Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 28, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    Nebraska
Staats— Anzei er und
J'cerold.
Jahrgang sil
Spätherbst
Seinen Einzug hält
Wieder der Tod in die Welt:
Aus Rifiheim der finstere Held!
Siegte noch immer zuletzt,
Siegte auch jetzt
Und die Bäume, die imnpfmiiden
Recken,
Ei!en, denWeg ihm würdig zu decken«
All ibre bunte Pracht
Streiten sie her vor dem Sohn der
Nacht,
Daß er zerennlmend mit seinem Geleite
Darüber reite!
Nun sieben sie arm und kahl,
Gramveritnmmt im Thal,
Damian daß der Sieger nun käme«
Seinen Triumph sich nähme.
Fahrt da nicht auch
Ueber die Fläche schon her ein Heuch
Scharf und kalt?
Dort! ex- naht aus dem Wald . ..
Durch fein tlasskndes That
Taucht doe- fchnunbende Graueon vor!
Hans von Gnmppetibem.
— So —- -
Im alten Th cUer
Eine Si m aue verganqenen Tagen
vonRobert Wach
«Eine erdrückende Schtviile hat mich
hinausgetriehen aus der Stadt in
den alten herzoglichen Part. Ich suche
ltiihlung unter den alten Buchen und
Eichen. Doch die Sonnenstrahlen drin
gen heute durch das dictste Lauhdach
Evmmerinittagsstille im Parl.
Wein Weg führt mich zu dem alten,
langft schon geschlossenen Theater.
Mitten isn Part. Ein alter Bau aus
der Rotolozeit· Der Eintritt ist ver
boten, denn er ist schon lange baufäl
lig. Und doch tlinte ich heute an der
Thür. llnd siehe —- sie öffnet sich.
Der Portioachtei mochte toohl ver
gessen haben, sie zu schließen. Eine
enge Holztreiiise führt mich ein paar
Stufen hinaus. Ich siehe aus der
Bildne. Oed und still ist alles. Die
Kulissen sind längst fortgeschafitr nur
die Seitengeriiste stehen. Dunkel und
leer liegt der Zuschauerrauni da. Hier
strahlte einst alles in hellem Lichte, ge
putzt-e Menschen saßen dort auf den
Stühlen« in der tleinen Loae rechts saß
sicher einst Serrnissiiniis. lind auf der
Bühne hier lachte und tollte, schrie
und schluchzte es einst. Wo sind fie
nun. die »Alteiire« von damals- Sie
modern längst. Der eine hier« der an
dere dort Jn alle Winde zerstreut
vergessen. - Tempora niutantiir!
Dort rechts lagen die Garderohen
siir die Künstler. Die Holztische sind
noch in die Wände eingefügt. Einge
schnittene Namen findet man iiberall.
Hier an dein Holzhalten kann ich non
deutlich lesen: D. K. G. G. und ein
Herz darum eingelratzi. Ein Liebes
paar sicher. liin derber Kreuzschnitt
darsiber scheint das Verlöbnis-, wieder
aiiszutilaen Dieg Liebe ist sicher in
die Briiche gegangen. Und sieh -
hier an dein tleinen, ietzt ariinlich
schimmernden Fenster steht mit einem
Brillantriiig einaeritzt: Dorinr Georg
-- und wieder ein Herz darum. Und
rrieder durch das ganze ein Kreuz
schnitt. Jst hier vielleicht in Weh
und Thraiien ein Herz gebrochen? Wer
meidet es? -- Vergessen! Vermodertk
Berllunaenl - - -- ;
Durch eine tleine Thitr gelange ich
in die Fiiriteiiloge. Ein einziger Stuhl
steht hier; torhl aus Pietiit. da daraus
einst Serenissimus gesessen. — — Ich
will doch selkeii, wie es sich daraus ruht.
- Verzeih mir den Frevel, du seliger
Karl ErniL oder ioie du dich sonst
nanntestl - Es sitzt sich nicht schlecht
hier« Es ist liihl in dem duntlen
Raum. Man lann die Augen schlie
szen und träumen: von Serenissiinusi
— von Dorine und Georg - - — von
dein zerschnittenen Herzen. --
i- sii si- ;
Heute ist Probe. Die »3äire« des
Herrn von Voltairr. Jn einerdunts
leii Ecke der Bühne steht ein Pärchen,
innig umschlungen. »Du musit nicht
so sprechen, Georg! Du weißt, daß ich
dich liebe! Lnsi den Herzog zehnmal
um mich herumschartoenzelii. Bei mir
blitzt er ah. Glaubst du mir. Georg?
Sag iu! Sag ja!« Sie zieht seinen
Kopf zu sich herunter. Er schaut ihr
tief in die Augen: dann driiitt er ei
nen langen Kufi aus ihren«Mund.
»Zum Donnerwetter«, schreit ietzt der
Regisseur auf der Bühne, »wo steckt
ihr denn wieder? Alle Augenblicke
versäumt ihr euch» Ich sage ia un
mer, man soll leine Liebesparchen am
Theater diilden.« Die beiden huschen
eilig ans die Bühne. Die Probe geht
wettet-. —- -—- .
Die »Zuku« des Herrn von Vol
tcitel Das Publikum lauscht ge
bannt. Nur Serenissiniuz scheint aus
seinem stuhle zu rhlasen. Er mag
Verse nicht. Sie machen ihn müde.
Was neht ihn »Zaire" an? Die dumme
Liebesgeschichtr. —-- --— Doch drüben in
der Loqe starren zwei brennende Au
gen auf die Bühne. Sie füllen sich mit
Tbriinen bei dem Schicksal Orosmans.
Dnrt driiben sitzt die kleine Prin
zestin Eilv ra. · Jetzt fällt der
Vorbona Man tlatscht. Die Akteure
verneinen fich. »Wie heißt der Akteur,
der Den Oroåman giebt?« srngt die
kleine Prinzeisin ausaibmend eine
Hosdn ne »Mutter Gerhardt, Hoheit. «
»Er spielt isiminlisch!«
Das Liedes-Pärchen steht lieute wie
der schäternd in den Kulissen. ,Wirst
du mich eii-.)i-. liebhaben, Geora7«
«En)ia! Einfal· - »Ich ichtåöre es
dir Dorinel Bei dem, was mir das
Heiligfte ist hei meiner Kunst!«
Dorine ziebt ihren Diamantring vorn«
jkinget »Hier wollen wir es nieder
schreibe-L Als Denkmal unserer Lieke
soll'- hier sieben: Dorine — Georg!«
Sie ritzt die Namen in die kleine Fer
stcrscheibc, ein Herz zieht sie darum.
»Hier steht es jetzt! Dorine Georq!
Zwei Namen doch nur ein Her-»F
»Herr (i.3erl,1nrdt!« Der kleine listiae
Jbenterdiener tipvi Georq auf die
Sslmlter. ,.(5inen Auaenbliel entschul:
diaen Sie ihn, Demoiielle etwa-H
Geistiiistlicbeg!« Und er zieht ihn
beiseite. «(sine Dame will Sie spie
chen, Herr GerbardL Sie erwartet Sis
im Gnna nach dem großen (iingana.
Es iit Prinieisin (Flvirn. Aber vor
sichtiq. lis- brnncht ja lein anderer zu
wissen Und Fräulein Dorine ist ei
Iseriiicntiqss
; ·Prinzetsin irivtratx Un, er neunte
jlein teiinstler sein, um Eitelkeit nicht
»Hu tennenk Er eilt in den halbdunt
llen Mang. Da steht sie, ein halbes
»Wind noch. Zwei große, schwarze Au
Tgen gliihen ihn an. Schmutze Locken
» ringeln sich usn ein blasses Gesicht. Sie
iist schön. Georg verneigt sich ties.
Schüchtern stehen beide sich gegeniiber:
die Prinzessin und der Komödian
Ein paar rotbe Rosen mit langen
Stielen reicht sie ihm hin: »Sie haben
mich gestern in der ,.3aire« so entzückt,
nehmen Sie dies alk meinen armen
Dani.«
Er stelt dickliose nicht an die Brust
Er weiß, Dorine tviirde sie wegnehmen
und zertreteu Er verbirgt sie im
dunklen Theater. Nach der Probe holt
er sie hervor-, er bringt sie verstohlen
nach Hause und stellt sie in Wasser.
Oh, er ist eitel und jungl -
Arme Dorinet
»Ich lann dich heute nicht begleiten,
Dorine. Ich muss, nach Hause Ich
mus-. lernen!« - »Georg, das sind
Aussliichtet Seit vierzehn Tagen suchst
du schon Anssliichte. Du liebst mich
nicht mehr! Du liebst eine andere!«
»Du bist langweilig Dorine mit
deiner Eisersucht. Laß mich endlich
damit in Ruhe, bitte ich dich« Er
dreht ihr den Rücken zu und geht.
Dorine schaut ihn nach. »Er betriigt
niichl Ich treifz es! O mein Gott!
Wenn dis tuihr wäre, wag mir die
tlsialcom gestern hämisch ziisliistertel
Oli, dann erbarme dich unser, Herr
gott! Dinn erbarme dich unser!«
e- i si
Die Vorstellung ist voriiber. Die
letzte Sierze iu erloschen. Stumm und
sinlter liegt das Theater. Nur der
Mont- wirst einen blossen Schein
durch die ileinen Fenster. Da raschelt
es leise. 65 tappt etwas sich durch den
dunklen Gang zur Bühne- ES tastet
sich die Stufen zur Bühnengarderobe
empor
,,(5,tviral« ,,(tteorg!« Nun ilii
stert··5 in der Garderobh Es tvisper
und rannt. ,,Nur still, dase niemand
es hört. Ich bin den unterirdischen
Gang hergeschlichen, der vom Schlos
zum Lusthause führt. Und dani
durch das Gebüsch hierher. lliiemais
tann es ahnen· Niemand weis-, eg dai
ich dich hier mit meinen Armen um
sasse. Deinen Mund küsse« du Einsi
ek! Du! Du!« - - - ists raunt und
wisperti iiud Küsse, unzählige Riisse
- »Mein Mann bist du heutel Mein
Mann bist du! Du! Du! - Mag
sähest du zusammen. Liebster?«
,.Still. Mir war es, alsz nb jemand
stöhnte!« s »Das war der Wind
Liebsieri - Du Liebsterl Liebster!«
,.Prinzeszchen! Du mein Prinzeszs
chenl« - —
. Sie hören nichts mehr, die einri.
»Sie sehen nichts mehr. - Sie ieber
snicht, das-. dort an der Tbiir ein lei
s.be,nsahles. verzerrtes Antlit- im
’Mondlicht erscheint und wieder ver
schwindet. Sie hören nicht, das-, ein
armer Mensch dort leise ausstöhnt in
wildem Weh! Sie hören nicht das
Knarren der alten Dielen. Eine
Thiir fällt ins Schloß! — Es war
wohl der Wind! « « —
Dorine stebt draußen. Sie hat ge
nug im Theater gesehen. Genug ge
hört. — M war vorbei! Eine Welt
war zerbrochen —-— Sie mag nicht
mehr leben. Sterben! Sie betaftet ih·
Kleid. Hatte sie nicht ihren kleinen
Dolch zu sich gesteckt, als sie —
Wo ist er nur? Hier - was lniftert
hier? Oh. das Billet, das- ihr gestern
vom Herzog zugesteckt wurde. Er ver
folgt sie noch immer! Ein Gedanke
durchzuckt sie. Der Herzog! Das war
Rache! »Du hast es gewollt! Oh, so
erbarme dich unser, Herrgott!« - — —
-o· si- si
Kwölf Uhr schlug es von der
Schloßkirche Jm tiefen Schweigen
liegt dass Theater. Nur in der Garbe
rrshe wispert und rannt es wieder:
»Du Liebster!« »Liebste!« Da flammt
eineWindlerze am Eingang anf. Die
Thiir wird ausgerissen· Die Lieben
den fahren aus. Allmächtiger Gott!
Der Herrogk« Elvira schlingt ihre
Arme Um den Geliebten, mit ihrem
Fiörver will sie ihn schützen- »Himveg
ron ihm!'« donnert der Herzog. Er
t·—a«.·.t ihren Arm, er schleuder: sie mit
heftigem Ruck zurück. ein Diener sänct
die Tarnnelnde auf. »Und du« der
Herzog hat, wnthschnaubend, den De
gen gezogen »du Vagabund, sollst
nicht ferner mein Haus beschnnctzen!«
- Er stößt in - ein geltender Schrei
durchzittert den Raum. ,,Bringt sie
aufs Schloß! Und den hier« mit
dem anz ftöth der Fiirst gegen den
leblos am Boden Liegenden »ver
scharrt irgendwo. lind das Komö
dienpack wird sofort iiber die Grenze
gebracht. Das Theater nsird fJir im
nxer geschlossen.« -
se si- si
Ein dumpfes Poltern ich fahre
auf. Da bab’ ich richtig geschlafen
nnd geträumt! Oder bat mir jemand
dar- alleg erzählt? Das verfallene
Theater kommt mir jetzt Unbeimliei
vor. Da driiben in der Lege scheint
eine zusammengetauerte Frauengestalt
zu sitzen. Fast ist es mir, als stierten
mich von driibeu zwei drohende Augen
an. — Ich springe auf. Ek- ist auch
sonst biet nicht geheuer. Von der
Wand ift soeben ein Theil berabak
stürzt. Jeh eile ins Freie! Die;
Tbiir fällt krachend hinter mir zu. Es
war tnir fast, als schrie dort drinnen
jent jemand auf! Unsinn - ich bin
nich benommen von meinem Jrauni’3
Oder tvar es tein Trautnil Dorine
Georg! Jeh werde die Nebelge
stalten heute nicht mehr los. Und di
Sonne lacht doch so hell’ Und die
Linden bliihen und duften!
—--·
Telephonie ohne Draht in
Kommen
Im Lielxthos des königlichen Mit
sen-ne stir Völkerlunde in Berlin ha
beu neben monumentalen Stücken der
asiatischen und alt : amerikanischen
Kultur auch riesige Trommeln airi
tanischen Ursprungs Aufstellung ge
funden. tfine liefz kürzlich ein
Jüngling ausJ ziamerun genauer
aus dem Jaunde : Gebiet, dass
gut 60 Meilen von der stiiste
landeinwärts liegt, ertönen; er siihrte
den Anwesenden die Trommetiprache
seiner Heimat vor, und mer davon Zum
erstenmal hörte, war nochliittit er
«t.n:nt, welch geistigen Ssbiitz die asri
tenischen ,,Wilden« in diese-: eigenar
tigen hölzernen Sprache besitzen. eInem
Vertehrsmittel allerersten Name-J.
Denn nicht nur Signale verschieden
ster Att, sondern auch zum Beifdiel
Geburts- und Todesanzeigett, die An
tunst des Beamten, der ktn Lande
Recht sprechen will, oder beis staut
means-, der zur Beförderung seiner
Waaren Träger ndthig hat, diestlnsage
von Tanzfestlichkeiten ebenso gut wie,
die absichtliche Beleidigung einei- in
der Ferne vorhandenen Feinde-L tut-.
«-::I: alles und jedes, tot-I man gerade
stet: mittheilen will oder muss, dag ver
tut-M die Trommel mit ihren hiilier
nen Lippen den benachbarten Ortschai
ten. und wären sie auch tneilenweit
entiernt; find doch diese Klang-, be
sonder-z in der Morgenfriihc und
Abendstillh an eine Stunde wet- hör
bat. Dabei bilden weder breite
Flilsse noch hohe Berge, weder der
lichte Urwald oder Regen und tue-wit
iet fiir diese Fernspraehe ein Hinder
nis; sie ist wirklich eine Telephonie
chne Draht und hat ausserdem den
Vorzug, daß sofort alle Stammes-ge
tstssen ohne Aue-nahme, sofern sie nicht
taub sind, nach dem Anfchlagen der
Trommel wissen, um was es lich han
deli.
Denken wir uns einmal dahin, too
sich südlich etwa der 12. Längens nnd
«t. Breitenarad schneiden: dann find
wir im Gebiet zwischen den Flüssen
Sanaga und Njong, in der Heimath
unseres Jaundentannes. heller Mond
schein lagert über den wenigen Hüt
ten seine Geburtsortes. Mitternacht
ist vorüber; so gern wir aber --— ge
ftcrn war ein anstrengender Tages
nxarsch —- jedt schlafen möchten, un
möglich! Denn ein ständige-Z Geldw
per und Schlagen auf einen hohlen
dröhnenden Gegenstand hält uns
trach. Das Getlvpse toznint aus einer
Hätte nahe unserem Zelt. Unrvirsch
fragen wir unseren Jaundebegleiter;
er gibt uns den Ausschluß: Vor eini
get Zeit ist die Lieblingssriu unseres
Zeltnachbarn gestorben; nun detrauert
st-. der Ehegatte eine Reihe vcn Näch
ten hindurch und schlägt zu dem Zweck
die Trommel neben seinem Bett; er
fragt durch diese Tromnielschläge die
Stbgeschiedenc ,,Wo dift du, was thust
du?« Er klagt: »Ich hab-: großen
stummen ich mag nicht cssen.« Unkr
; mit-lich ist der Witwer in der Wieder
Ihclnng seiner Trauerliezeigungem bei
seinerTodtenllage tromrnelt er auch die
Lebensgeschichte seiner Frau mit aus«-,
its-re Hei-kunst, ihre Linden-ihr —--—
viele Kinder sind des Neqers Ideal ---—
tuelcke Arbeiten sie im Haus und Hof,
im Busch und in der Pflanznng gethan
bet; und dazu läßt er all-IS mögliche,
ums ihm gerade noch eins-Hinz durch
seine Todtentrommel der lieben Nach
be rschast erzählen. So rührend dies
Zwiegespräch zwischen den gefchicdenen
Ehegatten ist, nur« toiro sius die Dauer
das-» Getrommele, dessen Sinn mir
niitzt verstehen, langweilig: uns ist die
Htsnptsachet noch schlafen können.
Umsonst Bleischwer sind uns Jie Li
der, als der ersehnte Morgen diese fast
ätstsislose Nacht adlöst und nun das
stseiremmel endlich verstummt.
Unsere Karawane rüstet zum Aus
bruch Plötzlich hält unser Hineinde
n:«.nit n:it seiner Beschäftigung inne;
er lauscht angestrengt: Tronxineltliinge
ti.Hen aus weiter Ferne her-üben Jetzt
zucti es freudig über dir-J tiefbenme
Gesicht; feurig sunteln die fchmarien
Augen, die Nasenlocher blähen sich
n»-;it, die ausgeworfenen Lippen ver
zirlsen sich zu einem breiten («-lrinsen.
Grund? Die Trommel verkündete,
dem Häuptling im Nachbartsorse. sei
neu Verwandten, sei ein Knabe ge
leren. Deshalb die -1rof;e Freude;
Jede-schon signalisiert oie Hei ivtlit1g5
trommel unseres Rastortes die frei-c
Botschaft ins nächste Dorf weiten in
etwa zwei Stunden weis; sie der ganze
Jaundestannn
Bevor unsere Träger mit ihren La
sten sich in Bewegung setzen, wird von
Häuptlingggehöst aus nur-) unsere
Abreise den Ortschaft2u, die wir be
rühren, kundgegeben. Wir lorllen
persönlich beim Abgang der Meldung
ai» Telephon zugegen sein, also auf
sur großen Sprechtrommett Nur der
Hciuptling darf sie schlagen oder schla
gen lassen; daher steht sie nahe feiner
thnnng. Unter einem Scinltzdach
ans Palmwedeln ruht anr· einem nie
drigen Gestell ein Holzstiinsnn er ist
von Rinde und Bast befreit und sorg
fau: geglöttet; etwa fiinf Fus; lang
und 28 Zoll im Durchiiiesier. Auf der
Langgseite befinden sich zwei Schutze-,
jerer an 2 Zoll breit und ji« Zoll
lang; durch diese Selilitze wurde dass
Innere des harten Holibortes in mun
fi«.nier Arbeit ausgehöhlt, und nor-s
die eine Längswandung stärker als die
andere; infolgedessen geben die un
gleidt dicken Wände beim Linsenlagen
einen verschieden hohen Klang; das
Tonverhältnig ist etwa dag- etner
Quarte. Diese sonach zweitönige
Trommel wird mit zwei Schien-un an
geschlagen; zuweilen sitzen Staurfchnks
tlrnupen an deren Endrm e«:· ist das
te: den Eingeborenen Afrikixs die ein
site Verwendung-Hart bitte-J unent
behrlich gewordenen Lianknfaitika
Mit tsrlaubnisz des Häuptlingcx
risier unser Jaundejiinglinis rie
Trommel. Erst mehrere Einganin
sel;liige; sie besagen soviel wie« anst
sin! Dann folgen in raschem Wechsel
lseliere und dunklere Töne je nach der
angeschlagenen Trommelumndx auch
des Tempo der Tonfolge ist ein ver
s(t"iedenes. Man behauptet je fetmel
ler der Tromrnter telephoniere, um so
usser werde er verstanden. Verstan
d·:n —- wie ist das nur möglich? Die
Trrmmelsprache ist sozusagen eine
Urkertragung der an sieh Isinsitatisrben
Xaundesprache auf die Trommel. Jm
",’.aunde hat nämlich jede Silbe eine
bestimmte Tonhöhe, entweder einen
Hoch-— oder einen Tiefton, mamtnnal
reich einen Hochtief- oder Tiefhochtom
ie ncch der Tonhöhe aber wechselt die
Bedeutung ein und derselben Silbe
oder desWorteLs; besteht doch die ganze
Tchundesprache meist nur auz einsilbi
am Worten. Demzufolge rit das
Tempo beim Trommeln faft ohne Ve
r-.-utung; maßgebend ist nur di-: Ton-«
lsöbe der Worte. «
Was hat denn unser Geleite-traun
getrommeltZ »Ein Europäer for-unt
Mit zehn Trägern; schickt noch drei
ihm entgegen! Zum Abendessen will
er Vühnerbraten.« Der sinropäer hat
in der Trommetsprarhe eine nickt-our
dige Bezeichnung; ihr Jnhalt ift we
nig schmeichelhast, entspricht aber viel
leicht dem Verhalten des ersten Wei
ßeir der Jaundeland betrat; Euro
Oder Md seitdem so umschrieben:
»Der ann, der das Land ruiniert
fzertretenl hat; dem ein Messer an der
liixten Seite hängt . . . .«
Beim Scheiben aus dem Häupt
linagsgehöst sehen wir gerade noch, wie
daes Dorsoberhaupt sich niedersetzt,quer
über die Beine sich eine kleinere Holz
sctylitztrommel legt, sie gegen die Füße
stemmt und nun energisch trommelt;
dieses Signal gilt seinen Frauen auf
dem Feld s- Ackerbau ist nicht Män
nersache, wohl aber Faulenzen — und
es besagt nach der Deutung unseres
To metscher5: »Ich habe Hunger«.
Tor-h so einfach telephoniert das die
Trommel nicht; » das Hungergesühl
trird so umschrieben: ;,Mein Bauch
ist wie ein kleiner Affe, der im Busch
von Ast zu Ast klettert,« das heißt
mit langgestrecktem leerem Leibe nach
Nahrung sucht.
Langsam geht unser Marsch erstJ
durch sußhoheg Gras, dann durch ei-;
nen lichten Wald von Oelpalmen Un- »
sere Wißbegierde nach der Trommel
sprache ist rege; unser Gewälsrgniann
kann sie befriedigen; er erzählt uns:
Männer und Frauen verstehen diese
Sprach,tunst doch dürsen Frauen nie
troai meln. Die Kinder lernen sie etwa
rom achten Jahre ab; der Vater un
terr: chtet sie darin und führt ihnen bei
den Uebungen in der Schlegelhaltung
die Hand; immerhin dauert es mehrere »
Jahre, ehe sie selbständig trommelnt
und Getrommeltes verstehen können. !
Jung- Jaunde übt sich durch gegen
seitiges Zutrommeln von Cprichioör
tern; später erzählt man sich per
Trommel Märchen und Geschichten;
per Trommel kritisiert man auch, ohne
rast sie eg ahnen, die Fremden. Nimmt
da ein Europäer an einem Feste theil,
so rust man sich durch die Handtroim
mel zu: Wag- hat er für eine lange
Nase! Schallendes Gelächter tönt dann
urplötzlich um den verblüfft drein
sclmuenden Weißen.
Aber auch im Ernstfall spielte und
stielt noch die Verständigung durch
die Trommel eine siir uns Weiße nicht
inm: er erwünschte Rolle So bereitete i
sie der deutschen Marine bei militäri
sctjen Erpeditionen arge Verlegenhei
ten, denn taum war ein Boot geran
det, so meldete auch schon die Sprech
tronimel des Uferdorfeg nach landeins
nsiirts, wie viele Soldaten ans Land
gesetzt seien und welchen Weg sie näh
men; oder war eineTrquenabtheilung
bereits unterwegs, im Busch oder am
Flusse, sofort telephonierte ein Häupt
ling dem anderen, und die Schuldigen
nahmen Reif-mus. Heutigen Tages ist
deshalb verboten, die Ankunft der Po
lizei troinmelnd weiter zu melden; sie
fuhrt in der Tromnielsprache der Kü
stenbewohner liameruns den merk
würdigen Namen Flomba Das ist
ein ursprünglich deutscher Eigenname,
Fronibergx so hieß der erste Polizei
mciiter Kamerun5, Flomba und Poli
zei sind seitdem identisch. Würde die
Trommel ,,Floinba tommt« fignalifie
ren, so hätte die Polizei gewiß das
Nachsehen
Wenn der Jaunde sein Leibinstrn
nunt nicht bei der Hand hat und will
doch in seiner lieben Trommelsprache
sieh unterhalten, so öffnet er einfach
weit seinen Mund; die Backen entspre
eter den Tronimelwandungen, die
Mundhöhle dient als Refonanzboden,
die Finger als Schlegel; lustig trom
weit er log, und sein Konzert unter
heilt ihn stundenlang.
Unser Gespräch findet einstweilen
ein (iiide; wir stehen an einer Weg
til-Hung: zwei Pfade, welcher ist der
reclteZ Unser Führer, wenngleich selbst
tnoinentan rathlog, weifz sieh zu helfen.
Fiir solche Fälle führt man in Jaunde
zirei Blechgloelen mit sich, jede etwa
ZU Zoll hoch und einer breitgedriietten
Kuhglocle nicht unähnlich; mit einem
Stiiel Holz oder einein Stein werden
die verschieden hoch abgestimmtenGlol
ten angeschlagen. Jst jemand in eini
ger Nähe, sei es im Wald oder in der
Pflanzung, dann hat man gewonnen;
dern alsbald kommt eine eigenartige
Antwort, für unser Ohr find es nur
Töne wie tu, lu, to. lo, gu, te; aber da
sie bald mit Hoch-, bald mit Tiefton
geschrien werden, versteht der Kundige
diesen Fernruf sich richtig »in deuten —
eine neue Methode der Verständigung
ant eine ziemlich weite Entfernung
durch eine Geheiinsprache.
Wir hatten Glück; tief aus dem
Busch wird der richtige Weg uns an
gezeigt, und daf; er es ist, bestätigen
uns- einige entgegentommende Jaunde
männerx sie sind von der Verwaltung
durch die Regierungstrommel zu einem
Termine in Grenzftreitigleiten geladen
worden. Die Leute sind schwer be
paelt; in den Körbcn auf dem Kopfe
tragen sie Palmterne und etwas Gam
mi, auch Kalebassen mit Oel, wollen
—
sie doch bei der Gelegenheit auch ihre
Schulden beim weißen Händler bezah
len; der ließ nämlich vor einiger Zeit
schon wiederholt austrotnmelm er sei
mit neuen Waren an der bekannten
Stelle am Flußufer angekommenkPen
len, Messer, Baumwollzeuge und ande
res könnten feine »Jaundefreunde«
aufs neue erhalten, wenn sie ihre alten
Schulden zuvor bezahlen.
- Je höher die Sonne steigt, umso
ntchr sinkt unsere Marschtiichtigleit;
trir sind froh, das fiir heute kurz ge
steckte Ziel zu erblicken. Alsbald sto
ßen auch die früh Per Trommel bestell
ten und sehr erwünschten Träger zu
une; diese Ablösungsmannschaft be
schleunigt unsere Ankunft. Was wir
am Morgen telephonisch verlangten,
finden nsir beim Häuptling vor:
gertirsfte Hühner-, bratfertig; auch
Palmenwein die Fülle. Hoffentlich
fehlt aber in dieser Nacht das eine, was
leider sijr jedes Jaundedors nur zu
charakteristisch ist: das ewige Trom
mel-Konzert, mit dem der schlaflose
Fiatneruner sich die Zeit und uns den
Schlummer vertreibt·
Es ist bedauerlich, daß diese draht
lose Telephonie, die einst in Afrika
oosn Nil bis zur Küste Kameruns ver
breitet war, jetzt in schnellen Abnehmen
begriffen ist. Das Erlernen dieser
erstaunlich dollendeten Sprache fällt
allerdings auch denEingeborenen selbst
schwer·
Außer in Afrika wird die Trommel
auch in anderen Erdtheilen als werth
vrlleg Kommunikationsmittel benutzt;
im tropischen Waldgebiet Südameri
lag signalifiert sie von Ort zu Ort den
nahenden Feind oder ruft zur Feftver
sammlung; in Zentral - Sumatra
lassen die Dorfältesten die ausgehöhl
ten Baumstämme bei Feuersgefahr
und sonst in Fallen dringender Noth
schlagen; in Melanesten zeigt die
Trommel den entfernt wohnenden
Stammeggenossen an, wenn ein Feind
erlseutet ist und sein Leichnam ver
sstseist werden soll. Jedoch in all die
sen Gebieten und bei diesen Völkern
steht sie immer nur im Dienste eines
mehr oder weniger eng begrenzten
Signalsystmgz dagegen eine Vollkom
men atthebildete Fernsprache, die alle
Ajtitieilungem ja lange Berichte und
ausführlich-: Unterhaltungen rasch und
siclnr ,,augzutrommeln« vermag, solch
grofzartig funktionierende Telephonie
ohne Draht besitzen nur die trommel
sprachkundigen Stämme Kameruns.
Dr. August Eichhorn
Frankreichs Regertruppem
Die Einreihung der algerischen
Eingeborenen in das sranzösische
Heer laßt sich im ganzen besser an,
als man erwartet hatte. Major Char
denet, der den Auftrag erhalten hatte,
die Zahl der dienstsähigen Eingebore
nen fes-zustellen, hat dem Kriegsm
nister einen günstigen Bericht einge
liefert. Jrn Winter 1908 ergaben
sich noch gewisse Schwierigkeiten, aber
die zweite Operation dieser Art, die
im November 1909 begann, verlief
ohne Widerstand Jm Grunde hat
man blast dass tunesisehe System auf
Algerien angewandt, indem man
aush hier neben die freie Anwerbnng
die obligatorische Einschreibung setzte.
Nur in Bone kam es bei der Ein
schreibung zu einem Zwischenfall,
denn die eingeschriebenen Vllgerier
hielten nachher eine Versammlung
ah, cn der sie sich zwar ale französi
sche Patriaten gebärdeten, aber da
neben forderten, das-, Einschreibnng
mit der Einführung gewisser Rechte
für die Einaelmrenem namentlich mit
dem Wahlrecht verbunden werden
miisse. Die Einschreibung ergab im
ganzen Lande t"52,518 Eingeborene
von TLU Jahren, von denen 4l3,747
militärtuchtig sind. Für das erste
Jahr sollen aber nur 1569 Mann
zum Dienste auggehoben werden.
Diese Zahl wird nur ganz allmählich
vergrößert werden, sodaß erst im elsss
ten Jahre Algerien und Juni-« zus—
samtnen ein Triidssentorvs von 24,
tw) Mann stellen werden, zn denen
22,()()0 angeworbene Freiwillige kom
men würden.
Man halte gesiirchtet, die einge
schriebenen Eingeborenen würden
schlechte Soldaten sein. Es hat sich
aber im Schatvijagebiet gezeigt, daß
die eingeschriebenen Tunesier noch
besseren Dienst leisteten als die an
gewordenen, ioeil sie allerlei niitzliche
Flenntnisse als Handwerker erworben
hatten. Während der Eingeschriebene
nur 500 Franken im Jahre iostet,
fordert der Anaeworbene das Dop
pelte. Das ist schliesslich der Haupt
arnnd für die Franzosen, auch in Als
aerien den obligatorischen Militärs
tienst einzuführen
---.O.-—
Volles Verständnis ist immer noch
begrenzt, volles Vertrauen aber tennt
keine Grenzen.