Kloster Wendhusen Roman von W. Heimburg (10. Fortsetzung) herzzerschneidend klang diese wei che, iiberzeugende Rede durch das Iille Zimmer. »Schon doch, Therese«, fuhr sie hastig fort, »Du weißt ja gar nicht, wie lieb Dich Robert hat, wie seine Mutter! O, wie oft war ich eiser iiehtig aus Dich, wie manchmal habe geweint wenn er sich zu Dir wandte --—«,! O, laß nach so langen Jahren den alten Haß vergessen sein, nebst steh’, meine Haare sind weiß ge-— worden, seitdem wir uns nicht gesehen es liegen harte, erbarmungslose Jahre dazwischen; laß es genug sein! Gieb mir die Hand, Therese, mein Robert war es nicht, o nein, wie kannst Du so etwas denken?« »Mutter, schone sie«, hörte ich Ger hardt leise sagen, »noch lebt Joa chim; Du kannst sie tödten mit sol chen Worten« Jch ertrug es nicht mehr und lief hinaus; als ich die Thür schließen wollte, hörte ich einen gellenden ret. .Robert! Robert!" s-— Tante Edijh rief es. Wie gejagt floh ich den Korridor entlang nach unserm Zimmer; unge siiim öffnete ich die Thür. Mir war es, als zerreiße das gewaltige Leid meine Brust, wenn ich es nicht hinaus schreien könnte: aber mein Mund blieb stumm. Dort in der Mitte des großen Gemaches stand Charlotte, nnd vor ihr auf den Knieem das Gesicht in beiden Händen geborgen, lag Robert. Helles Sonnenlicht sluthete durch die hohen Fenster nnd umwob die schlanke Madchengestalt wie mit einem Glorienscheinz da draußen zertheilten sich eben die Wolken nnd goldener Glanz flog über die herbstlich bunten Wälder —- hier innen war es dunkle, schaurige Nacht geworden. »Rühre mich nicht an:« schrie Charlotte jetzt unheimlich gellend auf und wich zurück, als Robert ihr Kleid ergreifen wollte. »Geh’! Geh’! ich kann, ich darf Dich nicht sehen!" Da sprang er heftig empor und schritt wankend bis zur Thür. Noch einmal wandte er sich um, unsagbar traurig blickten seine Augen zurück. «Chatlotte!« klang es flehend her iiber· «Geh’!« wiederholte sie tonlos und ihre Hände streckten sich wie abwehrend gären ihn aus. Da sloa die Thiir "hnend hinter ihm ins Schloß und lautlos sank Charlotte zu Boden. «J»m nächsten Augenblick war ich r . «Cbarlotte, was thatest Tu?« rief ich weinend. meine Arme um sie schlin end. »Aus ihn zurück. laß ihn nicht o fortgehen, sage ihm wenigstens ein einzige-J gutes Wortl« Aber sie stieß mich heftig zurück und richtete sich empor: »Er wird sterben, Joachim, und ich bin seine Schwester!« — Wie ein heiser-r Schmerzensschrei klang dieses letzte Wort. «Seine Schwester!« murmelte sie noch einmal, die hände vor das bleiche, gänzlich entstellte Gesicht le gend. Und als es Abend ward. da wehte es unheimlich durch die dämmerigen Gemächer des alten Klosters-Joachim war gestorben. Dann fuhr rasch ein Wagen in die sinkende Nacht hinein; im Aebtis sinnenhause aber slog llirrend ein Fenster auf, ein blonder Mädchen son bog sich hastig hinaus und schaute mit brennenden. tbriinenlosen Augen dem Gefährte nach. Der letzte rotlx Schein der Abendsonne siel durch die balbentlaubten Aeste der Bäume, so tntenfiv roth und purpurn wie das Blut. das zwischen ihnen geflossen und das sie scheiden mußte für alle seiten, die Beiden, die sich kaum ge binden 10. K a p i l e l. Das Beqräbniß war vorüber, der» Dust strena riechender Blumen und der Oranaerie, die um des Todten Sarg gestanden, versloa durch die al lerwiirts aeöfsneten Fenster, und ein Wagen nach dem andern fuhr mit sei nen schwarz gekleideten Jnsassen wie der sort; es waren meist die Gutönach barn gewesen, aber auch einige von des Verstorbenen Kameraden; freilich bat te man von dieser Seite nur eine sehr geringe Theilnahme bezeigt. Tante Cditb saß in ihrem Sessel am Schreibtische noch genau sv ihrs nrnlos und starr, wie an dem Un giiickstnae selbst; Charlvtie und see hatten sich noch nicht gesehen. Gerhardt war öster bei unt ein getreten in dieser schweren Zeit. aber Tante hatte kaum Antwort gegeben aus seine iheilnebmenden Fragen. sie berührte weder Speise noch Trank: es war ein jammervoller Zustand. Ich wußte, daß die Damen aus der Pisa bei den Trauerseierlichkeiten zu aewesen waren, ich hatte aber M bei Tante Editb gesessen. Nun regte es mich, Eberlvtte zu sehen, nnd da Tante unbeweglich mit ge Mvsenen Augen retbarrte· und es · traf aller möglichen Les-suche niyi qui Mie, auch nnr nen Blick - m be zu ers-alten, so stahl ich mich Us- m dein Zimme- III vielleicht ein paar Worte mit Charlotte sprechen zu können; auch ich hatte sie seit jenem Abend nicht wiedergesehen. Als ich den Korridor hinunterschritt. um nach dem Aebtissinnenhause zu ge langen, stieg eben Ferra die beiden Stufen empor. Sie war in einer tief schwarzen, schleppenden Wollrobe, ein schwarzer Spitzenschleier lag auf dem üppigen Haar, das golden durch die düstere Unthtillung leuchtete; an der Hand führte sie ihr tleines Söhnchen Es war zum ersten Male. das-, n Mutter und Kind zusammen erblickte: der reizende Junge mit dem blonden Lockeniöpfchen trippelte zierlich neben ihr her in seinem weißen. mit einer mächtigen schwarzen Schleife detorir ten Kleidchem am Arme trug er einen Kranz von späten Rosen, die ihre prachtvollen, mattgelben Kelche schwer herniederbingen. J.b trat zu Ferra und fragte nach Charlotte. Sie hob den Kon und sah mich an; auch nicht die leiseste Spuk einer Thräne hatte die schönen Augen geroihet; es lag in ihrem Gesichte ein Anspruch der grell mit ihrem ver ztveifelten Gebahren am Sterbenrge logtrasiiriq sie sah völlig getriistet4 au . « » ,.Charlotte istin der Bibliothei oder» im. weißen Saal«, antwortete sie: »e«-; toute sehr vernünftig, sie nähme sichs ein wenta mehr zusammen, aber es ists nicht möglich, ein aescheites Wort mirs ihr zu sprechen. nicht einmal zur Gruft - will sie mich begleiten; versuchen Eies es. mit ihr. — Komm« mein iiiszerj Liebling, nsir wollen Onkel Joachims Blumen bringen« Sie nieste mir zu und-gin3 weiter. ; ««-zu Unter Joachim qenenk- Jauchz te der Kleine. während ich hinunter schritt und die hohe braune Thiir öfi ; nete zu dem Zimmer in welchem Joa chim gestorben war Erst heute hatte; ich einen Blick siir die Einrichtung des » selben, es durchmaß die ganze Tiefe des Aebtissinnenhausesx der grünes Sommetvorhang schied es in zwei. Theile; der vordere war zur Bibliothel eingerichtet, rings an den Wänden: Büchergeitelle von geschnitztern Eichen holz, mit zahllosen Banden angefüllt;: der Theil. in dem die Fenster sich be ? sanden. bildete ein trauliches Herren zimmer welches Möbel enthielt, wie sie wohl zu Anfang dieses Jahrhun detts Mode gewesen waren, mit Bronss zederzierungem eingelegten Staatens und gewaltigen, vergoldeten Löwen Z llauen. die sich trotzig aus den weichen, « grünen Teppich stemrnten. i Ueber dem großen Schreibtilch hing das Bild einer Frau es zeigte-; die strengen Züge Tante Therese S, in; nichts gemildert durch den Schmelz der? Jugend, der iiber dem regelmäßigen Antlitz lag: köstlich weiße Haut rosia angehaucht wie Apfelblüibe glänzend braunes Haar um das volle Otal aber die Augen lalt und grau und die Lip pen fest zusammengepreszt wie noch heute. Jch fah mich nach Charlotte um« sand sie aber nicht. Die Flügelthijren nach einem Nebenzimmer standen ge öffnet, ich trat hinein; es war ein gro ßer Saal, den ich überblickte, und hier wa r die Leiche ausgebahrt gewesen: Blumen laaen noch auf dem Parquet und maisenbaste Kerzen flammten aus Gruppen von Palmen und Lebensdau men, in deren Mitte der Sarg gestan den batte. Von der Decke hing ein Kronleuchter herab; auch hier brann ten die Kerzen und flatterten zu den schwebenden Engelsgestalten der reich krnamentirten Stuckdecke empor: eben so waren die weißen Wände iiberreich mit Stuelfiguren verziert; tanzende Nymphen, filchlchwiinziae Undiner und leichtaeschiirzte Bachantinnen tauchten aus uppigen Blätterranten und zierlichen Arabesken aus, safi zu weltlich fiir den ehemaligen Gesell lchaftzsaal einer oielsrommen, M würdigen Achtisssm s Jn der Fensternische stand unbe weglich eine schlante schwarze Gestalt, die Stirn an die Scheiben qepreszt - « Charlotte. Ich trat leise zu ihr und schlang den Arm um sie. Sie sah zu mir herunter; ich erschrak ——- was hat ten drei kurze Tage aus dem blühen tsen, schönen Mädchengesicht aemachtt kUm zehn Jahre schien sie aealtett, mit dem wachsbleichen Teint den blassen Lippen nnd den etloschenen Auges-. Sie sehte sich aus eine der aepolsterten divanartiaen Bänke, welche in den Fenstern-sehe standen, zog mich an sicki end behielt meine hand in det itzt-en ,.Mama ist mit Gerbatdt neben an«, sagte sie leise und deutete aus eine nur angelehnte Thür, »un( Joa chim’i Verhältnisse ordnen zu hel senx es lam so ein ganzer Wust von eiliaen Briesen. Es ist schrecklich, da liegt er kalt und bleich, und die Ueber lebenden müssen alle iene ———« Sie schwieg, als hätte sie schon zu viel ge sagt. »Du solltest hinübergehen, Maine-"« hörten wir Grtbnrdts tiefe Stimme, ,.es ist nichts siir Dich, in ienen Sachen dermnzusuebenx laß es mich all-in be soraen.« · «Nein!« erlliitte sie kurz, »ich mi sehen, wiezweit es — gekommen war »Mutter!« Es tlana so weich. «Das isi vergeben und vergessen, fett deuten « wir an das Gute, das ihm eigen war. an sein frisches, fröhliches Wesen, an die Verehrung, mit der er an seiner lMutter hing· Nicht wahrt« »Ich will nicht«, erwiderte sie, ohne seine Worte zu brachten, daß Du Sor gen hast seinetniegenz was mir sein Leichtsinn noch gelassen hat von mei nem Vermögen, steht Dir zu Gebote Gieb mir die Briefe.« »Ich danke Dir«. antwortete Ger hardt, »aber es würde einen zu gro ßen Theil Deiner Einkünfte hinweg nehrnen, es ist mehr als Du denkst." . Während mehrerer Minuten blieb es still dort, nur das Knittern von Papieren unterbrach das Schweigen, kann ein turzes, heftiges: »Was ist hast« j Und gleich daraus ein besehlendesn »Sieh mir die Briese zurück, ich! will Klarheit haben! -- Wechsel mit gefälschter --- - ?« . Die Stimme hrach bei den paar letzten Worten, daß es schreiend und undeutlich von den Wänden wieder hallte. Eine lange Pause entstand. «Weiß ein Mensch· Gerhardt. weiß ein Mensch davonf« sragte fie nun tonlos. »Mein-int- liehe Mutter. Noch an demieLben Morgen, als mir jener enorm-ne Brief zuging - Du weisttf ich aebe arundsiiylich nichts aus ans-s name Anschaldiaungem aber hier ta men Umstände hinzu. die mir leider diese Angaben nur zu wahr erscheinenl ließen. Jch nahm Joachim hierher sinds s aber las; es doch. Mutter, die Wech sel sind bereits in meinen Händen —-.« ..Weifit Du auch. Gethardt!« schriel sie geltend auf, «tveißt Du auch. daßl ich Gott danten muß auf den Knieen.« daß Er ihn hinaenommen? Daß noch teine Mutter so ungliictlich war wie ich? Allmächtiger Gott. ich danle Dir daß Du die Schande nicht hast offen tundia werden lassen! Und der ist mein Sohn netoesem den ich geliebt nnd gepfleat, aus den ich fo stolz warf Um den ich beinahe wahnsinnig wurde vor Schmerz, alo " das Letzte er starb in wimmerndem Schluchzen. »Er war jung, Mutter. verwöhnt, er hatte llngliick s- — es lornmt so leicht, daß -- ——« »Niemal5!« tief sie laut und schmerzlich »Es darf nicht lommen daß ein Mensch vergißt, was er sich toas er dem ehrlichen Namen seiner Eltern schuldig ist! Er ist ein Ent arteter gewesen« der Erste in der lan gen Reihe seiner Vorfahren, er hat Schande auf sie alle gebracht, er - O. Du glaubst es nicht, Gerhardt«, fuhr sie leliser und hastiger fort, »was ich fxir Llnast um ihn qehabtz meinst Du, ich hatte seit Jahren eine Nacht geschlafen vor Sorgen. wie ich seine Forderungen befriedigen sollte? Meinst Du, ich habe noch Steine in meinem Schinuethrsten?« — -- Sie lachte laut auf. »Nichts-! Und doch, und doch - ! Wie lam es mit dem Duell.20 fragte sie nach einer Pause· Gerhardt schwieg einen Moment. «Joachirn hat Robert befchnldigt«. begann er darauf, »er sei der Schrei ber eines anontnnen Briefes gewe sen. Robert wies die grobe Unschul digung zuritet und gab schließlich fein Ehrenwort worauf Joachim die Ach fein gezuckt hat. Die Folge war na türlich: Robert nannte ihn einen elen den Buben!« »Und Joachim forderte ihn?« un terbrach ihn Frau von Denn-hoff »Ja! —-— Etwas ur Besinnung ge kommen, versuchte obert. ganz gegen seine Grundsätze die Sache giit ich beizulegen, aber vergebens. Leider er fuhr ich zu spät davon. ich hätte sonst init Aufgebot aller Mittel das Duell zu verhindern gesucht. An Ort und Stelle haben Robert sowohl wie die Sekundanten noch einmal Alles ge than, um einen gütlichen Vergleich her beizuführen. den Joachim aber in ei ner Weise unmöglich machte, welche unter Kavalieren teine Wahl mehr ge stattet. Mit den Wortene «Gut denn. ich that das Mögliche«, fügte lich Ro bert und wurde im ersten Gange von Joachim leicht am Arme verwundet, nachdem er selbst absichtlich über deu» Siovt seines Gegners hinweg gelchossenl hatte. Jni zweiten Gange feuerte» Joachim, erbittert iiber die ihm bewie-; lene Schonung-, ohne das Kommando » abzuwarten, aber auch ohne Robert u » treffen, welcher lehr ruhig seine Waffe lhob, in der Absicht, den gefährlichen Gegner nur lo weit zu verwunden, um ihn unschädlich zu machen. Robert ist ein vortrefflicher Pistolenschsthe, laber in demselben Augenblick, als sein Schuß fiel, hatte Joachim einen Schritt zur Seite gethan und faul sofort zu Hoden-« »Gott bat ihn zur rechten Zeit hingenommen«, unterbrach di raueni stimme kalt, fast grausam. »ch will nun wissen, wie vie ich betzugeben habe, um ihm wenigstens vor der Zelt ein unbelcholtenes Andenken zu sichern. Was ich bellte- iteht zur Vertilgt-un Gerhardtx wir-werden uns einschrän ken, Ferra, Eharlotte und ich-» heute Abend erwarte ich Deinen Bericht.« Sie ltand pliiflich in der Saaler wieder hoch autzzerichtet und Stolz: sie sah uns nicht« hre Augen hingen an der Stelle, wo der Sarg gestanden; dann schritt sie hiniiber und begann eine Kerze nach der andern zu löschen; » ein bitteres Lächeln spielte dabei um! ihren Mund. .Lorbeeren!« sagte sie ironisch, «es ist Alles Liige im Leben, Alles «--« Angstdoll barg ich mich hinter der Gardine, während Charlotte regungs los verharrte. nur ihre Augen solgten l dein Thnn der Mutter· Aus einem Stuhle lagen Heim und Säbel des Verstorbenen; die duntle Fraumu sialt betrachtete düster sinnend »jene Ehrenzeistiem die den Sara des Ossiii ziere geschmückt hatten, dann qina plöhlich ein Wanken diirch die hohe Gestalt, iie sanl in die Knie vor jenem Stuhl und legte die Arme um den glänzenden Helm; Ioie liebtosend schmiegte sich ihre Lange an den tat ten Stahl, nnd ein bitterliches Weinen scholl durch das stille Gemach - er eoar ihr zweifaeh aesiorbenl Eharlotte zog mich leise und hastig hinaus. »Sie darf nicht wissen, dass Du sie gesehen hast, Lena.« Kommst Du nicht einmal zu Tante Cdith?' hat ich slehentltch. .Sobald ich mich start genna siihlex seht lasz mich'. erwiderte sie und he aann die Treppe in den unteren Stock hinabzusteigen .Willst Du in den Klostergarten?« seagte ich: sie nicktr. nnd so wander ten wir schweigend durch seine stil len Gänge, aber wie anders als sonst. Dann stand Charlotte plötzlich still und griss hastig mit beiden händen in das fast entlaubte Gebüsch. aus dem aleidnvohl noch zahllose späte Windenbliithen leuchteten, als müsse sie sich festhalten. Von jenseits der Mauer tlang eine frische Knabenstiw me herüber: Da flog ein wilder Falle Hoch Tiber mir dahin; Full. schaust Du meinen Liebsten, Saa« ihm, treu wiir’ mein Sinn. Wo Eichen steh’n und Vuchen, Da bliiht Wildroslein roth, Und soll ich Dich nicht lieben So ariim’ ich mich zu Tod« Da rollten auch über ihre War-gen die ersten schweren Thriinen. «Kornm’, bat sie, .ich will zn Tante Edith.« 11. Kapitel. Wochen waren vergangen und der November hielt seinen Cinzuq mit einem Mächtigen. großslockigenSchnee gestöber. das lustig um die alten hohen Bäume des Bartes wirbelte. Durch die kahlen Zweige tonnte man die wei ßen Mauern der Van schimmern se hen, und hinter ihr erhoben sich, wie ein unveränderlich-er grauer Hinter grund, die Berge; man hätte meinen tönnen, es steige hinter dem grauen Hause ein schwarzes Gewitter empor. Jm aiten Kloster sah es traurig aus«-; Tante Edith blieb wie im Schmerz erstarrt, und teine Liebto sung, teine Schmeichelworte schien sie zu bemerken; ich schmiegte mich zu weilen an sie. wie damals das Mis chen, als iie wähnte, am unglücklichsten zu sein. aber heute vermochte nicht ein mal ein Menschenkind ihr armes lranies Herz zu rühren; sie strich höchsten-i- einmal flüchtig iiber mein Haar. Seit einiger Zeit hatte sie zwar das Strickzeug wieder zur band ge nommen, aber sie besuchte weder ihre Armen und Kranken, noch mochte sie einen fremden Menschen sehen, und so tarn es denn, daß ich bei Wind und Wetter durch das schm ge Dorf schritt, in die iitten der rmen trat und mich allm blich gewöhnte, mit ihnen zu verkehren Gottlieb war rnein treuer Begleiter und fchiitzte rnich vor all u großer Un verschämtheit, denn no verstand ich es lange nicht, u beurtheilen, wie viel und was hel en tonnte Selbst ihren Kirchgang hatte Tante Edith eingestellt. »Gott tennt mich doch nicht!« sagte fie diifter und ftrich mit der Hand ihre weißen Haare zurück. Das war eine traurige Zeit und wie oft habe ich mich in mein Zimmer gefliichtet unds geweint vor lengft und Herzweb ; Von Gottlieb erfuhr ich erft nae j vielen Tagen, wie es Robert ergehe. und ein Entfesen ohne Gleichen packt mich, als er mir erzählte, dafz Robert ein-:e gerichtliche Strafe zu erdulden ha . j »O, nrein Gott!« rief ich, «er konnte »ja nichts dafür, er hat es nicht ge wollt.« »Ja freilich! Aber das ifi e al'«, erwiderte der alte Mann, »Den ta ift ani Abend des Sterbetages iri die Stadt gefahren Init Deren Gerhsrdt und hat fi feldft anfezeigt und — ja tvas wei ich es, tv e es da sugeht -·—-. hetr Berla hat ein halbes Jahr Festung betonte-um« Jch schrie entfth auf — ,.Er fi t im Ge"ngnifz, in einem kalten, d fieren erließ, ohne Licht, bei Wasser und Beodt« »Es ift nicht fo sfchlirnrm Fräulein chen, es ist nicht o fchlitnm«, beru ht te Gottiieh. »Er hat ein warmes . rnmer und darf spazieren gösäen und essen, toas er will; Gott be t, a ist m- ais-i im Zucht-mi- -.« »Weisk Tante und Clmklotte s W? »Die Frau Tante gewiß undi Fräulein Charlottchen wohl auch, sie reden nur nicht davonf· Arme Charlatiel Täglich nun frei zu einer bestimmten Stunde durch den Pakt und mit Ungeduld wartetei ich dann ain Fenster, bis ihre schlank schwarze Gestalt hinter der Bieaung des Weges hetvottratx sie ging so müde jetzt, und jedesmal. wenn ich sie sah. war es mir, als sei das seine Ge iicht noxti schmaler und durchsichtiger geworden. Und wenn sie inni. dann setzte sie sich zu Tantes Füßen und sprich von gleichgültigen Dingen, während ihr doch die leidenschiistlichste Klage aus den dlassen Lippen schwebte. Gerhardt schien ties beliirninert iider diese Veränderung; er theilte seine Zeit zwischen dein Geschäfte und der Schwester. Ost hielt sein leichter Wa gen vor dem Gitterthor, um sie und mich spazieren zu fahren; dann der mied er sorasiiltig den Weg einzu schlagen, dessen Wegweiser besagte: iach Föllerode 4 Meilen. Denn wußte er auch nicht genau, so ahnte er doch, daß Charlotte’s Trauertleider mehr einem süßen gestorbenen Glück als dem Bruder ereilten, und riihrend war der akasze, stattliche Mann in seiner nimsnermiiden Anfmertsanleit iiir das blasse, schöne Mädchen und die greisende Frau irn alten Kloster ,,Jch dante Ihnen Cousinec sagte er eines Tages zu mir; «Sie sind gut und freundlich zu charlotte Sie glauben nicht, wie glücklich es mich macht, dies zu wissen.« »O, ich lann ja gar nichts thun«.s llagie ich. »Sie thun schon genug; oder meinen Sie, ich hätte lein Auge dasiir, zu be merken, wie Sie Charlotte eine Blume bringen. ihr Geschichten aus Ihrer Heimatl) borplaudern, Tante jeden Wunsch an den Augen ablauschen oder ibr ein Liebling-geruht in der Mich bereiten’« »O. das iit doch selbstverständlich!« sagte ich, roth werdend; er hatte se warm gesprochen. »Ganz gewiß, Cousine. aber eg freut mich doch.« Auch Ferra war einmal zur Tante gekommen, um der »Unqliicllichen", wie sie sieb ausdrückte, einige theil nebmende Worte zu sagen. Sie er schien dliislich wie ausgetauscht ge gen früher, war don einer eleganten Sicherheit und dabei die überziirts liebste Mutter geworden, die man sich deuten konnte. Während sie sriii her sich in Klagen erging, waseaus dem Jungen werden sollte ohne jeg liches Vermögen, sprach sie jeyt mit einer wahren Begeisterung davon, wie gern der tleine Schelm Pserde habe und Kübe. und dasz ganz qetvisz ein tüchtiger Landtvirtb in ihm stecke. Und als ibn Gerhardt eines Tages aus den Arm hob und sragte: »Was will der Junge werden?" Da wurde des Kindes lachendes Ge sicht ernsthaft und es sagte sast ans dachtigt .Outel Gerhardt!« Ferra lachte überlaut ob aus Ver legenheit oder reude iiber des Kindes Antwort, war chwer zu unterscheiden; Gerbardt aber seßte den Knaben auf ·oie Erde und ein eigenthiimliches Lächeln spielte einen Moment über seine Züge Es war an einem schneeig-n No vembertage, als sie diesen ersten Be such im alten Kloster machte. Char lotte saß wieder zu Tastei Füßen Ispk Getbskdt Mk »Es-L Ists-chi oceir sur eme weiqnnmrsorsazerrung zu interessiren, die er zu veranstalten beabsichtigte: aber sie wehrte iur ab. »Nein, neik Gerhardt, lasz mich, ich mag ieine tchter und leine Freude schen, Magdalene iann Dir belien.« Jch hatte mir eben ein paar Stiihie in die Mitte des Zimmers gestellt. Garn darum geichiunqen, und gingsp es zu einem Knäuel auswiaelnd, nach Kinderart immer im Kreise um diei Stuhle berum. « »Ich will Ihnen helfen, Cousine", sagte Gerbardt, und im nächsten Au genblick hielt er das Garn aus den auseinanderqebreiteten Händen und sasz vor mir in einem Sessel. Er lächelte dabei, und selbst über Char lotte’s blasses Gesicht slog ein freund licher Schein, als ich, vor ihm stehend, ;tapser daraus los wickelte. Das ging sreilich noch einmal so schön als vor ber« aber dann war er nngeichickt und liest ein« e Sttshne sallen, und nun gab es e n Wirksal. »Ist saisen Sie sich in Geduld, cetter«, bat ich und beugte mich iiber das Garn; das Knäuel mußte wohl hundertmal durch gesteelt werden, und immer noch sass der Faden sest. »Mit Geduld und Zeit wird’s Maulbeerblatt zum Atlaitleid«, bemerkte Vetter Oerbardt sehne-nd als er mir ansah, daß ich ltib lich wurde; er saß auch so gemiitblich da bei. Ich siiblte, mir stieg das Blut zn Kons; «Geduld ist ein edel Kraut, wächst aber nicht in allen Gärten sagt Ebriitine«, eriliirte ich und riß unge duldig an dein Garn. »Dann muß es gepslanzt werden« bemerkte Gerbardt unerschiitterlich; »nur nicht so bestig, daß der Faden reißt!« Jch bog mich beschämt noch tiefer herunter, dabei hatte ich wohl den Eintritt Ferra s überhörtz ich sah erit aus als diese dicht neben Gerhardt ltand und ihre blitzenden Augen über rascht und befremdet von ihm zu mir flogen. »Das ist ja sehr allerliebsi und ge miithlich!« sagte sie gedehnt, eine Jdnlle a la Los Mama sitzt drüben und wartet sehnlichst, daß Du ihr ei nen Brief an ihren Rechtianpalt auf setzen sollst, nnd Du — —-— »Und ich habe das bereits besorgt!" ergänzte er, »und Mutter hat ihn schon langst zur Post geschickt. « Sie drehte ihm unwillig den Rücken Und wandte sich zu Tante Edith. »Liebe Tante, ich sprach Dich noch gar nicht seit jenem Unglückstage«, begann sie und legte einen Augen blick ihre schlanke, weiße hand auf den Arm der alten Dame, die eifrig strick te. Diese hielt mit der Arbeit inne und sah die schöne Frau wie fragend an. »Du mußt Dich nicht so furchtbar grämen, liebe Tante«. fuhr sie fort; »es ift ia sehr traurig, wir Alle sind ton dem Schlage noch ganz Fassungs los, der arme Robert zumal — Tante hatte schweigend ihr ctricks Jena hingelegt und war aufgestan den: »Ich weise schon Kind ich weifz schon nas Du willst, aber last mich, ich tann nicht davon reden.« ilnd im nächsten Augenblick war sie in ihr Schlaszimmer gegangen und der tleine Riegel schob sich vor die Thür. Himmel! Tante thut gerade, als lage ihr Zahn da drübenC knurrte Ferra e- nvfindlich. »Es ist ja, gelinde gesagt fürchterlich ietzt in Wendhufem tein Mensch redet ein vernünftiges Wort, Mama ift noch fturnmer und tölter wie je —— mein Gott es isi sa geradezu sündhaft, sich so gehen gu lassen als ob uns der Herr mit Joa ehim Alles Allei, genommen hötte.« Während dieses Vortrages wickelte ich ehen das legte Garn von Ger hardts Händen und sagte ihm ein freundliches; » »Dann samm »llebrigens G rhardt, es ist gut, dass ich Dich tressec sprach Ferra eis rig weiter und hielt ihn arn Aermel mit ihrer kleinen hand. .Da sagte mir meine Anna eben, Du habest ihr ge kündigt? Jch mußte laut lachen, aber die alberne Person sitzt und weint und betheuert, es sei doch so, der gnädiae Herr habe ihr gesagt, zum nächsten Termin sei sie entlassen. Was ist denn das siir ein lächerliches Mißverständ nisz?« lFortsetzung solgt.) - Ein Wunderwerk. Mit größerem Rechte als die «sieben Wunderwerte« des itliterthurnsi kann die neue hängebriicke über den Dud sonstroin, welche den Staat New Jer sey mit der Stadt New York verbin den wird, als ein solches bezeichnet werden. Jm Vergleich zu diesem «achten Weltwunder« schrumpst selbst jenes großartige Wert der Juge nieurstunsi, die von allen Besuchern der ostlichen Metropole angestaunte Brootlyner Brücke, an Bedeutung zu sammen. Seit Jahren ist die Dud sonbriicke geplant, die Aussiihrung aber immer wieder verschoben worden, bis seht endlich der Bau in Angris genommen wurde, um möglichst ras vollendet Zu werden. Die Kosten der neuen Brücke werden sich in runder Summe aus zehn Millionen Dollars belaufen, aber in ihrer Vollendung wird sie einen glänzenden Triumph des technischen Fortschrittes bilden. Sie wird einen ganz neuen Typ des Brückenbaues darstellen. Auf vier ge waltigen Thürmem halb Stein und halb Stahl, die sich vom Fundnment gegen 800 Fuß hoch erheben und in ihrem Aussehen an den berühmten Eifselturm in Paris erinnern, wer den die acht Riesentabel aus Stahl draht ruhen, die sich in graziöser Kur oe über den mächtigen Strom schwin gen nnd die beiden, 140 Fuß breiten Brückendecken mit stählernem Gitter werl tragen.» Die Brücke wird in Schienenwege für die eleltrischenStra szenbahnem Fahritraszen und Fuß piade eingetheilt sind, und hunderttau send Personen werden sie stündlich spassieren können, ohne das Gedränge entsteht. Der Fnßgdnger muß stramnr marschieren, wenn er in einer halben Stunde hinüber gelangen will. Wa gen mit Pserdegespnnn werden zwan zig Minuten, Trollehwagen siinszehn Minuten dazu gebrauchen. Bettle vards und Knnststraßen aus vier geo szen Counties in New Jersey und ans New York werden auf der Beiicte ans miinden. Jedes der Nabel vermag ein Gewicht von 40.000 Tonnen »in tra gen, wird zwei Fuß im Durchmesser haben nnd aus Mnriaden parallel lie gender (nicht zusammengewundener) Drähte bestehen -—· rasilien weist mindestens 22, 000 us feinem Boden einheimische Psia narten aus.