Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 12, 1910, Zweiter Theil, Image 14
Ein Roman Hiiben und Drüben Von Arthttr zapp (9. Fortsetzung.) s hanä von Langenhorst drückte dem Kameraden herzlich die Hand und Feste sich auch seinerseits vor. Dann schob er seinen Koffer in eine Erte, seite sich auf den Beitr-ans und tanschte mit dem Leidensgenossen Ers innerungen aus an bessere, vergan gene Zeiten. Berg war schon seit fünf Jahren im Lande« nachdem er Schulden halber den Dienst hatte quittiren müssen. Jn Amerika hatte er ein reich bewegtes Leben geführt, ohne baß es ihm möglich gewesen wäre, sesten Fuß zu fassen. Er war hintereinander Kellner, Farmarbei: ter. Advoslatenschreiber, Bier-Kollet: tor und Lehrer gewesen. Vor einem halben Jahre hatte er die Stellunq als Kutscher in dem Leibstall erhal ten. Natürlich sagte ihm feine Thä tigteit sehr wenig zu, um so weniger, als ihm die Einrichtung des Wei: sschläfrigen Bettes schon vielerlei Ver druß bereitet hatte. Einmal hatte er einen streitsiichtigen Jrländer zum Schlasgenossen gehabt, der alle Itlbende betrunken gewesen rrar und in diesem Zustand Händel mit ihm gesucht hatte. Erst als er den bru talen Burschen einmal ordentlich durchgeoriigelt hatte, wurde es besser. Wenigstens hielt der Jrisbinan von da an Frieden. Immerhin war es eine Marter, neben einem so rohen« nach Schnaps dustenden Gesellen seine Nächte zubringen zu müssen. Ueber-bannt er war amerikamiide biss zum Ueberdruß. »Wenn man nicht ein unverniins tiges Glück hat«, äußerte der ehema lige DragoneriOsfizier, »ist file un sereinen Amerika der am wenigsten geeignete Boden. Hier gilt die bru tale Kraft oder die kaufmännische Ge riebenbeit. Und wie will unsereiner ei darin mit,diesen schlauen, strupeL stosen Yantees ausnehmen, die so et was wie ein deutsches Gemiith nicht Iennenl Im günstigsten Fall macht man sein Leben —- wie man hier zu Lande sagt. Und das lann man zu hause auch, ohne die Annehmlichkei ten. mit gebildeten Menschen zu .ver Iehren und noch eine Menge andererI Dinge, die man hier nicht kennt, zus vermissen. Darum ist es mein Masch, ie eher se sbesser dem Docht lande den Rücken zu lehren. Ich habe schon an meine Verwandten geschrie «ben und qpater oeeravi« gesagt. Je Uend etwas wird sich ja auch dräben: sitt mich finden. Lieber in Deutsch-? jaud bei Hering und Kartoffeln le-1 sen als hier bei Austern und Gram-s wgner.« - ! Jobn Horst —- fo nannte sich Von von-,Lanaenhorst von jetzt ab — ver-« sah feine Obliegenheiten wenn auch nicht mit sonderlicher Luft und Be friediauna, fo doch mit Fleiß iino Ge toissenhaftialeii. Seine Arbeit war« die Pferde zu füttern, zu nutzen und» onzufchirren Als ein arofzeg Glücks empfand er es, in feinem Kameraden und Schlafaenossen einen Beschützer» gefunden zu hoben, der ibrn mit gis-» tern Noth und allerlei nützlichen Win- I ten an die Hand aina. Von qroßem’ Werth war es auch fiir ihn, daß sich Herr Berg anaelegen sein ließ, ibn in feinen Kenntnissen .der englischen Sprache zu fördern. Freilich, wenn sie, nebeneinander im Bett liegend, anfingen. Erinnerungen auszutaui fcheri und sich mit Bearifterung in die Vergangenheit zu versenken, dann la nien sie von selbft ins Deutsche. Halbe Nächte rervlauderten sie trotz aller Müdigkeit Wie die Auan leuchte ten, wie die Wanaen ql«iibten, wenn sie von den- frischen. fröhlichen Sol datenleben iu schwärmen anfingen, von den Manövern, von den großen Paraden von den Liebes-mahlen und den Kasinobällenl Ia, jetzt in der Fremde, tausend Meilen fern von sber Heimeitik, empfunden sie erft so » recht, trag sie fiir immer verloren dritten. Es war Anfana Anaqu als eine Wenduna in dein Leben der beiden jungen Deutschen eintrat. Berg er sielt von seinen Eltern das Reifeaeld und die Aufforderung, nach der Hei matb zurückzukehren Ein wohlha bender Verwandten Besiner eines großen Ritterates, wollte ihn die Landwirthschaft erlernen lassen und ihn als Adininistrntor anstellen, so bald er sich bewährt haben würde. Jobn Dorfe rückte zu dem von Berg aufaeaebenen besser belohnten Posten etnes·9utfche·ts auf, denn er hatte sich inzwischen eine gute Lotaltenntniß von New York und eine ausreichende Oeläufialeit im Englischen anaeeia M. Seine nunmebrige Thiitigteit spat angenehmer und vor allem kurz eveiltget Meisiens hatte er Fremde zu fahren, die Geschäfte halber oder »Hei ihrem Beranuaen sich kürzere oder "- »Hu-te Zeit in Pen- Yort aufhielten, st- ls oder ui Peimt-Boarding « . laairteei und sich auf Stun IIII oder halbe Tone vom Leibs-all » - , Wei- Ins-neckst · It . allerlei 'Mn Unterhaltend waren die Fahrgäste nie, im Gegentheil: in der Regel er wiesen sie sich als sehr worttarg und begnügten sich, dem Kutscher ihre Weisungen nach Yankeeart in den knavpsten Ausdrücken ruzurufen John eHorft befand sich etwa einen iMonat in seiner Stellung als Kut sscher, als er von einem Advoknten Haus Hannibal im Staate Missouri, Ioer mit seiner Tochter in einem fa ssbionablen Boarvinghause in einer Idee Avenues der Westseite logirte, »für eine ganze Woche gemiethet wur— de. Tagtäglich mußte er des Mit tzigg um ein Uhr vorfahren und den Lawher und Mifz Trenton tu einer längeren Spazierfahrt abholen. Auch vor verschiedenen Geschästs - Lvtalen ließ der Fahrgast halten, um hier mit seiner Tochter. einer jungen Dame von etwa 24 Jahren, Einläufe zu machen. Mr. Trenton erwies sich nicht im geringstenfreundlicher als seine Vorgänger: er schenkte dem Kutscher nicht die leiseste Beachtung unv gönnte ihm kaum einen Blick, wenn er ihm seine Befehle gab. Da gegen schien es dem jungen Deutschen, als ob er die Aufmerksamkeit Mist Trentons erregt habe. Einmal, als er ihr auf eine Frage nach dem Na men eines Platzes. an dem sie eben vorbeifuhren, geantwortet hatte, frag: te sie plötzlich: «Sind Sie ein Deut scher?« »Ja, M’am«, sagte er verbindlich. angenehm berührt von der seltenen Freundlichkeit die ein menschliches Interesse bewies. »Ich hörte es an Ihrer Aussprache Sind Sie schon lange im Lande?" .Erst vier Monate, M’am.« Die blauen Augen der neugierigen jungen Dame spiegelten ein immer reger werdendes Interesse wieder. Mit sichtlicher Verwunderung richteten sich ihre Blicke von seinem hübschen, in telligente-i Gesicht aus eine schmalen, weißen Hände. »Sind Sie auch in Ihrem Vaterlande Kutscher gewesen, Sir?« Eine Blutwelle schoß ihm ins Ge sicht. »No, M’am«. erwiderte er kurz und trieb seine Pferde zu einer schnel leren Gangart an· um sich dem Era miniren, das eine veinliche Wendung zu nehmen drohte, zu entziehen. Eines Tages hatte John Horst eine Begegnung, die eine siiirmische Auf regung in ihm hervorrief und in sei nen Folgen eine Wendung in seinem Schicksal veranlaßte Mr. Trenton hatte den Wunsch ausgesprochen ein mal das dafenlehen am hudson Ri ver kennen zu lernen, und Lo lenkte Jobn horst seinen Wagen urch die Front Street, eine der lebhaftesten Straßen New Yorks, denn hier ver kehren Tausende und Ahertausende von Frachtwagen, die ihre Ladungen nach den nahen Anlegeftellen der gro ßen Dampfer bringen. Ein ohren betäubender Lärm herrschte, denn in das Rasseln und Rattern dee Witz-i mischte sich das schrille « feifen «r zahlreichen riesigen Damp Ehren, die den Verkehr zwischen New York und der jenseits des Hudson gelegenen Stadt Hohoken vermitteln. Der Kutscher mu te seine ganze Aufmerk samkeit auf «eten, um sein Gefahrt zwischen den vielen Wagen und Meu schen, -die diese« Werftstraselhevöltesv lcll,1thet ymuuk cy zu leiten. sk hörte er plötzlich einen lauten Fluch, und eine Hand griff nach den Züreln seiner Pferde Es war ein salopp getleideter Mensch, der hinter einein hochbeladenen Frachtwagen unerwar tet aufgetiucht und in Gesn hr gera then war, von der von Jo hn horst aelentten Kutsche übers-ihren zu ever den· Der Kutscher hob unwillkürlich die Peitsche-. Der Bursche aber hatte schon los-gelassen und war an den zu rückscheuenden Pferden vorüber. Zor nia blickte John Horst ihm nach, da gab es ihm einen plötzlichen Ruck und seine Augen öffneten sich weit in siar rem Staunen. War das nicht Iris Kohler mit seinem großen, schwarzen Schlaobhut und der kurzen Pfeife, tie ihm stereotyp im Munde hina, seit er amerikanischen Boden betreten. Es war eine instinktioe Handlung daß der ungestüm Aussptin nde dem hinter ihm im Fand der ose enen Ka lesche ruhenden Fahrgast mit einem turzem «Please, take it?« die Leine iiuwarf und mit einem Sah vorn Bock heruntersprnna. »Den Dieb, haltet den Diebs« schrie er, dem ehemalian Reisege fährten n.!chstiirzend. Aber der ahnu lsetäubende Lärm ringsum verschlang seine Worte, ohne daß iraend jeman acht daraus aeaehen hätte. Er eilte dem Dieb nach, der wieder ver schwunden war, denn eine doppelte und dreifache Reihe von Wagen aller Art hatte sich Zwischen sie geschoben. Doch da tauchte er plöhlich wieder aus« ohne eine Ahnuncsu daß der Be stohlene ihn-. auf den Fersen war. »Den Dieb, haltet den Diebs« schrie John orft aufs neue aus vol ler Lunae. eht drehte sich der Ver solgte um. Ja, er war es, et war es wirtlichl Und nun sin auch er an, sich in Stab zu sehe-n tte er seinen Her-folget bemerkt? Ei schien so. denn et ivand Ich und schlängelte sich zerstückt in W dast. zwischen Unwesen hindurch dsenbae he-. sIMIk das Ufer des don zu errei che- und eiuieeJkaeran usw-ists- m ä: s rächt sie-her as; Wer-Mat« ne rast nnd few-We aus, um den Flüchtling den Weg abzuschneiden Er hatte auch die Genuatbuung, zu bemerken, daß er dem Spitzt-üben schon ein Stück näher gekommen war. Leider erstickten die Rufe, die er in kurzen Zwischenräuknen ausstieß, in dem Getöse, unn niemand achtrte der wilden Jagd, die sich hier inmitten des Tohuroahohu des Hasenlärms abspieltr. Schon glaubte er der Dieb zu haben — nur noch eine Wagen reihe trennte ihn von dem Fliehenden — schon streckte er die Hand nach ihm aus. Da schwang sich der Bur sche plöylich aus einen vom Hasen in scharfer Gangart her.1ntommenden leeren Nollwagen »Halt!« schrie der Enttäuschtr. »Halt! Dieb! Dieb!« Aber niemand hörte auf ihn. niemand kiimmerte sich um ihn. Der Lenker deg Rollwagens hieb aui seine Pferde ein, ohne eine Ahnung von dem unerbetenen Fahr gaft hinter sich und ohne zu wissen. daß-er einen Verbrecher seinem ver bientem Geschick entziehen half. Mit verduntem Gesicht, unentschloxn stand John Horst da. Haitige danken ivirbelten ilun durch den Kopf. "Wenn er nur seinen Wagen sur Stelle hätte und dem Fliichtägen nach jagen könnte! Seinen Wagen! Eine pläsliche Ernüchteruna kam Tiber ihn. Hatte er nicht leichtsinnig feine Pflicht mit Füßen getreten. riietsicbtglos ge— gen die seiner Führung anvertrauten Fahrgäste gehandelt? Was war aus dem Gefährt geworden, das er mit ten in dem betäubenden Getümmel im Stich gelassen hattet Eilig kehrte er um. mit soähenden Blicken die Straße absuchend, da — Gott sei Dankt —- da dicht am Bür gersteig hielt die Kaleiche In seiner Noth und Verlegenheit hatte der an einen so riesigen Straßenverkehr nicht gewähnte «Countryman« den Wagen einfach zum Stroßenrand ge lenkt und hier wartend stillaehalten. Angenehm war die Situation trotz dem nicht; denn jeder der Kutscher, der, aus«-« der Wagenkette gut-brechend, sein Gefährt an dem Hinterniß bor beilenten mußte, bedachte den Adve latcn aus nächster Nähe mit ein paar kräftigen Flächen John Horst schwang sich rasch aus den Boc, rief dem scheltenden Fahrgast ein »errufe me, Sir« zu und bog in die nächste Seitenftraße ein. Als sie in eine ru-J higere Gegenbe gekommen waren«: wandte sich der Kutscher zu seinen Fahrgiisten um und gab ihnen die Er- » tlärung. Er erzählte von dem Dieb-: stahl, der seinerzeit im Bonrdings hause an ihm begangen, und wie nuni riöclich der muthmaßliche Dieb im Gewimmel der Front Street vor ihm aufgetaurht sei. Der Adookat hörte mit ziemlichee Gleichgültigteit, Mifr Trenton aberl mit steigendem Interesse zu. Als der Kutscher mit seinem kurz gehaltenen« Bericht zu Ende war, sah sie ihn mit: theilnahmsooller Miene an und sagtel bedauernd: »O, das thut mir sehr leid, Sir! haben Sie denn oon Ih rem Gelde nichts wieder betommen?« «Richt einen Cent.« »Sie sind nun wohl ohne alle Mittel?« »Ich habe ja zu !ehen.« »Aber Sie haben doch gewiß mit dem Gelde etwas Selbstständiges an fangen mollen?« Er guckte mit den Schultern und drehte sich wieder herum. Er empfand es peinlich, der Gegenstand des Mit leides einer jungen Dame zu sein. Ueberhaubt, das Interesse, das ihm des Advotaten Tochter seit einiger Zeit zu beweisen anfing« erregte ein grotespältiges Gefühl in ihm. halb that es ihm wohl, einmal wieder ein paar theilnehmende Worte aus sae tem Munde zu hören, halb machte ihn die Situation unsicher und ber legen, sich einer gebildeten jungen Dame, die ihn wie einen Centleman behandeln, in seiner ietigen niedrigen Stellung gegenüberzusehem l s Als John barst am nächsten Nach mittag wieder vor dem Lenkt-ing Ehause vorsuln. schickte Mr. Trenton den «voor-teeper« des Hauses hinaus jmit dem Austrag, die Pferde zu des wachen und den Kutscher zu ihm nui Aas Zimmer zu schicken. In einerl »aus Verwunderung und leiser Un-! Truhe gemischten Stimmung betrat: IJohn horst das elegant ausgestattete Gemach. Befangen nahm er aus dem Jihm angebotene-I Fauteuil Platz. Es ; war lange Zeit her, daß er in einem «nnstänvig eingerichteten Zimmer alk Gast gen-eilt und in einem beguemems weichen Sessel geruht hatte. Den Ameritaner betrachtete den ihm Ge-! genübersthenden eine Weile snit aus ( i mertsamem Schweienx er schien inn» -iiberhaupt zum e n Mal einer ge-: lnaueren Musterung für werth zu « halten. »Weil, Sir«, hob er endlich’ an, nach turz ungebundener primi scher Yanteeart ohne Umschweise so saleich aus sein Ziel los-gehend. »Ich: liebe Ihnen einen Vorschlag zu ma-; )chen· Sie gesellen mir. Ihre Lagej sscheint hier teine»Il-ren« Föhigsleitens Angemessene zu sein. Ich biete Im »nen an, mit mir nach hannrbal zul .tommen. Ich werde Sie in meiner« HOssice beschäftigen Wollen Stei« s « Der junge Deutsche war so über-» ’rascht, da er im ersten Augenblick nicht glsu te recht gehört u haben und sein Essenilsber mit gro en, ver wunderten regen ansah. »Nun. Sir , fuhr der Ameritaner I1.Kapiiel. l s sein-as ungeduldig fort, .aefällt Ih nen mein Anerbieten nicht?« O — ich bin Jhnen febr dani bar", ftammelte der Deutfche, vor Verlegenheit und Beichärnung iiber und über erröthend. »Mir fiirchte ich, mein Englisch wird nicht ausrei chen, um mich« in Ihrer Office nütz lich machen ru tönnen.« »Well, was Ihnen noch fehlt, wer den Sie bald bei uns ergänzen. Wenn Sie oen ganzen Tag nur Englifch hören. werden Sie bei Jhren guten Vertenntnisfen in Kürre die Sprache beherrschen Inzwischen werden wir fchon Beschäftigung fiir Sie finden Sie wissen unsere jungen Ladies Ifmd sehr wißbegieria. Meine Joch Iter brennt darauf. Deutsch zu lernen. Sie werden sie in Jhre Sprache unds Ich chzahle anen vorläufig neben gänzlich freieri Station vierzig Dollar monatlichs Sind Sie zu «frieden? " John horft "iagte natürlich nicht nein. Was hätte ihm angenehmer fein können als ein solcher Vorschlag! Das Hcki stian jwiirdigen Verhältnissen, Iihm bis zurn Halse hinauf. aus ernie Aus un E drigendem Beruf heraus-zukommen der tagtäglich bitter empfundene Kon flikte mit seinen früheren Gewohn rseiten und Lebensanschauungen brach te. welch ein Glück! Mit ein oaar aus tiefster Seele herauf kommenden Wor: ten diiickte er seine Bereitwilligkeit und feinen Dank aus. »Tbat’s rights« wehrte der Abvos tat die Dantesworte ab. »Ich fchenle Ihnen nichts. Sie arbeiten, ich zahle dafiir — das ist alles.« Damit er bob er sich und rief seine Tochter aus dem Neben-Zimmer l,erein. Auf ih ren fragenden Blick bemertte er kurz-: »Die Sache ift all right. Mister Horft aeht mit uns.'« Mis; Trenton reichte dem innen Deutschen die band und sagte im ein paar freundliche Worte. Dann gingen sie gemeinsam auf die Straße hinunter, und John Horft schwang sich auf den Boll, um vorläufig zum letzten Male als Kutscher die Zügel zu fuhren. Hannibal war ein Landftiidtchen von etwa zwanzigtausend Einwoh nern, das in einer fruchtbaren Fluß niederung lag. in der Mais, Wein und Tal-at angebaut Die Stadt zersiel in zwei Theile, in kleineren und lebhaften, einen aus zusammenhiin nden ben bestehenden Ge chiiftsstrahgem und in ein gröfzeres, weit auseinanderge bauteL VillenoierteL das a Unmenge lleiner einzelner, nen liegender Bitten beftand. Weisen, wurde. » mit · userreis us einer im Gril Auch Mr. Trento-r besaß als Wohnung eine eigene Villa. während er fiir seine Office ein paar Gefchäftsräume in ei nem der großen Geschäftshäuser der inneren Stadt gemietlxt hatte. HierI brachte Form Horn taguch die Vor mittaasstunden iu, um unter der Lei tuna eines älteren »Oui« Schkifks stücte autzusetzen und Briese in schrei ben. Während der iibriaen Zeit hielt er sich in der Villa seines Brotaebers aus« in der er auch ein hübsches-, freundliches Zimmer angewiesen er halten hatte. llm vier Uhr wurde das Dinner aeaessen, an dem auch der neue Clert theilnahm Danach pflegte ihn Miß Trenton in Ansprnchzu nehmen. Er muszte sie in den Ansiinqsgriinden der deutschen Sprache unterrichten« und er hatte die Genugthuuna, so ungemahnt ihm das Unterricht-Leben auch war, zu sehen, daß seine schü lerin einen außerordentlichen Eifer anden Tag legte und schnelle Fort schritte machte. Freilich, er selbst er tavdte sich aus Gedanken, die mit dem Gegenstand des Unterrichts nichts zu thun hatten und seine Aufmertsiw teit ablentten. Während des Unter richts saß er an einem schmalen Tisch der iunaen Dame gegenüber, die ihre lebhaften, blauen Augen ocll Inte resse aus ihn richtete und ihm ärm lich jedes Wort von den Lippen nahm. Die Situation war so außeraewöbw lich und seltsam. dass er ost die Be sanaenbeit. die ihn anwandeln wollte, schwer abwehren tonnte und daß ihm zuweilen eine brennende Röthe ins Gesicht stiea unter den unablässig, andachtia auf ihn gerichteten Blicken des iunaen Mädchens. Nach der tii - lichen deutschen Stunde bsleate e englisch mit ihm zu plauderm wobei sie ei sich liebenswürdiaerweise ange legen sein lie , seine Aussprache zu verbessern un seine Kenntnisse des Englischen durch Anwenduna schwie riaer idiamatischer Ausdrücke, die ibm noch nicht bekannt waret-, zu ver mehren. Dabei war sie stets von ausgesuchter höflichteit und lief ihn nie merken. daß er ein Anaetellter ihres Vaters war, dessen Thiitigteit mit Geld belohnt wurde. Kein Wun der, daß unter diesen Umständen is dem her-ten des jungen Deutschen eine aus warmer Dankbarkeit sich entwickelnde natürliche Sympathie mit der sreundlichen jungen Mi ent stand und daß zwischen den iden jungen Leuten sich der Verkehr im mer unaezwunaener und vertrautee estaltete. Während der warmen tembertaae machten die beiden häus« Yuifliiae mit dem zweitsihigem eins nnraen »Zum-M des Ade-ita ten, der diesen zum größten Theil seiner Tochter zur Benu ng liber lieh Es waren besticht- ichs-te Nachmittage- dte Stehn Fett und M Trento-. ·a;bmchseln deutsch und ennltlch miteinander plaudernd, Hin der reizdollen Umgebung von Han l nibal derbe-achten ! Die Dämmerung war schon herein jgehrochen. als sich John Qorst und «Mi»se Trenion wieder einmal auf den deimweg machten. Dicht saßen sie nebeneinander aus dem schmalen Buggh. Der junge Deutsche fiihlte sich plötzlich von einer-merkwürdigen Welancholie angewandeit. Es war wie ein Heimweh, das ihn mit einem Male erfaßte und ihn schweigsam und in sich getehrt machte. Eine süs: ichmerzliche Erinnerung tauchte in ihm auf, die Erinnerung an die legte SpazierfahrL die er vor mehr als Jahresfrist in Dahlow mit Lizzie Blackfield unternommen hatte. Wal rend feine Augen düster in die immer mehr in Dunkelheit tauchende Land schaft starrten, kam es wie ein Traum iiher ihn. Seine erregte Phantasie spiegelte ihm die Szene vor, die mit allen ihren Einzelheiten unvergeleich in sein Gedächtnis gegraben war. Er verspürte den Athem der Geliebten auf feiner Wange, vernahm ihre Seufzer und fühlte ihre Hand auf feiner Schulter. .Warunt so schweigsam. Mister Vorst?« tönte eine weiche Stimme an sein Ohr-. Er fuhr aus seinem Brü ten auf und starrte die neben ihm Sitzende betreten an. Sie sah ihm cnit innig strahlenden Augen aus nächster Nähe ins Gesicht. »Sie bli cken so traurig, Mister Herst!« lFortseszung solgt.) Hoffest in Ubesfinien. Der Mailiinder Corriere della Sera veröffentlicht die interessante Schilde rung eines Festmahlg heim abesshnk schen Thronerben, dein sein nach Addiö Abeha entsandter Berichteri statter anwoltntr. Sie lautet fol gendermaßen: Das originellste und charatteristischste Schauspiel, das der äthiopische Kaiserhof in seiner hauptstadt bieten sann, ist immer noch der sogenannte »Geber«, das grosse Fesimahl, zu dem der Herrscher an ei nem Tage einige tausend seiner Un terthanen einläot. Jeden Sonntag sin det ein solches Bantett statt, jedoch dreimal jährlich, und zwar aus An las; des Weihnachtö-. Mastals und Osterfestes wird der Geher mit be sonderer Feierlichteit abgehalten. heute wohnten dem Festmahl gegen zwanzig Europäer, darunter einige Gesandte, ihre Setretäre und verschiedene Damen an. Wir treten durch eine hinterthiir in die ungeheuere Holzhalle ein, in der der Gebet gefeiert wird. Jn der Mitte eines Podiums, auf dem sich iiher vier dergoldeten holzfiiulen ein giganti scher. feltsnmer Baldachin wölbt, steht der Kaiserthrom den die sranzösische Repuhlit Wenelit geschentt · hatte. l vceaus Jana -- ovgierch ern nur Thronsolger, wird er jetzt schon ge wöhnlich so genannt --— sitzt nicht aus dem Thron selbst, sondern aus der obersten Stufe· die zu ihm führt, to daß der mit rothemSammt überzogene Thron mit seinen aolddurchwirtten Kissen den Eindruck eines Sockels macht, dem das Standbild sehlt. Wei ter unten kauern die Großtvürdentrö— ger. Das Volk ist noch nicht einge lassen worden« Ein Vorhang verbirgt einstweilen die Menge der unzähligen, sebr niedrigen Tische unseren Blicken. Jassu hält Cercle und drückt jedem der anwesenden Europäer lächelnd die Hand. Dann sind wir eingeladen, an dem Tische, der sür uns rechts vom Thron gedeckt ist, Play zu nehmen. Doch dies ist leichter gesagt als gethan: den Sesseln mangelt die Stabilität, uud dieGedecke sind viel zu eng an ein ander gereiht. Dagegen sehlt es nicht an Lataien, von denen jeder einen der Eingeladenen zu bedienen hat. Sie sehen sreilich etwas seltsam aus: eine Serviette unter dein Arm und gleich zeitig einen Degen um die Hüften ge bunden. Wir nehmen so gut wie mög lich Plag, und das euroväische Mahl beginnt. Jassu speist gleichzeitig mit« uns-, aber nach abesshnitcher Art. Die Großen des Reiches müssen sich mit dem Zuschauen begnügen; so will es die Etitettr. Das Mahl, das uns der Hos bietet, ist reich an Ueberraschun gen. Die Menutarte zeigt aus der ei ueu Seite die Sensation des Tages, den Kometen mit einem nicht enden wollenden Schweif, der sich von einem lichtblauen gestirnten himmel abhebt. Das Menu hat aber noch eine andere Eigenthümlichteit: jedemGang entspre chen ungesähr sechs einander ziemlich ähnliche Gerichte. Die Tafel stellt ein unlseschreibliches Gemisch dar, einen seltsamen Gegensah von Luxus und Elend. Pruntvolle Bestecke von mas ftvem Gold und daneben schreckliche Teller im Werthe von wenigen Kente simi, zerbrochene Gläser neben herrli chen Schalen, die eines taiserlichen Ti scheo würdig sind, Geschente von herr schern neben hausrath der bei den in dischen Krämern aetaust ist. Nichts 4 Echbe eichnender site den mangelnden1 öndeitssinn der sbessinier, als diel Art und Weise, tpie dieser Tisch gedeckt i ist. Die gan e Unsühigteit dieses Voltes, dein ortschritt zu folgen, drückte sich in sein Schmause aus« bei dem die tilnstigen Fürsten des Rei ches, um den Vertreter der Krone - schaart, aus plumpen, Ubert-allen K r ben die Speisen herauslangen und sich von den Fingern der Sklaven zart in den Mund stopfen lassen. Nur Ez gan.der Minister der auswärtigen An gelegenheiten, macht eine Ausnahme Die Etilette zwingt ihn, in unserer Mitte zu essen. Der Raum hat einen kirchlichen Anstrich, und das estmahl scheint eine Art Ritus, so trenges Schweigen herrscht unter den Eingeladenen Zwei Kandelaber aus massivem Sil: ber. aus denen varsiimierte Kerzen brennen, und das sahle Licht, das durch die farbigen Scheiben herein dringt, tragen dazu bei, den Eindruck der Feierlichkeit zu erhöhen. Abseits, in einem Winkel versteckt, lauern Jas siis Gemahlin, noch ein Kind, und eis nige abessmische Damen· Das Mahl geht mit einer fürchterlichen Langsam ieit von statten. Wann wird sich end lich der Vorhang össnen? Wann wird »das Volk eintreten dürfen? Wir ha ,ben uns um 10 Uhr zu Tisch gesetzt Jund jest ist es 1 Uhr, während die Feierlichkeit erst um 5 Uhr zu Ende sein soll. Von draußen dringt das dumpse Echo der von den Priestern der kaiser lichen Kirche geschlagenen Trommeln herein. Das Volt drängt sich gegen das- Thor und wird durch Peitscken liirbe zurückgehalten Man hört die Leute ungeduldig schreien. . . .Schliesz lich ist das Bankett der Europäer be endigt, der Vorhang össnet sich und das Voll strömt mit der Heftigtrit ei ner- Stromes, dessen Schleusien aufge itan sind, in den Saal. Eine unge heute Menge von schwarzen Köpfen wogt zu unseren Füßen und die schau: de:haste Ouvertüre des Festes be ginnt. Aber man merkt sofort, daß über diese 5000 oder 6000 essenden. laut sprechenden und hastig trintenden Männer eine strengeDiszivlin herrscht. Achtzig Tische sind ausgestellt, und über jeden Tisch gebietet ein Aufseher, der von vier mit kleinen Lederpeitschen ausgerüstetenGehilsen unterstüht wird. Acht Sklaven bringen an jeden Tisch. das beisit sür je 100 Personen, tolosi sale Stücke rohen, blutigen Fleisches. füns Stlaven vertheilen dieMesser, und zehn Frauen obliegt das Amt, den Gästen Meth einzuschenten, während acht andere Sklavinnen in großen Töpsen ein besonderes Ragout, das Nationalgrricht Abessiniens, bringen. Dar« Menu setzt sich aus solgenden Ge richten zusammen: erst kommen A e rablätter, die sich schon in reichli er Menge aus den Tischen besinden, dann rohes Fleisch, endlich das erwähnte Ragout, dazu wird Meth in großen Rügen geschlürst. Gerade dieses Kommen und Gehen der Sklaven, diese homerische Fülle rohen Fleisches. dieser phantastische Ueberflusz bilden den eigentümlichen Reiz des Gebers· Jcki blicke nach dem Thronerben, der mit träumerischen Blicken dcsitzt und hie und da aus seinem Becher trinkt. Freilich, als noch Menelit bei solchen Festmahlen den Vorsih führte, gab es zwischen Thron und Voltsnienge mehr Kontakt. Der Kaiser pslegte srine alten Soldaten zu sich zu rufen, er kannte sie ja alle. Doch jetzt ist der Sitz verwaist, und die Worte, die die Weisheit und die Geistesschärse des Kaisers ossenbarten und darin sosori im ganzen Saale verbreitet wurden, sind längst verhallt. . . . Der Gebet geht zu Ende, oder rich tiger, die seht Taselnden müssen ande ren Tausenden, die draußen harren, ihre Plätze abtreten. Eine Schar von Trompetern tritt ein, ihnen solgen Flotenspieler, dann erscheint eine Mu: sitbande mit europöischen Jnstrurnen ten und 10 Minuten lang müssen nnse re thren eine schauderhaitesiatophonie erleiden. Einige Geigenspieler nähern sich dem Thron und begleiten aus ih ren eigenartigen, einsaitigen Instru menten die Jassu dargebrachten Lobes hymnen Aber ich bezweifle, daß Jassu in diesem betäubenden Lärm auch nur ein einziges Wörtchen ver steht. Das Banteii droht in eine Or: gie auszuartem nachdem der Meth in Strömen geslossen ist, nachdem die satte und irunlene Menge ihre Stim- . me nicht mehr mäßigt, und die höf linge den Spaßmachern Platz gemacht haben, die iiber die Tagesereignisse Witze reißen und auch die Europäer verspotten, zumal weil der sranzösische Gesandte vorhin einen Toast aus Jassu ausgebracht hat. Und wir Europäer lramen unsere Bildung aus, um assyrische. babhlonische, iignptische oder riirnische Gastmiihler mit diesem abessi nischen Gebet zu dergleichen. Die Lust wird erstickend. Das Geschrei der Menge, das Jammern der Flöien. das Blasen der Trompeten scheint die Gäste zu eletirisieren. Die sliegt plöß lich von oben herab ein Schwarm Tau-— ben in den Saal. Ei scheint ein ver adredetei Zeichen· Die Wächter sor dern alle aus, den Saal u verlassen. Der Ausbruch beginnt, eiber ,und Sllaven stlirzen sich aus die Tische und bringen sie rasch in Ordnung. Auch die Messer werden zusammengepaclt und neue Jleischmassen vorbereitet Jn weniger als einer Viertelstunde ist der Saal wieder ganz still geworden und nunmehr bereit, den Appetit von anderen 6000 Männern zu befriedigen