Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 04, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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    . E Aus hartem Holz Z »p««»18««,,tsss
(7. Fortsetzung-)
Er ließ sich ein Glas Bier geben
und begann mit dem Wirth ein Ge
spräch, zuerst von alltäglichen Sachen,
dann larn er auf die Familie Felsing
· sprechen, und endlich that er dir
rage. die ihrn auf der Seele brannte
«Gewiß«, antwortete der redfelige
Wirth, indem er sich erhob, »der junge
Herr hat bei den Alexandern sein
Jahr abnedient; o, er war ein sehr
schneidiger Soldat, haks sogar bis
sum Reservelieutenant gebracht.«
Der alte Walter nickte nur stumm:
ieit wußte er genug, nun war auch
der ledte Zweifel gehoben. Hans Fel
sing war der Mörder.
Starr sah er in fein-Glas. Jetzt
war er ruhig.
Nun hatte er den Menschen aus
findig gemacht, der ihn mn sein Thea
ersies gebracht hatte —— nun tonnte er
sich rächen, sich für alles rächen. was
man an ihm versitndigt hatte.
»Warte nur« mein Bürschchen!«
flüsterte er und hallte die Hände. «jeßt
lommt die Abrechnung!'
Aber im gleichen Augenblick fanl
wieder atles dahin in nichts — nein,
nein, er konnte, er durfte ja nichts
unternehmen gegen jenen Elenden,
denn jener war ja der Bruder seines
Herrn, feines geliebten Herrn, dem er
Leben und Existenz und alles ver
dankte.
Ihm waren die hände gebunden, et
konnte und durfte sich nicht rächen s—
ja mehr noch —- nicht einmal sprechen
durfte er davon, denn er konnte sei
nem Retter doch nicht den Schmerz
bereiten. Rein! Nein! Das wollte
er nicht! —- Iiir so viel Gutes, das
man ihm erwiesen hatte, wollte er sich
nun erkenntlich zeigen! Lieber schwei
gend alles ertragen und bei sich begra
ben und weiter heimlich leiden, als die
Brüder durch ein unbedachtes Wort
entzweien nnd verfeinden—nein! Soi
klein wollte er nicht handeln!« i
Entschlossen fuhr er heimwärts.
Er sagte nichts-.
Aber als Bruno ihn tat-, fragte er
besorgte »Alterchen, was fehlt Ih
nen? Wie sehen Sie denn aus?«
Und da raffte er sich mit aller Kraft
zusammen, lächelte unsd antwortete:
«O, mir ist gar nichts-, Herr Paulsen.
Ich habe ein paar Glas Bier aetrun-:
ten, vielleicht sind sie mir zu Kopf ge
siiegen.«
Bruno drobte lachend: «Machen’
Sie keine Geschichten, alter Mann!«
Aber als Walter in seiner Stube
war, da riegelte er hinter sich ab, und
dann weinte e: bitt-etlich.
I
Acht Tage später war die Gesell
schaff—
Natürlich war all-es erschienen, was
nur kommen konnte, um die schöne,
junge Wittwe zu sehen.
So war denn rau Else der Mit
telpunkt, um den ich alles qruppirte;
besonders die Herren, die jungen so
wohl wie die alten, umschwärmten sie
und sagten ier die ausgesuchtesten Lie
benswiirdigteitem die sie mit graziö.
sein Lächeln hinnalun. Aber auch die
Damen huldigten ihr, und besonders
diejenigen, von denen man es am we
nigsten erwartete, nämlich die älteren
Mädchen und die Mütter von bei
rathssähiaen Töchtern — gerade diese
waren so liebenswürdig. damit es
nicht aussähe, als seien sie eisersiichs
tig auf die schöne, junge Frau.
Auch das durchschaute Frau Else
sehr bald. aber auch dazu lächelte sie
mit schelmischer Liedenswiirdigleit.
Hans verbjelt sich zuerst abwartend
um den Leuten nicht noch mehr Stoss
zum Klatsch Zu geben; als er aber sah.
wie sich ein Galan nach dem anderen
bei der schönen Frau einsam-, und
wie sie keinen Tanz frei hatte. da wur
de er doch ein wenia eifersüchtig, ging
direkt zu ihr und sicherte sich wenig
stens hie großen Tänze und die Kas
seepause bei Else, was sie ihm denn
auch mit schalthastem Lächeln zuges
stand.
Als bereits alles im besten Amiise
anent war, erschien Bruno plötzlich.
Die Mama war die erste, die ihn
ankommen sah: sie ärgerte sich zwar
ein wenig, daß er nun doch noch da
war, aber sie verbarg ihre Mißstim
mung und hieß ihn willkommen.
Auch Hans war enttiiuscht, denn
er hatte an Bruno gar nicht mehr ge
dacht; aber auch er spielte ihm eine
ganz geschickte Komödie vor und be
grüßte ihn freundlich.
Brutto selbst blieb freundlich, aber
reservirt, denn er vurchschaute sosort
alles und sah, baß er nicht gern gesehen
wurde; aber heute war ihm das gleich
gültig, heute wollte er hier sein, um zu
beobachten; alles andere tümmerte ihn
nicht.
Und dann fah-er Frau Eise wieder;
sie tanzte gerade und see bemerkte ihn
I uch steht; mit erstauntes-, großen Au
kn sah er sie an s—·o, war sie schön
gewisse-! Ja ehrlicher Bewunde
Umg sah er zu ihr hin, unb nicht satt
sehen konnte er steh an dieser üppig
zur Schönheit Dann aber siel
et-. baß er. ja von allen Seiten
thsmrbeznnbsunzogeesich
"H g- Ms zuckt-, von ver ans et
" M Mo , während et secber sast
heut-ar.
W Tisi- vxg w- tve is n
s
nun, auf Schritt und Tritt folgten ihr
feine Blicke, und von Minute zu Mi
nute berauschte er sich an der Schön
heit diefer entzückenden jungen Frau.
Jetzt tanzte fans mit ihr —- - — —
ach, wie sie in einem Arm sagt Wie
sie ihm zulfichelte! Und wie nahe et
ihr mit seinen Lippen ans Ohr tat-.
als er sprach! Und dann diefe Blicke.
oiefe gliickfeligen, lächelnden Augen!
Ja, es war lein Zweifel, sie waren
LiebesleuteL
Ein Seufzer rang sich los aus sei
ner Brust.
Er schloß die Augen und siand ei
nen Augenblick fo da « in feiner
Seele klang ein tlagender Ton, in tei
nee Brust brannte ein herber Schmeer
und in feinem Hirn fieberte die Angftj
— —- — was er bis jept nicht hattet
giauben wollen, nun mußte er es
glauben, denn mit eigenen Augen hat
te er es soeben ja gesehen: Eise und
Hans waren ein Paar!
Das wühlte alles in ihm auf. Er
ballte die Hände. Er hätte hingehen
und ihn hier vor allen Leuten todt
schlagen können — solche Wuth tam
plöhlich in ihm hoch
Aber nur einen Augenblick hielt das
oor, schon im nächsten war er Herr
feiner Stimmung.
Und nun fah er ein, daß er sich nur
mit ruhiger Höflichkeit und unver
bindlichet Freundlichkeit aus der Af
lfiire ziehen konnte.
; Gleich darauf stand Frau Eise vor
tihm und reichte ihm die Hand.
I «Guten Abend, Brune!
I .Guten Abend, Elfe2« sagte er ru
!hig und freundlich und schmierte ihk
zdie hand.
Sie sahen sich an, einen Augenblicl
lang, ohne ein Wort zu sprechen.
» Dann sagte er leichthin: ·»ES gehz
dir gut, wie ich fede; das freut mich'
» Noch immer fah sie ihn an und
Ifchwiea.
i »Du bleibst länger hier?« fragte er
dann.
» Und da begann sie, mit merklich
zitternder Stimme: «Bruna, ziirnss
du mir noch?«
Er zuckte leicht zusammen, wurde
aber sofort wieder fest, und antwor
tete ruhig und leicht: »Weshalb sollte
ich dir denn zürnen?" A
»Nicht den Ton, Brune«, bat ste,
»du bist jetzt nicht ehrlich.«
Erstaunt sah er sie au. und leicht
ironisch fragte er: »Willst du dei
lieben Freunden hier ringsum neuen
:Stpss zum Klatsch geben? Oder
siehst du nicht, daß alle Augen auf
uns gerichtet sind?«
»So komm hinaus in den Pari«,
bat sie. aich möchte mit dir sprechen."
i Ruhig, lächelnd, strich er seinen
Bari und sagte: »Ach nein, das wol
len wir doch lieber lassen. Was wir
uns- noch zu sagen haben, mag hier
oben gefchehen.«
; Wieder sahen sie sich fest und ernst
a
u.
» Dann tagte sie: »Bruno, ich habt
Hdir damals sehr web gethan.« s
i .Bift du vielleicht deswegen gekom
!men, um mir das zu iagen2« Kalt
bund höhnend klang es.
Und leiser, flehnder bat fie: »Du
Idarsst mir nicht zürnen, Brunol Jch
Zwar zu jung, zu ilatterhuftx er jekt
ilenue ich dak Lebens — «
er war vier-nat weich geworden; es
war, als ob plötzlich ein Hoffnungs
istrahl des Glück-: zu ihm -löme; es
war, als ob noch alles gut werden
könnte und schon hatte er ein lie
bes Wort auf Den Lippen; da aber
; kam wieder das stolze, trotzige Bauern
blut hoch: da sagte er sich: nein, sie
soll nicht damit zu ihrem Galan prah
len, daß sie dich weich gesunden hat —
und da antwortete er mit höflicher,
aber kalter Stimme: »Du brauchst dir
absolut keinen Vorwurf zu machen —
iiber das, was ehemals geschah, ist
längst Gras gewachsen; das ist alles
längst vergessen. Dafür sorgt, Gott
sei Dant, der Ernst des Lebens. Und
es ist am besten. wir sprechen überhaupt
nicht mehr dabon.«
Mit einem langen sragenden Blick
sah sie zu ihm aus« endlich sagte sie
leiser »Wie du willst.«
Ein Walzer begann eben; süß
schmeichelnd klangen die Weisen »An
der schönen blauen Donau« herüber
»Du tanzest nicht?« fragte sie.
»Nein«, antwortete er. »
»Dann haft du wohl die Ein-, mickx
aus meinen Plan zurückzusiihren.«
»Bitte-«
Sie leate ihren Arm in den seinen,
und stumm gingen sie nebeneinander
hin.
Kaum waren sie da, als auch schon
hans angestiith kam und »seinen
Walzef erbat.
Ohne sich nach ihnen umzusehen
oder sich überhaupt an jemand zu leh
ren, ging Bruno schnurschrackz in die
Garderobe, ließ sich den Mantel geben
und verließ das Fest.
Er hatte hier ietzt nichts mehr zu
thun.
Während er na hause suhr,
zwang er alle Gedan en an die eben
erlebte S ne kuriickx -
Und in la ter Vernunft überlegte
er nun, wie er irn nächsten Frühjahr
die Bestellu der Felder und das Le
gen der M n arrangiren könne —
aueh an den Neubau einer Scheune
i
sdachte er —- tnittendurch aber erklan
)gen ihm doch immer die Weisen In
Hder schbnen blauen-Donau«.
i D I
; Jn der ersten hälfte des November
begann der Winter seinen Einzu zu
halten. Eines Morgens waren lu
ren und Felder mit einer dichten, wei
ßen Decke zugedeckt, und aus Wische-i
und Bäumen lagerte die weiße Last
in malerischen Formen.
Gegen Mittag ließ sich Bruno den
Schlitten anspannen und fuhr allein
Pinaus in die weite, weiße Einsam
eit.
Ach, das war eine Wohlthatt
Mit vollen Zügen athmete er diese
herrliche, reine Luft ein.
Ganz bellblau und leuchtend llat
war der Himmel, und die milde Win
tersonne schien warm und woblig und
wars ihre leicht violetten Schatten auf
ciiyiee unendlich sich debnende weiße Flö
Triiutnerischen Auges sah Bruno
ins Weite.
Es war ihm eine linde Wohlthat, so
einsam, so weltsern, so still dahinzu
fahren.
Jn seiner Seele wurde es ruhiger,
und in seinem Deren pochte es weni
ger ungestiiin. »
Seit iener Ballnacht hatte er verge
bens danach getrachtet, seine Ruhe und
Eine stille Arbeitssreude wiederzufin-»
n. i
Vergessen wollte er! Allei, alles,
was geschehen war —- er mußte ja!
vergessen lernen! I
Mit wohreni Fenereiser stürzte ers
sich in seine Arbeit —— vorn sriihens
Morgen bis in die sinlende Nacht war
er aus den Beinen —- bald aus dem
Feld, bald im has —- nirgends Ruhe
oder Rast —- iinmer nur arbeiten, ar
beiten —- den Geist beschäftigen und
nicht an das mehr denken, was- nun
hinter ilnn lag, was nun vergessen
werden mußte.
Unv doch war alles das umsonst.
Solange er mitten in der emsigen
Thtigteit war, und solange alle seine
Gedanlen in Anspruch genommen wa
ren, so lange hatte er Ruhe und Frie
den; laum aber war er allein, so wach
te alles Geschehene wieser aus, so wo
er wieder im Bonn der alten; längs.
begraben gewesenen Schmerzen.
Und dann die Nächte!
Nie sand er mehr den herrlichen,
traumlosen Schlaf, der ihn sonst im
mer io erquickt hatte . . .. stundenlang
lag er wach, zählte in qualooller Un
geduld die dahinschleichenden Viertel
stunden, die die Uhr ankündigte; und
selbst wenn er schon leicht entschlnms
werte, wurde er von gräßlichen Bil
derrt und Angstvorstellungen gequält.
Er litt nnsiiglich darunter. Seine
Stimmung, sonst so heiter und froh,
war nun ewig trist und triihx wort
tatg ging er umher-, mied jede Gesel
ligt eit nnd jede Unterhaltung. und
sein Aussehen wurde von Tag zu
Tag elender.
Seit jener Ballnacht hatte er nichts
mehr von seinen Angehörigen aus der
Stadt erfahren; er wollte auch nichts
mehr von ihnen hören; und wenn einer
seiner Nachbarn lam, um ihm Neuig
keiten und Klatsch zuzutragem dann
lies er ihm einfach davon.
Und doch war all dies Sich- Pan
zern ganz umsonst, denn immer tlas
rer wurde es ihm, immer deutlicher
fühlte er es, daß er die schöne, junge
Frau noch immer liebte, ja. daß er s
seit, nun sie ur vollen Schönheit er
bliiht war. da er sie fest erst mit der
großen Leidenschaft liebte, die dr
Entsaaung. kein Verzichtern sein Re
signiren tennt.«· »
Ja, Ia, er uevre ne mir au »me
gesunden Kraft, mit all seiner ver
haltenen Leidenschaft, mit seinem
treuen Herzen; er liebte sie, liebte sie
mehr denn ie.
Und als «er dies erkannt hatte, da
war er hingesunken in das Polster sei
nez Arbeitsstuhls, hatte krampfhast
die Lehne umtlamniert und hatte
heimlich, verstohlen eweint, denn ei
erkannte ia ansch, da er dennoch ver-«
zichten mußte, daß er dennoch resigni-»
ren mußte, weil sie nicht ihn, sonderi -
seinen schönen, eleganten Bruder
liebte.
Wüthend, wahnsinnig wüthend,
lsallte er die Hände — — — ja, ja,
jetzt haßte er seinen Bruder wie seinen
ärgsten, schlimmsten Feind.
Und dann, als die wilde, lodernde
Wuth sich ausgetobt hatte, dann war
die körperliche Ermattung gefolgt,
»dann war er schlass und abgeheyt hin
xgesunken und halte sich daran gewöh
Inen müssen, sich wieder in die Ein
förmigkeit seiner Tage uriickzusinden
und hatte einsehen mii en, daß er
machtlos war gegen sein Schicksal, daß
er mit seiner biiuerlich ungestümen
Wuth nichts anstichten konnte, unt
dass er alles, wie es der himmel uns
schickt, ertragen mußte.'
Und als er dies erkannt hatte, da
war dann die große Stille elem
men, die grausam Einsamket der
Seele, die da klar erkennt. da es nun
nichts mehr zu en gibt, aß nun
alles Uns und vor i i , daß nun die
Tage dahinslieszen wer en, triib nnd
öde, bis einmal das große Gaukelspiel
zu Ende sein wird
Aber nicht weich geworden ist er
« nach dieser Erkenntnis nein. hart und
trohig hat er es aufgenommen —- das
Weiche, das Schmerzon das hat er
innerlich tief, tief verschlossen-äußer
lich zeigt er nur ein kaltes ernstes- oft
sogar hartes Gesicht, und mit dem
Stolz und Trotz des Bauern suchte er
nun, sein Geschia zu ertragen — — —
Natiirlich entging die Veränderung
des Hausherrn auch den anderen
Hausgenossen nicht. -
Zuerst bemerkte sie der alte Walter.
Er war ja selber so erfüllt von seinem
Weh, daß er oft an sich halten mußte,
um nicht zu zeigen, wie weh und wund
seine Seele war. Aber gerade in sei
nem Schmerz schörste sich Auge nnd
Empfindung fiir das, was um ihn
Her vorging. und vor allem sah ei
Inun mit doppeltem Interesse aus sei
Inen geliebten Herrn. dem er Leber
lund alles verdanlte, und für dessen
»Wohl zu wachen er sich hoch und hei
lig geschworen hatte.
» Mit Beliimmerniß sah er, wie das
Gesicht seines lieben Herrn von Tag
zu Tag ernster wurde, wie seine gute
Laune schwand und nicht wiederkam,
und wie sein Aussehen immer schlech
ter wurde.
Das machte ihm so ernsthafte Sor
ge, daß er darüber sast sein eigenes
Leid vergaß.
Aber was nur thun? Den Herrn
selbst zu fragen, das wagte er nicht,
weil er sah. wie Bruno jedem ji«-er
fliissigen Worte auswich, und ein an
derer im hause konnte i doch dar
iiber gewiß auch nichts agen
Eines Abends, als Bruno wieder
einmal gleich nach Tisch ausstand und
das Zimmer verließ. sah der alte
Walter fragend zu den beiden ande
ren Tischgenossen und ristirte die’
Worte: »Was mag nur unserm
Herrn jetztseink » « «
Pet Juspeltvt lachelte yemmch uno
schwieg und sah zu Frau Schramms
hinüber, so daß diese auch zu lächelns
anfing
Ekitaunt sah Walter von einem
«znm anderen. »Nun, was ist denn?«
fragte er.
Da sing die alte Schramm an zu
lachen und sagte: »Sie sind wohl
ganz blind, wie?"
Immer erstaunter sah Walter si
»Sie leben doch nun auch schon ’ne
ganze Zeit hier —- aber es scheint, Sie
hören und sehen nichts, was vorgeht!"
lachte sie weiter.
»Ich tümtnere mich um meine Ar
beit und um weiter nichts«, entgeg·
nete er nur. s
»Nun, dann will ich Jenen sagen s
was in der Stadt doch chon jede
Kind weiß — der herr ist verliebt!«;
Beide lächelten, nur Walter blieb
sehr ernst und wurde immer erstaunsz
ter.
Dann subr die Alte sort: Dattel
wo meine Nichte mal nicht hier ist s
liinnen wir ja darüber sprechen. Drin-z
nen in der Stadt oei Felsings ist näm-?
lich Besuch —- ’ne Dame natürlich —H
das soll die frühere Liebe unseresi
deren gewesen fein. Ganz toll soll ers
damals gewesen sein —- und trohdems
bat er ’nen Korb getriegt. Jawohl,:
sie hat ’nen andern sgeheitatheL —
Ra, nun ist mir ja auch tlar, weshalb
et sich teine Frau nehmen wills« Sie·
lachte höhnen aus« «
tm
Walter aber saß da mit starr er
staunten Augen und sagte tein Wort.
Endlich begann die Alte wieder:
»Na und nun ist sie Wittwe, und nun
soll er wieder angesraat haben, sagt
man, und nun hat sie ihm zum zwei
ten Mal ’nen Korb gegeben, denn jetzt
wird sie den jungen herrn Felsmg
heirathen, sagt man· —— Sehn Sie,
das ist der Grund, weshalb er jest
den Kopf hängen iösztt«
Lächelnd nictten sich Wirthschastes
rin und Jnspettor zu. Nur Walter
saß noch immer ernst und starr da.
»Das ist «ne Neuigteit, wie? Ja,
iommen Sie man zu mir, da können
sie schon was hören!«
Lachend stand die Alte aus und
ging hinaus.
i Endlich sagte Walterx »Wenn das
xwahr ist« wenn der eine Bruder dem
anderen die Braut wegnimmt. danns
werden ste sich nun doch wohl ent
zweien, nicht wahrli«
Und heiter antwortete der Inst-et
tor: »Ja, Mannchen, wissen Sie
denn das auch noch nicht? Die bei
den Brüder sind stch doch schon immer
spinneseind gewesen!«
Waltet zuckte zusammen.
»Schon immer —?« fragte er.
»Aber natürlich! Und mit der
Muttersteht er sich auch so, unser
herr! Das ist d betannt.«
»Die Brüder stn sich feind, ernst
lich feind?« sragte Walter tonlos.
»Aber wie! Nicht ausstehen kön
nen sie sicht«
»Und nun nimmt der jiin ere dem
tut-km sie Braut —« wie zu Ich seusst
sagte er es.«
«Kunststieck!« ries der Jnspettor
lachend· »Wenn eine Frau zwischen
den beiden die Wahl hat, wird doch
wolj ede den netten und jüngeren
vor ie r!«
hne noch etwas zu erwidern, stand
Walter aus und ging in sein Zim
mer.
Starr, apathisch saß er da und sah
ins Licht —- —— —- dai ehen Gehörtr
klang noch in seinen Ohren —- —- —
und der eine Gedanke verließ ihn ni t:
Eise Brüder sind sich feind, sie ha en
Und pliislich kam die Wuth wieder
in ihm hoch — o, dieser elegante
glatte Salonmensch- das vornehme
Herrcheni —- Er war es, der dem
Bruder die Braut nahm, er war es.
der wieder ein Herz brach, der wieder
einem Menschen die Freude am Da
sein stahl; o, welche Ungerechtigkeit aus
der Welt! Auf dem Unglück der an
deren baute dieser Egoist sein Glück!
Ein heißes Rachegefühl keimte in
ihm aus.
Und dann dachte er an seinen lie
ben Herrn, an dessen vergrämtes Ge
sicht, an dessen Seeleniummer —- —
— o, wie ties und innig mußte er
diese Frau lieben, daß ihn, den stat
ken Mann, der Schmerz so erschüt
tern konnte! ,
»Armer, lieber. guter herri« sagte
Irr halblaut vor sich hin.
Er legte sich zur Ruhe, aber er
Jschlies nicht ein Ein quälender.
Hbohrender Gedanke ließ ihn nicht mehr
los.
O O I
Auch mit der schönen Frau Else
war eine Veränderung vorgegangec
seit jener Ballnacht.
Unmittelbar daraus, als Hans mit
ihr jenen Donau - Walzer getanzt,
merkte er, dass sie anders war wie
sonst. ·
Zuerst hatte er sie erstaunt beobach
tet, da aber sie selber nichts sagte.
so fragte er dann: «Else, was hast
du? Du zitterst ja! hat Bruno
dich gekränkt?« , ,
llnd da lachte sie. over das Lachen
llang erzwungen, und mit forcirter
Lebhaftiateit antwortete sie dann:
»Was glaubst du denn? Bruno ist
doch tein solcher Barbar, daß er mich
hier im Ballfaal tränten wird?«
Damit war es dann siir den Au
genbliet abgethan. Aber Hang gab
sich damit nicht zufrieden. Er beob
achtete sie aus Schritt und Tritt, jede
Stunde und ieden Tag·
lind da fand er, daß sein Mis
tranen berechtigt war, denn fte hatte
sich seit iener Ballnacht merllich ver
ändert.
Vesorgt theilte er das der Mamn
mit.
»Mein Gott« was lann denn nur
geschehen sein«-P fragte die ges-ig
stigte Ronssslim
« han- zuckte die Schultern.
lFortlesung solgt.)
Mütter großer Männer.
Viel ist in jüngster Zeit iiber Köni
gin Luise und ihren bedeutsamen Ein-«
fluß als Mutter auf die Entwicklung
des ersten deutschen Kaisers geschrieben
worden« untrennbar ist die Gestalt der
Frau Rat mit jeder Schilderung Goe
Ithes verknüpft; aber mit vielen ande-.
ren Mitttern, denen ihre Söhne
gleichfalls reichez Erbe an Talent
jund Charakter verdanken, besaßt ;
man sich noch wenig. So hats
;Kant, der große Philosoph, der sicheri
; nicht an Gefühlsiiberschwang litt, stets ’
lnur voll Rührung seiner Mutter ge
s dacht, er schreibt von ihr, »He weilte
; und erweiterte meine Begriffe und ihre f
zLebren haben einen immerwährendeni
. Einfluß aus mein Leben gehobt."« Auch (
» Ernst Morig v. Arnot hat es nicht un- !
iterlassen, auszusprechm was er seiner
H Mutter dankte, die er dieKrone von al- »
i len nannte, »ernst, fromm, sinnig und
jniuthig und durch tein Geschick so zu
sbeugen, dasz sie die Klarheit und Be
i sonnenheit verloren hätte«. Sie war
lein Beispiel de- Schtichthkii und Be
diirfnißlosigteit, Raffer. Wein, Ihre
verschmähte sie und sie erzog ihre stin
der zu strengem, mäßigen Leben.griih
starb sie, ihr später berühmter ohn
empfand, daß er sie am besten ehrte,
nicht durch Trauer, sondern durch ein
Leben in ihren Lehren.
«Wo du auch bist,was du auch bist, dich
ehren nicht Tränen,
Nein, ein männlichei herz und ein
s rüstiger Lauf! . , .
Mächtiger fühle ich mich, zu ringen mit
Schwert und Leier,
Fiir das Vaterland frisch nehm’ ich den
blutigen Tod«
Die Mutter des eisernen Kanzlers
war es, die Otto v. Bismarck ihre
Energie und Willenslrast vererbte, sie
sorgte auch dafür-, daß dem Knaben
eine strenge Erziehung zutheil wurde,
fast fpartanifch, die vielleicht den Un
tergrund legte zur Entwicklung von
Bismarels eisernern Willen. Von be
sonderem Interesse ist der Briefwechfel «
des allgemein als wortllarg bekannten
Feldrnarschall Moltle rnit seiner Mut
ter, der zutnTheil in der hübschen Stu-«
die von Anna Michaelis, die diesen -
Ausführungen zu Grunde liegt, wie
dergegeben ist. «) !
Der Briefwechsel gewährt Einblick!
in ein wahrhaft innigeö Verhältnis
zwischen Mutter und Sohn, in das
reicheGerniithsleben des roszenSchweis
get-, und zugleich in d e bescheidene, ;
entbehrungsreiche Jugendzeit des spä
teren« Feldntarichallt Acht Kinder -
wuchsen irn Elternhause heran. Tro
aller Aufopferung der Mutter blie ;
I
dieses nicht verschont von schweren
Konflikten im Erheleben, die zu einer
Trennung zwischen Molttes Eltern
führten. Mit aller Zartheit war Mott
te bemüht, der Mutter, seinem Vor
ibild alles Edlen und Guten. seine
iBerehrung zu bezeigem sie theilnehmen
Izu lassen an seinem eigenen Leben.
? »Daß du deine Schmerzen mit Stand
H hastigteit und Ergebenheit trägst«,
lschreibt er der Kranken, »habe ich er
. wartet, es ist die Ruhe, die ein reines
»Gewissen und ein gutes Bewußtsein
z geben« Wie ost ist es mir vor die Seele
;getreten, daß von allen Wohlthaten der
Ierste mütterliche Unterricht die größte
fund bleibendste ist. Aus diese Grund
lage baut sich der ganze Charakter
und alles Gute in demselben, und
F wenn du acht Kinder zu redlichen Men
i schen herangezogen, so muß ihr Dank
Kund Gottes Segen aus dir ruhen«
JWelche Giite Moltkes Mutter, aber
Inicht nur ihren eigenen Angehörigen,
; sondern auch Fremden gegenüber be
szeugttz geht daraus hervor, daß sie
« als junge Frau ein Kind ihres Päch
»ters, dessen Mutter anliißlich eines
Brandes vor Schreck im Wochenbett
schwer erkrankt war, zusammen mit ei
nem ihrer eigenen Kinder an die Brust
legte und nährte.
Lenaus Biographen wissen zu be
richten, daß der Dichter seine poetische
; Begabung von mütterlicher Seite
kempsing, zugleich alles Licht seiner
Hiindheih denn der Vater war ein
:leichtsinniger und zügelloser Ossizier,
der weder aus Weib und Kind Rück
sicht nahm. Ein liebend Gedächtniß
haben in ihren Schriften Adalhert
Stifter und Peter Rosegger ihren
tresslichen Müttern errichtet. Konrad
Ferdinand Meyer ererbte von der
Mutter nicht nur die poetische Bega
bung, sondern allerdings leider auch
Anlage zur Melancholie und zu einem
Gemüthsleben DieMutter des Schmei
zer Dichter starb, umdiisterten Geistes,
in derselben Anstalt, in der die de
dauernswerthe Frau ihren Sohn in
jungen Jahren zur heilung eines Ge
miithsletdens unterbringen mußte. Jm
Gegensatz zu dieser zarthesaiteten Frau
war die Mutter Gottfried Kellers ih
rem phantastischen Dichtersohn ganz
’ uniihnlich, dafür aber unermüdlich
und fleißig, stets besorgt siir das ma
terielle Wohl ihres unpraltischen Soh
nes, der andauernd in bittere Noth ge
rieth und dem sie immer wieder mit ih
ren Sdawfennigen zu Hilfe lam. Frei
,;ltch für die geistige Bedeutung der ge
s nialen und lünftlerischen Eigenart
TKellers hatte die in nüchterner Wirt
lichleit wurzelnde lleinhiirgerlicheFrau
tein Verständniss.
Viel geistige Verwandtschaft hat
nach seinem eigenen Vetenntnisz heh
hel mit seiner Mutter gehabt, in Ei
genschaften wie in Fehler-n. Sie war,
gleich ihm,durch und durch fanguinisch,
großziigig im Wesen, begeisterungs
T fähig, und sie war es auch. die den
heranwachsenden oft mit eigenen har
ten Mimpsen gegen den Vater in
Schutz nahm. aGute, rastlos um deine
Kinder bemühte Mutter, du warst eine
» Miirthrerin, und tch lann mir nicht
. das Zeugnis geben, dasz ich fiir die
Verbesserung deiner Lage immer so
viel gethan hätte, als in meinen freilich
so geringen Kräften gestanden hat,« so
llagt der Dichter nach dem heimgang
der geliebten Mutter, die seine Erfolge
nicht mehr miterlebte. - » A
Selbst eine begabte Die-hierin war
die Mutter Scheffels. Die Frau Major
wird geschildert »voll Witz und spru
delnder Laune, voll lebhafter Phanta
sie mit reichem wohlwollenden Geniiith,
gepaart mit einer Portion Weiberlist
und Schaltheit.« Sie lebte eine stille
Welt fiir sich und Joses hat von ihr
das Beste empfangen. Das empfand
auch Scheffel selbst, der an einen
Freund schrieb: »Was ich poetiiches in
rnir habe, das habe ich von ihr.«
In langer Reihe lieszen sich noch die
Beispiele, wie bedeutsarn Vererbung
und Beeinflussung gerade von Seiten
der Mütter auf die hervorragenden
Persönlichkeiten aller Zeiten gewesen
ist« vermehren. Neben den direkten
Leistungen der Männer fiir Kultur
und Kunst ihres Landes stehen die fo
wenig betannten und gewürdigten Lei
stungen der rauen, die in ihren Kin
dern der Nation ihr Bestes gegeben ha
ben. s Lisa Lindt.
MEPer main-h vek Man-e aus Dime- und
deldeit
Wir erfahren mit Genugtuung, daß
Radiurn bedeutend im Preise gefallen
ist. Eine Unze tostet nur noch 82,
100,000. Somit ist es auch dein
Minderbemittelten möglich, ohne be
sondere Aufregung dern Zeitpuntte
entgegengusehem der ihn dern Anlauf
des tausendsten Teiles einer Unze et
was näher bringt.
- I If i
Um zu beweisen, daß ein Angeklag
ter wahnsinnig sei, wurde durch eu
gen erhärtet, daß er sich in drei o
naten drei Mal verheiratet habe. Aber
das ist an und fitr sich tein Beweis.
Es ibt eine Menge Leute« die auch
dur Schaden nicht klug werden.
- i - e
Wer schmiert, der fährt; wer ais
s
is