spaziergang. Zu Abend aß er in ei nein Uferstiidtchen, defsen Namen zu erfahren ihn gar nicht gellislete, dann kehrte er wieder zu Fuß nach Ziirich zurück. Vorn festen Schlaf gestörlt, erhob er sich am nächsten Morgen oom Bett. Nach dem Kassee machte er einen Schritt gegen das Pult, dann zog es ihn plöhlich ans Fenster » .. Jn der Thitr des Sargladens stand mit seit lich gewandten Kopf die schtttnte Mählp von der Morgensonne gotdig überfluthet, die rechte Hand oben am Thürrahrnen, die linle in die Seite gestemmt, den suchenden Blick die Straße hinab gerichtet, in ungema stelter Pose Robert war pon dem schönen Bild, das sie bot, bezau-» bert. Er nickte freundlich hinüber. da wandte sie unvermuthet den Kopf, schaute empor, erblickte Robert und nickte freundlich zurück· Das war im Nu geschehen, er hatte nicht mehr Zeit gehabt, sich zurückzuziehen und er riithete darüber, daß sie ihn bei dem stummen Gruß. den sie nicht hätte be merlen sollen, ertappt habe. Er blieb noch eine Weile stehen nnd ging mit energischen Schritten dem Pulte zu. Die Hand wollte aber nicht nach dem Federhalter greifen. Es ist thöricht, dachte Robert. daß ich roth geworden bin. Das Mädchen gefällt mir, dessen brauche ich mich nicht zu schämen· Die Vernunft hat gegen die Liebe nichts einzuwenden, vorausgesetit daß sie vorerst das Objett geprüft und fiir liebenswerth befunden bat· Und meine Vernunft bat ia bereits icn Stillen, vielleicht ohne dafi ich es gewahr ge: worden bin, das ibre gethan und bat bestätigt, daß die Mähln der Sympa thien eines Mannes würdig ist. Er legte nun das Papier zurecht, schob das Tintensasi näher heran, streckte die Hand nach denr haltet aus und zog sie gleich wieder zurück. Alles, was ihn an Arbeit mahnte, war ihm ietzt zuwider. Draußen ist es wun derschiin und er soll im dumpfen Zim mer borlen. Gedonten zu verfertigen? Nein, das eilt nicht so sehr! Lieber hinunter spazieren geben oder eine Fahrt aus dem See machen! CFpktsehung solgt.) M Küchengeheimnisse. Hausfrau in Lissabon zu sein, ist keine leichte Ausgabe. Alle portugie sischen Familien mit Ausnahme der Armen, die von ich weiß nicht was les ben, und der·Reichen, deren Dienst boters allein wissen, was ein haushalt kostet, geben mehr aus-, als sie einneh men· Aus diesem Grunde ist das Haushaltungsbudget nur durch un vorhergesehene Einkünfte im Gleich gewicht zu erhalten, als da sind: Gewinne im Spiel oder in der Lot: terie und außer-gewöhnliche Ge schenke eines besrettndeten Mini stets; aber in den Hauptsällen «gleichen« sich die Monatseintoms men mit einem —- Schuldenregi sier beim stoloniaitvarenhändler «aus"· Der Lissaboner sowie die Lissabonerin legen großen, ja den größten Werth aus die äußere Erschei nung; da aber die Gehälter und son stigen Einnahme-quellen tärglich sind, macht man die Ersparnisse da, tvo man es nicht steht, nämlich an der Wäsche und — an der Kost. Die Ver löstigungssrage ist sehr ernst. Das Brot tostet im Durchschnitt 100 Reis th Cenm das Kilo und scheint aus — Löchern sabriziert und nicht aus« Mehl; es besitzt außerdem die Eigen thiimlichteit. nach einem Tage des Vergessenseins im Schranke hart-wie Glas, also ungenießbar zu werden Jm srischen Zustande, mit Butter be strichen, ist es allerdings köstlich. ·-.. Mit Butter? Die gibts biet nicht un ter 81.25 das Kilo. Die Butter ist ein Luxusnahrunasrnittel Jn den gut verwalteten häusern wird sie dein Be such —- gezeiat und, der Kinder we gen, hinter Schloß und Riegel ausbe wahrt. Was ersetzt der deutschenhauss srau sast zweimal täglich das Brot? Die Kartoffel! Auch hier ist die Kar tossel nicht theuer, aber der Portugies se mag sie nicht oder versteht sie nicht zuzubereiteir —— Es ist halb els: also Frühstückszeit. Der Chef der Familie ist auch Chef einer Repartichi tit. i. eine Abtheilung in irgendeinein Am te), und diese össnet urn zehn Uhr! Urn els tornrnt die Klavierlehrerin des Töchterchens, der Junge muß ins Lyceuni, und um 12 Uhr will vie Mutter ein Kleid probieren bei einer Schneiderin, die ini stinsten Stock toerl wohnt. Das Frühstück wird herangetret gen. Aus einer großen. sehr großen Schüssel —- mit dein Dienstmädchen zählt die Familie sechs Köpse — taninit ein atianalgericht: Reis mit Baraliau lStaetsisch). Reis: 150 Reis, Baraljam 260 Reis das Kilo. Alles das erhält man bei dem Kolc nialwaeenhiindler aus Kredit, und ei ist eine ausgezeichnete nationale und nahrhaste SchässeL die site »drauszen« und »drinnen« (d· h. siir Patron und Dienstmädchen) passend ist. Denn die Basis aller Regeln sitr Ersparnisse ist die: in einein Taps zu tachent —- Der Bacaljau wird hier zulande «o siel antiso« (d. i. treuer Freunds genannt weil er immer da tst. wenn man ihn braucht Troclem gesalzen. stinkend liegt er ln irgend einem Winkel des Dause3. Und er ist nicht so schlecht, daß sich die Fremden nach Ueberroindung eines anfängli sclzen Widerwillens an ihn nicht ge wöhnen würden! " ußerdem ist er hi siorischt Aus dem in der Schloßkilche »von Recessrdndes vorgefundenen Me ;nij, das Dom Manuel am Tage nach seiner Flucht serviert erhalten sollte, rvar Bacakjau als Fastenspeise sür den Freitag verzeichnen Mit Reis zieht ihn die sparsame haussrau vor, »denn gebraten oder gekocht muß er mit Olivenöl begossen werden, und »das kostet in diesem an Olivenbäus men so überreichen Lande »die Augen im Kopf«, nämlich 400 Reis pro Li -ter. Außerdem stehlen die aus Tage lohn ausgehenden Köchinnen mit EVorliebe das kostbare Oel, das sie in einer Flasche, unter der Schütze ver steckt, Abends heimschleppen. Darum spart die Hausfrau das Oel, wo sie nur kann· . Die unergriindliche Schüssel ist zu vier fünftel Theilen geleert und ver schwanden; das Dienstmädchen hat tie erste Gelegenheit benutzt, die »lleherbleihsel in die Küche zu bringen. Der Rest des Frühstiias ist ein »Bees'· tue den herrit. das 100 Reis pro HStiicl iostet. Für die-Hausfrau lomntt seine Mehlsuppe, da sie »ein irgend etwas« leidet und Portemonnaie und Gesundheit bei Anwendung dieser in IPatet vertäuflichen Suppen sich äu ßerst wohl befinden. Fiir die anderen Familienmitglieder kommt Kaffee mit Milch vermischt. Die Milch, entrahmt, lostet 100 Reis pro Liter. Der Kassee ist in Lissahon unentbehrlicher als die Milch, um so mehr, als er auch zur Fleckenvertilgung dient. Die Hausfrau ist angezogen, um die Schneideein irn fünften Stockwerk aufzusuchem im Salon mit den zu jeder Jahreszeit von Leineniiberziigen bedeckten Möbeln spielt die Tochter des hauses wie eine VerzweifelteMa vier, und in der Küche wartet das Dienstmädchen aus die Order fiir das Mittagessen. Das ist die tragische Stunde! Madame fragt: »Was Wun te man machen?" »Die Dante muß es wissen!" Diese blickt umher, viel leicht, um sich zu inspiriren sie sieht nichts, nichts, das man essen lönntel Da sind nur leere Töpfe und die Schuttläften. Das Dienstmädchen fängt an. die Hausfrau zu »erin nern«: »Wenn wir Gelochtes mach ten?" —- ,.Gelochtes« hat den Vor theil. gleich für die Suvpe und den Reis zu reichen. »Getochtes'« ist eine Nationalspeise und sehr gesund! Aber das verlangt Fleisch t400 Reis das Kilo) und Wurst l640 Reis), außer dem Speck l400 Reis), und Kohl! Für einen Kohltopf, nicht größer als eine Apfelsine, verlangt der Gemme mann einen ,.Potaco« (4() Reis-) Und Kartoffeln und Wurzeln Madame will das »Gelochte« um gehen und fragt: »Ist lein Fisch vor beigelommen?« —— »Nicht mal zum Ansehen!" antwortet das Mädchen. Die haussrau dentt weiter da fällt ihr die Anprohe ein, schnell entschließt ste sich für das »Getochte (o cozido) um ein Ende zu machen. ,.,Gut wir nehmen »Co3ido«, laß ein halbes Kilo Fleisch kommen und fiir einen Vinten (20 Reis) Knochen um die Suppe zu bessern. Thu aher nicht so viel Speck, wie gewöhnlich, daran. Merkwürdig, wie ihr Mädchen die fetten Supven so gern hahtl" — Und das Mittelgericht?" —- »Situ teine Neste das-« —- «Nein, nichts!« »Wenn Reis vom Fruhftikck übrig geblieben wäre, tönnte man Pafteten davon machen! Haft du übrigens al len gewiifferten Bacaliau in den Reis liineingetan.-« -s— »Nein, es find da noch kleine Stückchen!" — »Dann mache davon Craquets, nimm aber nur zwei Eier dazn!« »Mache ich Salat?" --— »Ja. Der Kapffalat hat ztvar laum ein halbes Dahend Blät ter und toftet das Stück 30 Neig. aber der hetr will ihn nicht miffen." Um 6 Uhr wird das Mittagessen, das auf einem kleinen, mit Holztohle l400 Reis 15 Kilo) gefpeiften Thon ofen zubereitet ist, gegessen. Daran fchliefzt sich ein Generalnachtifch«, bestehend aus gekochten Kaftanien, weil es fiik Manvarinen und Orans gen (160 Reis das Dutzend) zu früh und fiir Aepfel l300s400 Reis das Dutzend-) zu fpät ift. Man begreift erfi, was fiir ein help man ift, wenn man fich von dem Akten ten einer Unfallversicherung erzählen läßt welchen Gefahren man täglich ausgefetzt ift. se O · Die Sängerin Tetrazini ift auf Zahlung von achtundneunzig Dallari fiir zerbrochenes Gefchirr « verklagt worden. Die Dame fcheint beim Essen etwas ftiiemifche Manieren zu haben. f i i Viele find in lleinenDingen fa liber aas gewissenhaft daf- man merkt, man werde fich in größeren Dingen nicht auf sie verlassen können.