Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 30, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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K l o skw e r WWIv e n d b U s e n EHHFZ Hi Roman von W. Heimbnrg
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t2. Fortsetzung) »
Ich weiß nich-t. wie es dam, in ih
ren Blicken lag eine so dreiste Aussen-s
Vertrag die Frage zu drinnen, daß Der
Abscheu vor ver Lüge mich mit aller
Gewalt ergriff. »Nein!« sagte ich»
laut, «Gottlieb ist durch sie gereizt
worden, wir hat-en schrecklich lange
aus ße warten müssen. und —« H
Der sblonde Frauentopi verschwand
und gleich daraus traf ein silbenhelless
LIM mein Ohr; Lsotte amiisirie steti;
augenscheinlich kostbar über meine;
Offenheit s
»Wie? Jst Fräulein von Demphost
mit Deiner Kammerjungser hier an-·
gewannen-P fragte jetzt Vetter Ger
imdt’s tiefe Stimme. »Wie ging das
zu, Ferra, Du versprachst mir doch« sie
abzu-lxvlen?«
»Mein Gott, Gerhardt —- ja —- ich
—- ich rollte —- nler nachher erinnerte
ich mich, Daß ich Melanie von Stelten
versprpckxn sie zum Spazierensahren
abzuholenx da ließ ich im Kloster den
Gotklieb bestellen· und Anna konnte
dann auch gleich mitftrhren ich —- sei
nicht böse. Ekrhurdt«, schmeichelte sie
,,das Kind ist ja auch so heil und ganz
hergekommen«
Er erwiderte nichts: gleich daraus
trat ein Herr durch die blauen Vor
hänge. Fast hätte ich laut aufge
schkioen vor Staunen tut-d Schreck, so
Zug tun Zug glich dieser schlanke
Mann meinem Vater, wie er mir sso
deutlich in der Erinnerung lebte; das
selbe Ewige blonde Haupt- und Bart-i
hast« dieselben hellen Augen, die
suchend nach rntir spiishtem nur lag ein
Hatt-) tmnthsstrr Blässe auf Idetn Ge
fecht-, und als er näher schritt, sch ich,
daß er etwas geouat ging.
»Nimm-non auf Wendhusen!« sag
te er zu mir trete-nd und mich augen,
schritt-lich verwundert betrachtend,
»aber wie ich sehe, sind Sie noch in
Hut untd Mantel; verzeihen Sie, Tal-:
Dornen befinden sich schon halb nnd
basld aus der Reunion mit ihren Ge
danken; ohne Zweifel hat Martia Jle
nen bereits mitgetheilt, daß Sie vor
läufig bei Tasnte Gdith wohnen sol
ten; das Leben hier im Hause möckss
Ihrem trauernden Herzen doch nicht
whlihun.«
Jch sah ihn angstvoll an. Wo woll
tet-. sie mich unt hinbringeni
. Meine Tante wandte sich um. «
r «Ich,hade ihr noch nichts mitge
theilt, Gerhacth, sagte sie langsam;
«Ferra kam-dazwischen mit ihrer Be
schwerde, und -dann der Brief —- es
ist gut, daß Du dies übernimmst. Du
wirst müde sein, mein Kind«, wandte
sie sich tattsreundlich zu mir, »es ist
das »Beste, ich lasse Dich hinüber brin
gen.
«Seit wann ift denn dies beschlos
sen?« fragte Fernande, die plötzlich
wieder im Zimmer stand, »gestern
wart Jdr ja noch grundverschiedener
Ansicht über diesen Punkt?«
«Mama hat meinen Vorschlag heute
früh endgültig adoptirt«, verseYeGers
dardt gelassen, aber nicht ohne « ronie,
»eine junge Dame in Trauer würde
Dir doch störend sein, Ferra, ganz ab
gesehen von ihren verletzten Gefühlen.«
Eine junge Dame!« lachte die
schöne Frau. »Aber Gerhardt,s tvo
basi Du denn Deine Augen? Sieh’
Dir doch die Kleine an; ein Kind
ist sie, ein richtiges Kind, und ein
verzogenei dazu! Pub, was sie sür
Augen machen kann, wenn sie so
von unten heraufsielttx Tante Editi
tvird ihre Freude haben an dieser
Acquisitionk
»Um to besser sur sie, wenn ne noch»
ein Kind ist«, sagte er ruhig und ohne
mich bei der Personalbeschreibung an
zusehen; »ich hoffe allerdings, daß
Tante Edith Freude an ihrer jungen.
Hausgenossin haben wird.« I
»Du hast Recht, lieber Gerhardt«,
fiel sie mir veränderter Stimme ein«
die eine so leise Ungeduld nicht ver
tennen ließ; »bringe sie immerhin
zur Tante (Lditl), meinetwegen mag
sie sich ebenfalls ein Dutzend Katzen
anschaffen, mir soll es recht sein.
Jch habe übrigens teine Zeit mehr
—-— Du begleitest mich doch nach D.?
Melanie fährt auch mit-«
Es thut mir leid, Schwester-. ich
sühle mich nicht wohl genug, heute die
Fatiguen eines Ballsesteå -—'«
»Du bist nicht wohl, Gerhardt?«
unterbrach sie ihn und legte. ihn
erschreckt anschauend. die seinen Hän
de aus seine Schultern. »Liebster, be
ster Gerbnrdt, warum sagtest Du das
nicht gleich, ich würde ja selbstver
ständlich kein Wort von der Neunten
erwähnt hben s— natürlich bleibe ich
hause-"
Er wehrte u ·eduldig ab.
z, .Jeh bitte D" , erra, laß dass
bat et, .Du weißt, nie ist diese Theil
nchnesew unbedeutender Dinge eve
sen entschieden umngenehm.«
«Unbedentend, GerhordtV stagtt
He sittlich, «nein. ich sehe es seht erst
Tote trank Du aicstebsts bester Ger
" her-est ei ist gar keine Rede mehr von
zwei-jun Mai-n Ins satt Lott«
·,.«W M. ich Mbe bei
wünsche es aber nicht«. senkt
K EIN- Tgc MZX «
. , k
m so ist- tses M dirs-ess
Eise in UMUZVAMWW. De
M mit als- mse W« sum
I- f-" .
sahre und -—— arniisire Dich, wenn Du
kannst. Vor ailen Dingen aber«, er
schritt zur Thiir und faßte den Glo
ckenzng, muß jetzt auf Fräulein von
thoff Rücksicht genommen wer
«Mama«, wandte er sich an die alte
Dame, die wieder eifrig schrieb. »daß
Du noch etwas an uordnen in Be
ireff unseres Geistess«
«Nein«, entgegnete sie kurz, ohne
sich dabei umzuwenden.
«hast Du Joachim mitgetheilt —
icii nehme an, —Dein Schreiben gilt
ihm —- daß der Preis des Schweiß-;
bundes bedeutend iiber meinen Etatj
gebt?" fragte er. !
»Nein«, erwiderte sie eben so lurz,’
»ich werde ihm den Hund laufen.« s
»Du. Mania?« :
Er sah, offenbar unangenehin über
rascht, zu ihr hinüber. »
.Schön«, sagte er dann, »wir wäre
e: zu theuer gewesen.«
Jn diesem Augenblick trat ein sau:
beres erusmiidchen ein
»He-den Sie die Güte«, wandte er
sich freundlich zu mir, »dem Mädchen
zu folgen; Sie werden der Ruhe und
Erquickung sehr dediirfen.'·
Jch erhob mich und sagte meiner
Taute Adieu.
«Adieu. mein Kind«, erwiderte fie
fich flüchtig nach mir uniwendend.
Als ich mi dann von der jungen
Frau derabschieden wollte, war diese
verschwunden. Gerhardt begleitete mich
bis an die Treppe.
»Ich werde mich morgen erkundi
gen lassen. wie Sie geruht haben,
Cousine«, sagte er artig, «vorliinfig
wünsche ich Ihnen eine erquickende
Macht« « «
Die Dämmerung war heraoaeiun »
ten, als ich meiner Führerin durch den
tcvpichbeleaten Kotridor folgte und
die Marmortreppe hinadschritt: die
kühle Adendlusi draußen. legte sich be
ruhigcnd aus meine heiße Stirn. Die
Partmear. in weiche wie eindogen la
gen in tiefem Duntel. ich wandte noch
einmal den Kopf und sah zuriick zu
dem Feenhgule, das ich eben verlas
sen; seine weißen Mauern hoben sich
leuchtend von dem dunklen Hinter
arunde der Bä!:me. deren Kontoureu
sich scharf an dem abendlichen Him
niel abzeichnetenz noch rauschte leise
der niedersallende Wassersirabl und
machte die breiten, siicherförmigen
Blätter der umstehenden Pilameni
grudpen unaufhörlich schwanten und
nicken, und aus den üppian Boåtets
tauchten die Marmotsigutev in blen
dender Weise aus.
Wie war es prächtig hier! Und doch
hats ich sortlausen mögen, sort -- so
weit die milden Fiisie mich tragen
konnten. zu Georg, zu Christiane, hin
zu Jemanden, der mich ansah mit
Augen voll Zärtlichkeit, die mich
schmeichelnd «Lena, liebste Lena"
nannte -—— was sollte ich hier zwischen
den Menschen, die ich eben gesehen; sie
würden mich nie lieben, ich war ihnen
eine Last, die sie sich so leicht als mög
lich zu machen trachteten. himmel
weit war die Entsernung zwischen
uns: Mißachtung, Neckerei und kalte,
geschästsmäßige Freundlichkeit das
war es, was dem fremden Kinde ent
gegengedracht wurde, und fest s-?
Wo führten sie- mich nur hin? Wer
war diese Tante Edith und was woll
te die schöne junge Frau mit der An
spielung aus die Kayewi Mechanisch
folgte ich dem Mädchen durch die ver
schlungenewWegez «
»Es m man wen vis- Win pur-un ,
begann sie freundlich, »du-z Sinnen
tunn inan schon hören«
Jch horchte auf. sollte ich denn ir
ein wirtliches Kloster? Aber nein,
das waren teine geistlichen Melodien;
ein zweistimniig vorgetragenes Volks-z
lied drang an mein Ohr:
«Stet)’ ich in finst’rer Mitter
nacht —«
i »We» wird aeiungen’« fragte ich.
I »Auf dem Wirthschaftshofe unter
’der Linde«, war die Antwort. »Die
Mägde sind-z und die Knechte. eg
ist Feierabend — sehen Sie, dort ist
das Motten und hinter den erleuch
teten Fenstern oben wohnt die Frau
Tante.«
Da lag es Vor mir in der düstern
Erleuchtung des sinkenden Abends,
unheimlich, groß und finster, das
langgestreckte Gebäude, das mir nun
eine heimath fein sollte. Noch trennte
mich ein eisernes Gitter von dem Vor
gnrten, den die beiden mächtigen, un
ter dem rechten Winkel verbundenen
Flügel des Klosters begrenzten; die
Gitterthüren waren zurückgeschlagem
ich sah, wie des Mädchen den Fabr
weg überschritt, und hörte, wie ihr
Fuß jenseits des Gitteri auf Mes
trat.
Meine Au en hefteten noch immer
auf dein fin ern Gebäude; die unte
. ten Ze- rreileen waren mit rten
Eisenttä versehen wie ein ngs
niß. und der Ililgel zu meiner Linken·
an den eine hohe Mauer grenste zeig
te geschlossene Lädenx nnglau lich nn
heirnliq wer der Eindruck, den das
W mir machte. «
- M M kenn suchend zukflckz
« »so-wo schritt ich w ves- Jst-wes
. M trat durch das Ihrs wir Ini
»«Weimsiitelferuensettenein.
s M Unten-lot is deren W
s- eine von speise-n Ephe- umwuqekti
.Sandßesinum stand. Eine große. ei
ltenbeschlrtgene Thür, deren einer Fliis
gel geöffnet war, führte direkt zu et
’ner breiten, mit plumpein Holz eliin
»der versehenen Treppe; kühle, uchte
Luft umfing mich, tröstelnd lchaueete
ich zusammen nnd wich zueiiel doe dem
spukhaften Dunkel, das unter der -
wölbten lle lag; unwillkürlich da
ich an ge penltige Nonnengestalten. die
anhört-at dem Fremdling entaegentees
ten würden ziirnend iibet das Ein
dtingen in die geweihten Riiume
da hörte ich trippelnde Schrittchen
hinter mir und Kindekstimmen und
tleine Köpfe lugten nun um die Haus
thür:
»Katzentante! Katzentante!« tief
es durcheinander-, und ein fast schreien
des Stimmchen sang:
Dacht’, es fiel ’ne Katz von der Bank.
Ein Kind nur war es, Gott sei Daan
Gellend klang es zurück von den
hohen Steinwiinden. Ich blieb ste
hen, dnz Mädchen aber !iei, so flink
wie ein Wiese-l, die Stufen wieder
rasch hinunter und erfaßte glliälich
einen det kleinen Schrein an det
Jacke.
,,Schiiinst Du Dich nicht, Du un-»
crtiges Kindl« tief sie, den lleinen
Burschen hin- und herlchiittelndJ
»Du willst die gute Dame detspotY
ten, die Dich alle Jahre zu Weih
nachten beschenkt. die Dir Schulgeld
und Kleidung giebt. Du undankba
ier Bengel!«
Der Junge brach in jämmerliches
Weinen aus.
»Jette, Jette, las; ihn doch!'« rief
da eine sanste Stimme, und inich um
ipendend, erblickte ich dicht vor mir die
Gestalt einer schwarziietleideten Da
me: ihr weißes Haiibchen und das
blasse Gesicht leuchteten hell in der
Dämmerung zu mir herüber und zwei
schmale Hande streckten sich mir ent
gegen
«Willtommen, mein Kindl« sagte
sie leise. Jch siihite einen Kuß aus
meiner Stirn und einen ieucbteii
Tropfen, und dann noch einen und
noch einen, und mein Kopf lag ati
ihrer Brust. »Mein armes, tleines
TIJltädchen«, stüsterte sie. »Gott segne
diese Stunde, in der er Dieb mir zu
iiilirtel Aber nun lomin’. lomrn’,
damit ich Dich bei Licht ansehe«, un
terbrach sie den seierlichen Ton, iii
dein sie gesprochen. s—
»Jeite, laß den Junan tausen.
er weiß nicht. was er thut, er macht
es den anderen nur nach; besorge den
Ther, mein tleiner Gast wird hungrig
und durstig sein.«
An ibrer Seite schritt ich einen lan
gen Storridor hinunter, es war fast
finster Eier. und dann trat ich in ein
großes, erleuchtetes Zimmer mit alt-:
inodischen Möbein und Tapeten; eine
Lampe brannte aus dein schneeweisi
gedeckteii Tische, und nun schauten
mich ein Paar milde Fraiienaiigen an,
so lieb, so nötig, daß mir Zii Muthe
ward. als sei ich aus Eis und Schnee
plötzlich in den sreundlichsten Sonnen
schein getreten. Univillliirlich schlang
ich meine Arme um den Hals der mir
gänzlich Und-staunten und weinte mir
alt’ die Bangigkeit der letzten Stunden
hinweg. «
Sie ließ mich eine Weile ruhig ge-«
währen, dann richtete sie meinen Kopi
empor.
»Nun ists genug, Kind«. sagte sie
ruhig. Jamm, laß Dich einmal be
tchauen —- Du bist ja gerade so ein
Liliput wie Deine Mutter war. tauin
drei Käse hoch! Schöne Dich, Kind,
und spute Dich, sonst sieht Dich Nie
mand für voll an.«
Jch. lWlL. - — ,-.»L- t-. ·
»Ach Ill, Umlslllk »nur-nur »u- e-.
eben auch gesagt, ich sei ein Rind«,
nnd es war sast, als wollte mein alter
Uebermutb wieder hocls tommen, der
lsich seit langen Wochen vor den fin
ssiern Sorgen aesliichtet hatte.
) Denn als ich jetzt am Tische saß
und mit bestem Appetit die belegten
Bittterbrödchen verzehrte, die mir so
zierlich voraelegt wurden, und srische
Milch trank, da jubelte ich laut aus,
als mit leisem Schnurren plötzlich eine
schneeweiße Katze mir aus der Schul
ter saß nnd ihr weiches Fell liebte-send
an mein Gesicht schmiegte.
«Sieh’ einmal, fiel)’ einmal!« ries
fröhlich die alte Dame, »die Minta
will Freundschaft mit Dis machen,
sie ift sonst gar scheu wie mich
das sreut, wie mich das freut!« wie
derholte sie noch einmal und streichelte
das glatte Fell ihres Lieblings
Mir siel plötzlich ein, daß Frau von
Niedtngen von einem Dutzend Katzen
gesprochen hatte, nnd dann der Verse
Dacht’. es siel ’ne Katz von der Bank,
Ein Kind nur war ei, Gott set Dankt
Unwillttirlich sah ich mich im Zim
mer uni» ob etwa noch mehr —? ich
ttg, da aus der dunklen Ecke des Osens
teuchteten zwei grünliche Ko enangen
im Sorgenstuhl am Fenster eeette sich
behaglt eine schwarz und weih ge
sleckte «e , und dort hinten in dein
Winkel s zusammengetauert zwei
junge-· Feste Mist-ein Erschrecki
legte ich esset nnd Gabel htn unt
bettete meine Blicke sWd aus das
alte, seine W mir Mord
»Es-ja Bin fobi- ngsfuhui seid-u
: age un a na be
» Mist ass. - he
Mc----s’
?
- weint.
»O js, Chef sc —« s
»So viel, meinst Tit-F vollendetes
sie. .Laß. Kind, Du wirst Dich der-s
ran gewöhnen. urn so mebrj wenn
ich Dir sage, daß die Krisen Jahre
hing meine einzigen Gesellschafter
waren si— und sie haben mich nie
betrübt oder geärgert«, schloszsj sie und
blickte wehmüthig lächelnd zu Minta
hinüber, die es sich recht bequem ge
macht hatte aus meiner Schulter
«·O nein. ich mag Kahen sehr gern«,
beeilte ich mich nun zu versicheru. od
gleich mir ein wenig bange war.
»Wirtiich? Das sreui mich!'« rief sie.
»Du sollst einmal sehen, sie sind tan
wie die Menschen und rnitunter auch
« sie brach ab nnd sah mich steundi
lich an. »Nun, Kindchen, tonnn’ zu
mir auss Sopha". bat ste, »und wenn
Du noch nicht miide bitt, so erzihte
mir von Deiner Mutter. Hast Du
nicht auch ein Brüderchen?«
»O ia!« erwiderte ich, nnd beinahe
hätte ich vor Sehnsucht wieder ge
Aber die alte Dame neben mir zoa
meinen Kon an sich und tonnte so süß
trösten nnd sog-ach von der ssrnen Zu
lunft und daß in meinen Jahren nach
aller Kummer nur eine duntle Watte
sei, die doriiberglrite. um desto strah
lenderene Sonnenschein Platz zu tm
a,-en. Sie sprach so tröstend und mild,
daß ich auch ruhiger wurde als seit
vielen,— vielen Wochen.
»Wer bist Du eigentlich, Tante",
ertundiate icks mich schon halb im
Schlafe, als-«- iie mich später mit wiss
trilicher, etwas uinstiindlicher Sorg
nli in mein Zimmer begleitet hatte,
das dicht neben ihrem Schlaszitniner
sein« und nun mit leiser band über die
verblichene griinseidene Steppdeete des
riesengroßen Himmelbettes strich, in
welchem sich weine tleine Person bei
nahe verlor. Jch war sehr wiide nnd
sah nur noch mit halbgeösfneten An
acn, wie die schlante Gestalt der alten
Dame lautlos durch das nur schwach
erleuchtete Zimmer glitt.
»Du weißt es ja«, stüsterte sie leise
lachend. »Kayentante« rusen mich die
Rinden Du sollst mich aber Tante
tidith nennen - - willst Du? Jn der
Vilta drüben sagen sie nur: »Ja-ite«
tidith zu mir. ich heiße Edith «
s-c nannte einen Namen, den ich nicht
deutlich verstand, »und bin eine rechte
doch davon später. daß der
stehst Du nicht; und nun i las« Leim,
nnd träume etwas Schönes , iliisterte
k- und drückte einen Kuß auf meine
stirm »dat Dir denn Deine Mutter
isie von mir gesprochen?« fragte sie
noch.
Ich schüttelte schlastrunten den
Not-L die Tit-gen sielen mir zu vor Er
müdung.
»Wie sotlte iie auch!« tagte leise
Tante Editd vor sich hin, »der-nutz
war sie junq —--—"
Dann hörte ich nicht mehr recht,
was sie sagte, es lani der Schlaf.
Und er legte sich betönbend ans mei
ne Stirn. bis ich plöylich mit dein
lauten Rus
.,Georg!" wieder ansschreette; ich
hatte etan so deutlich vor mir gesehen.
er str te mir die Arme entgegen und
sah so trant und elend ans. —
«Schlat, Lena. sei nicht bange um
Georg«, stiisterte da wieder die sanxte
Stimme der Tante Edith »Man st
Du denr nicht mehr an den Engel,
den ein jedes Kind hat? Sieh, daran
deute. nnd Du wirst ruhiger werden«
»Gut-if Taute«, sagte ich erleich
tert und chon wieder halb im Schlafe
der iest siiß und M auf den miiden
Augen ruhte.
-
Als ich am andern Morgen ern-ach
te, konnte ich mich im ersten Augen
blick nicht besinnen. wo ich eigentlich
:sci? Ueber :nir wolbte sich ein Gar
dinenbirnmel von schwerem, grünseide
nein Stoff, nnd hölzerne vergoldete
Fransen hingen plump daran; die
verblichenen liier und da fast gelb ge
wordenen Vorhönqe meines Bettes
waren zixriielaeichlaqen Und mein
fchlaftrnntener Blick fiel in ein hohes
Gemach, welches die voll hereindran
genden Sonnenstrahlen mit blenden
dem Liibte erfiillten. »
Ein wahres ilngethiim von einein
Kamin mit schwarzer Marmorbetleis
dung befand sich meinem Bette gegen
über, ein bober Spiegel zierte die
Wand iiber demselben; dieser mufzte
wohl sehr alt sein« denn seine unge
heure Fläche war aus drei Stücken zu
sammengefügt, und den Rahmen bil
dete eine schmale, aber reich geschnitzte,
vergoldele hotzleifte. Die Möbel ge
hörten ohne Zweifel verschiedenen Zeit
altern an, denn neben einer wunder
voll eingelegten Kommt-de mit ge
fchweiften Kästen und blisenden Be
fchliigen stand ein Tischchen auf ver
goldetem zerbrechlichen Füßen, die so
unmöglich verschndrtelt nnd verbogen
waren, daß man auf den ersten
Blick sub, es miifse der leichtletsiaen
Poeocoseit seine Entstehung verdan
en. «
Die Tapete zeigte in blaugrsiuen
Schatlirungen eine re tmäßi wie
derkehrende weibl« Z ur, d aus
einein Delphine, de en Schweif in et
ner schön gebogenen Arabeste endigte,
ttibn die plump angedeuteten Wogen
- durchfchwnrntnz eine breite Blumen
bordnre schloß unten ane soden und
un der Decke ab, und lestere trugen
«riefige Balken. Angenscheinlich war
dieses Haus in einer Zeit gefügt wor
ten. als noch solid und fiir die Dauer
gebaut wurde, denn diese gewaltigen
Mauern. in denen sich tiefe Fenster
nisehen befanden, schienen einer Ewig
leit trohen zn wollen.
Ein belniqliches Gefiihl iibertani
mich in dem sonnendurchleuchteten
Zimmer; ich schmiegte meinen ston
in die schneeweißen Kissen und schloß
blinzelnd die Augen, bis mich eine
klangreiche Stimme aus diesem Zu
stand zwischen Träumen und Wachen
erweckte.
Die vorhin noch gefchlofsene Flügel
thiit nain denO Nehenzimmer stand ietzt
weit geöffnet und ich erheischte den
Anblick einer schlanien, weißen Gestalt
und zweier blonden Zöpfe. die ihr
lang iiber den Rücken herabfielen.
»Sie schläft noch, Tante«. sagte die
selbe frische Stimme. »ich war bis
dicht nn ihrem Bette; sie liegt mit
offenen- Munde nnd die schwarzen
Haare hangen über das braune Ge
sichtchem sons fiir ein wunderbare-s
tleines Menschenlind, wenn man solch«
arosze blonde Riesen zu sehen gewohnt
ift - komm Minia, mein Herzchen."
Die weisse Gestalt bückte sich nnd
hob die Ketz- etnpor. dann faß sie
plötzlich auf der Fensterbank, der
Strohbnt floa auf den nächsten Stuhl,
und ich erinnnte unter den bliithen
weißen Msclloorbängen das rosiae Ge
sicht meiner Cousine Charlotte, die,
augenscheinlich in behaglichster Stim
mung, der Lunte einen Morgenbesuch
machte
Sie baunkelte mit den Füßen. ds
in kleinen durchbrochenen Schuhen
streiten. drikckte nnd streichelte Mth
nnd triillerte dabei mit leiser. aber nn
endlietz liebt-Wer Stimme eine Melo
die, wie ein kleiner Vogel, der im
Schtase singt.
»Weae mir das Fiind nicht aus,
Lottchen!« ermahnte Tante Editb
sonst, und gleich daraus trat ihre
zierliche Gestalt im einfachen grauen
Morgenileide in den Bereich meine-I
Gesichtetreises und nahm in dem
Lehnstuhle nnbe bei Charlotte Platz.
so daß sie mir nun den Rücken wandte
und iet- den aanzen vollen Anblick ih
res saubern Morgenhänbchens hatte.
Charlotte saß plötzlich still
»Tante«, fragte sie mit etwas ge
diimpster Stimmen aber doch so. dass
ich deutlich iedee Wort vernehmen
totinte, »Tante. ist es wahr. was
Feennnde gestern Abend aus der Fahrt
nach D. Mel-wie von Stelten erzähl
te, daß nämlich die Mutter der Klei«
nen da drinnen - nun, tvie soll ich
doch sagen - - na, turz - eine Dame
roin Theater war, die den armen On
tel durch ihren nnerhörten Lurns
vollständig ruinirt hat-«
Jch schloß die Augen in diesem An
genbliaz es war, alr- siihrte man einen
Zchlag gegen mich, dem ich nicht mehr
entgehen konnte. Meine Mutter eine
Dame vom Theater! Meine Mutter
- ihr liebe- Gesicht schwebte mir
plötzlich vor, die zierliche Gestalt. wie
sie, sich die Finger wund nähend, am
Fenster snsr - »durch unerhörten
Luru5!« - - O· wenn Fernande sie ge
rannt hättet ,
»So? Hat Exerra ihr herz erleich
tert?« sragte ante Edith, »es war
iedensalls sehr interessant, Lottchen,
und die Fahrt ist Euch gedantensehnetl
vergangen ?«
»O ja, Tante Edith, es hat miet,
interessirt. Weißt Du, sast in jeder
Famiiie tonnnt so ein kleiner-. Man
ter Standal vor, nur in der unsern
sah es in dieser Beziehung, Dank dem
unvergleichlich ruhigen, lerdenlchaststos
sen Blute der Demphosss, iiber alle
Masken harmlos und han«-backen aust·
«6l)arlotte!« rief Iante Edttlt Zut
uend·
·h(2in silberlielles Lachen antwortete
i r.
»Es ist doch wahr, Tit-ite, Und ich
denle mir to etwas außerordentlich
interessant Stelle Dir vor, welche itle
tvechslunq durch solche Liekesleidenik
fchaft unter dem Stande in e:n seien-l
liche5, langweiliges Familienleben
kommen miiiztel Da gibt es Szenen
»in-it des-. Herren Eltern, der Sohn
!dtoht, sich das Leben zu nehmen« di
Mutter arranqirt Feste, um ihn seine
Liebe vergessen Fu machen; der Vater
schlägt eine Reie vor, die Schwestern
laden ein halbes- Dittzend heirathe
fdhiqe Freundinnen zum Beinch, und
stiließlich ist eines Morgens in den
Lolalbliittern zu lesen:
-,,Jn unserer nächsten Nähe spielte
sich eine, fiir vie heutige blatsirte Zeit
ungewöhnlich ,eonmnttlche Geschichte
abz- der Soan einer unsere-e ersten Fa
milien heirathete, troh des energischen
Widerstandes der Seinen, eine junge
Dame vom Theater, vie es verstand.
durch ihre Schönheit den «ungen Ras
valier to in Fesseln zu s lagen. daß
et ....,
»Seit, Tantcheth to wen es?« stag
te sie, aus ihrem vor-tragenden Tone
fallend.
»Mit es Txc Ietra so mitgetheilt,
Eben-Miet«
«c-’- ähnlich, Taute, nur noch aus
südlicher, noch bunter', erwiderte
meine Eviisinr.
Innenve kennt vie Gelchichte viel
zu weilte, mn sie erzählen zu tönnen«,
---’
sagte Tante Edith sehr ernst: »Hu-. he
weiit shon der eine Umstand, daß die
Mutter der Kleinen nie mit ihren
Fusie aus den Brettern gestanden hat;
ison einer Dame vom Theater kann
also nicht wohl die Rede sein und ich
möchte Dich sehr bitten. Charlotte«
nicht wieder in dieser Weise von ihr
zu reden.'-« --—
«Kennst Du die Geschichte genauer,
Tatttchen?« bat das junge Mädchen
lebhaft. »Hast Du je die freut gese
ben, die Papa und Ontel .ir immer
lrennte?«
»Ich habe sie gesehen, Lottchen,
wenn auch nur einmal«. sagte Tante
Edith weich; »ich habe jene traurige,
noch heute nicht ausgetlärte Geschichte
ja miterlebt. Diese Frau — lieber
lstott, Charlotte! Diese lleine, linder
haste Frau mit den großen. duntlen
Augen war sreilich die unschuldige
Ursache des Zertviirsnisses, aber ihr
kommt wahrlich nur der geringste
Theil der Schuld zu; sie war ein
lnrmloses Kindergeniiith - — keine
Ketette nsie man Dir gesagt zu
haben scheint.«
Gute Tante Edithl
Mein Herz ttopste ihr in stürmt
fcher Donlharleit entgegen; sie nahm
mein Miitterchen in Schutz, über die
jenes junge Mädchen dort mit der
Leichtsertigieit eines Wesens, das
teine Ahnung hat, was es heißt. un
aliiellich Zu sein, urtheilen wollte. Ich
öffnete die Augen und sah zu ihr hin
iiberx sie saß dort so unbefangen, nnd
ihre Blicke ruhten, ohne jedes wahre
Interesse tu verrathen, aus Tante
Ediths Gesicht.
»O unte, erzayie, Herzens-Junker
bat sie, »Du tin-it ein gutes Werk ba
niit: erstlich entschiibiast Du mich für
die gestern ausgestandene Langeweile
aus der Reuniom nnd zweitens kann
ich Ferra dann doch endlich auch ein—
mal beweisen-, datev ich von einer Sache
besser unterrichtet bin, als sie.«
»Sind das Teine einzigen Gründe,
diese traurige Geschichte zu erfahren,
Leutchen-« fragte Tante istsitb ernst.
Cliarlotte senkte die Augen und
schwieg -
»Es thut mir sehr leib, daß ich es
sagen muß, Charlotte«, fubr Tante
Editb fort, aber Du bist grenzenlo
oberstcchlich aus Deiner Pension zu
rückgeker ich habe mich immer mehr
überzeugt« baß es leider so ist. Du
bist nicht mehr das freundliche tleine
Mädchen, das iiir srembes Unglück so
leicht eine Tbrtine sand. Du willst
Dein Leben genießen, willst unterhal
ten sein, das scheint Dir der einzige
Zweck des Daseing.«
lFortietzung solgt.)
—-—-.
its-Verstöße des Menschen am
soc-seit send ist-ens
Dasz die Körpergröße des Menschen
täglichen Schwankungen unterworfen
ist. ist eine Thatsache, die bisher nur in
Fachtreisen betannt sein dürste. Die
erste Beobachtung dieser Art wurde in
England gemacht, wo auch der eigen
artige Fall passierte, daß ein Mann.
welcher sich anwerben lassen wollte. am
Abend zurückgewiesen wurde, weil er
nicht die vorgeschriebene Körpergriisze
besass. am Morgen nach wiederholter
Messung aber groß genug befunden
wurde. Werthoolle Mittheilungen über
dieses Phänomen verdanken wir dem
Anthropologen Dr. Franz Dassner.
Nach seinen Beobachtungen schwankt
die tägliche Größe zwischen ein Fünftel
und zweisünstel Zoll beim männlichen
Geschlecht. Der Abbe de Fontenu hat
aus Messungen, die er ein Jahr lang
an seinem Körper ausführen ließ, die
Ueberzeugung gewonnen, das-i er am
Morgen bis zu O Zoll mehr-maß» als
am Abend. Auch bei Leichen sinoer
nmn ost eineGrößenznnahme von etwa
vier Fiinstel Zoll. Wie aber erllärt
sich diese seltsame Thais-acht daf; der
Mensch länger ist, wenn er liegt, als
wenn er steht, uno daß er auch am
Morgen mehr mißt als am Abends
Tassner sührt diese Srtiwcinlnng aus
die Zusammendrüclbarleit der Zwi
schenwirbelscheiben zurück, welche ge
wissermaßen wie weiche Bänder zwei
Wirbellörper aneinander heilen und
die etwa den vierten Theil der ganzen
Wirbelsiiulenhöhe ausmachen. Diese
Zwischenwirbelscheiben neben dein Ge
wicht des Kopfes und der oberen Kör
pertheile leicht nach, so das; das Riicki
grat sich nicht zu beugen braucht, wenn
sse eine Last zu tragen haben. Wird
die Last weggenommen, so nehmen die
tnorpligen Scheiben wieder ihre stü
here Stellung ein. Auch durch das
Sitzen oder Stehen werden durch das
Gewicht der oberen Theile die unteren
Knorpelschetben zusammengedriiat Ei
ist daher leicht einzusehen, dasz der
Mensch kürzer ist, wenn er steht oder
eine Last trägt, als wenn er liegt und
ruht.
ho
Aus einer« der Nordseeinseln hat
man einen englischen Spion ausge
grissen. Ra, dann wird Zehn Ball
ja wohl bald Bescheid wi en, wo er
sich eine Niederlage atn bequemstev
holen tann.
I i I
Das Genie bricht bieBahn; das Ta«
lent macht sie eben und gangbar.