Roman von W. Heimburg UUUUUUUUIUUUU —-«-«-«-«-« ' micloster Wendhusen (11. FortseyungJ «Durchaus nicht, Ferra«, erwiderte er ruhig. »Du hafi es nöthig gefun den, eine Erzieherin für Deinen Klei nen zu engagiren, ohne mich zu fra gen — die Banne genügt Dir nicht sehr — gleichwohl wirft Du bemerkt haben. daß Manna angefangen hat« sich bedeutend einzuschränken in ihrem Haushalt: es dürfte Dir auch nicht unbekannt sein, aus welchen Gründen? Charlotte hat nie eine Jungfer für sich allein gehabt. Deine Erzieherin, die übrigens ihre Fähigkeiten und Lehrtai lente völlig nutzlos hier liegen lassen muß, denn der Junge ist noch zu klein« bezieht eine Gage, die neben dem fiindlich hohen Lohn, den diese Anna erhält, eine zu große Ziffer er giebt Ferner hätte Anna auch dessen ungeachtet mein Haus verlassen müs fin, weil ich unter der Dienerfchafi, die ich stündlich fehe und höre, nur Leute von befcheidenem Auftreten und arti gern Wesen haben will, und da jene Dame diefe Eigenschaften gerade nicht kultivirt, so muß sie eben gehen.« «Gerhardt!« ries Ferra, und ihre Augen blihten unheimlich zu ihm biniiber, »weißt Du auch, daß diese Person mir unentbehrlich ist? Sie kennt mich und meine nervösen Zu fälle; ich kann nicht ohne sie fein!« »Ich bedaure sehr, Ferra, nehme aber kein Wort von dem zurück, was ich gesagt habe.« »Was verbrach sie denn? Gegen wen war sie unartig«.a Jch werde sie schel ten.« « »Nicht doch - wozu? Sie hlervt doch nicht, Ferra.« »Ich will sie aber behalten!« Jn Ferrcks Augen snnlelten Thra nen und der Fuß stampste zornig aus den Boden. — Gerhardt zuckte die Achseln und nahm seinen grauen hat vom Tische. ·Gerhnrdt, ich will der Gouver nante abschreiben«, bat Ferra Und die Thriinen liefen jetzt wirklich aus den Wangen herunter. .Doch nicht. Ferra. ich habe meine bestimmten Gründe. Von Rechts wegen hätte sie schon vor circa vier Wochen ihre sofortige Entlassung haben müs en, allein damals vergaß ich es über Fersen traurigen Tagen; hitte nicht mehr, es ist umsonst-« Er sagte das tn freundlichem, aber sehr bestimmtem Tone, grüßte noch einmal zu uns her iiber und verliess das Zimmer. «O, es ist empörend!« rief Ferra. Dann verstummte sie, ihre Blicke blieben plötzlich groß und voll an mir hsn en und ein langgedehntes »Ah!« Znt hr ihren Lippen. Sie tippte sich rnit dem Finger an die Stirn. »Gott, s war ich dumm!« ries sie, schritt einige Male im Zimmer auf nnd ab, Xb wieder vor mir and Charlotte ste h bleibend, die theilnahmlos dem räche gesol t war, faate sie mit tot ichheits melzender Stimme: »Gerhardt ist leidend, ich hätte ihm nicht widersprechen sollen. man vergißt es immer und immer wieder» wenn man ihn so groß und traftia sieht. Und erst aestern Mittag saateTJottor Weber, seine Lungen seien m einer traurigen Verfassung - — Anna maa gehen, wenn er es durchaus wünscht; mein Gott, wie war er doch aleich ge reizt. Armer Gerhardt!« »Wenn er Dich jetzt aehört hätte, wäre er vielleicht gereizt worden, Ferra«, bemerkte Charlotte: ich fand ihn sehr ruhig eben; Du verwechselst die Begriffe und meintest Tich!« »Gewiß. ich war bestia«. gab Ferrn zu und senkte den schönen Kopf; »ich will es wieder aut machen und ihm u Liebe meine beabsichtigte Reise nach «. aufgeben, man weiß ja ohnehin nicht« wie lange wir noch mit ihm zu sammen sind; Joachim’5 Tod hat ihn arg mitgenominen.« »Nun, darauf hin könntest Du es immer wagen, zu oerreisen, Du fän dest ihn jedenfalls wohl und gesund wieder, wenn ich auch nicht leugnen will, das-, er augenblicklich etwas an gegriffen ist.« »Wie? Und das saast Du. Char lotte?« rief Ferra. »Ich meine, wir hätten gesehen, wie es geht; -—— wer "tte wohl geglaubt, daß der arme oachim — —« Sie fuhr mit dem Tuche über die Augen und schwieg. ——« Charlotte ant wortete nicht, sie lockte Minta zu sich und streichelte sie, und als sie sah, datk das Thier noch das rothe half-baut trug, nahm sie eine Scheere, zerschniti es und warf es in den Kantin: dank lenkte sie Peter und Murrchen und wi die anderen hießen, um ihnen der Schmuck abzunehmen, den sie ihnen s lachend und lüellich umgehängt hatte nnd als sie ertig war, blieb sie an Kantin hocken nnd s nte nachdenklia tu die rothe Bluth. - ann sa te sie: «Lena, wir wollen Gerhar t helfei bei der chtiftbefcheernng, nicht wahrtl · »Me- Sie nicht einmal nach Hau Zei« fragte Ferra ne darau. Si aj jehttndeengro nSeel an Min. P scharf-; e betkoffesn an e rnt pann te- Esset-Wes gez-Ia t. hsie a kein hause ant e ichl e use meine Äuga ten sich mit Brauen Am vertan hatte die arme, liebe Mut ier M noch einmal den chriftbaue »Er ist bei fremden Leuten in Pen sion und -— Vetter Gerhar ——« »Aber Jbr Vormund?« »Der hat keine Frau, und feine Haushäiterin ist so böse, wenn er Be such bekommt; nein, das ge t nicht ---« aber Vetter Gerhardt hat mir Verspra chen, Genrqe diirfe herkommen « »So! Da sind Sie ihm wohl recht um den Bart gegangen, kleines Schmeicheitätzchen?« Sie bog sich zu mir herüber nnd faßte mit ihrer feinen Hand in mein Haar-. »Die Locken, Kindchem stehen Ih nen zum Bei-zweifeln ichiechtx warum stecken Sie Jhr Haar nicht in ein Netz oder flechten Zöpfe daraus-? Sehen Sie, so!« Und mit fester Hand nahm sie meine Haare zusammen, flocht sie mit merk würdiger Geschwindigkeit und ftectte min die zwei dicken, aber noch tnrzen prfe am Hinterton auf. »So! Das ist doch wenigstens or dentlich«, lobte sie ihr Wert. »Wissen Sie, wie Sie aussehen, Kleine, wenn Sie mit dem wirren Geioet da kom nm? Wie so ein landfremdes Ritzen nermiidchen; ich tann sagen, ich ichame mich mitunter -s- so ists besser, viel desseri« Jch lief lIm Spiegel nnd erschrak sie hatte a die transen Haare, die sonst um mein Gesicht hinnen, straff zuriictqezogem etwas Hößli es, Un gewohntes schaute mich an. » i, pfui!'· tief ich erschrocken, aber ich wagte nicht, » etwas daran zu ändern, denn, das-, ich; wie ein inndsremdes ZigeunerinädchenE urteilt-ergehner sei, machte mich schont-! ro . »Was da, psuix Ich nnde leider,; daß man sich nicht aenug nin diesej Sachen bei Jhnen bekümmert hat«, er tlärte Ferra, »ich meine auch, Sie« sind zu alt. urn in dem kurzen Kleide da umherzvlausem man sieht den Fuß bis zum KnöcheL «shocking«! Wenn wenigstens noch ein elegantes Stiesel chen darüber saße. Morgen lasse ich Ihnen ein Volant an das Kleid setzen« »Das isl nicht nöthig, Ferra«, siel Charlotte ein, und um ihre blossen Lippen guckte es sariastischx »in diesen Tagen kommt eine Sendung von mei nern Schuhmacher und dabei befindet sich auch etwas siir Lena. Das Kleid laß, bitte, ruhig so, denn die beiden neuen Winterkleider habe ich expreß so kurz für sie bestellt. Du siehst, es wird für sie gesorgt.« Einen Augenblick stand Ferra buch stiiblich mit ossenem Munde. »Wer ist denn so erstaunlich splen did?« erkundigte sie sich. »Welche Frage, Ferra! Wer denn sonst, als Gerhardts Du weißt « " »Ah, deshalb die Einschränkung!« entsubr es den Lippen der schönen Frau. »Aber Ferra!« ries Charlotte uns willig, »ich denke, das versteht sich von selbst; Gerhardt hat sich natürlich verpflichtet, siir die Geschwister zu sorgen. Bitte. thue nicht, als ob Du das nicht weißt.« »Nein, das ist niir in der That neu. himmel. wen Alles soll denn das Wegdhusen beherbergen und ernäh ren « -.--v III-CI Wie schneidige Metier drangen oteie Worte durch mein Herz· Noch nie in meinem ganzen Leben hatte mir Je mand so unberhoblen gesagt, daß ichs ein überfliissiae5, nutzloses Ding sei. welches nur aus Gnade existiren dürf« te. Bis jetzt war es mir bei Tante Edith so wohl aewesen, daß ich jeden Abend meine Hände geialtet und ge dantt hatte für alle die Liebe. die man der Verwaisten entgegenbrachte. Heute - jetzt eben dachte ich zum er sten Male wieder an das Wort, das Christiane zu Georg gesprochen: l ,,:.siur ,au«H Gnade und Barmherzig eit.« Charloite sah unwillig ihre Schwe ster an. Sei es nun, daß sie dieselbe durch eine Antwort nicht noch zu wei teren Aeußerungen veranlassen wollte, oder war sie überhaupt zu miide genug sie schwieg. Aber mir stieg das heiße Blut rebellisch in den Kopf ,,Jch habe ja gar nicht herkommen wollen!« stieß ich heraus, »ich wäre zehnmal lieber in B. geblieben und hätte eine Stelle angenommen. um bei Georg sein zu können. Aber das sollte ich ja nicht; man hat mich hierher ge holt; ich weiß auch, warum? Damit ec nicht heiße, ein Fräulein don Demo Ffs sei Bonne oder Gesellschasterin. , wenn ich könnte, noch heute möchte ich fertgehen und nimmer wiederkom kn Behiikk Gott, diese Leidenschastiich « um« kies Jena. »Ernst-sit Du Dich noch, Lottchen, daß ich Dich gleich am ersten Abend aus dieses trotzige Gesicht aufmerksam machte? Puhl mein Kind, nnr immer gemach, es geht nicht Io, mir nichts dir nichts sort ulaufenz ich meine, Sie bleiben gern ·"er·« »Ja, weil ich Tante Edith nicht al lein lassen tann jeht«, entge nete ich. Der Gedanke des Fortmii end von hier and mir plötzlich wie etwas Un dent rez vor. »Nun, sehen »Stei« sagte Ferke leichthinz »nur nicht immer gleich aus stiegen pollen. muß mich auch mit aller möglichen iebenswiirdigieit und Sanstmut sti en and eine mir sast Punentbehriche rson entlassen. Ich rathe Amen wohlmeinend, ewöhnen Sie as m nich zm ist bei durchaus nicht angebracht.« hatte bei Men« Mc m u- mY M. iiiisc com-. ze, kostbare Sdisenbiille wieder iiber den Kopf ges lungen und das reizen de, frische icht sah unendlich lieb lich darunter hervor; dann tnöpste sie die mit dunklem Pelz verbrämte Sam metiaeke zu, ergriis ihre lange Schlep pe, und in das Schneegesiöber hinaus weisend, fragte sie etwas sehr heiter-. .Jst das nicht kjöstlichi Jch muß noch ein wenig hinaus, ehe ich Anna ihren Abschied oerkiindige. Was meinst Du, Lottchen, ich miethe sie im Dorse ein« dann ist Gerhardt und mir gehol fen, und sie kann dann ja immer noch meine Garderobe prompt besorgen.« »-O, Ferra. es ist mir ganz einerlei«, erwiderte Lottchen tonlos. ,,Adieu! Adieu!« rief die schöne Frau, und im Hinauggeben murmelie sie etwas von »unausfteh1ichenTrauer weiden.« Jch aber bitte meinen Entschluß ge faßt, und als Tante Edith wieder her iibergekommen war und mit Charlotte vor dem Kaminseuer saß, da aing ich in meine Stube und schrieb einen lan sgen Brief an Christiane. und als er ; sertig war, trug ibn Gottlieb zur Bost. « Einige Tage später bekam ichz ern Tgewichtiges Backen und nun sa ich jeden Abend, bis es Mitternacht schlug, an dem kleinen Tische vor meinem Beti nnd zog den Faden durch die Arbeit Jm Kachelofen knatterte und trachte das Buchenholz und erfüllte das groge Gemach mit behaglicher Wärme, wii rend draußen Weg und Sie verschneit lagen und der Nordwind eisig von den Bergen herabwehte und sich ialt und pseifend gegen die Fenster legte, als wollte er sehen, wag da drinnen im alten Kloster bei Lampenschein so spät noch getrieben werde. Mitunter iibertam es mich wie ein Grauen, wenn ich daran dachte. daß ich ganz allein noch wach sei in dem großen. spukhaften Hause, und furcht sam schaute ich umher, weinend. eine der braunen geschnitzten Thüren thue sich aus und eine schlanke Gestalt in schwarzem Gewande, mit Kot-strich und Rosentran3, müsse über das Parquet gleiten und mich verwundert mit gei sierhasten Augen ansehen. Zuweilen dachte ich auch an Joachim und glaub te da draußen wohl gar ein Käu chen mit heiserem Geschrei gegen das ken ster, so wars ich die Arbeit sort und barg meinen Kopf in die Kissen des Bettes. mich scheltend und doch zit ternd vor lauter unnennbarer Furcht. Am nächsten Abend aber saß ich wieder da, und heimlich wanderten die Packete hin und her zwischen Christiane und mir, und als das Weihnachtssest nahte, da hielt ich ei nes Abends zwölf blante Thaler in der hand, und diese geringe Summe hat mir eine Freude gemacht, wie später nichts Derartiges mehr, was Geld oder Geldeswerth bedeutet. Charlotte lam jeden Abend in die ser traurigen Weihnachtszeih nnd nachdem bei jeglichem Wind und Wet ter ein Spaziergan oder eine Fahrt gemacht worden« ser chnitt sie die eEos fe, die uns Gerhardi so reichlich age schickt und wir verarbeiteten te zu Kleidern und Kleidchem Sie that dies Ylles so genau«und gewissenhaft, saß --...- III-to hi fluttpcutung tun nur-« du«-» ------- Arbeit gebeugt, die gegen ihr sonst fr frisches. lebhaftes Wesen erschreckend nbftnch drei, vier Mal mußte ich sie um irgend eine Anweisung fragen. und wenn sie dann die Auan hob, sahen iie mich völlia verständnifilos an, als besinre sie sich. wo sie sei. Und un mertlich yerfielen die schönen Ziiae, die lante Gestalt beugte sich unter der u ergroßen Last des Wehes: sie tlagte nicht, sie weinte nicht, aber jeder ihrer müden Bewegungen, jeder Blick. iedes matte Lächeln sagten mehr als Worte Jch fah dies mit wachsender Anast: ich fah Gerbardt’s beforateg Gesicht, wenn sie sich miide auf seinen Arm stühte, und sein trauriges Kopfichüt: teln, wenn er sie theilnehmend fragte, ob sie trank fei? Jch hörte ihr tonlo fes: »Nichts-, ich dante Dir!" Jch wußte, weshalb sie litt, und tonnte doch nicht helfen, durfte nicht einmal davon sprechen, denn sie hatte mir fchon arn Todestage Joachim’sSchwei gen geboten; es sollte Niemand wissen, wie nahe Robert ihr ie gestanden. Tante Edith war doch zuletzt auf merksam geworden, und von dem Augenblick an, da sie erkannte, wie furchtbar verändert ihr Lieblin» fei, tam etnas Leben in sie. Sie sprach wieder mit uns, sie nahm selbst eine Arbeit nr Hand und fragte Charlotte mehr a s nöthig war, nur um sie zum Sprechen zu bringen« ihre Gedanken abzulenten; und Charlotte antwortete· weil sie sich freute, daß ’enes theil nahrntnfe, beänfttgende Weien von der alten Frau genommen fei. Und fc stützten iie sich argenfeiti , und Eint drängte der Anderen zu L ebe den i ßen Schmerz tief in die Bruft zur C Es war rtihrend, zu sehen, wie das junge, fo schwer yPetri-steure Gefchz ; dem ein einziger . u enblicl alle Ko i nungsblrithen zertnckt hatte, si ar die alte Frauen eftalt schmiegte, ibi liebtttöend die ftälanten Hände tüßtt nnd e mit einem Lächeln ansah, dat Laute Cdttz die Thränen in die Au gen trieb. ie dachten Beide dasselbe Leider Gedanten fl en darüber ar einem einsamen, vetf neiten Jäger-. haufe im tiefen Forfte zu der finstern enaen eftuna, wo der weite Wald dat halbe ben war, der, überglücklich t tauni begrtt hatte und nun fein e e imath wieder verlas jen Instr, tin namenloer Schiner-« urn ein verloreties, unfagbar holdes ltickl Dann preßten sieh wohl Charlotte’z feine Hände fest gegen die Brust, und ihre Augen sahen so gros-. und finster in das Leere hinaus, als erschaue sie durch die Mauern in weiter Ferne der« einsamen, unglücklichen Mann, wie er ruhelos umherwandern mochte und ohnmiichtig die Hände ballen gegen das unerbittliche Schicksal. »Er dentt herk« saate sie mitunter halblaut. »ich tann es stählen, Tante, ich weiß es.'« Sie hatte wohl Recht; wohin anders hätten feine Gedanken auch fliegen sollen? »Ja, er denlt herl« msnapitkt Und so saßen sie wieder einmal zu sammen in gewohnter schweigsamer Weise. Charlotte war vor Kurzem herübrrgelommen, sie hatte sich ver spötet; Iante Demphoff war verreist gewesen und erst vor weniqu Stunden zurückgekehrt: Charlotte aber schien aufgeregt. nnd auf ihren Wangen brannten zwei große rothe Flecke. »Gerh·irdt geht gleich nach Weih nachten nach dem Süden, der Arzt wünscht e8«. sprach sie nach einem Weilchen tiefen Stillschweigen6, wäh rend sie hastig in dem aroszen Arbeits lorbe herumwühlte, ohne ein Stück zur Hand zu nehmen« »und ich soll mit; o, mein Gott, ich lann nicht fort Inn hier!« Sie brach in Thriinen aus und tauerte sich zu Tantes Füßen nieder. »Doch, Kind, doch, geh’ mit; Du bist noch so sehr jung. da kann die Welt. die schöne, herrliche Welt noch helfen.« »Tante, ich kann nicht!" schrie sie beinahe auf. »Denist Du denn, ich veraiisze einen Moment, daß ich Ro bert verloren habe? Glaubst Du denn nicht, daß mich jedes Schöne, das mei ne Augen sehen müssen, doppelt mahnt, wie es siir mich tein Glück mehr aus der Erde giebt? Ach, wenn ich doch lanae, lange gestorben wäret Nun soll ich leben, einen Tag nach dem an dern, immer zu, immer zu, ohne « « Sie schwieg. Es war die erste leidenschaftliche .lage, die ich von ihren Lippen hinte. Die alte Frau hatte Charlotte’s hiinde ergriisen, aber sie sah nicht zu ihr hin unter; ihr Mund war sest auseinander gepreßt und ein unsaglich bitterer Aus druel lag aus dem seinen Gesicht. »Wenn ich Euch helfen könnte, arme Kinder, mein Herzblut gäbe ich ber«, murmelle sie, »und sollte ich noch ein mal all’ die Osahre voll Qual durchle ben « - ich tsiitT wenn ich sie Euch dadurch ersparte!« . »Ju, Du hast Recht«. sagte Char lotte leise, ,,e3 ist eine Qual dieses Le ben. nach dem ich gewußt, wie unsa - bat schön es sein kann; aber die e Qual, Taute, sie lann nicht zu lange dauern —— ich meine es muß bad einmal ein Ende sein« Die alte Dame lachte ironisch. » »Es stirbt sich nicht so rasch, mein Kind; ja das wäre wohl leicht und schiinLaberso gut hat es m»ir Per licbc OWU llichk gcmllclsL Dcll II( ucu Gerechten nennen. Sieh mich an; vor vierundzwanzig Jahren, da hätt’ ich auch schon sterben niöaen; es waren Tage, wo ich mir an jedem einzelnen den Tod herbeiwünschte: aber immer weiter ging es, und nach jedem Tage tam die Nacht, und dann wieder ein Tag bis heute « nein, nein, mein Kind, es ist noch lange nicht zu Ende, und — - Du bist noch fungi« Sie batte tief gereizt gesprochen; jest hielt sie inne und legte ihre Hand auf Charlotte’s Arm. »Du bist noch jung, Charlotte, wie derholte sie mit veriindertem. weichem Tone, »und ich bin alt und bitter; Du kannst noch tausend glückliche Stunden erleben, nicht Jedem folgt das Unglück io wie niir.'« »Ich will iein Glück!« rief Charlotte heftig. Sie stand plötzlich hoch aufge richtet, der Kon war zurückgeboaen und unheimlich spriihend fahren ihre Augen unter den langen Wimpern her vor; dann schlug sie die Hände vor das Gesicht. »Was sollte es mir denn allein?'« stie sie hervor ante Edith aber war aufgesprun aen, ein unsiigliches Erbarmen la auf ihrem alten Gesichte; es war, a s ob die letzten Worte des Mädchens sie aufgeriittelt hätten aus ihreniSchnierz. ihr ein junges tief zerrissenes Gemüth zeigend, das ohne einen eTrost, ohne liebevolle StiiVe sich selbst verlieren mußte. »Charlottel« Sie zog das Mädchen an sig aber wie sie auch nach Worten su te, sie wußte nichts zu sagen; ich sah nur, wie ihre Lippen bebten und wie ihre zit ternden hände über den blonden Scheitel ftrichen. Unwilltürlich langte sie dann nach ihrem Nähtischchen und ergriff das Neue Testament, in dem - sie sonst jeden Tage u lesen pflegte s und das ie nicht au geschlagen seit ·ener Ung iicksituiide; und als ich diese wegung sah, da wurde es mir Ieicht ; uni’s herz mit einemmale, denn das das tief gottesfürchtige Gemütb Tanti Edit ’s ich so ialt und seit gegen je nen rost ver chlossen hatte, war inii fast unheimli gewesen. Aber im sel bigea Moment glitten ihre Iin er wie der ab von dein kleinen, s warzen Buche, nnd die Dände streckten si wii abwehrend nach der Ihiir »aus. rei lich, sie mochte wohl glauben eine Er scheinung zu sehen, denn dort stand düster, schwarz, gespensierhaft nn heimlich - - Tante Dempfhoif l Elsas wollte fie? Wie lam sie hier Auch Charlotte, welche Tantes hef tige Bewegung autgeschreckt hatte, sah starr in die vergriimten Züge ihrer Mutter; dann trat sie vor Tante Edito, als molle sie diese den tu den Blicken ver großen Frauengetalt entziehen. Jene ging mit unsicher-en Schritten an Charlotte voriiber Und streckte Tante Edith die Hand entge gen. »Ich lamme, um in etwas meine harten Worte gut zu machen die ich zu Dir sprach, als Dein Sohn den meinen erschossen hatte« begann sie mit ihrer spröden, harten Stimme ohne weitere Umschweife, und ließ die Hand sinken, die nicht erfaßt wurde; »indet sen, ich sollte meinen, in einer solchen Schreckens-It nnde legt man die Worte just nicht auf die Goldwage . Jch weiß jetzt baß Dein Sohn nur ge stounaen das Duell annahm, ich weit ioie fern eH ihm laa mir dieses Leid anzntbum weiß, daß nur ein nn glürllicher Zufall L— link deshallz iie iiieei inne iino ichopiie ne thhein: »und deshalb«, begann sie wieder, ,.war ich jetzt in V. und habe Se. Maiestiit um Roberth Begnadi giina aebeten: Robert ist bereits unter weag nach Fölterode oder reist moraeis aus E. ab. Ich hbsse, ich habe Dir be wiesen, dasi ich ein Unrecht wohl ein Zusehen im Stande bin, Edith ich ich bitte Dich noch einmal wegen jener hatten Worte um Verzeihung; es soll nicht heißen, daß ich ungerecht ge wesen bin " Jante Cdith reate sich nicht. »Ich baute Dir, Therese«, sagte sie dann, und ihre Stimme klang beinahe so hart als die, die eben verstummte. »Es ist riihrend, dasi eine Mutter siir ’den Mörder ihres Sohnes bittet, und sdaß Du hierher tommst, es mir u sa igen, ist eine Ueberwindung Seiner ’Seibst - -'« »Die Dii nicht erwartet hast«, vol lendete Frau von Deinphoss und um ihre-Libyen zuclte es. Allerdings nicht« Therese, denn es sind dreiundzwanzig «- ahre, seit Dein Fuß nicht über diese schwelle gekom ; nen, und bis heute weiß ich noch nicht, ; wag ich Dir gethan, weshalb Du mich «gemieden, als sei ich eine Ausgestoßes ne? Ver.i,ieb mir, wenn ich Dir nicht danken lann, wie ich es wohl sollte ; aber die Worte wollen nicht iiber meine Wie-pen. Neulich, als Dein Lieblings ssohn dort bleich und blutend lag, da ; waren alle diese Jahre wie aiisgelöschi Haus meiner Seele, da war mein Heri jiveich war ich noch fähig, Liebe zu ge iben und Verzeihung heute ist ec »i.-orbei, ich habe einen Stein in der : Brust, und - und machtest Du mir Theute noch einmal das herz iiieines Kindes abwendig, wie vor Jahren, ich wiirde es nicht inerlen, denn ich siihle ni ts mehr!« s war, als ob die alte Dame ge wachsen sei bei diesen Worten, so im ponirend stand sie vor der großen Ge stalt der Saite-again »O, wie mich das sreut. Therese«, fuhr sie satt. »es Dir heute sagen zu können; lange, lange habe ich mich da nach gelehnt! Jch bin namenlos un glücklich gewesen und Du warst Die jenige, welche die meiste Schuld daran trug; Dii hast mich aus meinem Va terhaiise getrieben, bei Nacht und Nebel habe ich es verlassen müssen wie eine Ehrvergessenex Du hast mir die Reit ineiner Wittweniahre ii der entsetz lichsteii gemacht. Du hat es dahin ge bracht, daß mein Bruder sich von mir Eis-gewendet, Du, und immer nur it ——« »Tante! Taute!« rief Charlotte und ergriff den ausgestreckten Arm der al ten Dame. »Mama hat es gut ge meint. liebe Tante!« Frau von Demvhoff hatte mit ieis ner Wimper gezuat, ihre grofse weiße Hand lag ruhig auf der Lehne eines Sesselz »Geh hinaus. Charlotte!« gebot sie; ibre Augen fchwciften wie suchend durch das Zimmer und blieben an mir hangen. die ich angfterfiillt hinter der Gardine des nächsten ; en fters tauerte. »Nimm fie mitt« rie si« hart und deutete auf mich hin. Jr ftinttmäfzig erhob ich mich und s ritt scheu an der großen Frauenaetalh r-oriiber, deren finstere Blicke mir folg- ; ten, bis sich die Thür hinter mir undl Charlotte schloß. Da saßen wir in Tantes Schlaf zimmer und wagten kaum zu flüsiem und Charlott« Blicke hafteten weit geöffnet und angstvoll an der hohen, braunen Thür, durch die wir eben ge treten. Jin Anfang verstanden wir nichts von dem, was drinnen gespro chen wurde. Tante Edith’s arte Stim me tlang wohl herüber, do die Worte verhallten undeutlich. Aber dann feholl ek- gewaltig und laut, ienes fpedde, kalte Organ, das ich Prmlich iirchtete. Eharlotte spran au und f ritt zur Thur, aber die «nde fanten ihr hin unter und blasser noch als fonft wand te sie ihr Gesicht ab. Unwilltiirlich war ich ihr näher getreten und nun drang jedes Wort auch in mein Ohr. »Ich habe ibn geliebt; —- wte fehr -—- das weiß ieh nur allein; er überfal enich Deinettoegen. Weißt Du wohl, was Eiferfncht it? Du tann ei nicht wissen, ich aber be sie dur koftet, ich - kenne kene Qual, sie ist schlimmer als : Wahn nn! Jch gehörte nie zu Drum, die einen Mann lieben, um ihn iiber den Reichsten zu vergessen, der uns Herz nnd Hand bietet. und dann einen Eid darauf zu schwören, dieser. und nur dieser sei ihre einzige, erste Liebe en)e, sen; ich war kein solches tiinde ndes Gelchöph was ich einmal erfaßte, das hielt ich fest. Betla hatte sich wenia um mich bekümmert, aber ich tte ibn nun einmal lieb, und diese iebe, je weniger er mich beachtete, wuchs bis ins Unendliche. Und trotzdem ver lobte ich mich, trotzdem heirathete ich; ich meinte start genug zu sein« es wa acn zn tönnen« und stolz genun; es sollte auch Niemand erfahren, daß ich to lächerlich sei, ohne Gegenliebe. — -- - - Jch gab mir Mii , ich fing an zu vergessen —--- bis ich · ich mit ihm zu sammen fab. Da packte mich jene un seliae Leidenschaft und sie bat mich nicht verlassen, selbst nacb seinem Tode nicht. Jch hätte Dich nicht sehen tän nen, Editb, ohne meine Fassung zu verlieren — ich weißt nicht, wer die Bellanenswerthere aetvesen, ich oder Du? Ja. wende Dich nur von mir. Du warst ja stets- der-aneqr«isf aller Tugenden, uno Du fant es- nian, oarz die Frau, die das Herz des besten, edelsten Menschen besaß. ihm untreu war mit jedem Gedanken. Jch weifs selbst nicht, wie es qeschahk wer heißt ein solches Weh kommen? Jch habe mit mir gerungen und gelämoft im ewiaen Zwiespalt; ich habe gebetet, Gott möae mir helfen, die unaliiclie liae Neiguna zu überwinden um sonst - umsonst; sie lief; mich nicht. sie trieb mich ioaar, Dein Kind ans Herz zu nehmen und es mit einer Järtlichteit zu überschiitten. die meine Kinder nicht tannten.« Es war still geworden da drinnen: man vernahm weiter nichts als das leife, baitiae Ticken der kleinen Uhr neben Tantes Vett Ich sah, wie um Verftiindnift bit tend, zu Charlotte empor war das die kalte, herzlofe Frau, die jene Worte sprach, aus- denen eS fo schwül her über-wehte toie ein heißer, verfenaen der hauch? »Ich wollte Frieden haben, (7:sitb. um jeden Preis«, fuhr sie fort, »ich fing es verkehrt an: Dich nicht mehr sehen und Robert nicht meist. und ich wurde hart gegen alle Menschen. Mutterhaft war Alles in meinem Hau se, aber kalt, so kalt; mir iror am meisten dabei, und mein Mann und die Kinder sroren: und doch habe ich teine Pflicht versäumt. habe sie lieb gehabt - ich merlte es jetzt so recht, da Joachim mir verloren gina." Gortsetzung fol-1t) Wann beginnt unfere Sklaverei? Mit der Herrschaft unseres Eigen sinns. «- iik o- . Der eigene Wert wird einem nicht beider Geburt in die Wiege gelegt, sondern man muß sich ihn erlämpfen. I O If Ein Vater in einem Landstädtchen in Illinois hat sein sechste-Z Kind Ge niigfamleit genannt; er ift offenbar der Ansicht, daß fechse genug sind. Grün-. Schuhe sind jetzt die neueste Mode in Boston. Das ist gut für die Augen; ob aber auch für die Hühner augen, dag kommt mehr aus die Form ais aus die Farbe an. ti- c O Jn New York sind in einem Jahre gegen 500 Advotaten bei der Bat Association wegen krummer Praltiten angetlagt worden; und das nennt sich »Rechts-Antvalt«! si- e « Der Taschendieb, der in New York einem an seinem Pult eingeschlafenen Polizei - Sergeanten die goldene Uhr aus der Tasche zog, entwickelte einen Humor, der eines Hauptmanneg von Köpeniek wert ist. I I O Wenn eine Millionörin siir einige Strümpfe 8115 bezahlen muß, dann ist es die höchste Zeit. einen Verein zur Unterstützung dieser Menschen tlasse zu gründen; denn wenn die Strümpfe schon so teuer sind, was werden dann erst die Kleider, die Hüte und die Assendinnerö toften! O O Wenn du die Gerüusche der Groß stadt nicht mehr ertragen kannst, so sei überzeugt, daß auch die grandio feste Bergeinsamkeit dir aus die Dauer Beklemmung weckt. Weshale Deine Nerven beherrschen nicht mehr deine Urnwelt, sie beherrscht deine Nerven. s I I i Das Darmstiidter Tageblatt ent hielt die Anzeige: »Achtung! Laute schlägerstrasze 32 sind noch verschie dene Kleidertleidchen und Damenblu sen zu und unter Fabrikvreisen abzu geben. Die Kleidertleidchen sind für Kinderkindchen bestimmt. Gibt ei auch Blusenhlüschezit König Georg von England ist zum Ehrenmitglied der Aneient F- Doktor able Artillery Eompanh von Boston ernannt worden« hoffentlich kennt er die «ruhrnreiche« Geschichte dieser Güte-Truva die noch nie mit anderen als tntt Limahohnen geschossen haben soll, genau genug, tun die ihm wider ishtmt Ehre würdigen zu ksnnerr.