Nebraska Staats- Anzeiger und J cerold Jahrgang 31. Grund Island. Nebr. 17 . Februar lSIlI weiter (Thcil.) Nummer 26. Bei der Großmuttee. , Wie teaulieh is« im stillen Zimmer! Die Uhr tickt heimlich aus dem Schrank. Um Blumen spielt der Sonne Schim mer, Und Tisch und Bank sind spiegel blank. Jm weichen Lehnstuhl sin das alte, Das achtzigjiiht’ge Mütteeiem Aus weiter Stirne Fali’ an Falte, Doch in den Augen Sonnenschein Vertrauiich schmiegt sich ihrem Schoaße Ein blühend Kindetpätchen an, Dem sie das Bilderbuch, das große, Aus vieles Bitten ausgethan. Nun blühen Märchen aus dem Munde, Wie Rasen aus dein Dorn erblüh’n. Die Kleinen tauschen still der Kunde, Und ihre vollen Wangen glühtm ’5 ist mit ein Bild, doch süllt es im mer Die Augen mir mit Thränenthan Mir ist« als tennt’ ich dieses Zimmer. Die Kinder und die alte Frau. Das inöblirte Fräulein. Novelle von El : Correi. Eine halbe Stunde lang hatte sie die blasse, durch Sorge früh gealtekte Vermietherin mit ihren Fragen, Um herlchnijsselm abfälligen kritischem Mustern und kleinlichen Feilschen ge martert, dann miethete die große Dame mit dem ausdrucksvollen großen Gesicht unter grauen Stirn-s locken, die so rieere war und absolute Stille brauchte, das niedere Zimmer. Jm Laufe der nächsten Tage stellte sie dann fest« daß der Ofen in der That weder raucht-e noch viel brauchte, ferner, daß eg sehr still hier oben war, und daß die Wintetlonne so lieb und zutrnulich durch vie klaren Fen ster lächelte. Nichts störte die »geistige Arbeitm des Fräuleins, ungenirt konnte sie den ganzen Tag in ihrem Haufen Bücher wühlen, die sie ihrem großen Koffer entnommen harte. Aber· die Stimmung zur »Arbeit« tam nicht. War es zu ruhia hier oben? Fehlte der Anreiz von außen? Sie hatte bisher in einer Pension ge lebt, konnte es aber auf die Dauer nicht beftreiten, zumal ihre letzte, große-, ethnographische Arbeit keinen zahle-nickt Verleger fand -- s auch nicht einen nichtzahlendein Und es gab doch auf der ganzen Welt nichts Jnteressanteres als ihr Thema: »Die Lieblingsthiere tönigs iicher Frauen deg- Alterthums, des Mittelalters und der Neir,-«,eii«. Einige Abfchnitte waren von Zeitschriften gedruckt worden; zu dem Ganzen mit der Fülle dazugehöriger Jlluftratio nen fand niemand den Muth. Und welche Arbeit fteckte doch darin! Welche Studien! Wie viele Bibliotheten, Archive, Mufeen hatte sie durchstudirt und durchitöbertI Wie viele Gelehrte. Bibliothetare, Buch höndler und Aunfthändler hatte sie zur Raserei gebracht! Und nun . . .? Sie hatte nicht einmal jemanden. dein sie den ideellen Werth ihres Wer tes tlarmachen tonnte, und das war ihr am empfindlichsten. Jn der Pen sion hatte sie doch hin und wieder eine Anfprache gehabt; man hatte sie be achtet, aber hier « hier war fi: nur das ,,möblirte Fräulein«. Scheu und still waren die Dienst leistungen der fchattenhaften Frau, ohne menschliche Antheilriahme. ohne verständnißvolles Jnterefsr. Sie wußte wohl nicht einmal, was eine »Ethno. login«' war . . . Und als sich das Fräulein herabliefz, der Wirthin ei nen Begriff von ihrer geistigen Arbeit, die »Todte"o zu neuem Leben rief«, zu geben, fah die stumpfsinnige Frau nur mit einer Art Schrecken nach den vie len aufgestapelten Büchern und Lexita und sagte zerstreut: »Ja, das aniis dige Fräulein lefen immer!« Damit war sie hinausgegangen nachdem sie allerdings noch den Sessel mit der Mahagonilehne zurechigeriicki liaiie mit jener sorgfältigen Ari, in der es wie eine lchllchierne Lieblosung lag. Diese Art war überhaupt all ihren lautlofen Haniikungen eigen, die ver Ordnung dieses Zimmets galten. Das gelehrte Fräulein war feinfühligl genug, um diese Sonderbarkeii bald zu merken, und sie konnte es eines Tages nicht unterlassen, die Manie der Frau zu verspotten: »Gott, Sie streicheln ja das Zeug richtig. Wie kann man sein Herz an dergleicheni hängen!« i »Sie sind noch von meiner Mut-H ter!" entschuldigte sich die Frau und; zog die Hand von der Stuhllehne. T »Sagen Sie,« das Fräulein nahm den Kneifer ab und legte ihr Buch in den Schoß. ,,hahen Sie eigentli ei nen Mann? Jch betiimme mich onft nicht um anderer Leute Angelegenhei-. ten, prin—---·zi——piell nicht, miissen Sie wissen, aber mir fällt eben ein . . Sind Sie eigentlich Wittwe?« " Die Frau stand da, tief erröthet. Die Scham tleidete ihr. Sie sah aus, als blühte sie. Ihre Augen wirkten blau, ihr ergrautes Haar faft blond. »Witttoe bin ich nicht!« sagte sie nun leite. Und zuckenden Mundes vol lendete sie: »Er hat mich verlassen!» Wegen einer anderen!« : »So sind Sie geschieden?« » Sie schüttelte den Kopf. Sie kämpfte mit schweren Thriinen. Das Fräulein aber fing schon ans ihre Zudringlichkeit zu bereuen. Wass ging sie die Frau auch an? Betain man nicht immer nur Misere zu l)ö-J ren? ! »Es iit gut, daß Sie teine Rinderx habeu!« versetzte sie tröstend und’ nahm ihr Buch wieder auf, um nochj Einzelheiten iiber die Art der Lied-i linasschlange einer assyrischen Köni--t gin herauszuheben Jhi entging dabei, daß die Frau eine hastiae Antwort auf ihren wie ver erblaßten Lippen festhielt . . Ihren »Prinzipien« getreu, richtete sie schnell wieder jene Schranke auf, die sie zwischen sich und ihren Wirthinneu stets auszurichen für gut befunden hatte, denn eine Aversion empfand sie gegen alles, was mit schmerzengreichem Frauenschickial zuiaunnenhing . . . An sie setbft waren weder die Seligkeiten noch die Schmerzen des eigentlichen Frauenlebens herangetreten Ihre strenge Erziehung als Tochter eines wissenschaftlich unfruchtbaren Gelehr ten, ihre stolze Sinnesgrt und ihr allzuhoher Wuchs hatten sie fiir ein Dasein geprägt, dem das spezifisch Weibliche ahgina Jhre Mutter war früh gestorben, der Vater verwies-· sie auf eine »deduk-: tive Denktnethode« und die Verhält nisse aus stolze Wunschlosiakeit, wobei sich aber ihre Natur ganz wohl bei sand. Auch als der Vater starb, stand sie geistig aufrecht da und ergriss mit starker Hand ihren »Lebensinhalt«, indem sie »Todte5« zu neuem Leben ries« mittels eingehender Forschung aus den Ablagerunagplätzen histori scher Sammlungen und Schriften . . . Sie hatte dabei ganz nette Funde aus dem Staube gehoben, aber d:r Ehr geiz trieb sie zu einem großen »Werle« an. und so »schuf« sie ihre Rompila tion iider die Liedlingsthiere könig licher Frauen des ’Lllterthumg, des Mittelalterg und der Neuzeit . . . Sie hatte gehofft, mit dieser Ar beit eine breitete Beachtung zu finden Ja, ihre kühnen Träume oerstieaen sich so weit, daß sie ihr Werk einer les benden Herrscherin widmeu dürfe . . . und jetzt saß sie hier, enttäufcht in all’ ihren Hoffnungen, tvie verlassen von allen, verlassen wie jene da draußen« die bei der Küchenkampe ein elendes Leben siihrte und mit ihrem Hear an den Mahagonimöbeln ihrer Mut ter hing . . . Mit den Händen die grauen Titus locken durchwühlend saß das gelehrte Fräulein. Es wurde ganz dunkel in der niederen Stube; ein Windstoß sauchte durch den Kantin, und die Asche des verlöschenden Feuers, die vorhin noch roth durch das Rost ge glüht hatte, sank zusammen. Plötzlich fuhr das Fräulein aus. Was? Noch nicht die Lampe? Konn ten diese Wirthinnen nie pünktlich sein. Mit drei langen Schritten war sie bei der Thüre, stieß diese aus und rief in das Rorkidorchen hinaus, wo das Glaffeybrennchen inistertet »Wo bleibt meine Lanive?« . ·. Bringen Sie mir doch meine Lainpe!'« Keine Antwort. Jn der Küche schien es auch dunkel zu sein. War die Frau ausgegangen? Ohne vor her die Lampe gebracht zu haben? Welche Nitckstchtslosigleitl Empört nahm das Fräulein das Glas mit dem Qellicht, um ihre Lam pe zu suchen, die tagsiiber meist auf dem Küchentisch stand, wo sie nicht störte, da die Witthin anscheinend weder etwas kochte noch etwas aß· Da sie nun die Küche betrat, spürte fie, die aus ihrem wohldurchwärmten Zimmer tam, die starr-: Kälte des un-. benußtem iibel nach der Wasseeleitung riechenden Raumeg . . . Vor Schreck wäre ihr aber jetzt fast das Nachtlicht entfallen — da lag ja die Frau am Boden, den Kopf auf dem Stuhlsitz ssp regungslos. »Mein Gott, was ist Jhnen denn?« entfuhr es dem Fräulein, während sie das Licht niedersetzte. Sie fiihlte ihr eigenes Blut ins Hirn schießen· Jhre Hand faßte nach der Liegenden: »Sind Sie trant?« Die Frau bewegte den Kopf, aber gleichzeitig sank sie erfchanernd noch tiefer zufammen. »Aber fo reden Sie doch!« bat das Fräulein verstört. Sie hätte am lieb ften die Frau emporgehoben, wagte es aber nicht, da sie stets Scheu davor hatte, einen Menschentörper anzubri sen. ,,Lnssen Sie wicht« kanns da teu: chend. Und hinterher mit einem gel tenden, rasenden Aufschrei: »Gebt mir meine Tochter wieder! . . · Gebt mir mein Kind!« Dm Fräulein ftieg eg heiß in die Kehle, heiß in die fchreckerftarrten Augen· »Kommen Sie!« ftotterte fie von neuem. »Bitte, stehen Sie« auft« Sie griff zu. Sie hob die diirftige Gestalt empor, die sich fo eiskalt an fühlte in dem armen Banmwolltleid. Sie schob sie vor sich durch den kleinen Flur und in ihr warmes Zimmer, setzte sie in den Mahagonifefsel am Ofen, schiirte das Feuer und machte Licht. Holte auch ihre Weinflafche herbei und ein wärmendes Tuch und lief hin und her mit Schritten, die fie behntfam llein machte, und kämpfte heimlich mit Thränen, während ihre Seele genießend von dem vernom menen Schrei zehrte: Gebt mir mein Kind! Fort und fort hörte sie diesen Schrei er war wie ein hinreiszem des, gewaltiges Signal einer Ge fühlstvelt, in der eg nur Erhabenhei ten gab . . . Und laut dann auch eine jammer volle Alltagsgeschichte zum Vorschein. eine Geschichte von Krankheit, Er werbsnoth und Sterben -—— das Er habene blieb. Es leuchtete durch die strömenden Thränen der Mutter, de ren Hoffnung und Trost todt war, deren Kind fern ihrer Hand irn Aus-— » land im Hospital die Augen für im t mer schloß. Da lag der Brief -s und da das Bild der jungen Sängerin. Und es war, als gehe ein Klingen durch die Lust, der Widerhall einer fernen. fernen jungen Stimme, die noch iiber dac- Grab zu trösten ver mochte. Das gelehrte Fräulein vernahm dieses iiiserirdische siisze stlinaen Si: sog es in ihre Seele ein und liest eg wiedcr durch ihre Worte zuriicktönen in das Herz der nun ganz Verartnten Fast die ganze Nacht saßen sie bei einander wie zwei Schheftern, die ge « meinsam leiden. Und anderen Tages friih holte das große Fräulein gleich die Frau zu sich herein, that ihr wohl und bereitete auch fiir sie das Friili stück. Es war, als hätten sie die Rot len getauscht. Die schwache Frau saß in der Wintersonne, und dar- große, starke Fräulein tvirthschastete herum. Es machte ihr Spaß - - ja es gab ihr ein neues LebensgesiihL der Fiir sorge für ein hilfsbediirftiges Wesen zu leben: und als die Fürsorge nicht mehr in solchem Maße nöthig war. da blieb doch die Gemeinschaft Und gemeinsam gedachten sie später auch der vielen anderen Einsamen . . . Da gab es so viel zu thun, daß keine Zeit blieb fiir die Schlange der assnrischen Königin . ———.- i Wie der-Natur durch die Technik nachgeahmt wird. ! Tins Thema, das der Titel IJifereH Studie nennt, ist ein so weites-, dass eg» uns höchsten-J pelingepi kann, a i einigen nusgewshlten Beispielin zu d mon iträs .in, was ter Titel sagt. Dink- Telephon pflcai man acrn mit dem Ohr zu ingleichen Und man tut recht darin-» Denn es gibt lsei bei- l den Olirninfchelm Trominelfelle Ner ven, und was-« man znrn Vergleich nochl anführen will. Reic- lssat tsei feinem ersten Teleleonmodell eine Arn Ohr nxuscisel nug Hilz geschnitzt, »in die hin einnelnwen wurde. Später hat man diese Form ( nfgegeben, cnd die Schall nsellen wurden in ein-n hübsch mathe miitiseli regelmäßigen Trichter gesen det. Mit Recht hat mnn sich hier von der Null-r ioOpeliilL Die eigentliche Form des äußeren Oft-eng dient jeden falls nicht Isui zu alufkizclien Zwecken; sie irill nsirnlieb der ««)i.fchel bei einer qeivifse.1 Wechheit dekl; wieder Halt nnd Fefiiiispii geben. Die Technik, die mit anorqnnifchen EUiiileln arbeitet, fteskt den Sclinllempiänger vie; ein facher und fester aus Metall und Hart »tt!iitsch:oinqe:i. Wiss diese dann aller »di!m»g iveitetnibeiten, ist schwer zu ski ;itien, nnd diirct sie meran die Wellen Hinin inneren Ohr geieiieL Das Ge « iiijisirasser ndii lseiiGelkorstcinchen bringt genxnni I)er. Beim Sprechen benutzenl wir bekanntlich nicht eigentlich eins »Telepbon«, sondern ein ,,Mitrophon«.j Die Schnllsveslem welche dieMembranei iis Schwingungen versetzen, drückenl nehi oder weniger nus Kohlenkörner ider der-Fischen Diese stellen se nach ihrer Pressunq einen veränderlichen Uelsergangswiderstand dnr, dessen Zchaiantets ebenso viele Stronxivellen uns-löst. Mit deni Mitrophon Jst man gewissermaßen dem Bau des menschli chen Ohres- wieder niiher getreten. Beim Sitten versetzen oic Schsxillivellen unser Team-meinst "n Schwinqungein mit ilnn schwingen ki: Gehört-Sächel Nnn jedenfalls die Geliörnerven zum gei« nnd nsobl zienilins isnntel Ter lieciiipmte Les-minde- d.i Vinci ssfleate neben seiner Mailunst auch ent sig das Studium der Technik. Er soll Nei- lksriinder der Cnmera obscnra sein« Die ja allgemein bekannt ist, nnd ohne welche die heute so wichtige Photogra: ist-ne nicht denlbar sein würde. Diese diinlle Kummer besitzt als wichtigsten Theil eineLinsi oder ein Linsensystem. irr-mit ein hübsches, allerdings ans fis-m Kot-s stehende-Z Bildchen der An sennselt eingesnnaen wird. Nimmt der Photogrnph einenGegenstand nnfs stunk so entsteht nicht immer gleich ein deutliches Bild: es muß erst das Oriettiv weiter hinaus oder hinein geschraubt werden, bis die Umrisse scskarf herauskommen Jm Grunde gencmmen ist das menschliche Auge ebenfalls eine Camera obscura, bei de: dieselben optischen Gesetze gelten spie dort. Es ist darum auch nöthig, daf; das Auge siir die Betrachtung naber und ferner Gegenstände ver ferieden eingestellt werde. Die orga Iiiiclke Natur wendet hier aber ganz andere Mittel an wie die Technik. Sie sind so sein« daß unsere menschliche Kunst sie bewundern muß. Ein nütz lich-es Attomodationsverniögen erlaubt uns nämlich, die Kristallinse mehr oder weniger zu wölben und ihre Brennweite dadurch zu ändern. Das ist das organische Verfahren, dem ge genüber die Technik mit ihren Schrau ben auswartet. Uebrigens wurde die Camera obscura gebaut, ehe man jene eingehende Kenntniß des Auge-: hatte, die man heute besitzt. Dieser Apparat ist daher gewissermaßen ein tiinstliches Vlikae, das die Technik aus eigene, ask-nnd ersann, ohne sich von der Natur den Weg weisen zu lassen. Die Lsamera obscura alk- photogra phischer Apparat ist jedensallLs bedeu teud roher und gröber eingerichtet als dac- Auge, das wir mit Recht alS das vor:.ehiiiste Organ bezeichnen· Und dort) sieht das Wert menschlicher Tech nit manches, wag auch dem schärfsten Gesicht entgeht Unser Auge ist eigent lict: ein tinematographischer Apparat Jn zahllos wechselnden Bildern lzie hen die Dinge an uns voriiber, und jede »Ausnahme« wird sosort von ei ner neuen abgeliist, wenn wir nicht stnnxpssinnig aus einen Buutt hinstar ren. Darum miissen im Auge gewis sern-aszen beständig neue Chemitalien auf die Retzhaut gebracht werden, da: mit sich neue Bilder gestalten können. Gen-; anders arbeitet der photogra phische Apparat. Hier ist ein und die selbe lichtempfindliche Fläche vorhan der-« auf der sich die Eindriiete sestle gen. Der verdienstvolle Anschiitz hat uns- die Kunst der Momentphotogra: phie gelehrt. Lin sich ist das menschs liche Auge gewiß auch imstande, Ein drücke in sehr kurzen Zeitraumen ani zunehinen. Aber sie haften nicht, weil sie mit den vorhergehenden und nach folgenden verschwinnnen. Die MO mentaufnahme schneidet aus dem ra schen Zuge der Bewegungen eine ein zelne Phase heraus. die man bannn nach gehörigem Entwickeln und Fixie ren des Bilde-z in Ruhe studieren mag. Mit Hilfe der Momentphotographie hat man überhaupt erst erkannt, wie ein Pferd läuft, wie ein Vogel fliegt, und welche Bewegungen der Mensch beim Gehen aussithrt. Tag jüngste Austanchen des Hallen schen Kometen ist mit Hilfe der Him melgphotographie zuerst entdeckt wor den« Blicken wir eine Weile den ge stirnten Himmel an, so treten aus dem Dunkel doch nicht wesentlich mehr Ge stirne heraus-, als lvir gleich anfangs sahen, es sei denn, daß die fortschrei tende Dunkelheit zahlreichere Him: melslichtek erkennbar mache. Anders gestalten sich dagegen die Verhältnisse, wem-. man die Camera des Photogra phen qeqen den Himmel richtet. Frei lich mird es dabei nöthia sein, das-, der Apparat durch ein Uhrmert der scheinbaren Bewegung der rastlos wandernden Gestirne folge. Durch ge duldiges, stundenlanges Exponiereni siillx sich nämlich die Platte mit einer solchen Unzahl von Sternen, daß schließlich die Uebersicht fast ganz ver loren geht. Und auf einer derartigen Platte hat denn auch der Halleysche Kome: seine Visitenkarte abgegeben, olsscura sieht? Weil eine pohtogra phische Platte dem Lichte lange genug ausgesetzt werden kann, und weil die chemische Wirkung der Zeitdauer pro pritäonal ist. Beim Auge wechselt aber die freilich in sehr zarter Schrift ge schrieben war. Warum vermag unser Auge nicht zu sehen, was die Camera die Platte beständig, und was in ei nein kurzen Moment nicht aufgefaßt ist, wird auch innerhalb einer Stunde niclst wahrgenommen Der Radler, der stolz auf seinem Stahlroß dahin saust, philosophiert wchl darüber, warum ihm die Natur nicht ein so schönes Bewegungsmittel gratis mitgegeben habe. Wenn er die Pedale tritt, so arbeitet er mit den Beinen, und das thut er beim Gehen ja auch. Deshalb erscheint ihm das Radeln als ein verbessertes Gehen, und er will nicht begreifen, warum die Technik die Natur erst be lelnen müsse, wie eigentlich Gehwerl zcisge einzurichten wären. Hier tritt der Unterschien zwischen Organischem und Unorganischem so recht deutlich zutage· Das Rad als solches —- wir meinen jetzt nicht das ,,Fahrrad« — ist ein Element, das in der Technik vorzügliche Dienste leistet, das aber nicht in die Welt des Organischen gehört. Das Rad dreht sich mit sei ner Achse in einem Lager. Hier sin det wohl Berührung statt, aber es ist teine organische Verbindung mög lich. Diese würde sofort-zerrissen und zerdreht werden. Man strecke einmal den Arm wagerecht aus und halte den Handteller nach unten. Nun versuche man, ob sich der Arm in ei ne-: leirlrecliten Ebene im Kreise dre hen läßt: das ist absolut unmöglich. Nur durch allerhand Künste und durch verschiedentliches Nachgeben kommt eine Bewegung zustande, die allenfalls als eine kreisförmige ange sproclxen werden dars. So ist über haupt die ganze Konstruktion des Fabrrades tein Muster für einen Or willsan Und dann: sind unsere Geliwertzeuae im Grunde nicht doch besser, alsJ wenn sie die Eigenthüm lichleiten eines Fahrrades besäßen? Wir tomnien allerdings nicht so schnell damit vorwärts-, aber wir gehen sicherer! Unsere Beine verlan aen keine ebene Straße: wir vermö aea mit ihnen sogar aus die steilsten Berge zu trarelm wir haben bei uns scsem litehaoparat nicht so viel »Bau ne« wie der Radler, und lrir rühmen dantbar die Weisheit der Natur, die unserem Laufe zwar nicht die Schnel lialeit des Rosseg verlieh, die uns aler den sicheren Gebrauch der Geh triertzeuae möglich machte. Ganz besondere- interessant ist ein Veraleich zwischen Natur und Tech nrt bei der Entwicklung der Lust schissahrt. Der berühmte Roger Baron schrieb seilier»;eit: »Man tann Boote herstellen, die im Wasser ohne Ruter sich bewegen, arosze Boote, ge leitet durch einen einzelnen Mann, die mit größerer Geschwindigkeit fah sen als iene, die durch eine Schaar von Mattosen geführt werden. End lieb kann man Maschinen zum Flie gen bauen, in denen Menschen, sitzend oder suspendiert iuc Zentrum, indem si-: irgend eine Kur-del drehen, die Fliigel in Bewegung setzen, die dazu dienen, die Lust zu schlugen an Stelle der Vogelfliige1.« Der fliegende Mensch mit Vogelfchwingen das ist das alte Jlnrusprobleui, dessen schwierige Lösung schon den Alten klar wurde. Auch da Binci hat sich mit der Theorie des Fliegens befaßi. Er stellte fest, daß der Vogel, da er schwerer als die Lust ist, sich in ihr hält und vorwärts bewegt, indem er »diese Fliissigteit dichter macht dort, wo er passiert, als dort, wo er nicht Passiert.« Da Vinci empfahl übri gens die Nachbildung des Fleder 1nuugfliigels, er schlug ferner vor, die Beimnusteln fiir ihre Bewegung in Dienst zu stellen. Als die Moment phsstogrnphie später die Geheimnisse des Vogelsluges mehr enthüllte, hoffte man wichtige Fingerzeige zu er hk««ltcn, wie diese »Schwingeuslieger« um besten einzurichten seien. Daß mir derartigen Maschinen bisher kein bedeutsamer Erfolg erzielt worden ist, liegt sum großen Theile wohl daran, dass, die hin-— und hergehende Bewe, gnug der Flügel technisch schwierig zu bewerlstelligen ist. Indem die Technik später vom Getwingensluge nbftaud, hnt sie sich prinzipiell Von der Natur freige mncht. Allerdings behielt sie sdie Flügel bei. Aber sie wirken in der Frrm einer Flügelschraube, die gleich dem Rade ein Element ist, des-J nur auf dem Gebiet des Unor ganifchen möglich erscheint. Jn technischer Beziehung ist die Flügel schrnube allerdings ein geradezu ideales Werkzeug, arbeitet sie doch in jedem Moment ihrer Bewegung mit Nutzen. Außerdem läßt sich eine gleichförmige Drehung viel leichter erreichen, als eine hin und her ge "l)ende. Auch in der Schiffahrt be nutz: man neben dem Rade vorwie gend die Schraube. Die ältesten Fahrzeuge wurden durch Ruder fortbewegt, und diese Art hatte man jedenfalls den fchwimmenden Thie ren abgesehen. Als dann der Rad dampfer entstand, war eine Anord nung gefunden, bei der den einzel nen Ruderflächen eine kreisförmige Balni vorgezeichnet war-, und mit der Schraube wurde das Prinzip des Ruderns völlig verlassen. Der Vogel ist schwerer als die Luft. Füllte man also einen Bal lon mit Gas, sodaß er leichter wur de, so ging man damit wieder einen Weg, der von demjenigen der Na tur völlig abwich. Und Zeppelin hat uns gezeigt, was man dabei er reichen kann. Der dynamifche Flug der Aviatiker, der den Auftrieb mit meckanischen Mitteln erreicht, steht in feiner Weise dem Bogelfluge wieder näher; aber doch ift die Art verschie den, wie Vogel und Aeroplan in die Höhe lommen. Dort durch Flügel sciilag, hier durch einen Gleitflug auf ruhenden Trag-— und Steuerflächen, die nach Bedarf vorn angehoben wer den« Die Reihe solcher Gegenüberstellun gen ließe sich leicht noch weiter fortset zen. Aber auch diese Ausführungen werden schon erkennen lassen, daß Na tur und Technik bei mancher Berüh- · rung doch auf verschiedene Wege ge wiesen sinds Der Techniker wird al lerdings die allgemeinen physikali schen Gesetze studieren müssen, die sich in rer Natur offenbaren; dann aber soll er die Mittel benutzen, die ihm in der anorganischen Welt zu Gebote stehen, und die gerade seinen Zwecken dienen. Und vor allem wird es ihm daraus ankommen, die Geschichte des Apparates zu studieren, den er ver bessern will, die Geschichte, die ihm oft zeigen wird, daß man hier längst einen eigenen Weg hätte suchen sollen. Von Hans Bourquin. Die Zahl »W« tm Beben Tolstoxon Aus seinem Krankenlager machte Tolstoi seinen Freunden gegenüber sehr interessante Ajiittheilungen iiber seinen Glauben, den er iiber die Zusammen lsiinge ·.-,n)ischen menschlichem Schicksal und den Zeiten seiner Geburt nnd sei ner Entwicklung hat. So empfand er es- immer als-« äußerst bedeutungsvolL welche Rolle die Zahl W in seinem Le lsen gespielt hat. Sein låtebnrtsztag der IX Vlnaiist enthält eine 28, nnd seist Nehnrtgsahr, das Jahr 182R, desglei chen tlm weitere Beweise fiir die Be deutnna der Zahl 28 in seinem Le hen zu gehen, führte Tolstoi folgende Falle an: Eis war der BR. Mai, das wisse er noch heute ganz genau, als er siihlte das: sein Leben in der früheren Art ihn nicht befriedige. An dieser Tage machte er im Jahre 1852 feinen ersten dichterischen Versuch. Eine-s seiner Hauptwerke, das schon frühzei tig seine Lehren zum Ausdruck bringt, »Die lerenizersonate«, schloß er am Is. November ab, am 28. April deg nächsten Jahres erschien sie im Druck. Sein Erstlinggwcrt »D-tstvo« erschien am BL. November 185:Z. So konnte er während seines ganzen Lebens ver folgen, dsisz die Zahl 28 stets bei allen wichtigeren Abschnitten seine-Z Lebens in Erscheinung trat. Zum Theil han delt es sieh dabei utn Ereiqnisse. die mehr innerer Natur waren. ohne da durch ihre große Bedeutung zu verlie ren. Er erinnert daran, das- ek im Alter von 28 Jahren eine ungeheure Wandlung erlebte, deren JUhAU kk nicht weiter beschreibt, die aber, wie et« sagt. fiir sein nanxes Leben von größ tem Einflnffe war. Das Charakteri stische daran war, das; er dieses Er lebnisz am Abend seines W. Geburts taaeH hatte-. Schon damals wurde er in der Ttlnfchauunq bestärkt, das; diese Zahl fin ihn von geheitnniszvollens Einfluß sein niiisse. Noch bis zum Schlusse kann er diesen Einfluß ver solgen, denn seine nothwendiqe Flucht aus Jasnaijoljann erfolgte ain W. Oktober russischen Stils. Er hält die durchaus- nicht für einen Zufall- son dern fiir einen inneren Zwang. ——--.—- b— Vor-sorglich A.: »Du hast nun so lnnqe gespart, um Dir ein Automobil laufen zu kön nen, und nun bestellst Du Dir doch leins3.« « B.: »Ja, ietzt spare ich vorerst noch frir die Leute« die ich überfahren toerde.«