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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Nov. 4, 1910)
Kloster Wendhusen Roman von« W. Heimburg (7. FortsehungJ »Jeden Tag sah ich ihn mit einer wahren Todesangst scheiden, und ruhe los lies ich dann im hause umher. bis ich endlich wieder den geliebten Schritt hören und die Arme um ihn schlingen konnte, der mein Alles war. Kinder, in solchen Zeiten lernt man beten; Jhr glaubt es nicht, wie ein solches herz inniges, aus lauter Liebesangst her vorgegangenes Gebet die Seele stärkt und uns hinwegtragen hilft Tiber so manche unendlich bange Stunde.« »Aber —— will’s Gott, wer wendet’s? — sagt ein altes S richwort, und so kam denn jener ent esiiche Tag, an dem ich seinen Schritt nicht mehr hö ren konnte, weit-sie ihn in sein Haus trugen, todt und starrt« Sie schwieg wie erschöpft. Mir waren die Augen seucht ge worden nnd ich saßte unwilltiirlich nach Charlottes Hand. aber ihr Stuhl war leer und im Umhertasten beriihr e ich ihr weiches haar. Sie kniete vor Tante Edith’s Sessel und ein leises Schluchzen drang an mein Ohr. «Genug davon, weine nicht, Lott chen«, sprach Tante Edith weiter, »ich sagte es ja gleich, die Geschichte ist zu traurig siir so junges Voll, das noch nichts Schweres erlebt hat; bewahre Euch der Himmel davor! Freilich, Du, kleine Lena, Du weißt es auch schon, was es heißt, an einem Sarg zu ste hen und es doch nicht sassen zu tön nen, daß drinnen in diesem engen, schaueriichen Raume eines geiiebtens Menschen Antli? ruht, das uns nie wieder zuläche n soll, dessen lalterJ Mund kein Wort mehr spricht, daß» das, was unser ganzes, großes Glücki gewesen —- verloren ist, unwiderbring-s lich verloren.« ; »Und nun, nachdem sie ihn begraben trat das Leben mit all’ seinen unge-» stilrnen Forderungen in meine tiefes Witttventrauer. Jch mußte ja sorgen siir mein Kind, und diese Sorgen was ten drückend schwer. Meine lächerlich kleine Pension reichte ja nicht einmal fiir unsere Bedürfnisse, aeschweiae iiir die Erziehung Robert-. Mein Mann hatte, als wir uns verheiratheten, in stolzem Selbstgeniigen meinem Bruder geschrieben. daß er auf jede Mitgift seiner Frau verzichte. Nun ußte ich in bestimmter Frist das orithanH räumen und wußte nicht. wohin mit meinem Kinde, wußte nicht einmal, wo ich mir Rath holen tonnte.« »Da, es war ungefähr vier Tage vorher, ehe ich das alte, traute Haus verlassen sollte. brach in der Nacht Feuer aus — nie vergesse ich diese Nacht! Jch erwachte von einem Schrei, so grausig, so marlerschiitternd, daß ich förmlich entsetzt emportaumelie: wenn ich an diesen Schrei denke, so iiihle ich immer wieder, wie mir eis eisialtez Grauen durch die Adern rinnt; in demselben Moment wurde an meine Fensterladen gedacht und die Stimme eines Jäaerburschen schrie: »FeUer! Feuerl« Und als ich die Laden ausstieß, leuchtete mir aluth rather Schein entqeaem driiben stand eine Scheune in hellen Flammen.« »So recht weiß ich nicht mehr, was ich that; Robert aus dem Bette reißen und ihn in seine Kleider hüllen, war das Erste. Dann suchte ich mecha nisch umher nach allerlei Dingen, die ich mitnehmen, rerren wol-re; ais ich später entdeckte, was ich eigentlich da zusammengerasft hatte. mußte «ich lächeln; und doch, ich tonnte mir gar nichts Lieberes gerettet haben: es war die Schachtel mit meinem rautkranz, der kleine Kinderschuh u d meines Mannes silberner Hirschsänger, nebst einem Paar silberner Löffel und et was Wäsche. Und als ich dann mit meinem Kinde und einem Bündelchen in der hand unter den dunklen Bäu men stand und wie geistesabwesend in die hohe Gluth starrte, da erschien mir Alles wie ein wilder, wüster Traum. Jch erinnere mich noch, daß eine Menge Leute aus den umliegen den Diirfern umherstanden, aber sie riihrten weder Hand noch Fuß, um zu retten, es war eben 1848. Einen der Förster wollten sie ins Feuer werfen; ich hörte das Gebrüll der truntenen Menge, sah, wie sie mit ihm rangen; sie warfen aus den Fenstern des Hau ses, was drinnen war; Stück fiir Stück meines einfachen Haushaltes, an deren jedes sich eine süße Erinne rung knüpfte, flog heraus, zertrüm mert oder um von der Menge demo tirt zu werden« Es war eine so wüste, Xeniseyliche Szene, beleuchtet von der rothen Gluth des Feuers, die nun auch die mächtigen alten Eichen er griffen hatte, welche unser Haus um standen. Gott sei Dant gelang es noch, das alte, liebe Wohnhaus zu er halten« »Robert hielt mich angstvoll um tlammert und die alte Diana, meines Mannes Liebling, en prächtiger hüb nerhund, stand neben mir mit leisem Getnurr. Da hörte ich meinen Na men rufen und wie mit tausendstim niigem Geheul wurde beigestimmt; ich -·wuszte, sie wollten mich suchen, und «se t kam Leben in mich. voll namen lo en Entsesens zog ich den Knaben Mit mir fort und floh. Wie-weit ich Ist-innrem ehe ich erschöpft nieder fant, ich weiß es nicht mehr, es war am Rande eines Fabrweges und eben tam ein Wagen daher; i rief ihn an, und als er hielt, ertan te ich den Pfarrer eines benachbarten Dorfes. Der alte Herr erfchral, als er mich fah. »Es brennt in der Oberfitrftereil'« fagte ich noch mit Aufbietung aller Kräfte, als ich mit Robert im Wagen faß. »Schufte, verfluchte!« murmelte er, dann fragte er, wohin er mich fahren solle?« ! »Nach Wendhufen, fagte ich mecha-. nifch, fchon halb im Fieber. Jch dachte, daß, wenn es auch weiter nichts mehr, doch immer mein Vater-J ybaus fei; und injenen Augenblickenf fder Aufregung hatte ich Alles verges-! sen, was mich von ihm trennte. Esf iwar tief in der Nacht, als wir hierl zantamen, und die Glocke der Pforte Itönte mir in den Ohren, wie ein TSterbeglöclleim dann bufchten Lichter bin und ber, die große Tbür im Arb Htiffinnenhaufe öffnete sich und mein Bruder, der in diefen unruhigen Zei ten wohl eine alarmirende Nachricht vermuthete, ftand, gefolgt von einiger Dienerfchaft, auf der Freitreppe. Jch fielt mich an dem Eifenlnopf des Ge änders und fah ihm in die Augen; er ftutzte« als er mich erblickte; einen Mo ment flog es iiber fein Gesicht wie hätte, aber dann lam der alte Zug oon Güte und Milde, der doch fein ureigenftes Wefen war, zum Durch bruch.« Gieb mir ein Obdach, Werner, mir und meinem Kinde,« bat ich, so mo noton, als wäre es etwas Eingelern tes, denn mein Denken war schwach und die Zunge versagte mir. »Sie haben mir das Haus über dem Kopfe angezündet und ich bin tranl.« Da faßte er mich in seine Arme, weil ich wanlte, und trug mich in das Haus, und dann schwand mir die Besin nung.« »Lange bin ich damals kranl gewe sen, lange und schwer; ich habe ab solut keine Erinnerung mehr davon, nur des Tages erinnere ich mich, als ich zum ersten Mal wieder im Bette hoch saß — es war in jenem Schlaf zimmer dort —- und mich besann aus alle die grausamen Einzelheiten, die mich betroffen hatten. Gottlieb’g Frau pflegte mich und durch sie er fuhr ich, daß ich dem Tode nahe ge wesen sei-« Es war ein trauriges Etwachen, und früher habe ich mir ost, so oft gewünscht, daß ich damals gestorben wäre. Das Berhältniß zu Deinen Eltern, Lottchen, blieb ein gespanntes, ja seindseliges, obgleich ich versuchte, mich ihnen zu nähern, und selbst De miithigungen nicht scheute; meinen Robert aber hatten sie mir genommen, er solle mit Gerhardt und Joachim er zogen werben. Mir ward diese Woh nung angewiesen, und eines Tages lam mein Bruder zu mir, das einzige Mal in den vielen Jahen, um mir zu sagen, daß er das einst von mei nem Manne verschmähte Kapital für mich und meinen Sohn verzinsen wolle, daß ich aber versprechen müsse, mich nicht in die Erziehungs-Angele genheiten meines Kindes zu mischen, da er bezweifle, daß ich diese zu leiten verstehe.« »Was sollte ich thun? Mir blieb keine Wahl! Hinaus gehen aus dem Hause, das mir wenigstens ein Dach über dem Haupte bot, mit meinem Knaben, das durfte ich nicht, denn ich hätte nicht fiir unsern Unterhalt sor gen können; ich kränkelte damals fort während, und ein Wunder war es nicht. So lebte ich denn ein Leben hin, diister und einsam, jedes Licht schimmers entbehrend, denn auch mein einziges Glück, mein Kind, drohte mir verloren zu gehen. Wenn ich die ju belnden Kinderstimmen hörte, die von dem verlassenen Korridor zu mir her aufschallten, dann klopfte mein Herz in Erwartung und sieberhafter Auf regung, aber wie hundertmal wartete ich vergebens. Tagelang sah ich ihn nicht« und wenn einmal draußen zö gernde Schritte erklangen und ich vor Freude zitternd durchs Zimmer lies, um die Thrii zu öffnen, dann stand mein kleiner Sohn scheu und sast trotzig vor mit und liesz sich meine Liebkofungen nur mit sichtlichem Wi derstreben gefallen. Das war mein frifcher, herziger Junge nicht mehr« der einst mit so stürmischer Zärtlich keit an meinem halfe gehangen!« »Robertt« bat ich mitunter, fast auf den Knieen vor dem Jungen liegend, »hast Du denn Deine Mama gar nicht mehr lieb? hast Du denn ver gessen, toie schön es war, wenn wir Abends in den Wald gingen, dem Papa entgegen, und wir sahen Rehe, und ich ftocht Dir einen Kranz für Deinen Hatt-Sag doch, besinnst Du Dich nicht mehr darauf?« Dann nickte er wohl und einen Augenblick flog ein freundlicher Schimmer itber sein-trotzi ges Gesichtchen. »Aber hier ift’ö doch besser,« antwortete er gewöhnlich. Jch bat ihn,«er möge doch bald wieder totnmen;; ich begann, ihm von seinem Vater zu erzählen, wie gut und brav er gewesen —- er hörte kaum auf Das, was ich sagte, und trippelte vor Unge duld von einer Stelle zur andern. »Aber, Robert!« rief ich fast verzwei felt, hast Du denn gar lein Mitleid mit mir, daß ich immer so allein sein muß?« Dann sah er mir mit einem lindisch gleichgültigen Blick in die Augen und schüttelte trohig den Krauskopf, und wenn ich weinte, so lief er eilends davon und kam erst dann einmal wieder, wenn ich, es vor Weh und Sehnsucht nicht mehr aus haltend, Gottlieb absondte, und es ihm gelang, den Jungen durch allerlei kleine Künste und Verfprechungen zu mir zu locken »Was habe ich damals fiir Zeiten durchlebt in der Angst um die Ent wickelung und den Charakter meines Kindes, und doch nicht helfen zu tön nen! Dazu hörte ich über ihn tlagen, als einen zänlischen, herrschsüchtigen Buben, und Joachim’s zeterndes Ge schrei bewies mir oft genug, daß sich die beiden so feindlich gesinnten Jun gen rauften. Eines Tages hörte ich auch wieder im Vorsaal des Aebtis sinnenhauses das laute Wehgeschrei Joachim’s und Rodert’s zornige Aus rufet »Abscheulicher Junge Du! Wart’, ich will Dir heimlornmenl« drangen deutlich bis hierher in mein stilles Zimmer. Zuerst blieb ich ruhig sitzen, dann, als der Tumult großer wurde, ließ ich meine Arbeit liegen und flog den Korridor entlang; auf den Stufen, die dort unten den langen Gang abschließen, lagen die beiden Knaben im wilthendsten Ringen, und das Wachtelhündchen Gerhardt’s saß mit emporgehobener Borderpsote da neben und heulte jämmerlich; Robert aber war mit Fäusten und Tritten iiber den brüllenden Joachim her und verbläute ihn weidlich. Jch zog den kleinen Wütherich zurück, da stieß er wild um sich und mit zornrothem Ge sicht wandte er sich zu mir: »Er hat den Hund gequält!« schrie er wüthend. »Ich muß ihn prügeln, den schwarzen Duckmäuser!« Es war vergeblich, ihn zu halten; da trat aus dem Biblio thetszimmer Deine Mutter heraus, Charlotte, und wir standen Uns plötz lich gegenüber, das erste Mal seit mei ner Flucht, aber auch das letzte Mal; selbst nicht am Sarge Deines Vaters haben wir uns die Hände gereicht. Wir starrten uns Beide voll Schrecken an, iiber ihr einst so blühendes Ge sicht waren die wenigen Jahre nicht schonungsvoll dahingezogem und sie erkannte mich wohl auch taum, denn aus mir war ein sriihzeitig verbliih tes, arg vergrämtes Weib geworden; mein Spiegel sagte es mir alle Tage. So standen wir uns gegenüber, in dem dämmerigen Vorsaal, und zwischen uns rangen die Kinder, jetzt aber in stummer Wuth.« »Dann tam Leben in die Gestalt Deiner Mutter; sie riß jäh meinen Knaben empor und ihre Hand erhob sich zum Schlage, er sah trotzig zu ihr aus; da stieß sie ihn hastig zurück und rüttelte wild ihr eigen Fleisch und Blut, Alles lautlos mit festgeschlosse nen Livven.« »Ich griff nun auch nach meinem Kinde und zog es zu mir, es stra fend anzusehen, aber im Nu hatte sich der Junge losgerissen, und die Arme um Deine Mutter schlingend, barg er den Kon in ihren Kleidern —." »Da stand ich, entsetzt und rathlos! Ueber das Gesicht meiner Schwiigerin flog ein Lächeln, das ging mir durch und durch. Es war nicht schadenfroh —- o nein, es war ein beglücktes, ein löstliches Lächeln, das ihr kaltes Ge sicht wunderbar verschönte —. Jch aber wandte mich und schritt in mein Zimmer, und dort lag ich elender wie ich je gewesen; meines Kindes Herz glaubte ich verloren!« »Und so lebte ich lange, lange fort, an nichts mehr Freude habend, an nichts mehr einen Halt. Die Kinder wuchsen empor, Du wurdest geboren, Lottchen; Gerhardt und Robert bezog gen das Gymnasium in B. und nur selten kam eine Nachricht von ihm; Joachim war im Kadettenlorps, und sie verbrachten die Fetien hier, dann brach der alte hasz zwischen den Bei den auss Neue hervor.« »Jn jener Zeit habe ich mir denn den Namen »Katzentante« erworben, Du wolltest es ja so gern wissen, Lena. Jch war gerade an einem Tage, dem Todestage meines Man nes, so recht zum Bewußtsein meines unglücklichen Lebens gekommen; in meiner Verzweiflung hatte ich mich hinausgefliichtet ins Freie und saß am Waldesrand; ich fragte unzählige Mal, warum ließ der herr mir all’ das Leid geschehen? Jn meiner ba maligen Gemüthsstimmung quälten mich böse Zweifel an einen guten und gerechten Gott, ja überhaupt an der Existenz eines Gottes, ich war recht schlecht geworden in meinem Jammer. Jch fürchtete mich vor mir selbst und hatte doch nicht die Macht, anders zu denken und besser; mein Geist war wie gelähmt,. nur meinen Schmerz fühlte ich noch, meine Verlassenheit, und da —- es tlingt lächerlich heute, und doch danke ich dem lieben Gott so innig —, wie ich so dasaß und in die grünen Zweige schaute mit bren nenden Augen und an den Mann dachte, den niin der Tod, an das heiß geliebte Kind, daß das Leben mir ge nommen, und wie ich so mutterseelen allein sei aus der weiten, weiten Welt, da griff etwas an mein Kleid und trallte sich empor, und als ich er schrocken niedersehe, da sitzt mir ein kleines, weißes, hungermageres Katz chen auf dem Schoß, sieht mich an mit seinen klugen Augen und sagt kläg-» lich: Miau! Und dann fängt es an zu spielen mit den Fransen meines Tu ches, so anmuthig und zierlich, daß ich» einen Augenblick im Zuschauen Alless vergaß, was mich bedrückte. Jch nahm es in meine Hände und strei chelte es, und eine schier tindische Freude, wie ich sie gar nicht beschreiben lann, kam iiber mich bei dem Spiele mit dem Thierchen.« »Ich erdrückte es beinahe in mei ner Zärtlichkeit, und daß es sich nicht vor mir fürchtete, nicht davonlief, rührte mich tief. Freilich, als ich mich zu Hause mit ihm satt gespielt hatte und es nun im Fenster saß und sich zierlich putzte, da trieb mir das Bewußtsein, daß ein unvernünftige-« Thier mein ganzes Glück und Freude ausmache, und wie arm ich doch sei, die bitteren Thränen in die Augen; und doch, mir ward das zutrauliche Thierchen so lieb wie eine Freun din —.« »Seht, das· Alles smd die Pach Q gelt, wir Beide verstehen uns-im sprach sie schmeichelnd zu der Katze, die längst wieder auf der Lehne ihre-» Stuhles saß. s »Es hat Alles ein Ende in dieser! Welt Kinder«, fuhr sie dann fort, ale Charlotte still weinte und ich mir» vornahm, die Katzen viel besser zu be-: handeln, alg bisher, »auch jene schreck-; liche Zeit; ich habe meinen Jungen! wiedergefunden, mit Leib und Seele ist er wieder mein Kind geworden; Gott sei gelobt, der mein heißes Fle hen erhört hat. Da liegt Alles hin ter uns, weit, weit; und heute Abend tausche ich mit keinem König in der "Welt!« »Nicht wahr, Tantchen?« fragte Charlotte leise. ,,,Damals als Ro bert so schwer am Typhus erlrantte, da — »Da hat er seine Mutter erkennest gelernt, Lottchen, ja; aber ich mußte doch erst kämpfen um ihn, denn Deine Mutter wollte ihn pflegen; man hatte ihn bereits in ein Zimmer drüben ge bracht, und wenn nicht der alte, ver ständige Arzt ein Machtwort sprach —- — aber lassen wir das-; der Tag, als er zuerst wieder Mutter, liebe Mutter! sagte, und heute, das sind» gesegnete Tagel« Charlotte’5 leises Weinen war ver stummt. ; »Mama wollte ihn PflegenZU fragte sie ungläubig· »O, liebes Tante, da irrst Du Dich, sie hat sol che Angst vor ansteckenden Krankhei ten-« »Ich irre mich nicht, Kind« erwi derte Tante Edith bestimmt und fest. »Aber ich verstehe nicht.« fragte Charlotte fast aufgeregt, »Du sagtest doch vorhin, sie habe ihn damals nicht geschlagen, und jetzt, sie habe ihn pflegen wollen, und ich weiß doch be stimmt, daß Mama Robert nicht —« »Siehft Du2 Da hast Du nun das ganze Köpfchen voller Zweifel,« un terbrach Tante. »Du weißt, daß Deine Mama Robert kalt, fast schroff behandelt, daß sie kaum Notiz von ihm nimmt, ja, noch mehr, daß sie es garn icht gern hat, wenn et hier ist. Und nun erzähle ich Dir, daß sie ihn pflegen wollte? Das paßt nicht zusammen, gelt? Laß nur gut fein, Charlotte, und denke nicht darüber nach, es würde nichts nützen, denn eJ ist eines der Räthsel, wie sie oftmals im Frauenberzen wohnen —- wer er gründet sie?« Charlotte schwieg; es war still ge worden in dem Zimmer-; einsörmig tickte die Uhr und in der Asche des Kamins erglühten die letzten Kohlen; gleich feurigen Augen suntelten sie und warfen eine leise Helle in ihren nächsten Umkreis, und in diesem un gewissen Schimmer sah ich, wie sich Charlotte’s Kopf plötzlich von Tantes Schoß emporrichtete und sich nach dem Fenster wandte, als lausche sie; dann beugte sie sich zu Tante Edith herüber, ich hörte einen Kuß und ein zärtliches »gute Nacht« und im nächsten Mo ment fiel die Zimmerthür hinter ihr ins Schloß. »Charlotte! Charlotte!" rief Tante ihr nach, aber sie hörte nicht mehr. »Was hatte das wunderliche Kind nur·i« fragte sie leise. Wieder wurde «es still, und ich sah im Geiste noch seinmal alle sjene Bilder an mir vor !ii·berziehen, die Tante soeben mit we nigen Strichen gezeichnet hatte. »Arme, arme Tante!« dachte ich, während meine Hände ganz gedan kenlos Reisig aus die verglühenden Kohlen legten; dann schmiegte ich mich an Tantes Kniee. Jhre Finger glit ten leise durch mein Haar und stri chen über mein Gesicht, ich hielt sie fest und wollte sie küssen — da slog die Thür aus und.eine krästge Män nerstimme scholl ins Zimmer: ,,Guten Abend, mein gutes, mein geliebtes Mütterchen!« -Jm Augenblick war ich aus den Füßen nud an meiner Seite kniete Jemand, den ich nicht zu erkennen oermochtr. ’ »Robert! Robert! Da bist Du schon?" ries sie. »Mein Junge! Mein alter goldiger Einziger!« Scheu wollte ich mich zurückziehen ! um das Wiedersehen nicht zu störenl zwischen Mutter und Sohn, da lo derte das dürre Reisig im Kamin hell auf und die spielenden Flammen zeigten mir einen großen bildschöuen Mann mit krausen, dunllen Haaren, dessen Augen sreudestrahlend aus Tantes Gesicht ruhten; er war ausge standen und hielt sie nun in seinen Armen. Jch war mitten im Zimmer stehen geblieben und meine Blicke hin gen wie gebannt an seiner stattlicheu Erscheinung, denn —- dort am ober sten Knopf seines grünen Jägerrocke5, da schwebte wie verloren an einem einzigen Fädchen eine blaßblaue Schleife, die doch ganz gewiß nicht dahin gehörte, und diese Schleife — ja, die hatte noch vor einein ganz kleinen Weilchen in Charlotte’s blondem Haar gesessen — war ich denn nur verzaubert? Leise schlich ich mich hinweg, noch immer ganz bestürzt iiber das, was ich da im flaclernden Kaminseuer ge sehen. Auf einmal aber war es mir, als ob Jemand mir leise ins Ohr sang: Mein Schatz, der ist ein Jäger, Den lieb’ ich tausend mal! »O Lena, Du dummes Ding!" flüsterte ich halblaut, »was hast Du denn bis jetzt voti Liebe gewußt?« Jch preßte die Hände vor meine Augen; es war mir, als habe sich ein Vorhang, von dessen Dasein ich bis« jetzt keine Ahnung gehabt, ein kleinl wenig gehoben und ich habe da etwagf Wundervolles, Köstlicheg gesehen, als« sei ein Rosenduft hervorgequollen, den ich wirklich zu spüren meinte: Jch weiß nicht, wie eg kam, aber plötzlich stürzten mir brennende Thränen aus den Augen und ein nie gekannteg, heißes- Neidgesiihl stieg in mir auf. — O« Du glückliche Charlotte! Als ich im Laufe des Abends mit Tante und meinem neuen Vetter bei Tische saß und seine freundlichen Worte in mein Ohr klangen —- wir hatten merkwürdig rasch Freund schaft geschlossen —da streiften meine Augen flüchtig den obersten Knopf seines Rates-, aber die Stelle war leer. Und als Tante von Charlotte anfing zu plaudern und bedauerte, daß er nicht ein paar Minuten früher ge kommen sei, weil er sie dann noch ge troffen haben würde, da wurde er roth und schwieg. O, Vetter Robert, wenn Du wüß test, was ich gemerkt habe! »Mutter,« fragte Robert plötzlich, und seine gebräunte, kräftige Hand legte sich auf die kinderkleine meiner! Tante, ,,wohnt Joachim drüben in der Villa oder hier?« »Hier, so viel ich weiß,« erwiderte. Tante Edith und sah mit einem bei nahe ängstlichen Gesichtsausdruck ih ren Sohn an. »Ich wollte, er wäre drüben ge blieben,« sagte dieser, und auf seiner Stirn zog sich nun eine tiefe Falte. »Nicht wahr, Robert,« bat Tante flehentlich, »Du wirst — —« »Ich gehe ihm aus dem Wege, Mutter, ich habe ja gar nichts mit ihm zu thun; mich dauert nur Get hardt. Der junge Herr sin diesmal so gründlich in der Patfche, daß an ein Heraustommen kaum zu denken sein wird, trotzdem Ferra verzweifelte Anstrengungen macht, ihn unter die »Haube zu bringen. Er ift ein ganz leichtsinniger Patron geworden, der schöne Joachimf »Ach, mein Gott, der arme Ger hardt!« seufzte Tante Edith. Robert zuckte die Schultern. : »Nu: Tante Therese hält ihm noch die Stange und Ferra, sonst wäre er wohl längst drüben. Er ist Niemand mehr schuldig als Herrn Jedermann, wie der alte Gottlieb sagen würde. Aber lassen wir ihn, das sind uner quickliche Geschichten. Wann besuchst Du mich denn einmal, Mutter?« setzte er fragend hinzu und sah liebevoll in die Augen der alten Dame. »Fölke rode läßt Dich grüßen, und Du möch test nur kommen, das alte Haus kennt Dich noch gar so gut.« 8. An Schlaer war kaum zu denken in jener Nacht. Es war ein Lär men in dem alten Hause, daß man meinen konnte, die ganze wilde Jagd sei von den nahen Harzbergen her übergekoinmen und ftiirme durch die hallenden Korridore. Thüren wurden geschlagen, Befehle ertheilt und so laute Gespräche geführt, daß es fast schien, als stritten sie sich draußen auf Tod und Leben. Geschäftige Diener fiisze eilten hin und her, Gepäclstiicke wurden herausgeschleppt, und über alle anderen Stimmen tönte besehls haberifch und laut eine etwas heisere Männerftimme. Auch Gerhardt’s tie fes klares Organ meinte ich zu hören, obgleich nur in gedämpftem Tone. Einzelne Ausrufe wie: ,,"5amose BesktzungI Unorme Bäume! Donnertoetter, eine lapitale Bestie! Kuschl Wie wär’s noch mit einem Stat?« bestätigen, daß Joachim und seine Gäste ihren Einzug gehal ten. Selbst als die Herren aus dem Korridor in ihr Zimmer gegangen waren, drang mitunter noch lautes Gelächter und Sprechen zu uns her über. Auch im Wohnzimmer saßen Tante und Robert noch miteinander auf dem Sopha; ich hatte mich früh zurückge zogen, sie mochten sich so viel zu er zählen haben; erst spät hörte ich sie ihr Lager aufsuchen. Verworrene Träume, aus denen ich oft auf schreckte, wiegten mich für ein paar lurze Stunden ein, und in diesen Träumen sah ich ein kleines Wesen im bräutlichen Schleier durch den langen, dämmerigen Korridor schreiten; sse trug wunderbarer Weise einen bren nendrothen Malvenlranz, der untee dem Schleier hervorlugte, und als Brautgeleite wanderten Tantes Katzen paarweise hinterher. Dort unten an den Stufen aber stand Tante Therese aus der Villa, und auf ihren strengen Zügen lag ein wunder sam freundliches Lächeln. »Da kommt auch Robert mit Char lotte.« sagte sie, und als ich mich um wandte, sie zu sehen, da erwachte ich sFortsetzung folgt.) -———-.-.-———— Bei dem hülslosen Zustand unseres Heeres wäre für Europa, Südamerika und Japan die Gelegenheit günstig, sich gegen uns zu verbünden, meint eine Zeitung desJ Ostens-. Und was hätten die Leutchen davon? «- ss si Ein Richter in Pennsylvania machte einem Ehemann Vorwürfe darüber, daß er innerhalb fünf Wochen kein einziges Wort mit seiner Frau sprach. Doch vielleicht schwieg er nur aus Höflichkeit. Vielleicht wollte er seine Frau nicht unterbrechen. Il- sit II Wer die ganze Welt gegen sich hat, hat entweder völlig unrecht oder völlig recht. st- -t· III Wer nie im Gefecht war, hat es leicht, einen blanlen Schild zu haben. s e r r: »Na-mit Euer Vater·E1-s.«.t denn immpr von citiattdcr?J' km il lk n q: »Nein, nnd-: nnmcs.. Lssenn cmci von Uns- zwcten etwas ange stellt hat, prüaclt er uns beide. um sicher zu achenk «,