Nebraska Staats-Anzeiger und Eifer-old Jahrgang « ahciu Nummer 2:k. Mutter erzählt — Vpn Eit- neune Habt ibr das auch als Kinder em Wundern Kennt ihr tvolil iene traulichen Stun den« Wo man recht nah an die Mutter rückt, Wo man in ihren Arm sich drückt Ftindlich schmeichelnd ohn’ Unterlaß: ,,Miitterchen. bitte, erzöhk uns tvas?'« Sie lacht, sie nickt, sie nimmt unsere Hand, Sie fiihrt uns hinein in ein Wunder land. Zie weis-, nnr das Beste von allem Gutenr Die Stunden, die werden uns zu Mi miten. Im Zimmer wird? dnnller der Tazi " verrann Nur Migtter«s Augen strahlen nnis an, Als könnte das Gliicl nie untergetfn Wenn diese zwei Sterne über uan stehn Selige Kindheit wo Taa und Nacht Mutterltebe für uns gemacht. Wo Dämmerftunden voll Märchen nnd Sagen Uns nali an des Mutterherz getragen, lind jener Kinderalaube erwachte, Der fromm Und ant uns- Kleine machte! Ob im Palast im holten samtn Ob in der Hütte die Scheite gliih’n, Ob das Kleidchen in Seide aestickt Oder die Schürze ara fchon aeflidt. Dem Kitlderherzen am Gliiei nichts h Wenn Mutter erzählt! « Armuth Von Deren-un san-. l. Tag Haus lag mitten in der Ein-— ddr. Wir tamen vorbei, als wir zu Anders am Fiord lNorwegen) gingen, um Milch zu bestellen. Die Steine der Einöde erhoben sich ein wenig und bildeten einen Abhang. An seinem Fuße hatten sie das hauö gebaut; der gab wohl ein wenig Schutz vor dem Hinde. f Rings herum war nur der graue Granit. Kein Gras und kein Busch. Aus dem Jnselchen im Fiord bertleide: ten Blaubeeren das Felsgestein. Doch hier sproßte nichts. Da war nur ei nige Schritte vom Hause unter dem Abhang ein ,,Fiartosselactef’«. Ich wußte nicht, woher sie die Erde zu diesem vFeld zusammengescharrt hatten. Das Haus selbst war ein Schuppen, aus halb versaulten Brettern zusam niengenagelt. Wo sie nicht schlossen, liaite man mit Fetzen und Bettlerluni· pen nachgeholsen, die überall hineinge iwtrst waren, so dasz man beim Anblick des Hauses an den Körper des Laza rus voll von Beulen dachte. Vor der Tür lagen aus dein Stein ein paar Fische zum Trocknen. Die Tiir stand halb geöffnet. Da war nur tin Raum Der ganze Hausrath be stsestks in einer Klappbant, einem Tisch and einigen Scherben. Da, wo ein Kesirl stand, war aus dem gepflasterten Boden wohl die Feuerstellr. Ein Schornstein war nicht vorhanden. Denn zur Winterszeit wärmt auch der Ratsch. Ich sragte: »Wo schlasen sie?« Meine Genossen zuctten die Achseln. »Wer weiß es.« Jch sah den Kessel und die Seher ben an. Aus denen mußten sie also essen. »Und wie viele wohnen hier?« Sie antworteten: »hier sind sieben Kinder.« Jch sah die Filappbant an. Es stand eine lange Kiste darunter. Da mußten sie also schlafen. Aus dem Tisch lagen die Neste eines Brotes und aus dem Rand ein Psal menbuch, das gelb und zerrissen war. Das Fenster war dicht daneben mit vier kleinen grauen Scheiben· Die ga ben Licht. Wir gingen wieder hinaus. Es gab teinen Weg und leinenSteg. Nur die nackten Steine führten zu dem Haus. n l i i i l ( Auf den Schärenbooten trifft man » diese Männer - -— hoch, bartloi3, in lan gen schwarzen. bis zum Boden reichen- » den Mänteln, mit mageren Zügen, in » denen alle Musteln zu sehen sind. Sie halten sich nicht bei den andern aus« hinter dem Tatelwert oder den auf- i gestapelten Feuchten auf dem Vorder- ! deck ragen sie einsam empor, während; sie das Andachtstch unbeweglich in ’ den fänden halten. c e streben nicht der Wärme zu wie die Bauerifrauem dte sich dicht an die Maschine schmiegen, und sie halten die nie-enden Köpfe tief über die Psalm- « bitcher gebeugt, so daß man taum die Gesichter sieht, die ausgetrocknet sind von Arbeit und Gebeten. t Denn sie sind an jedes Wetter ge wöhnt, on Herbststiirme und Nebel und Wintertälte, und sie merken es gar nicht mehr. Stundenlang sihen sie du, die Augen aus ihr Buch geheftet, wäh rend die Bauernburschen träge und scheu und unaufhörlich lauend un der Brüstung stehen Nun sollen sie von Bord. Sie holen die Trcrttatr. die in einer Tasche aus schwarzem Wachstuch liegen, so wie jene, in denen Richter oder Rechtsan wältss die Anllngen der Gerechtigteit in den Gerichtssanl tragen. Sie haben lein anderes Gut als dieses, während sie schweigend an der Fallreepstreppe lot-nen. Mitten in dem öden Fiord holt sie ein Boot. Da ist kein Haus zu sehen, nur die nackten Schären nnd der Re gen beginnt heftig zu prasseln. Der Laienvrediger geht zu den vier Männern im Boot. Es wird lein Wort zum Willkommensgruß gewechselt — hier in diesen Gegenden spricht man nur wenig, wenn es nicht zum Gebet und zur täglichen Anrufung ist — - und stumm schießr doc- Boot dahin. Der Dunipfer setzt sich wieder in Gilllg. Das Boot rudert durch den Regen fort. Der Laienprediger sitzt da allein auf seiner Ruderbank, hoch emporge reckt — die Gehetvücher unter dem Arm lll. Es war ein Sonntag in September, in einer westländischen Stadt. Der Marltplatz lag in der Sonne wie eine Wüste da. Kein lebendes Wesen war zu sehen; jedes Tbor war verschlossen, und in den Kauflöden waren die Rou lraug herabgelassen wie in Trauer bänsern, die verhüllt sind. Man hörte teinen Laut, nur den Gesang aus der Kirche; er lam schwer und dumpf wie aus einer Krhpte. Nun war der Gottesdienst beendet, nnd dieKirchentbiiren wurden geöffnet. Die Gemeinde zerstreute sich. Aber die Stille wurde nicht gebro chen. Kein Wort ertönte, und die Schritte der Gehenden gaben leinen Laut. Trauergelleidet waren sie wie ein Leichengefolge. Sie glitten durch-die Straßen und warfen lange Schatten —-- ,lbst Schatten, deren Seele von der Angst ausgeblasen war. Sie schlichen sich still, gebeugt, die stillen Treppen hinaus nnd stahlen sich nach Hause, furchtsam, in ihr eigenes Heini. Die Stadt lag wieder öde da. lY. Wir lamen nur langsam vorwärts-, denn ers war Nebel. Bald lagen wir ganz still, bald wagte die Maschine wieder eine paar zögernde Schlage, so, als- ob das mächtige Schiff selbst ängst lich wäre wie ein lebende-i Wesen, während die schrille Glocke des Ma schinisten ging und dcsr Ton eines Ne bellwrneg von einein Schiffe lam, das wir nicht sahen, wie das Brüllen eine-Z Thieres, das in Angst nach uns riei Selbst die Maste verschwanden in dein Grau. leer das ganze Nahe ist sehr deut »lich: die Passagiere, die einzeln auf idem Verdert stehen, starrend wie Sta: Hirten, und die kleinen Scharen, die tschi-sammt- von Feuchtigkeit plötzlich invit geltiiintem Riicken an der Bril "stung anftanchten wie lauernde Be stren. Die Rajiitenglocte lautete zu Mit tag, aber niemand rührte sich. Selbst die Kellner blieben in der Kajiitentiir stehen, regungsls und ängstlich Und wir machten wieder halt. Um die Mittags-fett sing es an zu« regnen. Es war einff heftiger, lalteri Regen, and er ergoß sich iiber Klippen und Scharen. Es tröpfelte von der Wacholeinwand Tag Wasser, das wir ; durchsuhrein war eng, nnd der Nebel» war grau. Wir hielten m einer Halte neu e Ein Bauernhof laq am Fuße eines nackten Felsens Sonst war kein Dinz zu sehen, nur dng Wasser und die Sckiiren. An der Giebelseite des ’ Hauses war ein sznun aufgerichtet ! Der beschirmte zehn Schritt Erde, die! man vielleicht den Garten nannte Hinter dem Zaun standen vier Büsche, ; deren skweige dünne Rippen waren. Sie kamen gerade so doch wie bis zum i Rund des Laune-L Der Sturm rinnt-. sie wohl ab, wenn sie höheri wollten. Sie tvare n der Baumwuchs des Ortes. » Zwei Kisten wurden ans Land ge-? bracht und die Post m einem mager-en « Casichem und nun wollte der Dampfer ! wieder fort. Da sah ein Vussagiee eine Liste, die im Gieth geöffnet war Da saßen die zwei F: auen, in Schatz aes ! wickeln Die eine mit gn: mein-entei i» haar, das Kinn an den Fenster fixäael gesiiith die andere schlan! und ie« .g, mit eine-n Felditeshee vor deni August Sie glich: r einander-. Zug nn «Dtug, so, als wäre Das Gesicht der etl t:«ren nur im Lauf-: der Zeiten unter einer langsam entstandenen Staub sancht verborgen nnd verdeckt. Die junge hatte hundert flinte Be tkegmtgem und sie sprach nnd lachte. Die ältere rührte steh nicht, und sie antwortete nicht, sie starrte nur unab lässig aus das Schiff mit ein Paar Anaen, die an langen Abenden unter der Lampe matt geworden waren. Jetzt glitten wir von der Brücke weg. Da waren hundert Dinge, die die Junge interessierten. Die Mutter blieb nur still und zusammengesunlen in ih rem Schal sitzen, während nnserSchiss sortglitt. Jetzt bogen nur um den Felsen und fuhren in den Regen und das Meer hinaus. Und Mutter und Tochter sahen wieder, lange Tage, nur die nackten Echören und das Wasser. Das Schiff war wieder vorbeige «;ogi·n. . . . Wir waren aus ossener See, es ta snen hohe Wellen und Sturm. V l Durch das Chor Sibirien5. Jn Verm hatte ich dant guter Pe tcrgburger Empfehlungsschreiben zum erstenmal Gelegenheit, auf meiner Reise durch das ungeheure Most-Zwi terreichd ns Gefängniß zu besuchen, in dein vor wenigen Tagen ein großer Trupp «adininiftrativ Verfchietter« an gelingt war. Besonders reiche Ernte liat dieses Jahr die russische Justiz ge macht. Ueber-füllt waren Hof und tierler der Permer Etappe —— trotz-— dem auf dem Schiffe bis hierher über 200 Sträflinge dein Typhus- zum Op fer fielen, waren noch über 700 Ver baunte dem »Licht der siifzen Welt« erhalten geblieben. Welche Gesichter — s von der Verbrechertnpe des Mör ders bis zum durchgeistigten Ausdruck des politischen Märtyrers waren alle Abarten vertreten. Frauen und Kin der, meist freiwillig dein Gatten und Vater in die Verbannung folgend, lagen umher, die entsetzlichen Spuren» von Krankheit und der verpesteteri sterlerluft hatten ihr Antlitz vor der Zeit veriviiftet und altern gemacht. Alle Verbannten trugen ttetten nnd das Kopfhaar zur Hälfte abrasiert. lfin erstickender Geruch herrschte in ’de:n Raume, der vielleicht für 200 Menschen Platz bieten mochte -—- aber iiber stu« dieser llngliicklichen enthielt. Wie auf einein Schlachtfeld lagen die tiörrer über- und nebeneinander. Da nnd dort boten Männer, am Boden taucrnd, sich gegenseitig ihren Rücken; als Stütze und dienten wiederum Frauen und Kindern alg Kissen. Zwei Petergburger Studenten —-’ an den befchmutzten Fetzen ihre-:- Uni frrnnnantelg als solche kenntlich »s» lehnten wortlos an der Wand: ihren Blut-. am Boden hatten sie einem blei H cru, jungen Weibe init einein Säug i lå ug abgetreten. Seltsam tontrastier ’ 'ten ihre edlen Profite init dein halb ; gesclorenen Schädel und den iiber und über befudelten Sträflingglleidern ! »«.Itihiliften«. erklärte aleichniiithig der! fiihrende Kosatr. Anschlag gegen dag Leben des Zaren sie waren iiber ruscht worden, als sie ini Begriffe standen, Dynamit in einen Minengang zu legen, der unter dem Newgty Pro spett durch-führte, eine Straße, die der Zur täglich passierte. Nach den Blei bergwerten waren fie nun zur Strafe verfchiclt worden. Die niordenden Giftdiinfte werden sie bald dem irdi schen Gericht entziehen. Ali-Z einer Ecke desJ Saales ertönte s.litrsermiithiger Gesang. Liliehreresiid russen stimmten zum Klang einer Bal lalaila Lieder aus«- der Fieimath an Leise durchzitterten die llagenden Mr lodien den indes-stillen Raum — alle-J lauschte ,sell)st die tvacliehnbenden Soldaten stützten sich geschlossenen Anges- aus ihre Gewehrr. » Aus dein Korridor schleiften einige Soldaten den leblosen Körper eines Verbannten herbei. Ein noch junger Mann tvcir es; die entsetzlich abgema gerte Knochengestalt zeigte alle Spu ren des hochgradig Schwindsiichtigen. Der Arzt hatte seine Ausnahme ins Spitgl verweigert, dort war lein Platz mehr srei --— »tvozu auch, sein Leben zählt nur mehr nach Stunden!« Da lag et nun aus dem Korridor; die ver glasten. tveitgeössneten Augen blickten aus dem Todtenschädel starr zur eBeete empor. Ein alter Sträsling schlich herzu, driictte ihm die Augen zu und wie entschuldigend sprach er zum ne benstehenden Kosalem »Auch er hat eine Mutter gehabt!« Seltsam, welch hohe Bedeutung das Wort Mutter site den niederen Russen hat. Will er seinen Feind tödlich beschimpfen, so verunglimpst er seine Mutter — ein Segeniwunsch sitt diese ist eine beson dere Ehrung des Kindes. Jm Hofe des Gesängnisses zeigte« sich mir dasselbe Bild, nur war hier wenigstens die Luft erträglich. Ein miinmerndes Weib fiel mir aus; zwei halbiviichsige Mädchen schmiegten sich. san sie und verzehrten ziemlich theill nahmslos eine schwarze Kruste Brot. Aus dem halbentblößten Obertörper sder Frau zeigten sich blutunterlauseneE :St«-.iemen. Sie hatte ihr in Moskau; ierlialtenes Krongeld (die Sträslingez stock-den nicht belästigt» sondern erhal- z Jtcn ,,Rrongeld«, um sich selbst zu ver- ! jpiiegem in der Hoffnung auf Gewinn s lverspielt und mußte nun mit dein er-— » lbetrnen Brot iiir ihre Kinder die üb Jlichcn Schläge dnsiir einhandeln. Jch lisriiclie ihr ein Geldstiick in die Hund« .»We«;u, Herr,« verwies der Kosnle.1 ,,sie wird es wieder verspielen und morgen wieder Schläge siir Brot ein tauschen.« Aug dem Gebäude ertönten Hain nierschlägr. Ein riesiger Schmied tout dnncit beschäftigt, die Ketten von deni Gestochenen zu lösen, die an ihm fest s genietet waren, nnd während man den znun ,,freien« Verbannten achtlos ver « sitt-errie, wurden feine Fessel wohlregi: «striert, denn sie sind ,,.Krongnt Sr. Maiestät dcg Zaren«. »Hm tlllllllch ciilf, titii PG Oclö Lock des Kerkers hinter inir schloß. Ein LiindSmiinii, ein biedererl »Rbeiiilander, hatte seit einer ReiheJ »den Jahren in Perm ein in hoheiiiT Ansehen stehende-Z Silber-:- und Gold-i sgesehäft Obwohl seit dreißig Jahren siii Riißland lebend und in Spraches sund Aeußerem tauni von einemRussen - s zu unterscheiden, hatte er doch die mit unter recht deutlich werdende Urwiich siaieit seiner Heimath bewahrt Eben isprach ich mit ihm in seinem Laden s ser die erhaltenen Eindrücke im Ge ungniß, als ein höherer Offizier ein trat Dieser, augenscheinlich ein aus der Durchreise zu seiner sibirischen Garnison begriffener Oberst, rief in barscheni Tone ohne jede weitere Ein leitung deni Besitzer auf russisch zu: »Zeige inir dieses Zigarrenetui!« Der , ngrufene nahm schweigend und ge tan n- das kostbare goldene Etiii aus Hdem Glasschranl und reichte es dein "LTffizier. ,.Zeige inir noch ein ande "res5.« Es geschah, und weiter ver langte er ein drittes und vierte«.-.. Ruhig willfahrte mein Landsmann »Was kostet diese-J ?« dabei warf der lijriiiiberockte ein reich mit Steinen ge zierteö Prachtstiict roh auf den Ladeiii tifcli. ,,Vierhundert Robel,« antwor tete, noch immer ruhig, der Gefragtr. »Was? Bist du verrückt, vierhun dert kltubelZ Wosiir?« »Ja nun, für dass Etui« Dabei nichiii er alle ausgegebenen Stiicke iind legte sie wieder ruhig iii den Glas siljranl zuriict Was fällt dir ein, Diirack was nimmst du die Zachen wieder weg « »Weil diio theiire i-tiiite sind, die eJ ikicht vertragen toniieii, solcher Art heriiiiigeworfen zu werden - schau sie dir iiii Glagtafteii aii.« Der Oberst schlug die Hände iiber deni Kopf ziisainiiieii. »Was uiiteistehit dii dick, iiiich zu liizen Z« »Was iiiiteritebfi dii dicti, iiiieh ziis erst zu duzenx glaubst du, ich bin dein Ound?« Wiitheiid schrie der Offiiiert »Auf der Stelle hole icti einen Nadsiradel llltolizeioffiiierk iiiii dich abfuhren zu I« lassen, dii Hund. »Lehren org du bersten -- icn laute nicht vor dir,« entgegnete mein Lands mann: sich zu mir wendend, sprach er deutsch: »Was haben Sie fiir eine Meinung von solch einem rusfischen Lfiizier — ist dasJ ein Stabalierk Wass« Ter Lffizier stand schon in der ge offneten Thur, um den Wadsiradel zu holen, als er die deutsche Rede die er wohl verstand--berm1tnu; er trat nsieder näher und fragte überaus biss lich aus Deutsch: »Ah, Sie sind ein Deutscher?« »Jawohl.« sagte mein Landsmann »An-«- toelcher Gegende ,,Rheinpsälzer.« »Ah, die Deutschen -—— die Deut schen!« kam eg bewundernd von feinen Lippen —— er zahlte 400 Rubel und zog, höflich grüßend, ab. Herzlich haben wir gelacht --— es war fiir lange Zeit das letzte Mal, das ich Ursache hierzu hatte, denn ich stand hier an der Grenze thßlands, nahe dem-Thore Sibiriens, und wer da einzieht, der mag nur alle Hoffnung, bald wieder fröhlich zu werden. hinter sich lassen. Mitte September war es, als wir von Perm auszogen. Wolkenlog war der Himmel, grün die Flur-, voll Blu men und duftend das Feld, an dem wir vorbeizugen,nnd doch lag es schwer auf uns. i s Zwischen Perm und Thumen gibt es einen Ruheplatz sür die Verbann ten. Dieser liegt über Jekaterinburg hinaus-, an jener Stelle der nach Thu ineix sührenden Straße, wo die russi snte Grenze aufhört und die Gewor kuna Sibiriens beginnt. Hier ist das Thor Siltirien5, des Riesensriedhofe der Verbannten. Eine hohe, scharf ge lantete Säule steht an der Stelle, wo sich die beiden Grenzen vereinigen. Eingesunten in den Boden ist der Fuß de-« Säule, aber sie selbst ragt setzen grade aus zum Himmel, ein erschüt terndeg Menetetel dem Verschictten. Dunkelgrün ist rings der Rasen, und weiter in der Ferne entsproßt dem stieg-hoben wild das dustige Friedhof grc.—.-« das Memento Mori der Bege tation. Und eine Kirchhossruhe herrschte ringsum ——- nichts schien hier zu ge deihen « regungslos-, von teinem Windhauch bewegt, standen das Gras, die mattsarbenen Blumen zum Him mel empor, wie ein endloseg Meer von Sterbeterzen, die feierlich den ragen den Stein-das russiscbe Golgathn -— umlobten, das Thor SibiriensS Tan seisd und aber tausend Unglücklicbe traten hier schon gewandelt, zum letz tenmal aus dem Heimntheboden haben sie hier gernstet und Rückschein gehal ten, mit einem Segenswunsch oder Fluch der Mutter Erde gedacht, die sie getragen. Wie viele Herzen mögen hier gebrochen sein, als sie Abschied nahmen von allem, was sie mit ihren Lieben, mit ihrem Vaterlande, mit der Welt Verband: sie wußten klar: ein Schritt iiber die Grenze, durch das Thor, und nn bist lebendig begraben. Massen-m Die schöne Jnsel wird seit einiger Zeit von schwerem Mißgeschick ver folgt· Vor wenigen Jahren hieß eg, daß die Pest in Funchal ausgebrochen sei. Die Nachricht wurde widerrufen, that ader der Insel natürlich vielScha den. Jm letzten Winter hauste dort eine Thphusepidernie, und jetzt ist die Cholera angeblich in solchem Unrfange ausgetreten, daß die großen Dampser linien ihren Schiffen das Anlaufen der Insel untersagt haben. Der neue Schlag trifft nicht allein die etwa Wert-un Köpfe zählende Bewohner schaft der durch ihr herrlicheg Ftlima weit bekannten und viel besuchten Jn sel, sondern auch Europa. Versorgt doch Madeira unsere Märlte nicht all ein niit gewaltigen Massen Junger Ge n:iise und Früchte, sondern besitzt auch auf dein Gebiete der Mode eine sehr erhebliche Bedeutung. Hier werden nämlich hauptsächlich jene in oer Frauenwelt so hoch geschätzten prächti gen und geschmaclvollen Stickereien, besonders aus Leinen undBattist, aus«-— gefiihrt, die heute in keinem großenGe schäftghause mehr fehlen diirsen. Am meisten betheiligt bei diesem Geschäft sind deutsche Häuser. Ihre Vertreter lassen die aus Europa eingefiihrten Stoffe in Madeira an der Hand der mitgeschickten Muster verarbeiten und senden sie dann aus Grund besonderer staatlicher Abmachungen zollsrei nach Haus. Gegen City-tut Frauen und Mädchen der Insel beschäftigen sich mit dieser Stictereiarbeit und verdie nen dabei ihren Unterhalt. Sie sind so geschickt, daß es higher nicht gelun gen ist, in Europa ähnlich gute Arbei ten m aleichem Preise herzustellen. Der Fremde, der in Funchal, drin rinziaenHasen der fast das ganze Jahr in Frühlinasariin prangenden Bera insel, landet, gewinnt sofort ein Bild ron der Bedeutung, welche die Stickei rci Industrie siir die Insel besitzt. Jn den .L)auptstrafzen drängen sich die Lä den mit mehr oder weniger kostbaren Leinenstidereien nnd -spit3,en. Beinahe in jedem Hause und in jeder Hiitte sieht man Frauen mit der miihseliaen Ar beit beschäftigt Fliegende Handler niitMadeira Arbeiten füllen die Stra fzen und iiberflutlien die antommenden Schiffe-. Die wunderlnibschen Flech arbeiten ans Weiden undlltalmenfasey die Blumen, Früchte nnd selbst der Wein treten dagean in den Hinters» mund. ----- Reben den erwähnten Ge: schäftgztveigen spielt die Fremden industrie die Hauptrolle in FunchaL Die Dampfer fiir Afrita nnd Stir cnnerita machen hier aus Hin: und Heimreise Station. Dazu kommen wöchentlich Vergnügungsfahrzeuge aus England. Für die Kranken sind verschiedene Sanatorien, fitr die Er holungsuchenden eine Reihe stattlicher Hotel5, theils unten acn lebenden blauen Meere, theils hoch oben in den waldigenBergen, die fast die aanze Jn sel bedecken, angelegt. Ohne diesen star ten Fremdenverkehr könnten tveder die Ochsenschlitten, welche als Droschlen dienen, die Höngematten, in denen sich Leidende befördern lassen, die leichten Kokbschlitten, in denen man die steilen Straßen Hunderte von Meter-n im Fluge herabgleitet. noch gar die Auto movile oder die Zahnradbahn, welche zum Monte hinauffiihrt, bestehen. Bot einigen Jahren haben deutsche Unter nehmer im Gebirge nahe dem End punit der Zahnradbahn inmitten herr licher Gärten ein großartiges Kurhaus errichtet. Es war ihre Absicht, in gro ßem Maßstabe die deutschen Winter touristen nach dem schönen Madeira zu ziehen und einen neuenAufschwung der Insel, die noch immer den Zusammen vruch der Rohrzuckerindustrie und die Verwüstungen der Reblaus nicht ganz isberwunden hat, herbeizuführen Ihre Bestrebungen sind durch rücksichtslose Hetzereien eifersijchtiger englischer-Kreis se vereitelt worden· Das Kurhausge lsäude steht verlassen inmitten seiner verschlossenen Gärten. Die deutschen Unternehmer haben ihreThötigieit auf das nicht minder schöne Teneriffa ge richtet. Von englischer Seite aber ist sr wenig wie von portugiesischer ge schehen, um den armen Jnsulanern aus die Beine zu helfen. Hoffentlich ge lingt eg, der Seuche in Madeirn recht bald Herr zu werden und die sanitären Verhältnisse von Funchal nunmehr dauernd so zu bessern, daß die schöne, höchst originelle Jnsel inZukunft jeder zeit ohne Gefahr besucht werden kann. D. A. Z. pertngssifcheret in der Narr-seh Von der Heringgfischerei in der Nordsee erziiblt C· Lund in Heft 4 der ,,Natnr«: Wie alle Beobachter überein stimmend verfichern, spotten die Laich ziige der Heringe in Bezug auf die Jn dividnenzahl oft jeder Schätzung. So erschienen beispielsweise im April 1906 die Heringe im Kaiser-Wilhelm-Kanal ei der Stadt Rendsburg in solchen Massen, dasz auf einer Strecke von ei ner Meile das Kanalbett buchstiiblich mit Fischen angefüllt war, und daß die Bewohner der Stadt die Heringe vom Ufer aus — eine Befischung des Ka nals mit Netzen ist verboten —- mit Mitbesi, Eimerm Hüten, Schaufeln, ja mit den bloßen Händen in beliebiger Menge herausschöpsen konnten. Und roch sind derartige Züge der Küsten heringe verschwindend klein im Ver hältnis: zu denen, die auf der hohen See beobachtet werden. Diese Laichs ziige sind es nun,denen dieFischer über all nachstellen die der Heringsfischerei die hohe voltgwirthsehastliche Bedeu tung geden. Während der lHeringsfang in der Ostsee überwiegend als Zweig der seitstenfischerei betrieben wird, hat er sich in der Nordsee längst zum Hoch seebetrieb ausgestaltet. Bei uns liegt rcr Fang in den Händen einer Reihe von Fischereiiletiengesellschaftem die its Finden, Leer, Nordenham, Brenta hanen, ttjeestemiinde Bremen, Vegesael, tilgfleth nnd Gliirtstadt ihren Sitz ha tten. Ihre Entwicklung mag aus fol-· acnden Vergleichgziffern erhellen. Es betrieben den Fang deg- Salzherings un Jahre HRR eine Gesellschaft mit Ist Lostgerm litt-l sieben lstesellschaften mit 131 Loggern, 1010 dreizehn Ge sellschaften mit LIW Loggern. Unter Loggern versteht man besonders stark gebann, tnttemrtige Segclfahrzenge ron 7:'- bis- W Jan Länge, die mit ei nem hnm Niederlegen eingerichteten Gron nnd Besanmast ausgestattet sind imd eine Besatznng orin mindestens je oreizelnt Mann führen. Die Fang knisrununa der Logger besteht any W bis W, diejenige der Dampfer aus 110 bis lZsI rechteckig gesormten Netzen von denen jedes eine Länge von Its) und eine Breite oder Tiefe non sieben bis acht TIJietern besitzt. Beimttluzsetzen dass stets Liebende-s geschieht, werden fännntlicbe Wette miteinander verknüpft nnd durch ein lange-:- Seil, das Reep, zusammen gehalten Sie werden durch lange Bojenleineu ,den Treideln und Zeisim gen, im Wasser getragen, so das; sie wie eine eine oder mehr Meilen lange Wand etwa ZU Fus; unter der Mee reioberfläche senkrecht schweben. Die Maseben sind so bemessen, daß die ge aen die Wand fcbwimmenden Fische wohl mit dem Kopfe, nicht aber mit dem ganzen Körper hindurch können. Sie bleiben infolgedessen mit den Kie :nendeckeln in dem Netze hängen, sodasz sie weder vor- noch rückwärts zu felnvimmen vermögen. Während der Nacht bleibt die Netzwand im Wasser stehen, woselbst sie sammt dem Logger, mit dem sie durch das Reep verbunden ist, vor dem Wind und Strom treibt. Gegen Morgen beginnt man mit dem lsinhieven und Anbordnehmen des Netzeg. Dasselbe wird stückweise über die Bordwand gehoben, wobei die He ringe einzeln aus den Maschen gelöst werden müssen. Jst der Fang sehr reich so blinkt das austauchende Netz wie flüssige-Z Silber, und vom Scheine angelockt, pflegen Hunderte von Möven das Schiff zu umkreisen.