Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 19, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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    Rosen und Myrthen
----— --·0-I UUUUMUUUUUUUOU »U
Roman mu- dem
Volksleben
Von O. Elfter
IIjjjjnjsjjfssv Ifsjsfkss
Es. Iortfenuan
.Sei nicht thöricht, Anna! Wer
kennt Dich penn unter den Hundert
Personen auf der Bühne-) Vielleicht
kannst Dr- anch in einem langen Ko
stsrn austreten. —- Na, das wird si
allei finden. Die Hauptsache ist- da
der Direktor Dich enqaqiet und dcfür
werde ich sorgen. Mußt nämlich Epis
sen, Annchem daß mein Bruder dem
Direktor mehrere tausend Mart ge
putnspt hat und da muß er denn schon
Rücksicht auf mich nehmen. Der A
rektor zahlt freilich an die Statistik
nen nur zwanzig Mart Monatsgagr.«
»Mir zwanzig Marks«
»Ich werde dafür sorgen, daß Du
das Doppelte erhältst, wenn Du eine
Spiopartie übernimmft.«
«Eine Solopnrtie? Ich weiß doch
nicht« wie ich mich auf der Bühne zu
benebmen habe —- ich war noch nie
mals auf der Bühne —«
»O, das lernt sich leicht. Du sollst
auch nicht singen oder sprechen, oder
tanzen, Du sollst nur einen Neigen
aufführen —- da fällt rnir ein, zu ei
ner Stelle paßt Du ganz brillant.
Dein goldblondes Haar Deine hohe,
schlanke und doch kräftige Figur —
is. is. Du sollst der Sieaesenqel sein
in dem Bilde. in dem ich die Haupt
sigur vorstelle. Das wird das schönste
Yild Hm ganzenJlbenkmnnvL muß rie
-- --«c
IIACS ffllkskc llchclh Wu- guuku III-u
teinen Siegegengel — das kleine
Kropvzeug welches sich bis-lang gemel
det hatte. war nicht zu gebrauchen.
Entschuldige mich einen Augenblick,
daß ich meine Toilette vervollständige.
Dann fahren wir zum Direktor.
Vierzig, nein. sechzig Mart soll er
Dir geben —«
Sie plauderte noch mancherlei iiber
das Theater und das Stück »die Reise
durch Indien« während sie sich fertig
antietdetr. Anna iab mit Erstaunen
die eleganten Klseidungkstiiete der Tön
zerin, die seiden-en Unterröcke. die
rauschten und tnisterten, das mit Pelz
verbrämte. hochelegante Straseentm
stöm und den mit echten Spitzen edern
besetzten Hut
Liichelnd stellte sich Grete in Posi
tur. »Gesalle ich Dir fo?«
»Du bist sehr schön. Grete —"
Dir Tänzerin lachte. »Ach, Kind«,
sagte sie dann mit einem leichten An
flug von Melancholie, »ich wiirde doch
was drum geben, wenn ich Dein
prachtvolles Haar und Deine Figur
hätte. Freilich. Deine Wangen sind
Muts zu blaß, aber dem tönnen wir
leicht abhelsen —- warte einmal -—"
Sie lies zu ihrer Toilette. nahm
ein kleines Schmintniipschen mit ro
ther Farbe und betupste mit der
Schminte Annas Wangen, sie dann
sanft reibend.
»Ich weihe Dich in die Toiletten
geheimnisse einer Theaterdatne ein«,
lachte Grete. »Das gehört zum Hand:
wert, das mußt Du auch noch lernen.
—- So, nun noch ein wenig Puder —
Deine Augenbrauen sind dunkel ge
nug — und nun sieh Dich einmal in
den Spiegel —«
Sie führte Anna vor den großen
Trumeau und machte einen schelmi
schen Knir.
»Guten Morgen. mein gnädiges
Fräulein — Sie sehen heute wieder
brillant aus —'· fchnarrte sie, den
Ton eines Etutzers nachahmend.
Von glühender Schamröthe über
gossen stand Anna da. Ein leises Ge
siihl der Citelteit regte sich in ihrem
Herzen und doch sliisterte ihr eine in
nere Stimme zu, lieber in Noth und
Elend weiter zu leben, als der ehema
ligen Freundin zu folgen.
Aber plötzlich tauchte das spöttilche
Gesicht ihrer Stiefmutter vor ihr aus«
das bergriimte, sinstere Anttiy ihres
Vaters und die blsissen, einge allenen
Wangen. die müden, hungrigen Augen
ihrer Geschwister. — Das Elend, die
Noth· die Armuth, der Hunger stiegen
gleich. dsmpnischen Gespenstern vnr-ih
kein kccllfcykll Auge Alls UND gklllllcll
sie hölmisch .m. Uno wie ein Engel
des Lichts-, des Glücks-, der Freude
stand die Tänzerin vor ihr; die schwe
re, von Wohlgeriichen qeschwiingerte
Luft des- Boudoirs leate sich betäuisens
und verwirrend auf ihre Sinne, ihr
Bild lachte ihr aus dem schimmernden
Spiegel entgegen —- tief atdmete sie
auf nnd sagte leise: »Ich bin Dir
sehr dankbar, Grete —— ich will ver
suchen, ob ich die Stelle ausfüllen
kann« —
,,Kleinigteit mit Deiner Gestalt.
Aber Kind, wir müssen Dich doch ein
bischen zutechtstutzen Erlaube mal,
daß ich Dein Haar etwas modern an
rangire —- va, setz Dich m den Friste
still-«
Mit lunstfertisgen Händen ordnete
Irete das mächtige qaldige Haar An
nas zu einer modernen Frifur »Die
seenuieheere braucht man bei Deinem
hast gar nicht« plaudekteN sie, »das
Iest und traust sich von Natur. —
si, mein Kind —- und nun nimmst
Du diesen nt von mir unt- dieses
et —- un nun soll mir einer sa
gs, das Du nicht die elegantefte Da
se Mi, vie es giebt. "
- In der That Pb die modische Iri
das ensan est-de. helle Jacket
etnfaåq aber seht gefeksmackvollc
;I, H eseftalt Amtes in vertheilt-af
fe. Sie war selbst erstaunt
te settvasdlun und Hielt
M miethlieher edcheneitelteii
Ih- Spiel-MU
Her t. tas- doch nicht is itbei
die Straße geben«, meinte sie ver
schämt.
Grete lachae unbändig. »Komm
nur«, rief sie, »tomm. wir haben jenl
teine Zeit mehr zu verlieren.«
-Spll ich Deiner Mutter nicht Adieu
sagen —?«
»Nicht nöthig. Die murftelt in der
Küche umher. Komm nur. wir gehen
gleich durch diefe Thür, die uns direkt
auf den Hausflur führt«
Mit tlopfendem Herzen folgte Anna
der Tänzerin. Sie glaubte auf ver
botenen Wegen zu wandeln und blickte
scheu zur Seite, ob die Leute sie nicht
erftaunt bebt-achteten Aber es liim
merte sich niemand um sie. Das Le
ben ber Großftadt fluthete achtlos an
ihnen vorüber.
Grete wintte eine Drofchle erfter
Klaffe herbei. »Auch dem Germania
theater«. rief sie, dann fliegen sie ein,
der Kutscher nickte mit dein Kopfe und
dahin flog das leichte Gefährt.
M. K a p i l e l.
Das Germania - Theater war ein
Riefen«bau, dessen Gerippe faft ganz
aus Eifentvnftrultion bestand. Es
war durch ein Kinfortium reicher
Leute, meistens Börfenmänner und
Bauunternebmer, zu dem besonderen
Zweck gebaut worden« um großartige
Ausftattun sftiicke, Feerien nnd Bal
lets aufzufiihren Auf der Knppel des
gewaltigen Baues prangte in echter
Vergolsdung die Statne der leichtge
fchiitzten Muse des Tanzes und an
der Frpntfeite befand sich in riefen
großen, vergoldeten Lettern die Jn
xchrifk »Der Jugend und dem Froh
inn."
Anna staunte die Pracht. die Urp
pigteit der Räume des Theaters an.
Ueber breite Marmortreppen mit ver
goldeten Geländern und mit rothen
Plüschteddichen bedeckt, schritten dre
beiden Mädchen dem Bureau des Di
rettors zu. Ein-e Menge Herren und
Damen gingen aus und ein. Manche
von ihnen griißten Grete Hänseter in
der oertraulichen Weise. welche zwi
schen Angehörigen der Bühne üblich
ist; andere sliisterten ihr einen Scherz
zu; wieder andere blickten mit unver
hohlenem Neid der eleganten Erschei
nung der Tänzerin nach.
Grete schritt wie eine Fürstin durch
die hallenden Gänge, iiber die breiten
Marmortreppen. Aus der kleinen,
unbedeutenden Tänzerin des Vorstadt
theaters war eine Solotänzerin an ei
nem großen Theater der Millionen
stadt geworden, und wenn diese rasche
Laufbahn auch weniger der Gretens
zu verdanken war. als bieimebr dem
Reichthunt ihres Bräutigams, der sich
mit einer namhaften Summe an der
Gründung des Theaters betheitigt
hatte. so war Grete doch des-bald nicht
weniger stolz aus ihre Stellung und
nahm die Miene einer berühmten
Künstan an, um die sich die Thea
terdirettoren rissen. Anna war zu
unerfahren und bannte-L als daß sie
den Dingen aus den Grund hätte se
lten tönnenx sie blickte mit ausrichtiger
Bewunderung zu Grete empor« deren
«Talent" und Künstlerinnenthum ihr
gewaltig imponirte.
Nach flüchtigem Klopfen trat Grete
in das Bureau des Direktor5, ohne
dessen Herein abzuwarten
»Da bin ich, Herr Direktor«, sagte
sie mit siegesgewissem Lächeln, »und
bringe Ihnen auch eine neue Kunst
novize mit —— ah. lHerr Direktor, guten
Morgen — wie geht es Jhnen?«
Diese letzten Worte galten einem
herrn mit blassem, geistreichent Ge
sicht. auf dem ein immerwährendes.
spöttisches Lächeln ruhte. Aus der lan
gen, schmalen Nase balanzirte ein gol
dener Kneiser, den der her-r öfters ab
nahm und nervös mit den schlankem
jtätelitßen Fingern im Kreise herumrit
e e.
s
»Jch danke, mein Fräulein«, ent
gegnete der Angeredtete, »mir geht eg
stets aut, wenn ich Sie sehe."
»Sie sind ein Schmeichler, herr
Doktor —— ?lnna", wandte sich Grete
dann an die ichiichtertk dastehen-te
Freundin, »dies- iit unser herr Direk
tor Baroni und dieser Herr ist Dot
tor Winielmann, der Verfasser von der
»Reife durch Jndien". —-— Herr Direk
tor, herr Doktor, ich habe die Ehre,
Jhnen meine Freundin, Fräulein An
na Gerhard vorzustellen, welche sich
unter Ihrer Fährung der Bühne mid
men will-«
Der Direktor Baroni — eigentlich
hieß er Baron —- ein kleiner, dicker
fettig aussehender herr, musterte
Anna mit aufmerksamem Blick.
»Sie kommen fpäi, Fräulein Hän
ieler", entgegnete er dann mit traben
der Fistelftimme, »die Probe hat schon
begonnen. Freilich, Sie ionnnen ja
erst im zweiten Akt — und in Anbe
tracht, daß Sie mir eine neue Künst
. lerin zuführen, ioll Ihnen verziehen
- werden. Welcher Fach spielen Sie,
» Lein Fräulein?« wandte er sich an
, una.
Diese erthhete und ienite beschämt
F die Auges-. »Ja- — ich via noch nicht
, aufgetan-is stammelte sie in größter
Verlegenheit.
»Meine Freundin will sich erst der
- dramatischen Kunst widesen«, sagte
crete rasch. »Sie list Ihre Annonee
gelesen, here Direktor --«
" »Ist is«- lschkt Mitt- «Sie wollen
all Statistin austreten. Na, ich kann
noch einige Mädels brauchen. Ich
werde Sie dem Regisseur zuführen —
annzig Mart Menatsgage —- Ko
ftiime werden geliefert — Schuhe und
Tricots müssen Sie sich selbst halten«
hier ift der Kontrakt, wenn Sie unter
zeichnen wollen —«
»Halt, here Direltor«, nahm Grete
das Wort. »So rasch geht es nicht.
Meine Freundin ist keine der gewöhn
lichen Statistinnen. fie will als So
liftin austreten und ich glaube. sie
würde als Siegesengel in dem Bilde
.Der Sieg des Emirg« vortrefflich
wirken —meinen Sie nicht auch, Herr
Direktor?"
Dieser hatte Anna durch feinen
Kneifer aufmerksam fixirt. Er er
kannte mit dem geiibten Blick des
Mitmannes, daß er hier eine »Un
schuld vom Lande« vor sich hatte, de-:
ren reine Schönheit ihn in Ent iicken;
versetzte. Er verfolgte mit forschen-!
dem Blick vie Umrisse ihrer prächtigl
gen Figur und fah, daß fie sich vor
züglich fiir das Stück einnen würde.
Auf vie Frage Gretes nickte er eifrig
mit dem Kopfe.
·Fräulein hönieler hat recht, Herr
Diteltor", sagte er rasch. aHier ha
ben wir. was wir lanqe vergeblich ge
sucht haben—’ne vorzügliche Vertre
terin des Siegesengels —«
Wie eine zum Kauf gestellte Skla
vin betrachteten vie Herren die über
und iiher erröthende Anna.
Ein Lächeln hufchte iiber das feifte
Antlih des Theaterdirettor5.
»Gut, gut«, meinte er. »Das wird
ziehen -—— das wird Furore machen —
eine Neuheit. eine vollständige Neu
heit — aber, Fräulein hänseler, mehr
als zwanzig Mark tann ich doch nicht
geben«
Grete trat dicht an den Direktor
heran und fliisterte ihm etwas zu, wo
raus er sagte: »Auf Fürsorache Jhrerl
Freundin, unserer sehr aeschiihten er
ften Tänzerin. Fräulein Hänfeler, be
willige ich Ihnen eine Monatsgage von
ssechszig Mark — ich hoffe, Sie sind
’ rinoerstonvenk
i »Ich hin Ihnen außerordentlich
idankhar —« fliisterte Anna.
i »Na, dann unterschreiben Sie. Sie
haben fich täglich Morgens 10 Uhr zur
iProbe einzufindem Abends um 6 Uhr
miiffen Sie im Theater fein. Sie
Imiisfen jede Rolle übernehmen. welche
J ich Ihnen zusende — das klebrige wird
soer Herr Regisseur Ihnen sagen. -s
Und nun kommen Sie. meine Damen
—die Probe zum zweiten Akt beginnt
sosort —- lieber Doktor, Sie gehen
doch auch mit ? —- Friiulein Grete,
Sie können gleich einmal bei dem Bil
de Probe stehen —-s«
Anna erschrat heftig. Doktor Win
»kelmann aber flüsterte ihr in väterli
scheut Tone zu: «Nur Muth. mein-kind·
zich werde Ihnen iiber die erften Klio
ipen Ihrer theatralischen Laufbahn
shinweqhelfen Wenven Sie sich nur
istets an mich, wenn Sie einen guten
Rath nöthig hoben —- ich stelle mich
Ihnen aanz zur Verfügung.«
Dankbar blickte Anna zu ihm auf.
Dann begab man sich aus dieBiihne.
Anna war wie betäubt. Jn den er
sten Minuten unterschied fie überhaupt
keine Einzelheiten Eine Menge Per
sonen, Herren und Damen, füllten den
ungeheuren Raum oer Bühne. ver nur
durch wenige Gosslammen mäßig er
hellt wurde. Arbeiter und Maschinis
sten liefen hin und wieder. Koulisfen
wurden fortgenommen und aufgestellt.
Der Regisseur schrie aus Leiber-trösten
«Ruhe, Ruhe, meine Herrschaften!«
nnd gestikulirte mit den Armen und
schien sich die haare ausrausen zu
wollen« Tänzerinnen in schmutzigen
und zerkniillten Probetostiimen pro
birten irn hintergrunde einen Tanz
und lachten und kicherten.
Im Orchester stimmten die Muttter
ihre Instrumente und der einiiae ru
hie Punkt im Theater war der noch
jugendliche Kapellineister. welcher mit
untergeschlungenen Armen ans seinem
Dirigentenstubl lebnte und mit leicht
fatirisebein Lächeln in das Chaos aus
der Bühne blickte.
»Rukie! Ruhes« donnerten der Ti
reltor, der Regisseur und der Jnsrsi
zient um die Wetter und allmählich
legte sich der Lärm.
Anna blickte sich hilsesuchend nach
Grete um, doch diese war verschwun
den. Dottor Winlelmann sing den
Blick aus und lächelte. »Deine Freun
bin ziebt sich siir die Probe an, Fräu
lein Anna',·sagt er freundlich. »Ich
bleibe aber an Jlker Seite — fürchten
Sie nichts «
Jn diesem Augenblick lain der Diis
rettor rnit- dein Regisseur auf Annas
m»Das ist die junge Dame«, sagte
der Direktor, »welche den Siegesengel
darstellen soll.«
Der Regisseur prilste sorschenden
Blickes die Gestalt Anna5.
Dortressli , herr Direktor«, ent
gegnete er s nnzelnb. »Aber ich
glaube, das Kosttim wird sür die Fi
gur zu llein sein —«
s wollen wir gleich einmal se
heu. —- rau Donner, Frau Don
nerl« rie der Direttor mit gellenber
Stimme.
lEine altere, einsach angezogene
raifi init Neitfier gardteneåsrille aus
pisen a e na e
rr Direktor besetzten-P
ben Sie rnit dem Fräulein hier
bie carderobe und orobiren Sie
ibin das Engelslostitni an. Denn
das Kostiim nicht paßt, muß ei geän
dert werden. —- Bitte, Fräulein«.
wandte er lich an Anna, »folgen Sie
Frau Donner, unserer Garben
biere —-«
Eae Anna etwas erwidern konnte«
war er wieder verschwunden. Anna
stand unschliissig da.
,Na, kommen Sie man, Kind««
sagte lächelnd Frau Donner. »Sie
sind wohl ganz neu? Was?«
Anna raffte sich auf unb folgte der
alten Frau. Der Anfang war gemacht·
jetzt galt es, mutbig vorwärts zu
schreiten. Aber der Muth entsank ihr
dach, als Frau Donner das Engels
Koftiim hervorboltr. Es bestand aus
einer Strahlenkrone und einem Sil
Tberaaze-Getvand, das mit flimmern
den Sternen übersät war.
»Das soll ich anziehen?« fragte
Anna. ·
»Jawohl, mein Püppchen«, kicherte
die Alte, »und Sie werden Furore
drin machen.«
Seufzenv ergab sich Anna in ihr
Schicksal. Frau Donner löste ihr
das aoldblonde Haar, das in langen
Wellen über ihre Schulter fiel, setzte
ihr die Strahlenkrone aus« bals riet
das Kleid ausziehen und warf ihr
dann das Engelstostiim über.
»Ueber die Brust ist es etwas zu
eng und unten ift es eine Kleinigkeit
zu kurz —- na, das machen wir schon«,
sagte Frau Donner »Und nu kom
men Sie zum Direktor. — Sie brau
chen sich nicht zu schämen, Sie sehen
bildschön aus.«
Von rosiaer Glum uoergonen, stand
Anna vor dem Direktor, dem Regis
seur und dem Doktor Wintelmnnn,
die sie tnit erstaunten Blicken betrach
teten.
»Famos«, sagte der Direttor, sich
die Hände reibend. »Ich mache Jhs
nen mein Kompliment. Fräulein —
Sie sehen priichtia au5«. sliisterte Dot
tor Wintelrnann ihr zu.
»Borgen Sie nur« daß das Kostiim
gut sitzt, Frau Donner«, mahnte der
Regisseur.
»Werd’s schon besorgen«. niate die
Alte.
»Na, dann tann’s losaehen«, ries
der Direttor. »Wollen Sie das Zei
chen zum Beginn der Probe gebeut«
Der Regisseur wintte und schrie
einige Worte in den Hintergrund hin
ein. Eine elettrische Klingel ertönte
mit schrillem Klang. «
»Die Bühne srei, meine Herrschaf
real« schrie der Direttor u d alles
drängte nach dem Hintergru. e.
Zitternd stand Anna da, da fühlte
tie, wie Doktor Wintelmann ihre
band erariss und sie hinter eine Rou
lisse zurückzog. »Mitth, Muth. Frau-«
lein Anna«, sliisterte er ihr zu. »Ich
Wie Ihnen --—«
Die Musik setzte schmetternd ein,
die Probe nahm ihren Ansam. «
1.-'-. Kapitel.
Als Anna die erste hälste der Mo
nats-Gang dreißig Mart, den Eltern
aus den Tisch legte, herrschte zum er
sten Mal seit langer Zeit wieder frohe
hoffnung in der Familie und alle Ge
sichter erglänzten vor Freude.
»Was hab' ich gesagt«, sprach Frau
Gerhard lachend, »wenn die Anna nur
will, dann tann sie ihr Gliia beim
Theater machen. Sie hat ebensoviel
Talent, wie Grete Hänseler und ist
ein gut Theil hübscher.«
Der Vater starrte die beiden Gold
stücke schweigend an.
»’s ist doch ein Sündenae!d«, mur
melte er dann.
»hab’ Dich man nicht«, suhr ihn
seine Frau an. »Deine Tochter is
teine Prinzessin und tann ebenso gut
wie andere Mädchen ihr Geld aus
ehrliche Weise verdienen.
»Wenn es nur stets aus ehrliche
Weise geschieht —-«
Frau Gerhard verließ das Zimmer,
um einige Eintäuse zu machen.
Anna trat an ihren Vater heran
und legte vie band aus seine Schul
er.
»Vater«. sagte sie in leisem, aber
bestiinniketn Tone, «bei dem Andenken
an meine Mutter verspreche ich Dir,
ehrlich und anständig zu bleiben »s
auch in meiner jetzigen Beschäftigung
Jch bin erst wenige Tage am Theater,
aber ich babe doch schon gesehen, wie
ei die meisten Mädchen dort treiben.
Ich werde ihnen nicht nachakpenen.«
Gerbard erhob sich und küßte feine
Tochter. «Gebe der liebe Gott« daß
Du Deine guten Vorlätze ausführen
kannst. Ich habe jesit wieder Muth
gefaßt, ich will es noch einmal ver
» suchen, Arbeit zu finden s s- und sollte
! ich auch die Straße kehren niiissen.'
Der Wille bei dein aus seiner ge
wohnten Bahn geworfenen Mann
war gut. Aber die monatekan e Ar
beitslosigkeit, das Herumltrei en in
den Straßen der Riefenltadk war nicht
ohne Einfluß auf ihn geblieben; des
gezwungene Müßiggang hatte lein(
Energie gefchwiicht und wenn er auck
jeden Tag neue, gute Vorsiise faßte
sie wurden iin Laufe des Tages ver
gessen und mukhlas, energielpi bliel
Seel-ed stundenlang in irgend einei
obsturen Kneipe beim Schnaps sihen
tun Abends halbtrunken nach hauf
zu wanken.
Auch fest entfernte er sich nur, um
wie er sagte, unten in der »Denille«
einen kleinen Imbiß zu nehmen. da e1
heute noch nichts genossen hatte.
Anna seufzte tief aus, sie wußte,
was ihr Vater unter dein tleinen Im
biß Vetsignd Dann trat sie an den
kleinen Koffer, in dem sie ihre ärm
liche Garderobe aufbewahrte. Wenn
sie mit den anderen eleganten. jun
gen Mädchen am Theater in der äuße
ren Erscheinung nicht wetteisern konn
te und wollte. so wollte sie doch auch
nicht allzu ärmlich umhergehen, um
die spöttischea Blicke ihrer Kollegin
nen aus sich zu lenten. Sie suchte
daher ihr einfaches, schwarzes Kleid.
das sie in der Veimath Sonntags an
gezogen hatte, heraus, um zu sehen, oh
es im Stande war.
Bei dem herumlranien in dem
Koffer fiel ihr ein tleines Päckchen in
die Hände. Rasch wickelte sie das Pa
pier aus, ein welter Blumenstrauß lag
in dein Papier —- die Brockenrosen
und Myrthen· welche ihr Hans All
mers aus dein Knkippschastssesie ge
schenkt.
Mit thränenumschleierten Augen
starrte Anna aus die weiten Blumen.
Die letzte glückliche Stunde in ihrem
Leben war es gewesen« als hans ihr
das lleine Ströuschen geschenkt«
Welch' srohe Hoffnung, we!ch’ inni
ges Glücksgesiihl hatte damals ihr
Herz ersiilltk Welch’ dankbares Em
pfinhen gegen den lieben Gott« der ihr
diese innige, heiße Liebe zu Hans in
Jdas Herz aeichenltL
i llnd seht? —— Wie ein schonet
Traum aus glücklicher Kindheit ruhte
die Erinnerung an jene Zeit in ihrer
Seele. Wie in einer nebeloerschleier
ten Landschaft, so schaute sie zuriick
auf jene glückliche Zeit! Frohsinn und
harmlosigleit Liebe und ssiirtlichleih
Hoffnung und Glück —- alles alles
war oerfunlen in öde, dunkle Nacht,
die ihr Leben. ihre Seele umhüllte
mit finsteren Schatten
Eine heiße Sehnsucht nach der hei
math nach dem Gliicl ihrer Tugend
schlich sich in ihr Herz. Die iirren
Blumen schienen zu wachsen und sich
auszudehnen ihr weller Duft schien
zum würdigen Waldeshauch sich zu
verwandeln — und mit einem Male
stand das Zauberbild des heimath
lichen Waldes oor der träumenden
Seele des jungen Mädchen, das die
hände vor das Antliß schlug und bit
rerlich weinte.
Jn ihrer schmerzlichen Erregung
hatte sie überhiirt daß die Thiir ge
öffnet ioar und ein herr eintrat. Als-sv
dieser sie anredete, sprang sie mit lei
fern Ausruf der Ueberraschung empor.
,Ver«jeihung« Fräulein' sagte der
Fremde. »daß ich ohne Weitere? ein
trat —- aber ich erhielt auf mein Klo
pfen leine Antwort. Ich täusche mich
wohl nicht, wenn ich Fräulein Anna
Gerhard vor mir zu sehen glaube?«
»Das ist mein Name. Womit tann
ich dienen?«
»Sie erlennen mich nicht, Fräulein
Anna? Freilich. es mögen wohl etliche
Jahre her sein, seit wir uns zum leh
ten Male gefehen haben -—«
»Wie ist miro enn? Zehe ich
recht -— Herr Bende —»?«
»Ja, Paul Bender —- der Sohn des
Lehrers von Friedrichshiitte."
»Ja, ja, jetzt erkenne ich Sie wie
der! Wie ich mich freue, endlich einen
Menschen aus meiner lieben Heimath
zu sehen « und wie gütig und freund
lich oon Ihnen, uns auszuiuchenk
Jn der aufrichtigen Freude ihres
Herzens reichte sie dem jungen Manne
die Hund« die dieter herzlich schüttelte.
»Ich habe cie lange gesucht in dein
großen Berlin, Fräulein Anna. Jetzt
endlich habe ich Sie gefunden. Mein
Vater hat es mir aus die Seele gebun
den, mich nach Ihnen zu erlundigen
Er hat es so sehr bedauert daß Jhre
Eltern fortgezogen sind. Ich soll Sie
von ihn-. herzlich grüßen und auch von
threr alten Großmutter-«
»Meine liebe, gute Großmutter!
Wie geht es ihr —- tjosfenttich gut —
ach. wie gern möchte ich sie einmai wie
der sehen. »Und den Herrn Lehrer
auch -—— ach« ich dente noch oft an ihn.
Zehen Sie hier das Gebetbuch, das
er mir geschentt hat —— jeden Abend
lese ich darin und jeden Tag lese ich
den Spruch, den Jhr Vater mir hin
eingeschrteben hat: habe allezeit Gott
vor Augen und im Herzen und hüte
Dich. dass Du in teine Sünde willigst,
noch thust wider Gottes Gebot.«
»Mein Vater wird sich treuen. wenn
er hört, daß Sie seiner noch gedenten.
--- Aber«, suhr er sort, sich in leichtem
Erstaunen umbtidend, »Die geht’5 Ih
nen und Ihren Eltern denn? Haben
sich Jhres Vaters Hoffnungen er
stillt?«
Leicht erröthend sentte Anna das
Bau t. »Wir hoben eine schwere Zeit
dur gemacht, here Bender«, sagte sie
leise. »Gott sei Dant, geht es ja jetzt
etwas besser.«
«hat Ihr Vater wieder eine Stelle
gesunden?«
» »Nein, noch nicht. Aber ich habe
eine Stelle und Mutter und ich, wir
arbeiten fleißig, der Vater verdient ab
und zu auch etwas —- so totnmen wir
schon durch.«
. »Und das ist das Glück, das Sie
erhoftten?«
, Anna wagte nicht autzubtickem
« werde mich einmal umthun«,
suhe - aui Vender fort, ob ich nicht
eine Beschäftigung« für Ihren Vater
: finde. Was sur e:ne Stellung haben
Sie denn gefunden, Jriiutein Anani«
" »Ich —- ich bin am Garn-ansamm
tet angestellt —"
»Am Germaniatbeater?!«
Der junge Mann betrachtete das
Mädchen mit forschendem, leicht miß
trauiichern Blick.
»Als Tänzerin —- als Sängerin
oder als was sonsti« fragte er weiter.
»Als Statistin und Tänzerin -«
»Aber Fräulein Anna —- doch nein,
ich will anen leine Vorwürfe machen.
Auch im Theater tann man Gott vor
Auqen und im Herzen behalten. und
nicht wahr, Fräulein Anna, Sie ver
gessen ben Spruch nicht, den sbnen
mein Vater in das Gebetbuch ge chrie
ben shat?«
»Nein —- nein, Herr Bender —-··
«Iräulein Anna. ehe ich Friedrichs
btitte verließ, habe ich einen jungen
Föriter gesehen — er ist sehr, sehr
unglücklich —- er denlt noch immer an
Sie — ich glaube, wenn Sie nach
Friedrichs-hätte zurücktebrten —«
»Halten Sie ein, Herr Bender",
ries Anna mit bebender Stimme, »ich
werde niemals wieder nach Friedrichs
hiitte zurücklehren und ich will jenen
Mann von dem Sie gesprochen nie
mals wiedersehen — niemals ——«
WAnna wissen Sie. weshalb er sich
von Ihnen zurückgezogen hatt«
Anna richtete sich rasch empor. »Ja,
Herr Bender«, entgegnete sie stolz. »ich
weiß es und ich beiiage den Fehltritt
meines Vaters tief. Aber was hatte
dieser Iehltritt mit unserer Liebe zu
icknssen?« suhr sie mit leichtem Trotz
fort. »Wenn mich-jener Mann wahr
hast geliebt hätte. dann würde jener
Fehltritt meines Vaters uns nicht ha
ben trennen iiinnen.«
»Anm, Sie wissen nicht« was ge
schehen iit!"
»Ich weiss genug und will nichts
weiter wissen. Jch bin in meiner her
zensangst zu ihm geeiit, ich habe gebet
telt um ein freundliches Wart — er
hat mich nicht einmal wiedersehen wal
len und hat mir sagen Lassen, ich möch
te nur meiner Wege gehen, Zwischen
uns sei alles aus und vorbei. — Und
es soll auch alles aus und vorbei sein
—- fiir immer! Jch mag ihn nicht wie
Ider sehen, der in salich und treulos an
mir gehandelt hat. Jst das die wahre
Liebe. Herr Bendee die um eines
sFehltritts willen verstumth Die man
aus dem herzen verbannen kann, die
mitleidölos den anderen zuriickitößt?"
s »Das ist nicht die wahre Liebe,
TAnna, Sie haben recht. Aber Sie
wissen n·cht, was Hans Allmerö um
» zhretwillen gelitten hat«
: »Nicht mehr, als ich um seine Treu
losigteit, seine Grausamkeit —
»Wollen Sie mir nicht erlauben,
Anna dasz ich den Vermittler spiele?"
s tFortietzung folgt.
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l! II I e t o f f I z I e k Izu-II Kollege-IN
»Wenn ich den um« diesen Nie te, an
MP, lauft mir immer das Im
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TaOIIichI, aber sei-I Vater ist Wurst
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ist« « »-eIgeII -Ie, mein Lieben edit-U
den-I III dieiet Gegend schöne Kissen-"
As «,L das will Ich meinen, de Reis
nnd de IIIthI z. B» das sind a paar tei
zende Käferl«
Dentomacn ist der neueer Pariser
Zeitverter Ei ist die Wissenschaft
die lehrt den Eben-after des Menschen
nach seinen Zähnen zu erkennen. Aber
wenn vie Leute nun falsche Gebisse ha
ben, was von-IT