Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 04, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    c
Vie Bewilng
Novellette oon Auguste Groner.
Fast weinte Anna sich die Augen
aus, als ihr Vater starb « und sie
war um seinetwillen doch gezeichnet
dar den Augen der Menschen« hatte
sie doch von ihm die hiisz iche Gestalt
geerbt, wenn ihr Rücken auch nicht
ganz so unsörmlich gekrümmt war,
wie der seine. Dasiir aber hatte er
sie geliebt. so glühend und zärtlich,
toie nur ein Vater sein Kind lieben
kann. Und sie hatte neben dem häß-«
lichen Rücken doch auch andere Dinges
von ihm geerbt: sein warmes, sein-«
siiblendes Herz, seinen klugen undi
lebhaften - ist und dau von der;
längst» verstorbenen utter zweis
schöne, ratdselvolle Augen und ein?
weißes, zartes Gesicht voll süßers
Sanstmuth und überleuchtet bon«
einem unnennbaren Liebreiz. !
Nun stand sie allein. Wohl wars
sie durch das lleine Vermögen, dasstl
der Vater ibr binterlassen hatte, al
ler Soran enthoben, aber ihr Herz
war arm und so schätzte sie sich glück
lich-als der Onkel Hosratb kam, um
sie zu sich in sein Haus zu boten.
Jn der innigen Freude iiber die
derwandtschaitliche Wärme, die er
ihr entgeaenbrachte, hatte sie den er
schrockenen Blick gar nicht bemerkt,
der aus seinen Augen ihr reizendeö
Gesichtchen tras, und nicht bemertt,
daß dieser Blick wieder ruhig wurde,
als er iiber ihren verlriippelten Kör
per niedern-anderte. Ach nein! Anna
war keine Gesal,r siir seine Töchter,
dieses absonderliche Geschöpf. das vom
Halse aufwärts einer lieblichen Fee
abwärts einem Kobold glich.
Als Anna einige Wochen unter
ityren Verwandten gelebt hatte, er
losch in ihr das Gefühl. das sie siir
Hochachtung gehalten und das im
Grunde nur Scheu war. Scheu vor
dem Glanz in diesem Hause und
Scheu vor seinen eigenartigen Be
wohnen-t
Die vornehme Tante, deren feines
Benehmen nur so lange dorhielt, wie
sie Bewunderer dafür hatte, war we
der Mutter-, noch Gattin, noch Haus
frau in dem Sinne, wie Anna sich
alle diese höchsten Würden eines
Weibes dachte; nicht die Vertraute
und Beratberin ihrer Töchter, nicht
die Theilnebmerin der Leiden unt
keuden ihres Gatten, nicht die um
ichtiae, vilichttreue Lenieein ihres
Haushaltes.
Was war sie aber dann?
Eine Frau, wie viele. Eine Frau.
welche die eine Hälfte ihrer Zeit da
mit hinbrachte. zu studiren, wie sie
die andere hälste aus möglichst an
genehme Art todtschlagen tönne
eine Frau nach der Mode. Und wie
die Mutter. so waren auch die Töch
ter. Dabei fehlte den Frauen die-·
ser Familie der Kopf, urn die geisti
gen Nichttgleiten ihres Lebens we
nigstens mit scheinbarem Geiste zu
inscenieen. Um aber doeb zu fein
wie die anderen, lebten sie also nach
der Schablone und thaten, was be
währte Muster gethan. Das a
macht viel weniger Spaß als Mitbe.
Daher lain es. daß das bißchen gute
Laune der drei Damen Null für
Null au ina im Trot des müh
lamen odelebens und daß sie siik
ihr Daheim, siir das Leben in der
hiiuslielkteih nur Langweile und
Verdrossenheit eriibrigten.
An Arbeit dachte man in diesem
glänzenden Haufe nicht.; Pflichten
schien eg- da nicht zu geben. Niemand
forderte, niemand erwartete etwas
von dem anderen.
Anna, die stets an Thätigleit ge
wöhnt war, begann sich bald unbe
hagtich zu stählen in diesem Trubel
ewig geschaftigen Nichtothuns. Mit
rerletzendent Staunen schaute die
Hosriithin an der Gestalt des Mäd
chens nieder, als Anna sie nm die
Erlaubniß bat, in der Wirthschast
mithelfen zu dürfen. »Ich habe nicht-v
daaegem wenn dn eine Magd werden
willst«, sagte sie und las verdrieleicb
in dem Romane weiter, von dem sie
in der bevorstehenden Abenaesell
schast reden wollte.
Anna eilte sroh aus dem von ei
neni betäubenden Purfiini ersiillter
Bande-in darin die Eitelkeit wachtc
und die Langeweile brütetr. Sie
wollte helfen, wo es eben noth thäte.
Nun, es tbat überall noth. Die
Dienstleitte selber waren froh, sich
endlich unter einer Führung zu w
sen. Gerne gehorchten sie Anni1’s
Anordnungen, welche Bitten schienen
und Veseble waren, denen sich nie-—
mand wir-ersehen konnte.
Unvermertt tam ein anderer, bes
serer Zug nnd Ton in das Haus,
wenigstens in dessen unteren Regio
nen. Und Anna siihlte sich glücklich
Und znsrieden in dem Bewußt
sein, daß nun ihr Leben einen Zweck
hatte und dass sie aus einem Platze
stand, den sie ganz aussiilltr. Gerne
ließ sie es sich gesallen, das; sie an
den Empsanacabenden der Tante die
Folie ihrer Cousinen abgeben mußte
nnd das Aushiingeschild siir den Edel
muth ihrer Verwandten Auch that es
ihr schoa lange nicht mehr weh, wenn
·sie einem unbewachten Blick begegnete.
her ihrem armen Rücken galt, und
längst nicht mehr wohl, wenn sich ih
rem schönen Gesichte ein anderes be
wundernd entgegenneigte; wußte sie
ja doch, das-. sede Bewunderung, die
rast-I ihr sollte, st in Bedauern ver
Tor und daß jedes streicheln-seh das
cis-n she zuslttseeete, tn etnern lauten
oder-stillen Seuszer vertlang.
—
i Sie wußte auch. warum die Tante
Iden Schleier von der Lampe des
Theetiiches nahm, hinter welchem sie
ihres Amtes waltete. Er tte eben
»nur so viel Licht durchgela en, um
iihr schönes Gesicht zu beleuchten; bis
zu ihrer mißgebildeten Gestalt war
das Licht nicht gedrungen und eben
diese ninfite der Schwärmerei eini er
junger Herren Einhalt thun, die sich
noch allzuwenig mit Eleonore und
Rita beschäftigten.
Anna war sich völlig tlar über
ihre Lage nnd über die Wirkung
ihrer Person. Wohl stimmte es sie
zuweilen traurig dasz sie nicht war
wie andere junge Mädchen, daß man
sich ihr mit einer Zartheit näherte.
die an Mitleid gemahnte. Und an
Eines dachte sie ost: ob ihr de«
schönste Gewinn des Menschenlebens-.
die Liebe, versagt bleiben ·würde für
immer.
Sie ahnte, daß jedes Menschenherz
sich einmal der Liebe öffnen müsse
-- aber iie ahnte auch. daß ihr die»
Liebe nur Web und Schmerzen brin
gen könnte. So begann sie sich vor
der Liebe zu fürchten —-« während ihr
dieselbe doch schon zu tief im Herzen
teirnte.
Ein immer häufiger erscheinender
Gast im Hause ihres Ontels war ein
junger Musiker, eine reich veranlagte
K:instlernatur. ein tüchtig schaffender
Kopf, einer, den nicht alle verstanden»
welche die Musil nur mit den Ohren
hören. Wenigstens war es sicher, daß
ihn iin hosröthlichen Hause nur eine»
retsiand -- die schöne Buckligr.
Bevor jedoch einer seiner Gedanken
in Tönen vor ihr ausgetlungen war,
bevor er von ihr, die selber bedeutende
musikalische Begabung besas-» als
Knstier gewürdigt wurde, hatte er
als Mensch sich ihre ganze Seele zu
eigen genommen Zwar oerrieth sie
ihm durch keinen Blick, durch keinen
Zug ihres Gesichies ihr heimliches
Empfinden, das ein mitleidiger Blich
ein srkttisches Lächeln zur unerträg
lichen Pein siir sie gemacht hätte,
während es, gut verborgen, immerhin
ihrem Herzen wie eine Art ver
schwiegenenXGliiaes erschien . . . .
Dann war es an einem Sommer
abend.
Jin Hause wurde musiziri. Rikaå
tlingende Soprantöne suntelten wie
silberne Lichter aus dem dnntlen Alt
Eleonorens. Es war ein ergreifendeg
Lied. das die Schwestern sangen
die Klage um eine Blume, die der
Sturm gebrochen. Sie sangen es zum
ersten Male und der junge Komponist
welcher das Lied in Wort und Melo
die geschaffen, begleitete sie.
Anna erhob sich leise und ging in
den Garten hinaus. Ihr Herz hatte
gar zu hörbar gepocht und wider
Willen waren ihr die Thränen ge
kommen. Das Lied that ihr weh -
wie in letzter Zeit alles, was von ihm
kam, die Sprache seian Mundes und
seiner Augen wie die Sprache seiner
Kunst.
Sie für-biete etwas Unbestimmteg.
Das machte sie neroös. Und auch jetzt
erschrickt sie, als hinter ihr unter
raschen Tritten der seine Kies er
knirfcht. IZie wendet sich und er
steht vor ihr, an den sie denkt in
Tagen nnd Nächten. Leise hat er
ihren Namen gerusen. Sie lächelt -
ei- ist ein so höfliches Lächeln sast
scheint es, als möchte sie damit ein(
Schranke zwischen sich und der Ab
sicht errichten, die sie aus seinen be
wegten Zügen liest.
»War wein Lied denn gar so
schlecht -- daß Sie davonlausen
mußten?«
Da scheittelte sie erschrocken den
Kopf.
»So bin ich es selbst dem Sie ans
weichen. Weshalb thun Sie das,
Anna? Willen Sie denn nicht, das-,
ich Sie lieb habe?«'
Er sagte das mit so weicher, sanf
ter Stimme nnd beugte dabei mit so
innigem Blick sein Gesicht iiber das
ihre
Diesen Blick hat sie in ihren
Träumen gesehen, in ihnen diesen
Ton seiner Stimme gehört! Da ist
es alio nun, das Süßeste und Bit
terste in ihrem Leben! Da ist sie, die
Versuchung, die ihr das Herz um
schmeichelt und der sie dennoch nie
mals folgen will niemals! Jhr
Kops ist tiihl und gesund geblieben
über ihrem heißen, wunden Herzen.
Der da in schöner Jugendlichleit vor
ihr steht, das ist der letzte, an den sie
ihr armseliaes Persönchen leiten möch
te. ilnd nsiihrend sie ihm, in ihre bit
teren leidoollen Gedanken versunken,
regungslos in die-Augen starrt, spricht
er göttliche Liebesworte zu ihr. Sie
hört mit diirstender Seele zu, sie wird
ja durch ihr ganzes serneres Leben von
dieser Stunde zehren. Dabei aber dentt
sie auch an Jean Pauls Ausspruch:
»Das Weib liebt in einem fort, der
Mann hat dazwischen zu thun·« Die
ses vieldeutige »daztvischen zu thun ha
ben« schwebt ihr unablässig vor Au
gen. Was kommen mußte, unabänder
lich kommen, wenn sie der Versuchung
in dieser Stunde erliegen wiTrde
nein, das lonnte sie nicht ertragen.
Jhr Rü.len hat nichts mit ihrem
Herzen zm schaffen, sie möchte geliebt
sein« wie irgend ein tannenschlantes
Weib —- oder lieber einsam bleiben,
anstatt zwei Menschen elend machen
ihn und sich
Da athmet sie aus und streift sis
mit ihrer Hund« die sle aus der seiner
gewunden, das haar aus der Stip
Und mit ruhiger Stimme sagt« sie:
»Sie täuschen sieh über Jhr eigenes
Eint-finden und iiber das meine. Jm
Bewußtsein meiner Gebrechen wußtes
ich die Liebe stets sern von mir zu·
hatten. Und wenn es nicht so wäre.
so wiirde mir eine mitleidige Freund
schaft nicht genügen — denn etwas
anderes empfinden Sie nicht für mich
Und nun lassen Sie uns in das Hau-. i
gehen, ich habe zu thun.« 4
, Sie reichte ihm die Hand mit einem
warmen, lieben Blicke. Verwirrt und
Ischweiqend steht er -— und läßt sie
Lan sich voriibergehen
Bei der Abendtaiel lobt der Hof
rath die köstliche Mayvnnaise, welche
xAnna soeben ihrem stillen Gegenüber,
Ideni jungen Komponisten, reicht.
; Habe ich Fabrizirt. Onlell" lächelte
sie init dein heiteren, kusriedenen
sStolze einer gelebten Köchin.
’ Sinnend blickt der junge Mann ihr
»in die glänzenden Angen. Fa er
lniusz sich getäuscht haben, o lächelt
nmn nur, wenn das Herz ruhig ist
ganz ruhig.
» Heute verabschiedet er sich seither
als sonst. Gleich nach ihm entfernt
sich Anna. Sie hat zu thun. Niemand
staat nach ibr und nach beni, was sie
abruft. lind so weise es auch nie
niand, das-, sie in ihrem sinsteren
Zimmer var dem Lager in die Knie
bricht und unter bitterlichem Schluch
zen das Gesicht in beide Hände
drückt
Der gelehrte ceutnant
Novellette von A. v o n d e k P a u r a.
Nein, Langen, nein, aus Jhnen
wird nie ein Soldat werden. Trotz
Jhrer genauen Bekanntschaft mit al
len germanischen Gottheiten werden
Sie es bei uns- nie zu etwas bringen;
wenn Sie Dienst thun sollen, denken
Sie an Wotan, diesen vertoünschten
alten Kerl. und da kommt natürlich
nichts Gescheites heraus. Na bin
begierig, was Sie morgen wieder sür
Dummheiten machen werden« So ein
Manöver ist der Priiistein für einen
Soldaten, da kann Einer Geistesge
genwart und Schneidigkeit zeigen!
Sie freilich, Sie gelehrter Herr, ha
ben davon nicht viel auszuweisen
ttreuszombenl Wenn ich nur keine
Doktoren in Unisorm unter mir
hätte!«
Oberst A. that noch einen stillen
Fluch und ritt an der Front weiter.
Reserveleutnant Doktor Egon Lan
gen kaute an seinen Lippen. Ei ja, es
war hart, als alter Couleurstudent sich
deelei sagen lassen zu müssen — aber
ini Grunde hatte der Oberst Recht.
Dasz das morgige Manöoer, das in
einer ihm völlig unbekannten Gegend
abgehalten werden sollte, seinen krie
gerischen Ruhm wohl kaum befestigen
würde, davon war Lungen schon jetzt
überzeugt. So kehrte er denn recht
mißvergnügt in die Kaserne zurück
wr- ihn jedoch ein Brief erwartete, der
ihn weit über die Miseren der Gegen
wart erhob.
Ein großer deutscher Verlag hatte
sein Werk ,,Nordland«3 Götter« unter
schineichelhasten Bedingungen ange-«
nommen.
Arn nächsten Morgen sehen wir den
jungen Husarenleutnant hoch zu Rosse,
die weiße Binde über der Kappe vor
dem Häuflein Soldaten herziehen,
das ihrn zugetheilt worden. Den Plan
der Gegend in der Hand, kritzelte er
auf dessen Rückseite ein recht gelunge
nes Sonett, indeß sein Röszlein durch
den Hohlweg trabte, der sich vor der
kleinen Reiterschaar ausgethan. Lan
gen war in denkbar bester Stimmung
Sein Korporal störte ihn darin.
»Mit Verlaub, herr Leutnant, das
kann der rechte Weg nicht sein; du
achte ja immer hinunter und wir
sollten doch irgendwo hinauskoininen
auf die Höhe, wo die Kapelle steht.«
Langen hielt seinen Rothsuchs an.
»Hei- Gott! ja, wir sollten aus einen
Hiiael tommen, aber es giebt ja hier
leinen! Nu einerlei, die Hauvtrichs
tung haben wir doch einaehaltem
wenn es nur nicht so viele hohe Bäu
ine hier gäbe: oder wenn tvir wenig
siens jemand Ortstundigen beaegnetenk
Zum Kuckuck! Jn einer Viertelstunde
sollen wir dort sein« sonst besehen die
Geaner unsere Kapelle!«
»Wenn das noch lange so soriaeht
habe ich mich wieder einmal blamirt«,
tnnrmelte Lanaen in seinen hübschen
blonden Bart hinein. Da machte sein
Pferd einen Satz. Es hatte sich vor
dein Weißen gescheut, das plötzlich ans
Wearande austauchte. Dieses Weis-,
war ein dustiaeg Sommerkleid, dari«
eine hiibsche, junge Dame, verwirrt
mitten aus dem Wege stehen blieb
Lanaen hatte den Fuchs zurückqeris
sen nnd griff. salutirend, an dic
Kande. trinen Augenblick tämvften die
Artialeit und die Noth in ihm, dams
saate er. von dieser überwunden:
»Gnädiae-5 Fräulein, verzeihen Zie,
wie komme ich am raschesten zur Fia
velle, die jenseits dieser Gärten lieat2«
Die junge Dame war ertöthet aber
verwirrt war sie nicht mehr, sonst hät
ten ihre Augen nicht so schelmisch ge
blitzt.
»Ich habe es mit einem Feinde zu
thun·', sagte sie heiter, auf den
weißen Mii enstreisen des Fragers
schauend. » lber gleichviel. Sie spi
len zur rechten Zeit bei der Kapelle
fein. Folgen Sie mir« Sie trat
zurück, lies: das Parlvförtchcm aus
vem sie getreten war, osfen und
Leib-ritt rasch aus dem Kiesweae da
n.
Lanaen war vom Pferde gesprun
gen das er am Zügel sührte und
—
blieb dicht an der Seite seiner Füh
rerin.
Jhr hübsches Profil ftudirend be
gann er: »Sie sind ein Engel, gnä
diges Fräulein, aber auch Engel ha
den Namen, gleich uns Sterblichen.
Jch heiße zum Beispiel Langen
Egon Lungen, bin Doktor der Philo
sophie und nebstbei Leutnant der
Reserve. Dies aber nicht gerne. denn
lieber als mit Kriegsdienst irn Frieden
gebe ich mich rnit holden Sagenwesen
ak, mit jenen Himmlischem deren eine
auch Sie sind, welche bedrängten Ir
tiichen in Stunden der Noth erschei
nen, um ihnen hilfe zu spenden. Wie
nennt der Gerettete Sie, wenn er Ih
rer später in Dankbarkeit gedenkt?«
Rasch, fröhlich, übermüthig Und
jedenfalls sehr warmen Toneg batte
Lungen geredet. Da sah das Mäd
chen freundlich zu ihm aus und sprach
leise: »de heiße Marie —-« wie so
diele." ’
»Und sind doch einzig in Jhrers
Art.« i
»Und dieser Weg ist der einzige,s
welcher von hier in der lürzesten Zeit
zur Kapelle sührt«, unterbrach ihn
die junge Dame, zeigte aus eine Allee,
machte eine lleine Verbeugung und
verschwand in dem dichten Poe-lett
Langen konnte eben noch grüßen.
beitieg dann sein Pferd und ritt eine
Minute später mit seinen Leuten
aus dem Thore·
Ganze nahe vor ihm stand die Ka
pelle aus einer allerdings sehr be
scheidenen Anhöhe, die man wohl
nur in dieser sanft gewellten Land
schaft einen Hügel nennen konnte.
Warum lachte der Herr Leutnant
plötzlich ilaur aus? Er hatte, aus dem
Thore reitend, einen Blick aus das
weiße Täsetchen gethan, welches sich
an dem einen Flügel besand und den
Namen des Eigenthümers dieses
Grundstijckecs gelesen. Auch der Kor
poral und die übrige Mannschast
schmunxeltem als sie das Täselchen
beauaenscheinigt hatten - dann gingcss
in Eile aus das Ziel los und bald war
die Kapelle im Besitz des »Feindes«.
Nachdem der erste Coup gelungen
war, gelang auch alles Nachsolgende.
Langen war wie ausgewechselt Was
immer silr Angriise aus den von ihm
oltupirten Punkt begonnen wurden,
er schlug sie zurück, er war nicht aus
der Stellung zu bringen, ja. er wußt-.
auch noch eine wunderschöne alte Eiche
zu vertheidigen, aus welche es die Geg
ner abgesehen hatten und die« etwa
hundert Schritte von der Kapelle ent
lernt, einen noch weit besseren Aus
bliel aus die hübsche Villa gewährte.
die drüben am Straßenrande lag, an
deren hohem Gitterthor ein weißes
Täselchen blinlte und an derenThurm
senster zuweilen eine weißgetleidetc
Genau ekschikm vekm hübsch-e- ask-s
sichtchen der tapsere Leutnant mit sei:’
nem Fetdstecher sehr gut zu erkennen
vermochte.
Arn nächsten Abend gab es ein
Osiiierslränzchen, bei welchem sich
Laugen den Damen des Obersten in
aller Form vorstellen ließ. Der
Oberst lelbst besorgte das-, denn er
hielt seit gestern etwas von seinem
,,l-immlischen« Reserveleutnant, wie
er Laugen zu nennen liebte. Bei sel
diger Vorstellung machte er die Be
merkung, dasz sein Töchterlein nicht
so gleichmijthig aussah als sonst
und daß Lanqen in Damengesellschast
teineswegg zerstreut sei.
»Es ist gerade, als ob ihr Euch
schon ganz gut tennen würdet«, sagte
er, da sich vie Beiden mit ganz selt
iam vertraulichen Lächeln vor ein«
ander verneigten. Marie schwieg na
türlich oder es redeten doch nur ihre
Wangen, die sich in eine allerliebste
Gluth tauchten; Lanaen aber redete,
und zwar sehr deutlich und lief-, noch
viel mehr errathen, als er sprach.
,,Also solche Manöver machen Sie?«
sagte gutaelaunt der Oberst. »Na
einerlei, wag Sie zum Helden machte«,
ichmunzelte er; »gut gehalten haben
Sie sich jedenfalls und Geistes-sae
aenwart haben Sie auch bewiesen: ir
muß wohl oder iibel meine letzteStrnf
rede zuriietnehmen und Jhnen sagen,
daß ich Zufrieden bin mit Ihnen, Sie
,.Gd"ttertnann« .«
»Soweit zufrieden, Herr Oberst,
das: Sie mir die Pforten Jhres Hau.
fes öffnen werden?« waate der kühn
aewordene Leutnant zu fragen.
»Warum nicht? Warum sollen
Sie nicht als Freund kommen, i
Marie Jhnen sogar als Feind Ei:
tritt in unser Haus gewährte?«
An jenem Abend gab es minde
ftens zwei recht herzlich frohe Men
schen im Saale eine iunae Dame
die dem Himmel sehr nahe war, und
einen gelehrten Leutnant, der, an ib
rer Seite die »Himmlifchen« aanz
Vergessen hatte.
-—--.—-.
Ariosichtolos.
»Deine Eltern wollen Dich also zu
einer Vernunftheirath mit dem Gra
fen Reiherseld zwingen, Geliebte?! . ..
Dann fliehen wir!«
»Ehe Flucht ist aussichtlos, lieber
Hans! Mein Papa würde uns
im llnterseehoot verfolgen, der Graf
im lentbaren Luftschiff und meine
Mamo im Antomobil . .. !«
Anspielung.
Gast: »Pfui Teufel, wie schmeckt der
Meini«
Wirth: »Der Korlen wird wohl
nichts getaugt haben-"
Gast: ,,Vestimmt nicht! Wasserdicht
war er auf keinen Fant«
s « Ver Kanarienoagei.
Oumoresle aus dem Leben von J o s e s
Fi a i n z.
Der Kiinstler schrieb diesen anrü
santen Artikel gelegentlich einer unter
der Softzmarle »Mein erster Durch
sall'«, veranstalteten Rundsrage vor
vier Jahren.
Es il! gerade dreißig Jahre her, de.
betrat ich run: ersten Male die Bühne
des Leipziger Stadttheaters und fiel
durch. Dr. August Förster hatte eben
die Direktion übernommen und aus
Wien eine Menge ,,dramatisches Jung
oieli« —-- wie man zu sagen pflegt » —
mitgebracht, aus dessen Entwicklung er
große Hoffnungen setzte; darunter war
auch ich. Forster hatte die Absicht, mich
iu der Eröffnunagvorsieung den Fer
dinand in »Kerl-nie und Liebe« spielen
zu lasseu,-1lser sein guter Wille brach
sur- an meiner technischen Unbehol fen-j
heit und er nahm mir die Rolle schon
nach der dritten Probe wieder ab.
Dafür gab er mir dag Versprechen,
mich an einer weniger exponirlen
Stelle Zum ersten Male dem Leip
ziger Publitusn zu präsentiren Jch
sollte in einem seichteren Wasser
schwimmen lernen; das bekam uns
lxeiden iibel Der Edmond von Va
rennes, ein junger Advolat in »Ka
meraderie«, einem sünfattiaen Lust
spiel, das er aus dem Französischen
übersetzt hatte sollte mir die Gele
genheit geben, von einein festgeschlof
senen Ensemble umringt, vor dem
eFeinde zu erscheinen Das war ein
schwerer strategischer Fehler. Schiller
triiat Scribe will getragen werden,
Perrücke und syederhuh Uniiorm, De
aen und Neiterstiel machen Fiaurl
Der Gehrocl und der Cylinder sind
fiir einen jungen Anfänger imrner
gefährliche Reauisiten. Vesagter Eliock
tvar noch dazu nach dem neuester
Wiener Schnitt nach einer Mode, die
iu Leipzig völlia unbekannt war. Jet
batte Zwei solcher Röcke: einen gelben
und einen schwarzen. Mit dem gel
ben machte ich schon aus der Straße
tiialich Fäuste-. Enq um die Tailie
ichlieskend, sielen seine lanaen Set.ös3e
beinahe bist- aus die Kniichel nieder.
Ich sah darin aus wie ein wandeln
der Fabel-stift. und die liebe Straßen
jugend Leidsias gab mir aus meinem
Wege durclss die Stadt stets ein nicht
sehr ehrenvoll zu nennendes Geleite.
Aber auch Studenten und Zpießer
blieben stehen und sexirten« bei mei
nem Anblick und der anmutbiae säch
sische Valtsnnti iibte sich täglich an
dexn ,,langschwänzigen Kanarienvo
qe «.
Der schwarze Rock war von dem
selben Schnitt und mit ihm bekleidet
betrat ich eines Abends die damals
gerade besonders heiszen Bretter aus
dem Augustus-platz. Jn schreiendem
Widerspruch mit dem modischen
Kleide stand meine Haartracht Als
Aänstler glaubte ich das Recht aus
ungeliirzte Locken zu haben. Förster
lxatte mir lzwar schon energisch an
gedeutet, da ich nicht den Simson
darzustellen habe, aber erstens wagte
ich mich mit dem »Gelben« nicht recht
in einen Friseurladem und zweitens
batte ich meinen besonderen Ge
schmack. Und weil nun der junge
Advolai. den ich spielte, das sitt da
mals nach unerreichbare Alter von
achtiind«in«anzig Jahren hatte, so lies
ich mir einen dichten schwarzen Voll
bart in’s Gesicht kleben, und betrat so
ausgestattet den Salon der Madame
Sonntso ich weis-, nicht mehr, wie
sie heißt , einer geseierten Schön
heit von Geist und Temperament die
den um eine Deputirtenstelle aspirirens
den jungen Mann besonders bevor
zugi.
Meeresbrandungl Obrenbrausen wie
Meeresbrandunal Funten und Flocken
tanzten vor den Auan. Trarlene
Zunae, wie aepölelt; dann plötzlich
durch die Ilieeregbranduna und das
Ohrensausen ein Gelächter; jedenfalls
aus dem Zuschauer-rannte Dann ein
Gesiibl völliaer Blutleere und eine un
heimliche Scharsuna aller Sinne: und
dann eine leise Stimme aus den ersten
Partettreibem »Der Kanarienvogel ist
in die Tinte aesallen.« Ich war in der
Tinte! Wie die fünf Alte zu Ende
aingeu, weis: ich nicht: so zwischen
Traum und Nachtwaudeln, allenfalls
unterbrochen von Vödaaoaisch wobiae
meinten librenbelseidiaunaen meines
Tsireitorix Aber das weiß ich, ich babe
in jener Vorstellung »Haare gelassen«.
Ich tnerd’ es nie vergessen.
Am andern Abend stand ich wieder
ins. Parteer aanz hinten, wo die
übersprinaende Vriistuna des erstei:
Ranaes einen wohlthuenden Schatten
aus die Darunterstebenden warf, lau
ter nichtbeschiiftiate Kolleaen und Lei
dens-genossen So mancher unter ib
nen war schau vor mir ,,aerichtct«.
Man büllte sich mir und meinem De
but geaeuiiber in chrvaleregtes Schineis
aen. Aber der Sahn unseres ersten
Komikers - er aehörte nicht zu den
lssuaaairtem wir hatten uns bisher nur’
in der Däinmeruna dieses Stehvartcr-»
res kennen aelernt und die Namen
waren uns auch noch nicht allen ae-i
läusia dieser Sohn beariißte n: ichs
an diesem Abend besonders freundlich i
la waren Sie denn gestern
Abendfew Germanan scherzend er-.
miderte ich: »Ich habe mir die Haares
schneiden und den Weisheitezahnz
wadsen lassen.'« »Das ist schade«,
entaeanete der Ahnungölosr. »Ge-L
stern baben Sie viel versäumt Es«
ist wieder ein Neuer dran qewesen
da oben.« »So? Wer denn?« »Ich
W
weesk nicht, nsie ee hieß. Kunze oder
so was. Jch sage Ihnen, das wste
sowas siir Jlns Amüsement gewesen.
Ganz schwatz» gar keen Gesicht, nur
Haare; und ee ging wie’n Storch
anf’m Vogelbeiwi Mir ham köstlich
gelacht! Der reene Boomasfe!«
Betreten-es Schweigen eingesun.
»Schade, dasz ich nicht dabei wori«
Mein Kollege Ruh nur lnirschte zwi
schen den Zähnen hervor: ,,Rindvieh!«
»Ach Gott, nee!« sagte der Sohn des
Kcsmiters, »bla? ’n armes Luder!«
Erdtnndiq. «
Der Direktor einer Schule sieht, als
;ee«in einer Klasse der Geographiesiunde
)beiwohnt, daß der Globus seht be
siaubt ist. tfr tippt mit dem Finger
aus eine Stelle der Kugel nnd sagt
argerlrch: »Na hier liegt aber der
Staub zollhoch!"
,,Eigentlich müßte er noch höher lie
gen«, tust ein vorlauter Schüler.
»Wie meinst Du dag?« fragte der
entrüstet-: Direktor.
»Na, Sie zeigen doch gerade auf die
Wüste Sahara!«
Wichtige Petiiinlichteit.
Fremder soor dem Concertlolal):
»Da steht: »Wie-gen plötzlicher Erkran
tuna des Herrn Rentier Goldlack fin
det das Concert des Pianisien Hau
niann heute nicht statt« · . .. Was hat
denn der Litentier Goldlacl damit zu
t·l";un?«
Thiirsteber: ,.Wissen Sie, das ist
der einxiae, der ’zahlt hat -— die an
der’n haben alle Freibillets!«
Das schlechte Gedächtnian
»Sind Sie nicht die Frau Meier?«
»Nein, Sie irren sich. Ich bin ja
die Frau Kraaujetvatschebiczek!«
»Na, sehn Se woll, die beeden Na
men vertrechsle icl immer!«
Die junge Hausfrau.
Gatte: »Ach, Lottchen, nähc rnir mal
diesen Knopf an!«
Gattin lznm Miidchen): ,,Lisi, brin
gen Sie mir doch mal den Band »N«
Vom Lexilon!«
Zurückfctknng.
Dichterling: »’83 ist doch ein undank
liares Volk hier! Seit zwei Jahren
Versorg ich den Stadtanzeiger unent
geltlich mit Gedichten und nun kriegt
der landfremde Goethe ein Denkmal!«
Schmeichelhaft.
Herr ,,(Stnödiges Fräulein, ich möch
te gern eine Frage an Sie richten.«
Fräulein Aeltlich (einen Heir!
antrag ernsartend, erröthend): »
sprechen Sie.« «·«:sf«
»Mein M Itter möchte nämlich H
wissen, ob Sie dasselbe Fräulein Aelt
lich sind, mit der sie zusammen zur
Schule gegangen ist-«
Ein Schönfitrber.
Dame: » cie wollen Jhre Vorle
innaen einstellen Herr Doktor?«
Privatdozent: »Ja, wegen Mangel
an Beiheiliaung!«
Duenet ,:,Lller Sie sagten mir doch,
Ihre Zubcirerahl hätte sich verdop
pelt?«
Privatdozent: »Allerdinas früher
war es- einer, ietzt sind es zloei!«
Deutlichcs Symptom.
. . . Meine Frau beginnt jetzt auch
nervög zu werden«
»Woran ftsiirt sie denn das?«
»O, sie spiirt noch nichts- aber
ich!«
Seine Klage-.
Schneider-: »li-; thut mir leid, ich
tunn den neuen Vlnzua nicht machen,
bevor Sie mir den andern nicht bezahlt
haben.«
Kunde: »Groszer Gott« so lange
tann ich unmöglich warten«
Immer derselbe«
Förster MS am Stammtisch von
der Klugheit des Hundes gesprochen
wird): ,...» Ja, meine Herren, das
qlaub’ ich gern! Mein Waldl ist
mich so ein kluqu Thier -- ich sag’
Ihnen, der versteht jedes Wort. Wenn
icii nicht will, daß er wissen soll, was
ich mit meiner Wirtbschnsterin red’,
muß ich mit ihr srnnzösisch sprechen.«
Aus-hilft
Gnäbiqe. »Bist Du bei Geheim
rxithg heute fertig geworden mit der
Wäsche?«
Waschsrau: »Nein. Die Frau Ge
lteimrath hat Kasseekränzehen g’habt,
nnd wie die Neuiqteiten nitg’ganga
m(1r’n, da hab’n s’ mich ’rausgeholt
nnd augg’sr(igt, wag bei meinen nn
dern Wuschtunden vorgeht.«
Der Zahntcchnikcr nles Eltern-inn.
,,.Hciben Sie denn Jhre junge Frau
auch schon ein wenig ing Geschäft ein
geweiht, Herr Schmalz?«
»Ja, die Zähne zeigt sie schon —
aber mir!«
Tav Bessere
«Jch werde Jhnen mein nenestes
Gedicht Vor-lesen. Ziinden Sie sich
dabei eine von meinen Ciqarren an.«
»Hossentlich sind sie besser, als Ihre
Gedichte?!«
Wahrsagerjm ,,Bor allen Dingen
müssen Sie vor einer schlanten blon
iden Dame sehr aus der Hut sein.«
. Leichtsinniger Ehemanm »Stimrnt,
das ist nämlich meine Frau!«