Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 14, 1911, Zweiter Theil, Image 14

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    Ein Roman
Reue Ucenschen
Von A., Flach
W
t:?. Fortsetzuan
Nach dem fünften Gläschen wurde
Mr. Crocky redsetig nnd ivie es schien,
ousrichtig: ,
»Ja Herr! Habe in meinem Le
ben viele Pferde geritten ..... mit
Sattel und ohne jeden Bebels ......
schsim vornehme Thiere und lendeni
sich-se Krisippet Bin oft abgeworfen
worden, daß mir die Gebeine im Leide
Uloppert hoben. That nichts! Hat
mich nicht gehindert, mich immer wie
der aus ein neues, dumme-:- oder klu
ges. altes oder junges Thier zu
schwingen ohne Unterschied der;
Nationalität, des Rangesk Bin Meii T
Himgeriedesijer. Zobncir.zi, Dorsschuls1
Elehren Kellner gewesen, have auch den
Hausknecht geinacht."
«Einmol in höchster Noth bin ich
fais Lehrer der französischen Sprache
ausgetreten. Hab nicht viel davon
verstanden von joiir. don soir
und merci oder so wag. Dai- war
in einer Farin; die Bewohner hatten
-« von Französisch eine Ahnung wie
ich von Hieroglnphen Der Herr des
Hauses hatte es sich in den Kopf ge
fest. seine Tochter muß französisch
lernen. Jn einem Jnserat sucht er
nach einem Lehrer, ich lese das, taufe
bei einem Antiquar eine sronzösische
Grammatik und ein Taschenleriton
Statt mich erst mit dein Former in
kangweiiige Korrespondenz einzulas
sen, schleicht ich Nachts in den Koh:
tenwagen einer Lotomotive, welche
» a- nichstens-Morgen nach der Rich
tung alsdann-sen soll, wo die Form
liegt. Wie die Maschinifien nnd
·heizer mich entdecken, lachen sie herz
lich, prügeln mich bedächtig durch
»und werfen mich dann, während ver
Zug rast, hinunter, in ver freudigen
Hoffnung, daß ich mir ein bischen
das Genick brechen würde. Das ist
aber nicht geschehen Jch falle weich
in einem Tümpel unv erhebe mich mit
ganzen Gliedern gehe weiter, finde
"ein’ herrenloses Pferd, borge es mir
und reite auf und davon. Als mich
nur noch eine Meile von der Faun
ttennt,» verkaufe ich das Pferd zu gn
tem Preis, vie kurze Strecke lege ich
dann zurück. In ver Form ist es mir
sehe gut gegangen, wenig Arbeit, gut
zu essen und zu trinken. und überdies
auch etwas Baute-a Da tomint eines
Tages ein französischer Kenntnis va
ysgenrz ich werde entiarvt, von dein
, meiisteten Faer ein viertel Mitge
Wgern von meiner Schüler-in mit
einer Revolverkugel am linten Ober
srnr durchlöchert dann von der gan
zen Famile und der gesammten Die
Uerfchaft feierlich unter Fußsiößen
siund Püffen zum Thor- binansbeqleL
tet Es war eine schöne Zeit.
»Jetzt bin ich Besitzer und Direktor
des musikalischen BergniigungH cela
blissements »Harmonie« in New Vort,
beehren Sie doch einmal meine Halle
mit Jbrem Besuch. Sehr lustig! Ella
türlich wird auch Musil gemacht. Ei
ner sidelt was aus der Geige oder
so was. Verstehe-i Sie wag von Mu«
sil? Jch nicht. Dafür verstehe ich
was wichtigeregt mich durchschlagen
durchs Leben und seht babe ich auch
gelernt, wie man Geld macht. Ver-«
diene jeden Abend einen Goldbausen,
, ja die Musik! Hoch die Musik! Das
beste Geschäft, es wendet sich an jeden
Menschen, gebildet oder ungebildet,
jung oder alt, fein oder gemein.
Stillionen haben Verständniß und
Liede für Musit. Ich nicht. Thut
nichts-. Wenn das Geschäft nur gebt
Und Sie Erlaubniß, wag sür
, ein Geschäft haben Sie? Denle Künst
ler, Zimmermaler, so wart-«
»Nein, ich bin Violinspieler.«
»Finde, das ist prächtig. Können
·enal bei mit spielen recht lustig
muß es sein. Sie bekommen warmes
Abend-brat, eine Flasche Geog, so was,
und. . na, besuchen Sie mich nur«
bei Gott, I kann was werden«
Dieser erste Antrag stimmte Frev
Ing heiter.
»Na-, ich werde ja seben«, sagte er.
«Jch will mir einmal das Vergnügen
machen. wenn meine Frau mir Urlaub
giebt!«
Ireyung aber hatte nun genug an
dem Gespräch mit dem Amerilnner.
Er bereute ei aber doch nicht« daß er
- H mit Erocky eingelassen hatte, denn
er war ibnt unbewußt ein Warner ge
«sen,, in Amerika die Augen ordent
ossen zu halten; und dann bat
ihm die Lebensgeschichte Crockys aus-.
Reue seine Ansicht gleichsam satbigl
allnstrirt, das ein energischer Wille,
von einein erwagenden Verstand ge
leitet- mit Riiaßchtslosigleit und Ver
-— acht-eng zsslscher Schånm siztåem Zisele
’ Heils-de us die en’
» besse smadessean in jenen
zum Vorbild die nicht unan
DIM
Leben an sord verlor stir dies
» vaachahlig äu Iceis sie
M » n- n n
I M desto Landes zu be
M. te
· WAEMÆIT W
Dieser sit steh-eng ins Plaudern zu
W doch der ließ ihn jehe heiter
il nun nachdenklich
Z- . stände-suchte es sich ils-e
» mä ausging-ten Sie wandte
xsich an Fassung damit et sage. wie ek
Les in New York anfassen will.
s .Lasz mich nuk machen«. sagte er
»sanst, aber bestimmt
! Mathilde drängte:
; »Sieh, Martin, ich darf doch in
thoßen Zügen wissen. was Du doe
;hast. es ist nicht Neugierde, sondern
Liebhaftes Interesse, in erster Linie siit
Dich . . ."
»Nein, mein Thildchen, seii nicht
böse. ich tann Dir vorläufig nichts
mittheilen, ich weiß ja selbst noch
nichts Bestimmte-. und ..... Dein
dringendes Fragen hast Du kein
Vertrauen in mich?«
»Oh. gewiß! Gut, ich spreche
nicht kneln davon«, sagte sie. am das
Gespräch abzubrechen. Eine leise Vet
stimmung zog in ihre Seele: Martin
scheint sie für unanständig zu halten«
daß et sie nicht in seine Absichten, die
doch längst seststehen müßten, einst-ei
hen will.
li. K a p i t e l.
An einem freundlichen Tage im
Anfang des Juni trafen sie in New
York munter ein. Jn einem großen
Hotel bezogen sie sieben Treppen hoch
Hofzirnmerchen i
Mathilde begab sich sodann in denj
Schreibsalon, um an ihre Elternl
einen Brief zu richten. Sie überlegte,«»
ehe sie begann. ob sie noch einmal
ihren Eltern Adbitte leisten solle, und
entschlva sich dann, es zu unterlassen.
Jn einem Briefe, den sie in Hamburgl
an Bord geschrieben, hatte sie es ja be
reits gethan; sie will nun erst warten,
wie sich die Eltern dazu verhalten.
Sind sie unversöhnlich, dann wird
der Brief, den sie jetzt schreiben wird.
den sie schreiben muß, um ihre Adresse
betannt Zu geben, der letzte sein. Noch
einmal um Verzeihung bitten. ohne
daß sie eine Sünde begangen hätte.
möchte sie doch nicht — - das ließe ihr
starles Gefühl für Recht nicht zu.
Am nächsten Morgen erkundigte
sich Freyung nach dem Preise der
Zimmer und erhielt eine Antwort,
die ihn verblüffte. Er machte sich,
von Mathilde begleitet, sofort aus die
Suche nach zwei möblirten Zimmern
und fand sie endlich in Broollhn zu
einein erheblich billigeren, aber im
Verhältniss zu den Miethspreisen in.
den Großstiidten Deutschlands noch
immer hohen Preise.
Die Einrichtung der Räurne ließ
beinahe alles zu wünschen übrigH
wacklige Betten, deren Politur zum
Theil abgesprungen war, halbhlinde
Spiegel in abgebriickeltem Gott-kah
men, alte rissige Schriinle, hartes
Stühle, plumpe Tische, eiserne Wasch- l
gestelle mit lleinen Schüsseln. Dies
Zimmer wurden gemiethet. s
Sie holten ihre Habseligleiten bald
in die neue Wohnung
Mathildr. von Haufe an pruntoolle
Einrichtung gewöhnt, tonnte sich axn
ersten Tage nur schwer entschließen,
aus dem mit sadenscheinigern, schmutz
igem Wollstosf überzogenen Sopha.
das im «Damensalon" stand, Platz
zu nehmen; sich ins Bett zu legen,
kostete sie geradezu einen Kampf.
Freyung lachte und sagte mit einer
gewissen Bosheit:
»Ja, wir smo wahrhaftig selir ver
tveichlicht. Der Gedanke an Andere,
die eo viel schlechter haben, sollte uns
trösten-«
Mathilde seufzte blos-.
Nach kurzer Zeit fühlten sie sich
darüber nicht mehr so unglücklich: eg
trat bei Beiden sogar dann ein Um
schlag ein· Mathilde, welche die »Sze:
nes de la vie de boheme« von Murger
kannte, sah in dem dürftigen Leben.
in das sie jetzt getreten war, eine Art
Fortsetzung davon und wünschte förm
lich Verlegenheiten und Unannehms
lichkeiten herbei
Das erste Mittagessen in der eige
nen Wohnung bestand aus Schwarz
brod, Butter und Schinken. aus Pa
pier servirt; die Finger der Tischge
nossen mußten Gabel und Messer er
sehen.
Freyung wollte dann einige Akten
ten für Musikangelegenheiten aufsu
chen und ergriff den GeigenkastenZ
Mathilde, welche die englische Sprache
vollkommen beherrschte, mußte als
Dolrnetsch mit. Jn einem Casehaus
notitte er sich vorläufig zwei Adres
sen.
» Der erste Manager, der sich haupt
sächlich» wie aus einer Bemerkung irn
Adresse-buck) hervorging, rnit der
Vermittelung von Musikstunden be
’saste. fragte:
ben Sie Zeugnisfet«
« eint Aber ich habe drei Jahre
an grchhochst chullie...« ,
«« ’ S wert . Begeisterte Zeug-·
ntHe brauche ich! Etroa von einein
ttrfteru dessen Tochter oder Sohn
se unterrichtet haben!«
»Nein-«
Der Ugent uiekte zum Abschied.
«Ju settoao gedruckter Stimmung
gingen sie zu dem anderen Igenteru
Der musterte Frevung vom Kon bis
zu den SoÆbuicthäJälm Ro.
ganz repra e . · , schwar
zer W, und fagte hierauf:
Aber-Es s m eint-nat ein Kon
Ikss t- fischen Sie
m —- ich Wsast gar nicht«
»Nein - er hat noch tein Konzert
i gegeben«, schrie Mathilde
,.Mr. Frehung solt mir etwas vor
spielen, etwas Sanfteis Sentimentas
lee,.Leises. Dann ein senkiges »Pu
sto«.«
Das Paar konnte nicht begreifen,
warum der scheinbar fast stocktande
Agent etwas Leises vorgespielt haben
wollte. Der Agent setzte sich weit in
den Winkel der Ofsire auf ein Sa
pha und benchtete Zeehuna Der spiel
te eine wehmüthige slavische Volls
weise. die nicht anders als pianisfrrno
fvorgetragen werden tonnte und blos
seinmnl eine Steigerung zu einem
Hschwachen Forte zuließ. Dann geiate
er die brillante Faust-Phantasie don
» Wienawsty.
Der Agent erhob sich und wandte
sich an Mathilde. Freyung tonnte
noch nicht englisch sprechen, verstand?
aber fast alles und horchte gespannt.
»Es thut mir leid«, sagte der Ame
ritaner. «Finde der Herr hat wenig
Temperament Bei dem « traurigen
Stück hätte Mr· Freyung ein senti
mentales Gesicht schneiden sollen, das
gewinnt die Frauen; bei dem anderen
Stück wäre es angebracht gewesen«
daß der ganze Körper mitgezuckt hätte.
etwa asla Eduard Strauß, das reißt
die Frauen hin. gefällt auch den Män
nern. Gon by.«·
Die Beiden sahen sich verduyt und
traurig an. Das hatte der Agent he
rnertt; er nannte ihnen einen anderen
Manager und siigte rnit verächtlichern
Lächeln hinzu: «
Mr. Grolman macht in wirklicher
Kunst.
Mathilde war schon müde gewar
den. Freyung sagte, er wolle einen
Wagen nehmen, da er das Netz der
elektrischen Cars noch nicht kannte;
bei dem Gedanken an die Ausgabe
flog ein Ausdruck des Aergers iiber
fein Gesicht, was Mathilde nicht ent
ging. Er suchte vergeblich nach einer
Droschte, und sie gingen dann lang
sam weiter. X
Mr. Grolrnan war Deutsch-Ame
rilaner.
»Den-en Sie lobende Zeitungsausi
schnitte aus Berliner Zeitungen?«
war seine erste Frage.
Freyung mußte verneinen, er hatte
noch tein Konzert gegeben.
»Was lann ich mit Jhnen anfan
gen?« rief mit iliiglicher Stimme Mr.
Grolman. »Ich nehme an, Sie sind
der beste Geiger der Welt dann
find Sie aber auch der unbelanntestr.
Violintonzeri Martin FrevnngS Das
lockt rnir leinen Menschen in den
Saal.« Er dachte eine Weile nach.
«Wissen Sie, vielleicht geht es fo. Jch
lancire die Nachricht, Sie seien müt
terlicherseits ein Verwandter Richard
Wagners.« «
Freyung dachte an feine geringe
Baarschaft und blickte Mathilde fra
gend an die konnte das Lachen nicht
beineifterm
»Gut denn«, sagte Frenuna
»Schön«, nahm Mr. Grolnian wie
der das Wort. »Da Sie ein Neuling
find, kann ich Ihnen blos zehn Pro
zent vorn Brutto - Erträgnis; geben.
Das Konzert wird in sechs Wochen in
LongBranch stattfinden. Zie wissen
doch, in dem Badeorte in der Nähe.
der von vornehmem Publikum besucht
wird, Sie dürfen blos Kompositionen
von Sarafate, Mendelsohn, Paganini
und Vieurtempe vortragen. Es wird
nicht schaden, wenn Sie ein kleines
"Stiiet, das Sie selbst gemacht haben,
.in Reserve haben-» als Drausgabe.
Wenn Sie damit einverstanden sind,
dann spielen Sie mir etwas vor, da
mit ich sehe, ob Sie auch etwa-s tön
nen.'«
Freyung überlegte nicht lange. Er
. öffnete den Kasten und spielte meister
; haft. Selbst Mr. Grolman der gegen
J musitalische Genüsfe abgestumpft war«
l schien ergriffen zu sein-.
) »Aber Jhre Geige...ein abscheu
liches Kratzholz!« sagte er, sich hin
ter den Ohren trauend. »Was macht
man da? halt! Jch verschasfe Ihnen
zum Konzert ein gutes Instrument ..
wie bleiben bei der Nellame - Idee.
Ei soll dafür gesorgt werden« das,
Publikum Glauben zu machen, die
Geige sei ein Gefchenl des Zaren und
besige einen Werth von 8000 Doktor-.
Der Vertrag wurde unterzeichnet.
Aus der Straße machte Freyung
ein betrübtes Gesicht.
»Was haft Du, Martin? Du freufi
Dich ja nicht!« fragte Mathilde
»Mathilde, Du überfiehst: sechs
Wochen· Jch habe nur noch dreißig
Dollari. Davon sollen zwei Men
schen bis dahin leben.«
»Du wirst inzwischen vielleicht
Stunden bekommen, und ich auch.
»Die Lektivnen werden ja nicht im
Voraus hvnorirt. Nimm an. wir ha-(
ben drei, vier Schulen vor einem Mo- i
nat sieht man doch kein Oeldl«
Ei war acht Uhr Abends, als sie
zu hause etntrasen.
10. K a pi te l.
Lin einem der nächsten Bormittage
ging Jreyung wieder fort, diejmal
vduc ev Mien- wohtu· -
Auch Methilde verliefz das Varus
Sie. kaufte ein« e Zeitun en, ging
damit in einen Bart und udirte die
!Jnserate, fie fand nichts. Es kam ihr
Ifeltfam vor. daß Niemand nach einer
Kluoierlehrerin suchte; vielleicht weil
fchon die todte Saifon eingetreten
wars Nun ging sie aufs Gradewohl
durch die Straßen und gelangte fo
in den füdlichen Theil der Stadt. wo
die Hauptgefchäftsgegend war. Das
Schild einer Stellungsdermittlungss
office erregte ihre Aufmerlfamleit; sie
trat ein. Man begehrte Erlag einer
Einschreibegediihr, sie hatte vergessen.
von Freuung Geld zu verlangen und
yging unverrichteter Dinge fort. -.Sie
Iwollte nun nach rufe; obgleich sie
oft fragte, fand te erst auf großem
Tllmwege die Straße, in der sie wohn
ten. Sie traf ganz erschöpft zu Hau
se ein.
»Nun, Thildchen, wie ift es Dir er
gangen?« fragte Frenung
Sie erzählte.
Er ftreichelte ihr die Wangen.
aNun, Du hast es gar nicht schlecht
angefaßt, Thildr. Obgleich. wenn Du
fogar eine Annonce gefunden hättest,
Du wärest wahrscheinlich zu spät ge
kommen. Da muß man fkiih aufste
hen, sofort in die Zeitung blicken und
sich an der betreffenden Stelle melden.
Auch dann ist es fraglich, ob Dir die
Beschäftigung ufiillt, denn sei über
eugt, Du triffft auch in aller Iriihe
schon Konturrentinnem Nimm selbst
an. Du bleibst Siegerin, so geschieht
dies auf Kosten des honorar5. Mehr
Aussicht auf Erfolg bietet, scheint mir,
das Office daß ich nicht vergesse
. . « hier hast Du- Geld, geh Morgen
(
(
s—
hin und versuche Dein Glücl.«
Und Mathilde hatte Ioirtlich das
»Gliiet«. durch Vermittelung des Os
sire eine Schülerin zu erlangen. Eine
gelangweilte Dame, die viel Geld und
Zeit und wenig Talent für Musik be
sasz und hauptsächlich, um ihren
Mann zu ärgern, das Klavierspiel er
lernen wollte. Sie nahm zweimal
wöchentlich Unterricht - zwei Dol
lars fiir jede Stunde. Da sie aber
in der Fifth Avenue wohnte, verlor
Mathilde mit dem hin- und Verfah
ren viel Zeit. Dieser Erfolg ermu
thigte sie zu neuen Versuchen; doch
das Office lonnte ihr leine Schülerin
mehr überweisen, die einigermaßen
entsprechend den Unterricht bezahlen
tonnte oder wollte. Da sie nicht wuß
te. welche anderen Wege sie einzuschm
gen hätte, um Beschäftigung zu fin
den, so gab Mathilde traurig ihr Be
mühen auf.
Frehung gelang es gar ni t, G
legenheit zum Unterrichten er eine
noch so bescheidene Stellung in einem
besseren Orchester zu finden. Ohne
Mathilde etwas zu erzählen er ge
dachte, sie einmal mit einer frohen
Botschaft zu überraschen -- gab er
sich die dentbar größte Mühe, er scheu
te teinen Weg. er wollte seinen Stolz
beugen und sich sogar unziemende Be
handlung gefallen lassen. er wollte sich
aus Gebieten bethiitigen, die ihm fern
lagen und unsympathisch waren, z. B.
als deutscher Korrespondent in einem
Geschäftshause er las mit Aus
merlsamleit die Jnseratenseiten der
Zeitungen, inserirte selbst zweimal,
rannte von einem Manager zum an
deren. Nichts, nichts, nicht«-. Da
hieß es: »Wir bedauern«, dort «zu
spöt«, am dritten Orte: »Sprechen
Sie nach zwei Monaten wieder vor,
dann vielleicht ....« Nach zwei Mo
naten. da ist er ja schon iiber dem
Wasser, das ihm und seiner Frau jetzt
bis an den Mund geht. Da wird er
sich ja schon Geld und Ruhm ergeigt
haben daran zweifelt er nicht.
Aber jetzt, morgen, die nächsten Wo
n bis um elf Uhr Abends nach dem
onzertei
Wenn er dann mit gefuntenem
Muth nach haufe tam und Mathil
dens abgezehrtes Gesichtchen fah und
in ihre triib lächelnden Augen blickte
und bemerite, wie sie sich alle Mühe
gab, ihre Betrübniß vor ihm zu ver
bergen, dann schnürte es ihm das
rz zufammen, daß er ihr nicht das
chönfte und herrlichfte bieten konn
te. Und dann ging er auf sie zu,
hätfchelte und verzärtelte sie und
küßte ihr die Hände und das Habe
iund die Augen und die Arme und
’fvrach ihr Muth zu und versicherte
lihr aufs Neue, dafz er sie liebe. wie
inie ein Menfch ein Weib geliebt, daß
ier gern fiir sie in den Tod ginge,
I wenn er nur wußte, daß ihr damit
volles reiches Glück fiir ihr ganzes
Leben gesichert wäre. Mathilde ward
geriihrt nnd verzieh ihm alle feine
böfen Gedanken, die sie geahnt hatte,
aber das Geld fchmvlz wie der Schnee
in den warmen Strahlen der Früh
lingsfonne, and Freyung wurde im
mer bitterer gegen sich und gegen
Mathilde.
Ja ihrem Bestreben, Ireyung ja
nicht Unrecht zu thun, nahm Mathilde »
zu dem »Röntgenftrahlen der Pfy-«
chvlvgie" Zuflucht und leuchtete ihm
in die Se e hinein; und ihre forschen
den Blicke entdeckten, daß die Gereizt
heit, vie unwirfche Stimmung die
Folge waren feiner durch das Miß
gefchiet verlehten Mannesetteltetn et
hat mit felfenfeften Vertrauen zu fei
ner Klugheit als Mann der Thattraft
innd des richtigen Urtheils itber Men
fehen und Dinge die Fahrt nach Ame
rilo in Szene gesetzt, und schämt sich
nun selbst des Mißlingenz und
meint, das er bei ibr an Ansehen ein
gebüßt bade, weil eben seine Vorber
sebungen von den Thatlachen zu nich
,te gemacht worden sind. Und sie
forscht weiter und deutet sich, was sie
)entdeelt: wie in jeder Menschenseele,
iso haust auch in Frenungs Seele die
ISelbltliebr. und die tritt mit ihrer
gan en brutalen Kraft fiir ihn ein . ..
Ysie stellt ihn vor sich selber als das
’Opfer widriger Verhältnisse dar, sie
bezeichnet überdies zu feiner inneren
:Ehrentettung Mathilde als die wahre
Urbeberin des Ungemnchs, und sie er- .
ftickt mit der allem Bösen eigenen Er
barmungslosigleit jede teile Regung
feines Gerechtigkeitsgefiith. E
(Fortsetzung folgt.)
Traum und Wirilichkeit
heiter-ec- aus dem schwarzen Erim-il
Vou Heinrich Seitriz.
Vor drei Tagen hatte ich Einzug in
meine neue Wohnung gehalten. Meine -
nächste Umgebung hatte ich noch nicht
besichtigt, aus dem einfachen Grundes
weil ich noch leine Zeit hatte. Irr-i
folge dessen hatte ich auch keine Ali-l
nung, daß mein einziger Hausgenosse»
noch Zeit sand, die Zoologie zu studie
ren-Er lelbst war nämlich den samt
4
zen Tag abwesend. Es war Abend.
Jch saß auf der Veranda; vor mir auf
dem Tisch stand die Sturmlampe; auf
einem kleinen Tischchen zu meiner
Rechten lag einPack Zeitungendie mir
die Post an diesem Tage aus der Hei
math gebracht hatte. Miide und schläf
rig von dein vielen Lesen, legte ich mich
auf meineni Madeirastnhl hinteniiber.
Jch dachte über das Gelesene nach. Die
Gedanken schweiften weiter und weiter
ab, nnd fast wäre ich eingeschlafen.
Mit dem Vorsatz, zu Bett zu gehen,
raffte ich die Zeitungen zusammen.
Bei dieser Gelegenheit blieb mein Blick
an einer bestimmten Stelle haften. Jch
las: »Ermordung zweier Beamten im
Hinterlande von Kamerun "
Nachdem ich den Artikel zu Ende
gelesen, begab ich mich zu Bett. Da
meine Bettstelle vom Schreinrr noch
nicht vollendet, mußte ich mich vorerst
mit einem Feldbett begnügen· Dieses
bestand, da es vollständig zerlegbar
war. aus zwei Kreuzhölzern und zirla
10 Stangen; iiber das Ganze hing ein
Moskitoneh. Jn Gedanken weilte ich
in Kamerun wo die beiden Europäer
ermordet waren. Die Leute sind jeden
falls seht unvorsichtig gewesen, dachte
ich, legte mich auf die andre Seite und
schlief bald ein. Thüren und Fenster
standen offen, das Moslitonetz hatte
ich zurückgeschlagen· Selbst im Schlaf
beschäftigte mich noch die Mordge
schichte. Die Mörder liefen nach der
Miste, an derselben entlang, tamen
vor mein Haus, vor meine Thüre, vor
mein Bett; alle Wetter-! jetzt faßte
mich einer bei den Haaren, infolge des
sen ich erwachte. Jch habe die gute
Eigenschaft, bei jeder Gelegenheit mit
voller Geisteögegenwart zu erwachen·
So auch diesmal. Hatte ich überhaupt
geträumt? An meinem Kopf sasz je
mand und machte sich vorsichtig an
meinen haaren zu schaffen. Nach
meinem Revolver zu greifen, war un
n-öglich, troydem er nnr in Jus-breite
von mir an der Wand hing, da der
Unbekannte sich zwischen mir und der!
Wand befand. Man hatte es unzwei
felhaft auf mein Leben abgesehen. Uni
ter meinem Kopftissen lagen die Kas
senfchliissel; die Summe, die sich au-:
aknblicklich darin. befand, war be
trächtlich, sollte sie doch andern Tags
abgeliefert werden. Jch verhielt mich
ganz ruhig und überlegte, was zu thun ;
sei. Da fühlte ich, wie man mir eine
Schlinge um den Hals legen wollte;
der etwa fingerdicke Strick lag schon
auf meinem Gesichte. Zum Kuckuck,
jetzt war’s mit meiner Geduld zu
Ende! Mit beiden händen das der
meintliche Seil erfassen und aus dem
Bette springen, ging schneller als man
sich denken lann. Aber was war das?
Das war ja tein Mörder, sondern ein
Affe, dessen Schwanz ich erwischt s
hatte. Er mußte nicht wenig erschrol
ften sein, denn er dollfiihrte ein fürch
Jterliches Geschrei. Der Affe hielt sich
lan der Bettfielle fest, ich zog an seinem
Schwang-, plötzlich ein mach —- und
»die ganze Stellage siel über den hau
fen, ich darunter. Während ich mich
hervorarbeitete, verwickelte sich der
Affe immer mehr in das Mostitoneh,
endlich erwischte ich ihn am Genick, er .
lam frei und in großem Bogen ließ ich i
das Vieh durch die offene Thiir auf dik?
Veranda fliegen. Der Mond warf sein
fahles Licht durch die Kronen der Pal
men gerade auf die Veranda. hier saß
der Affe zähnefletschend; ich war
sicher, daß er mich nicht sah, da ich im
Dunieln stand. Pliislich mußte er mich
gesehen haben, denn er kam auf mich
zugesprungen Jch konnte gerade noch
Irr-eine hausschuhe erfassen, ein anderes
Vertheidigungimittel war nicht zur
HIUT welche sch im Rächst-I Moment
mit solcher Geschwindig eit um die
Ohren des Affen sausen ließ, daß ihm,
wie man zu sagen pflegt: Hören und
Sehen verging.« Mit wirklicher Af
fengeschwindigleit sprang er auf die
Veranda, über dass Geländer derselben
und an der nächsten Säule hinunter
aus den Hos, von wo er eine in der
Nähe stehende Kotoopalme erlletlerte.
Durch den Lärm ausgeschreclt, larn
nun auch mein Mitbewohner an, sich
nach der Ursache ertundigend. Von
ihm erfuhr ich, daß der Asfe ihm ge
höre, daß er öfter aus dem Käfig ent
wische und dann die nächste Umgebung
unsicher mache. Nachdem ich alle Zu
gänce zu meinem Zimmer geschlossen
und mein Bett wieder ausgebaut hatte,
legte ich mich zum zweiten Male nie
der. Diesmal tonnle ich ruhig schla
sen bis zum Morgen.
—--.-.
Napoleon als Briefschreider.
Bei einem so bedeutenden Manne
wie Napoleon, der im allgemeinen der
Nachwelt nur aus seinen gewaltigen
Thaten als Feldberr und Eroberer vor
Augen steht, dürfte es von besonderem
Interesse sein, zu erfahren, wie er auch
die scheinbar unwesentlichen Geschäfte,
vor allem seine Korrespondenzen zu
erledigen pflegte. Dadurch wird das
Charakterbild an Treue und Vollstän
digleit zweifellos gewinnen. Aus sol
chen Erwägungen wendet man beson
ders in neuerer Zeit der Zusammen
stellung des gesammten Biteftvechsels
großer Männer so lebhaste Aufmerk
famteit zu. Von Nadoleon wifsen
wir, daß er dem Schreiben recht ab
hold war. Wohl jeder hat schon ein
mal die Unterschrift des Welteroberers
unter einemFatfimiledotument gesehen·
Sie ist außerordentlich unleserlich und
wurde mit den Jahren immer undeut
licher, taum war sie noch zu entziffern
Selbst sein Setretär Jouanne hatte
oft di: größten Schwierigkeiten die
Konzepte seines Herrn zu enttiitbfeln
Dabei ist öor allen Dingen zu berück
sichtigen, dasz ihm bei der unendlichen
Beweglichkeit, der Schnelligkeit und
Klarheit seines Denkens die Langsam
teit des Schreibens ein Greuel war,
weil es seinem Gedantenslug unaus
gesest Hemmungeu auferlegte. So
blieb dann auf dem Manuskript oft
nur ein wirres Durcheinander von un
leserlichen Buchstaben, weil er nicht
warten mochte, bis die träge Feder die
einzelnen Worte vollendet hatte. Auch
ereignete es sich häufig, daß er das
Geschriebene nachher nicht einmal selbst
deuten konnte. Seine Orthographie
war zuweilen ungeheuerlich und wäre
geeignet. ewesen, selbst einen nachsuch
tigen S ulnieister in ehrliche Entrii
stung zu versehen. Bei vielen Wörtern
fehlten sogar die Endsilben Aus alle
dem geht hervor, daß er stets nach gro
ßen Gesichtspunkten handelte und sich
mit kleinen pzdantischen Dingen nie
aufhielt. Sein Stil war trocken,
kurz, im Befehlshaberton, nur das
nöthigste herborhebend. Früh amMor
gen begann sein Tagwerk. Zunächst
wurde die eingegangene Post überflo
gen, und da war es wieder nur das
allerwichtigste, dem er sein Interesse
entgegenbrachte. Unwichtige Briese
wurden einfach zur Erde geworfen, das
war seine Beantwortung Alles übri
g: wanderte auf den Schreibtisch und
wurde im Laufe des Tages erledigt.
Er begann dann zu diktierem erst in
mäßigern Tempo, dann immer schneller
und schneller, bis sein Temperament
mit ihm durchging, und die Worte
schier sprudelnd über seine Lippen
strömten, so daß der Setretär tauni
fähig war, das Dittat zu Papier zu
bringen. Dennoch ist die Prägnani
und tristallische Klarheit seines Stileo
auch heute noch vorbildlich und bei der
unendlichen Fülle der Dinge, die un
auigesetzt seinen Geist beschäftigten
fast bewundernswürdig Sein Diltat
glich einer Unterhaltung, und der
stumme Zubiirer mußte den Eindkuit
gewinnen, als spräche der Kaiser zu
der Person, an die der Brief gerichtet
war. So bleibt die Wirkung seiner
Korrespondenzen bei aller Kürze eine
unmittelbare u. verriith den Menschen,
der sein Leben lang gewohnt war zu
selbst die geringsten Regierungsgeschiif
te zu verrichten pflegte, läßt schon die
Größe seines Geistes ahnen, die man
gewöhnlich nur aus seinen Tbaten als
Staatsmanrh Feldberr und Eroberer
kennt.
Der Sieg iiber den Augenblick ist oft
ein Sieg über das-Leben.
I ti
Der unsicherfte aller Verschliiffe ist
das Siegel der Verfschwiegenbett
j Eine ftarte Dame wanderte zu Fuß
»von New Yort nach Florida und ver
lor dabei vierzig Pfund. Der ehr
liche Jinder mag fie behalten.
« « si
Friht nlVier steht: »Sie trat ihm
mit einer wahren Beserterwut entge
gen«; was heißt denn bat-TM ·-— Vater:
»Das ist ein Druckfehler, es muß bei
ßen: Besentehrwut.« .
II s is
Hoffentlich gebt nicht alles in Er
füllung. was die Nachbarn jenem
Pennsylvania wünschten, der, um ei
nen Retord zu brechen, dreißig Stun
den lang Klavier pautte. s