Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 06, 1911, Zweiter Theil, Image 14

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    Die Gksmimte eines
kntfthwundknenGedächtnilleg ·
EUnter einer Wolkes
Von. H. Russel
- - --v"vv"f(
Mfffvfffsffff v v v vvvvvvvv
sti. Fortsetzung)
Was hast Du. Kind. sraate die
Retter ängstlich, und der Vater Zieß
seinen apgesangenen Satz unvollendet.
nLiej dies. Mutter«. sagte sie bei
se: und deutete aus die Zeitung, ,.er
muß es sein«
«Lies es laut. Jane", sagte Mr.
Wundert. «
Durch das Gebahren iårer sonst so
ruhigen und besonnenen ochter auf
geregt, setzte Mes. Larnbert mit zit
ternden Händen ihre Brille auf nnd
las den Bericht von Ansana bis zu
Ende disrch, ohne auch nur einmal in
ne V halten.
» as ist sehr sonderbar«, saate Mr.
Lombert langsam, und sah Frau nnd
Tochter bestürzt an. »Seht sonder
bar? Es ist mit Sicherheit anzuneh
men. daß dieser Mr. C. R. niemand
anders als Cecii ist, obgleich es eben
so möglich ist, daß aus der »Lady Go
diva" zwei Personen die gleichen Ini
tiaten gehabt haben. Und wenn man
nun bedenkt, dasz ek zu dieser Zeit in
Svdnen oder vielmehr in Darlinip
est ist Dumbar Hause sagtest
«u' sauivoht -—- und daß er sein Ge
dachrmn verloren nar, keoenrnusz ourm
den Schiffbruch und die daraus sol
ende schreckliche Zeit in dem offenen
good so tann ich nur wiederholen
dasz es wirklich sehr sonderbar ist.«
»Sein Erinnerungsvermögen hat
durch die furchtbaren Qualen, die er
weiseloohne ansgehalten hat, so voll-:
ständig gelitten, daß er nicht im
Stande war, seinen Namen zu nen
nen oder irgend welche Angaben über
seine Persönlichkeit zu machen«, sagte
Mrs. Lambert, die Worte des Arti
tels noch einmal mechanisch durchge
hend. »Die Jnitiirlen sind die l.se«:il
Rawdons, und ich glaube sicher. das:
er es ist, denn ich hatte heute eine Ah
nung, daß mir von ihm hören iviiri
den.«
»Es ist schade, das-, sie nicht eine
genaue Beschreibung der Persöntich
teit des jungen Mannes eingesetzt lia
ben«, sagte Mr. anbert, nachdent
lich sein Kinn reibeud. »Die Auffin
dung dieses Bootes-« ist immerhin noch
kein Beweis, daß die ,,Ladn Godiva'«
mit Ceril an Bord nicht irgendwo in
SiYheit is
« o willst Du hin, Klara?« frag
te Mes. Lambert, als das junge Mäd
chen sich rasch erhob und der Tbür zu
schritt.
»Ich will nach Dumbar house und
mich davon überzeugen, ob der Herr
wirklich Ceril ig«
»Ich werde ich begleiten«, sagte
Mr. Lambert·
»O, nein, ich will lieber allein ge
hen, außerdem mußt Du Dich von
Deiner Fahrt heute friih ausruhen.«
Sie verlie das Pimmer so eilig,
dass sie der uttet Fins, doch ert
’noch mit ihnen zu friihstiieten, anr
nicht mehr hörte. Der kleine Chinese
war gerade dabei, das Bonn abzu
schirren, als sie den Hos betrat.
»Spanne sogleich wieder an,« ries
sie ihm schon von weitem zu. »Polln
hat sieh schon genügend ausgeruht und
kann mich sicher noch nach Darling
horst bringen.«
Der pergarnentsarbene Jüngling
säumte sogleich wieder aus, wobei er
sortroiihrend in seiner Muttersprache
schwatzte. Während das junge Mäd
chen ausstieg und die Zügel ergriff,
triintte er das Thier, und dann rollte
das kleine Gefährt in schnellem Trade
ans der staubigen Landstraße nach
Darlinghorst davon.
—.-—
8. Kapitel
EndlichLicht.
Der Held unserer Erzählung hatte
um diese Zeit Marian Mathon mit
der er den ganzen Vormittag zusam
men gewesen war, nach Hause beglei
tet und schlenderte nun mit aus dem
Rücken geirengten Armen und ge
beugiem Haupte, tief in Gedanten
versunken seinem eigenen Heim wie
der zu. sEstoar etwas nach ein Uhr;
die Sonne stand mit versengender
Gluih am Zenit, und wenn der Weg
nicht durch die weiiverzweigten präch
tigen Buchen einem geschlossenen Lau
bengange gleich gewesen wäre, würde
das Passieren desselben zu dieser Zeit
dezu unmöglich gewesen sein« Seit
Ankunft des .,Strathnairn« war
kam ein Tag vergangen, an dem
Nawlings nicht mit Marian zusam
men gewesen war. Die beiden Häu
ser lagen nur einen Katzenspruna
Von einander entfernt, und außerdem
hatte Mes. Murray eine große Vor
tiebe siir Rawlings gefaßt. Sein an
«senedmes Aeußere und liebenswürdi:
: gez Wesen, dar allem aber seine be
danernjmerthe Lage hatten ihr Herz
» is Sinken erst-ert, und da sie merkte,
J Its das Zusammensein mit dein jun
Un Manne ihrer Nichte das Einleben
in der neuen heimath sehr erleichtert-,
legte sie beiden kein Dinderniß in des
Weg. Rawlings hielt es dagegen für
seine Schuldigteit, seine liebenswürdi
digen Wirthe soviel wie möglich von
den Verbindlichkeiten gegen den Gast
Hör-M sich heute ganz besonders
W, ais er Maria an
- Oe- sen Thore-es m gnren
fInst-s Wen hatte E ten n
est-u ice- Isss i- siivawk »Es-L
Geschichte war allgemein bekannt ge
worden, obgleich sie erst heute Mor
gen in den Zeitungen erschienen war.l
und noch hatte sich niemand gemeldet.
der im Stande war, ihm Aufklärung
zu geben. Er hatte allerdings in ei
ner langen Unterredung mit den Her
ren Brtzant und Wood erfahren, daß
die »Lady Godiva« von einer Firma
in Liverpool für Ladung und Passa
igiere nach Sydney gechartert.sei, und
sda er in einem ihrer Rettungsboote
sgefunden wurde, war anzunehmen,
Fdasz Sydney sein Reiseziei gewesen
war. Sie hatten ihm versprochen, un
verzüglich eine Namenliite der »Lady
Godiva" schicken zu lassen und hatten
außerdem eine Beschreibung seiner
Persönlichkeit und Geschichte an ihrem
Bureaufenster befestigt·
Das war aber alles nach dem Tage
geschehen, an dem Klara Lambert sich
bei ihnen nach der »Lady Godiva« er
kundigt hatte, und daher kam die erste
Kunde von Rawlings erst durch den
»Sydney Morning Herold« zu ihr.
Als er den Part von Dumbar
House betrat, hielt ein kleiner Ponys
wagen vor der Ihiir des Hauses-, aber
er gönnte dem niedlichen Gefährt
taum einen Blick, während er die Stu
fen hinausstieg und den Haugslnr be
trat. Mr. Hartree tam ihm mit der
Feder in der Hand aus der Bibliothet
entgegen.
Es hat eine Dame nach Ihnen ge
fragt, Rawlings, meine Frau ist mit
ihr im Salon,« begann er, »vielleicht
tann sie Jhnen wichtige Eröffnungen
machen. Jch bin augenblicklich noch
beschäftigt, aber ich tomme bald zu
Jhnen."
»Ich werde gleich hineingehen'«, rief
der junge Mann; mit fieberndkr Eile
warf er seinen Hut bei Seite und öss
nete die Salonthiir.
Die Fremde saß bei seinem Eintre
ten mit dem Rücken nach der Thür,
aber durch das Geräusch aufmerksam
gemacht, wandte sie sich ihm zu; ihre
Blicke begegneten sich ——— sie stand ei
nen Augenblick unschliiisig, dann eilte
sie ihm mit ausgebreiteten Armen ent
gegen und rief:
»O Cecil, Cecil!«
Der junge Mann stand bewe
gungslos vor ihr und sah sie mit dem
Ausdruck höchstens Erstaunen-Es an.
Wenige Schritte von ihm blieb sie
plötzlich stehen, aber immer noch mit
ausgebreiteten Armen, während sich
aus ihrem Gesicht grenzenlose Bestät
zung zeigte.
»Aber, Cecil!« ries sie. »Kennsi du
mich denn nicht mehr?«
Er stand mit zusammengezogenen
Brauen und gesenkten Augen da —
ein Bild tiefsten Nachdenkens. Dann
strich er sich mit einer ungeduldigen
Geberde das Haar aus der Stirn und
sagte langsam:
»Ich habe Sie sriiher schon gese
hen. Jch kenne Jhr Gesicht, Sie sind
;- Sie sind —- ja, wer sind Sie?«
»Wer ich bin?« fragte iie ver
.tvirri. »Cecil, iann es denn mög
lich sein, daß du dich meiner nicht
mehr erinnerst? Kann dich dein Ge
dächtnisz so vollständig verlassen ha
ben, daß du mich, Klara Lambert·
rergessen hast, deine Klam, Cecil, die
» dich schon lange erwartet?«
»Man Lambert.«' murmelte er
leise, dann fügte er hinzu: »Ich habe
Iden Namen früher oft gehört, und
Jwenn ich michJhrer seht auch nicht
erinnern kann, so weiß ich doch, daß
ich Sie früher gekannt haben muß.
» Sie nennen mich Cecil und sagen, daß
Sie mich erwartet haben, dann kön
l neu Sie mir gewiß auch sagen, wer ich
jeigentlich bin.«
»Wer ou or I.
Jhte Bestiirzung wuchs von Minute
zu Minute, und sie fah Mrs. Hartree
rathlos und hilfefuchend an.
»Ich glaube, Sie haben die eigen
thücnliche Lage Mr. Rawlings noch
«nicht ganz verftanden Miß Lam
Ibert,« fagte diefse freundlich. »Er hat
« durch den Schiffbruch fein Gedächtnifz
sfv vollftändig verloren, daß er feinen
Namen vergessen hat und keine Er
innerung an feine Vergangenheit, alfo
auch nicht an feine früheren Bekann
ten hat« Das müssen Sie sich immer
vergegentvärtigen, wenn Sie mit Mr.
Rawlings fprechen.«
»Er heißt Cecii Nawdon und nicht
Rawtings,« entgegnete das Mädchem
»O Cecil, Cecil, du kannft mich doch
nicht ganz vergessen haben!" rief fie
plötzlich mit zitternder Stimme und
fank mit krampfhaft zufammengepkefz
ten Händen in einen Stuhl. Jn die
fem Augenblicke betrat Mr· Hartree
mit erwartungsvoller Miene das Zim
mer.
»Miß Lambert hat in Mr. Rain
lings —- Rawdon wollte ich fagen —
einen alten Bekannten entdeckt,« er
tkärte feine Fran.
»Und haben Sie Mifz Lambert
ebenfalls eekannt2' fragte Mr. hart
ae den jungen Mann.
»Ich kenne ihr Gesicht fo genau ipie
mein SWMV, each klingt mir ihr
Name bekannt und doch,« er brach ah,
als er sah, daß Klata Laniherts Au
gen sich init Thriinen gesiillt hatten,
die langsam über ihre bleichen Wan
gen rannen.
»Gediilden Sie sich noch ein we
nig," sagte Mr. Hartree freundlich
und setzte sich neben das junge Mäd
chen. »Sehen Sie, andon, von jetzt
ab müssen wir Sie so nennen, bei je
dein Menschen, der, wie Sie, in diesen
letzten Wochen unter geistiger Blind
heit gelitten hat, ist dieser Zustand
der Verwirrung und Bestiirzung, in
dein Sie sich seht befinden, unper
tneidlich, wenn er seine alten Freunde
wieder sieht und von Dingen sprechen
hört, die sich vor seinem Unsalle zu
getragen haben. Das ist derselbe Zu
stand, als wenn Sie nach dem tiesen
Schlaf der Nacht Jhre Augen össnen
und in den hellen Sonnenschein se
hen wollten; die Augen sind durch
das geelle Licht so geblendet, daß Sie
die Gegenstände um sich herum nicht
eher unterscheiden tönnen, bis Sie
sich an das helle Licht gewöhnt habenÅ
So ist es mit Jhrein Geiste: Sie
niutten daraus vorbereitet tem, daß
die ersten Regung-en Jhres neu beleb
ten Grdächtnisses Jhr Gehirn noch
mehr verwirren, bis der Strahl der
wiederkehrenden Intelligenz allmäh
lich die Wolken zertheilt."
Mr. Hartree war ein herzensguter
Mann, aber er hatte einen großen
Fehler, und das war seine Beter-sam
keit und vor allen Dingen das Selbst
bewußtsein, mit dem er ihr sreien
Laus ließ. Er konnte selbst die ge
ringste Sache stundenlang hinterein
ander verhandeln, und zwar bediente
er sich dabei einer so bildet-reichen
Sprache, obgleich seine Gleichnisse ge
wöhnlich hinlten, da der Hörer nur
bei großer Aufmerksamkeit den Kern
der Sache im Auge behalten konnte.
Aber seine Freunde hatten den edel
rniithigen und liebenswürdigen Mann
dieser einen Schwäche wegen nicht sal
!en lassen, sondern hatten sich daran
gewöhnt, ihn sprechen zu lassen und
mit ausmerksamen Gesichtern dabei zu
siyen und zuzuhören
»Vielleicht wäre es gut, wenn Miß
Larnbert Mr. Rawdvn Näheres über
seine Verhältnisse mittheilte,« schlug
Mrs· hartree vor. Erzählen Sie
ihrn von seiner Heimath, von seiner
Familie und dergleichen Dingen. Es
wird natürlich vorläufig noch keinen
Eindruck aus ihn machen, ebbet daran
dürfen Sie sich nicht kehren.«
Sie schien sich allmählig in Naiv
dons Lage hineinvrrsesen zu können,
und nachdem sie ihn ein Weilchen
nachdenklich angesehen hatte, sagte sie
plöhlich mit leichtem Erröthem
«Vielleicht könnte ich dir helfen,
wenn ich dir die Geschichte von unserer
Verlobung erzähle.«
Er subr bei diesen Worten zusam
men, dann saßte er sich und sagte
langsam: »Ich würde Jhnen siir alles
dankbar sein, was Sie mir·iiber meine
Person mittheilen können.«
«Vielleicht wäre es Jhnen lieber,
wenn wir Sie beide allein ließen,« be
merkte Mrs· hartrer.
»O, nein, bitte, gehen Sie nicht
meinetwegen. Jch will Mr. Rawdvn
zunächst einige Fragen vorlegen, die
sein Gedächtniß aus die Probe stellen
sollen.«
Das Antliß des jungen Mannes
trug einen erwartungsvollen und
ängstlichen Ausdruck, als er sich neben
sie sente.
«Kannst du dich aus Winchrombe
besinnen?"
Er sah sie nachdenklich an, dann
schüttelte er den Kopf und sagte:
»Es geht mir mit diesem wie mit
allen anderen Namen; sie klingen mir
bekannt, haben aber teine Bedeutung
iiir mich.«
»Es ist der Name einer kleinen
Stadt in Gloucestershire, wo meine
Eltern wohnen, und wo tvir uns zum
ersten Male gesehen haben.«
Sie sah ihn bei den letzten Worten
erwartungsvoll an, aber er schüttelte
abermals den Kopf.
»Don weiter Vor ungefähr drei
Jahren verließ mein Vater, der Pre
diger John Lambert seine Gemeinde
in Yorkshire und nahm die besser do
zierte Stelle zu Wincheombe in Glou
cestershire an, die ihm angeboten
worden war. Wir kamen natürlich
ganz stemd dort hin, aber mein Vater
wurde sehr bald mit seinen Psarrtin
dern bekannt. Als wir neun Monate
in Wincheombe waren, waren meine
.Mutter und ich eines Tages zu einem
«Gartensest bei einer beseeundeten Fa
Imilie geladen. Da haben wir uns
szuerst gesehen, Cecil; sast unglaublich
erscheint es mir, daß ich die dies spi
einem ganz Fremden erzählen muß
Du wurdest mir von einem alten Be
kannten meiner Mutter dargestellt und
erzähltest mir daß du ersi vor kurzer
Zeit nach Wimxombe gekommen seiest
dass dein Ba der Disiiier ans-er
Dienst gewesen war, kürzlich gestorben!
sei und dir so viel Ver-missen hinter
lassen habe, daß du Theilbaber Eines
großen Geschäfts, in welcher Branche,
habe ich vergessen, habest werden kön
nen. Als wir uns trennten, batest du
um die Erlaubniß. uns—besuchen zu
dürsen. Du kamst einmal, dann re
gelmäßig, und der Schluß war.«
schloß sie zu Mr. Hartree gewandt,
»daß Cecil und ich uns miteinander
verlobten."
Sie schwieg, und es solgte eine
kleine Pause, bis, Mr. Hartree be
merkte:
«Was Sie uns mitgetheilt baden,
ist von großer Bedeutung. Jhre
Jdentität ist nun festgestellt; Sie hei
ßen Ceeil Ratvdon, Ihr Vater war
Ossizier nnd Sie selbst Theilhaber
eines großen Geschästs in England.
Ferner sind Sie noch under-heirathen
ich glaube, die Ungewißheit in diesem
Punlte bat Ihnen besonders viele
schwere Stunden bereitet. obgleich,« er
sah Misz Lambert lächelnd an. »Viel
leicht vervollständigen Sie Ihren Be
richt noch ein wenig, Miß Las-wett
glauben Sie mir, daß es nicht Neu-;
gierde ist, die mich veranlaßt, Sie zu?
bitten, uns so viel tvie möglich von!
Mr. Rawdon zu erzählen." !
Davon bin ich überzeugt,« entgeg-!
nete sie einfach. »Als wir drei Mo-«
nate veriobt waren, sing mein Vater!
an zu tränteln. Ein fchrccklicher Hu-!
ften quiiite ihn, und seine Kräfte nah-;
men in wenigen Wochen fo sichtlich ab, ’
daß er einen Londoner Arzt tonsul
tirte; dieser rieth ihm England fo—
fort zu verlassen, daß sich andernfalls»
galoppirende Schmindsucht einstellen
würde. Er gab feine Stellung sofort
auf, verkaufte feine kleine Besitzung
im Norden Englands und innerhalb
eier Wochen waren toir auf dem
Wege nach Australien. Jch begleitete
meine Eltern, da Cecils geschäftliche
Lage unserer Heirath zu jener Zeit
unmöglich machte. Sobald es seine
Verhältnisse erlaubten, sollte Ceril
uns nachtommen und mich dann als
feine Frau nach England zurückbew
gen. Jrn vergangenen Mai, als wirl
ungefähr acht Monate hier waren
schrieb er mir, daß er in zwei Wochen
die Reife nach Shdnen mit der »Ladv
Gadiva« antreten und daß er selbst
nicht fern fein würde, wenn der Brief»
in meine Hände kam. Jch erhielti
diesen Bei-i im August Die Zeitf
verging-aber es tam keine Nachricht
von der »Ladn Godiva«. Jch ertunil
digte mich mehrmals aus dem Bureau!
der Agenten, und zulegt gaben fre«
mir zu verstehen, dasz sie um die Si
cherheit des Schifer sehr besorgt feien. ?
heute Morgen, als ich den Sydneh;
Morning Herald durchsah, fand ichs
einen Bericht über die Auffindung!
eines kleinen Bootes auf hoher See—«z
»Was ist mit Mr. Rawdon?«' rief
Mrs. Hartree Möglich. »
Und tn dem Gesichte des jungenf
Mannes ging thatfiichlich eine ganz;
außerordentliche und ausfallendr
Veränderung dor; jede Muskel warl
im Krampfe zusammengezogen undf
seine Augen, deren Papillen sich un
natiiriich vergrößert hatten, glänzten
unheimlich. Er stand von seineml
Stuhle auf, fchlug die Hände vorsf
Gesicht und rief mit sonderbar fchril-s
ler Stimme: »Ich weiß alles - al (
les!« Dann fiel er ohnmächtig zu Bo
den· f f
9. Kapitel.
Welche soll es sein?
i
Marian Margton stand an der;
kleinen Gartenpforte von Bungareei
Cottage. Sie trug ein loses, weißes
Wolltleid mit einem Matrosentragen
und einen leicht angeschlagenen Stroh
hut auf ihrem gelockten haar, der sie
allerliebst kleidete. Sie summte leise
vor sich hin, während ihre zarten Fin
ger den Tatt auf dem Gitteewerte des
Thorweges dazu schlugen und ihr
Fuß unruhig den Kies bearbeitete
in ihrer ganzen haltung sprach sich
die höchste Ungeduld aus. Von Zeit
zu seit lehnte sie sich über das Gitter,
um einen Blick auf die Landstraße
thun zu können; endlich zog sie kopf
schüttelnd ihre Uhr.
«Charlie bleibt heute ungewöhnlich
lange auö,'« rief fre, ihre Uhr wieder
im Gürtel befestigend. »Er versprach »
um zwei Uhr hier zu sein, und jeytx
ift es schon nach drei. Was mag ihrJ
zurückgehalten haben?« «
Sie öffnete endlich die Thür und
schlenderte langsam den Weg nach
Durnbar hause zu; da Mrö. Murray
für den ganzen Tag nach Shdneh ge
fahren war, war das junge Mädchen
ganz auf sich angewiesen. Der Weg
war wenig besucht, da er in eine sast
ungebaute Ebene hinter Darlingöhprst
führte. Sie war ungefähr noch hun
dert Meter von Mr. hartreei Hause
entfernt, als das Geräusch von Rit
dern an ihr Ohr drang. nnd gleich
darauf bog ein Wagen, dessen Jnsasfs
und zug’eich Lenker ein Mädchen ih
res Alters war, aus dem Thore von
Dumlsar haufe. Die Dame stand
aufrecht irn Wagen und sah sich un
ruhig nach rechts und links um, als
wenn sie über ihren Weg nicht Be
scheid wüßte. Dann bemerkte sie
Marian und wartete, bis diese in
Hörweite gekommen war.
.,Wiirden Sie die Güte haben, mir
zu sagen. welcher Weg nach Sydneh
führt?" bemertte sie, »ich weiß nicht
genau. ob ich rechts oder tints herum
fahren muß.« .
Marian betrachtete sie einen Mo
ment schweigend Sie hatte das Ge
siihl, daß dieses junge, schöne Ge
schöpf vor ihr in irgend einer Weise
ihr fernereo Leben beeinflussen oder
doch wenigstens in engem Zusam
menhange damit stehen würde; es war
eine jene unbestimmten Ahnungen
Idie in jedem Menschenleben eine Rolle
spielen. Die Blicke der beiden Mäd
chen trasen sich, und Klar-a Lgmberts
biaue Augen brachen den Bann, irr
dem ihre Persönlichkeit Mgrign un
wissenttich gehalten hatte.
»Den Weg nach Sndnen?« entgeg
nete Marion. »O ja, gern; verfolgen
Sie diesen Weg bis zu Ende und bie
gen Sie dann rechts ein.«
»Ich danke Jhnen vielmals.«
Dann zog sie den Zügel gn, um ihr
Gefährt in die angegebene Richtung zu
bringen. und fuhr rasselnd von dan
nen, wobei Marians Augen ihr folg
en. bis sie an der Biegung des Weges
verschwand.
(Forisetzung solgt.)
Eine deutsche Heidestadt.
Unter einer Heidestadt denkt man
sich ein ioeltabgelegenes Nest, dessen
Männer verträumte Jmier nnd Heid
scbnuclenzüchter sind, deren Frauen
blonde Zöpfe und weiße Schürzen tra
gen und iiiäechenbaste blaue Augen
haben; wohin man von Hannover
inlt der lstieinbahn und von dort
i:n Wagen auf stundknlangen We
aen durch den Flugsand der Heide
fährt: ioo in gleichmäßiger Arbeit ein
Tag wie der andere vergeht, und man
sich vorn Barbier, der auch Nachtwäch
ter ist, erzählen lassen kann. was tags
nnd in der Dunkelheit dort geschehen
ists ein Städtchen, das ein Hahnen
schrei übertönt und in dem Erzählun
gen von dem brausenden Getriebe der
Großstadt tvpfschiittelnd und ungläu
bia als etwas Unmögliches angestaunt
werden.
Solche Heidestadt war Telle, von
dem hier die Rede sein soll, nie. Celle
hat eine geschichtliche Vergangenheit.
Es ist eine Aristottatin der beide, des
sen Mittelpunkt fie bildet. Ein Wel
tenherz « hat bei ihrer Gründung
Pate,ge, anden und sich ein Schloß ge
baut, in dem seine Nachfolger 500
Jahre prächtig Haus gehalten haben
Das Schlos; überragt heute noch mit
seinen gewaltigen Mauern und Tür-—
meb die Stadt. Dentwiirdige Ereig
nisse spielten sich in ihm ab. hier
wohnte Ernst der Beienner, der die
Stadt Celte als erste Stadt Deutsch-«
lands der Resormation zusiihrtr. Die
Cellenser rühmen sich dessen heute noch
Znseimal begeisterten Töchter der
Heide Herzöge so, das-, sie sie als Her
rinnen aus ihr Schloß führten. So
heiratete Herzog August Wiss bis
1636s die schöne Grete Schmidchen aus
Erbstors, und herzt-g Friedrich eine
l.t'«lisabeth Stendichen. Des Schlosses
und der Stadt Glanzzeiten waren aber
unter Georg Wilhelm (1665 bis
1705). Georg Wilhelm war ein welt
niinnisch gebildeter, viel gereister
Fürst, der im Geschmack seiner Zeit
eine reiche Hoshattung hielt.
Viele europaische Herrscher ließen«
sich an seinem Hofe durch Gesandte
vertreten, er berief viele Auslönder
mich Cellr. Man hörte Französisch
und Jtalieaifch parlieren, und Cetle
bekam den Anstrich einer kleinen Welt
stadt. Jn dem töstlichen kleinen Thea
ter, dirs der Herzog irn Schlosse er
bauen ließ, traten die damals berühm
testen Schauspieler auf. Mit welchem
Verständnifr der Fürst italienische Re
ssaissance und Barock geschaut hatte,
davon legt die Restaurierung der
Stadtkirche und der herrlichen Schloß
tapelle Zeuqnis ab, die schon seit 156kt
mit töttlichen Bikdern des Niederlan
ders Marthen de Vos geschmückt war.
Unter den Ausland-ern die sich am
Hofe in Celle näherten, befand sich auch
ner übliche italienische Ahenteurer.
Stecchinelli hieß er und stammte aus
sVenedig. Georg Wilhelm hatte ihn,
der arn Canale Grande bettelte, mitge
nommen, und da Sterchinelli. wie die
imeisten Jtalienee, sehr geschickt die
IVerhiiltnisse zu benutzen wußte, so
brachte er es im Laufe der Zeit soaar
zum Landdrosken und Generalerbdoft
meister. Diese Karriere scheint ihm
aber mitunter so zu Kopfe gestiegen zu
sein, dafr er hochfalirend wurde. Dann
ließ der Fiiest den Jtaliener zu sich ru
fen, zeigte ihm dessen Lazzaroniluw
ren, die er sorgfältig aufgehoben hatte«
und machte ihn wieder gefügig.
Daß Celte ein kleines Versailles
wurde, dasiir sorgte auch Eleonore
d'Olbreuse, die viel genannte Gattini
Georg Wilhelrns, die durch ihren has- I
gärtner Dacht-tm den französischen
Garten mit-—- Springbrunnen und
Atleen anlegen ließ.
Nach dem Tode Georg Will-einrä
des letzten Herzogs von Telle, qing es
mit der französischen Herrlichkeit wie
der bergen-. 1722 starb Eleonare
d’Olbrense und wurde in einem zin
nernen Sorge ohne Namensunter
ichrift in der Itirstengrust der Stadt
kirche beigesedt· Fünf Jahre später
wurde ihr zur Seite, ebensalis sang-,
klang- und namenlos, ihre Tochter
Sophie Dort-they die unglückliche Ge
mahlin des Königs Georq l. von
England-Lannooer bestattet, deren
Tochter Sophie Dorothee als Gemah
iin Friedrich Wilhelms i. die Mutter
Friedrich des Großen wurde. So
weist aus Celle ein bedeutsames Stück
der Familiengeschichte der Hohenzoli
iern hin, und das Interesse, das der
Kaiser durch wiederholte Besuche der
Stadt erwiesen hat, wird auch hier
durch ertliirlich.
Freilich hat der Kaiser außer den
historischen und tünstlerischen Erinne
rungen des Schlosses und der Stadt
lirche auch das Vaterlandische Mu
teuni, dein er ein Aalossalgemiilde
Röchlinag Die Schlacht an der Göhrde
geschentt bat, immer interessiert· Das
Museum, dessen verdienstvoller Be
gründer ein tunstsinniger Fabrikant
der Stadt Celle ist, enthält alle kultur
arschichtlichen Dentmöler der Heide
nnd der · Heidestadt und bringt alle
werthvollen Erinnerunaen des nieder
sschsischen Bciuernlebens. wie es sich
nn Wahrzeichen der heiligen Pserde
tödse nbgespielt hat. Das schönste
Stück ist ein vollständig erhaltene-J
Heidebanernbaus aus dem Jahre 157l.
Wie die Bürgerbäuser der Atti-orde
ren in cselle aus-sahen, dasür bietet die
heutige Stadt noch zahlreiche Beispiele.
In manchen Straßen haben die Jahr
hunderte das Aussehen tannt verän
deri. Die bunt bemalten, mit Holz
schnitzereien versehenen Fachwertsaie
bel blicken stolz und unentwegt, Rennen
dzs seinen sinnstsinnes der Biirger aus
tern 1:«-.und16. Jahrhundert, ans mo
derne Menschen hernieder. Goldene
Sprüche an den Gesimlen leaen Zeug
nig von der Srömniigteit, Biederteit,
aber auch dem Schiltsinn der Alten ab.
Der Besitzer des hauleg Poststraße Nr.
8 scheint es besonders aus die Weiber
abgesehen zu haben, denen er in derber
Art gleichzeitig zürnt und hold gesinnt
ist, wenn er im Jahre 1532 an der ei
nen Giebeln-and die ariesgriirnige Le
bensweisheit verkündet:
»Ein Weib, einen Eset und eine Htuizg
Tie drei man tlapirn music
und an die andere sidel schreibt:
»Alle Taler, innre Weiber
Sind die beiten . eiwertrciber«
Die deutsche Renaissance ist auch an
Eelle nicht. vorübergegangen, ohne
schöne Spuren zu hinterlassen. Das
Rathaus ist ein typisches Beispiel da
iür. Seine Architettur hat aus die
Gestaltung des Museunibaues und ei
ner Anzahl moderner Villen Einslusz
gehabt.
Den Schönheitssinn der Atti-orde
ren hat auch der moderne Cellenser ge
erbl. Es steckt in diesem Städtchen
eben ein großes Stück alter Kultur,
das zeigt sich in der Bauart der Häu
ser, die eigentlich nirgends pratschig ist
und aus dem Bilde der Stadt heraus
lritt, das zeigt sich an der Sauberteit
ter Straßen, den vielen und den blan
ten Fensterscheiben, und dass die Cel
lenser auch sonst aus sich halten« sieht
man an ihrer guten Kleidung. Es gibt
deutsche Städte. denen man dieses Lob
nicht nachsagen tann, turz, Celle ist
heute noch ein tleines Paris und bildet
teine Leute.
Soll ich nun noch das Lob der
Heide singen. die Celle im Spätherbst
mit rotem Blütengewand umkleidet?
Endlog wandert man im Kiefern
:alde, endlos durch die fummende
Heide. Unter uralten trosigen Eichen
dann wieder ein breiter, behäbiqer
Sachlenhof mit den qelreuzten Pferde
löpfen auf dem Giebel, im Stalle
glänzendes Vieh und im Hause Mäd
chen mit strohgelbem haar, unver
lälfchles, herrliches Germanenblul.
dann grüne Wiesen und murmelnde
Bäche, die Mühle-i treiben.
Rudolf Müller.
Wie glücklich würde mancher leben,
wenn er sich um anderer Leute Sachen
to wenig belümmerte, als um seine
eigenen!
If VI II
Die Brootlnn Ediion Company
will ihre Profite mit ihren Angestell
ten teilen. Das wäre einmal eine
Clettrifchlicht-Gefellfchaft« der einLichi
aufgegangen ist«
I i i
Jn Alaska werdens die Hunde ieht
mit 8100 das Stück bezahlt. Titus
werden da wohl im Restaurant ein
Paar Franlfurter kosten?
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Große Leidenschaften sind wie Na
turkräfte; ob sie nlihen oder schaden,
hängt bloß von der Richtung ab, die
fie nehmen.
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i Die Art des Grases ist die Blu
mensprache der Achtung.