Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 08, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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t2. Fortsetzung)
Los gehts Dich an«, brummte
Cahors-, sich nbwentdend, um seine
serlegenheit zu verbergen.
«Jch fragte nur, Vater —- willtt Du s
nicht zur hätte gehen? Die Dampf
Ifeife hat schon vor einer halben
Stunde das Signal gegeben —«
»Ich geh’ überhaupt nicht mehr zur
hätte —« antwortete er barsch.
»Vate: ——«
«Laß mich zufrieden mit Deinem
wehleioigen Gesicht. Jch bin des Le
bend hier satt, ich sehn’ mich nach
einem menschenroiirdigen Dasein, ich
spill fort von hier. Auch Du, Anna.
per-kommst hier in der Einsamkeit.«
»Nein. Vater, ich möcht’ nicht an
derswo leben.«
«Dutnmes Zeug. —- Jch hab’ diese
Nacht noch mit Mutter gesprochen. Jn
Ferzehn Tagen ziehen wir nach Ber
tn.«
»Vater, ich bitte Dich —«'
«Laß ihn nur ziehen, Anna«. sagte
die Großmutter, die mit der dampfen
deu Koffeetanne eintrat. »Ich hab’
auch nichts mehr dagegen einzuwen
den. Er wird schon einsehen, daß in
setkin die Hasen und siehe nicht aus
der Straße umherlaufen —« «
»Was willst Du damit sagen, Mut
ttrf« fuhr Gerhard auf.
»Nichts, als daß man in Berlin
such arbeiten muß, um zu leben«, ver
sehte die alte Frau, die Kanne auf
des Tisch stellend. »Aber das sag’ ich
Dir, Frisc, die Anna bleibt bei
mir —«
«Das wollen mir sehen! Die Anna
gehört zu ihren Eltern und geht mit
uns. Sie soll in Berlin einen ordent
lichen Mann heirathen, der’s schon zu
etwas gebracht hat. Hier treibt sie sich
doch nur mit den Jägerburschen her
nm.«
»Es-nennen wohl vie zagerourichen -
schri« fragte die Alte scharf.
Gerhatd schlug mit der Faust aui
ten Tisch. »Laßt mich zufrieden mit
Eurem GefchwätzP rief er rauh. »Ich
bin der here in der Familie, und wo
ich bleib’, da bleiben auch meine Kin
den«
Mit bröhnenden Schritten verließ
er das Zimmer. Eine Weile hörte
man ihn in ber Rebentammer herum
dgntiretu dann sah Anna ihn das
Haus in seinem Sonntagsanzug ver
lassen und den Weg in bog Dorf
einschlagen
Trübe schlichen die Stunden bei der
gewöhnlichen Hausarbeit dahin. Bei
jedem ungewöhnlicheisseröusch schreck
te Anna empor; es war ihr, als babe
sie selbst ein Verbrechen begangen und
als müßten jeden Augenblick die Gen
darneen kommen, sie ins Gefängniß
ibznfiitbren Jbre Stiefmutter sprach
mit ihr nur die notbtvendigften Worte
snb wenn sie ihr auch gerade nicht un
freundlich begegnete, so bemerkte An
na doch, daß ihre Mutter sie mit arg
vöbnischen Blicken umlauerte.
Gegen Mittag tebrte Gerbard beim.
Sein Gesicht war ernst, seine Augen
flatterten in unruhigem Glanze; er
schien getrunken zu haben. Mit beise
rem Lachen warf er den Hut auf den
Tisch.
It adgemacht«, rief er. »in acht Ta
gen müssen wir reisefertig sein« Zum
ersten trete ich die Stelle in Berlin
am«
Du hast die Stelle erhalten? Du
seist bei der gnädigen Franck« fragte
seine Frau erfreut.
Ja, ich itpae bei ihr. Aber unter
Zier Wn Frau habe ich mir et
Us Wes dargestellt Freilich, mit
Wen und Splbtetten hat sie sich
M Mist cbet Mit schW sie
M sit her zu sein.« .
»Je- Berlin sagt man zu jeder Ort-z
see gnädige Frau«, belehrte ihn seine
Frau
NNU mir ifts egal Ich fag’ auch
gnädige Frau. Wenn sie mich nur
ordentlich bezadtt.«
,Darf man wissen, von wem ihr
spricht?« fragte die Großmutter fpis
»Werft es schon früh genug erlah
res. Aber da Du so neugierig bist
sannst es gleich jetzt erfahren. Jch
M bei der Frau Baumeifter Mantzel
Ue mit ihrem Sohne in Friedrichzkuh
Wrt —- der Herr Sohn kennt Dich
übtan Anna. Er meinte, Du
M etn verteufelt hübsches Mädchen.
TM errsthete bis unter die haar
k Wu. Sie hatte wohl bemerkt
Jsss etn junger-, elegant getleideter
spsetr öfter an ihrem hause vorüber
kis nd nach ehe schaute. hatte er
schon versucht, mit Or ein Ge
meist-Mem
J »Is, alle setter«, fuhr Gerbard
fikt- JO hab' miädexi Frau Bau
, W nen Butter
großes heut tu Berlin sucht,
der here Sohn ihr zuredete
Its trdte Stelle zugesagt wenn
ersten nöqsen Monats in
fein Mate«
f »Welc- ein Glückl« rief lachend
FFrau Gerhard aus.
E «’s mag fiir gewisse Leute schon ein
Glück sein, wenn sie hier aus der Luft
tommen«, meinte die Großnutter
spitz. »Ich will auch nicht weiter drein
reden; geht, wohin ihr wollt. Aber»
das sag« ich Ench. mein Haus behalt
ich, seht zu, woher ihr das Gekd zu
der Reise triegt.«
,.Oho, damit hats ieine Noth«. rief
Gerhard lachend und warf einige
Goldstücke auf den Tisch. »Will Dir
auch einen Goldfuchs da lassen, Alte«.
setzte er mit rauher Gutmüthigteii
hinzu. (
.Mog Dein Sündengeld nicht«,
entgegnete die Alte.
«-Sündengeld? —- Osho. das ift’s
nicht, Alte —- ehrlich verdient ift’s.
Ter junge here Mandel hat’s mir ge
geben ais Reisworfchuß, wie er
fogte.«
.Da9 muß ja ein gewaltig nobler
Herr sein. Keim-M Annchen, wollen
in den Garien gchen und Kartoffel
anhacken. Deine Eltern haben gewiß
noch manches vor der Abreise zu be
fprechen.«
Sie fchliipste davon, Anna folgte
ihr mit gepreßtem Versen
Mit fieberhafter Eile betrieben die
Cheleute in den nächsten Tagen die
Vorbereitungen zu Abreise. Anna
mußte bei dem Pachen der Sachen
tüchtig mit zugreifen. Einige Male
kam ver junge here Mangel, ein hoch
aufgeschoffener Jüngling von einigen
zwanzig Jahren in iisbereleganter Tot
lette und fragte Gerhard, ob er auch
piinctlich in Berlin sein könne. Seine
dunklen Augen ruhten dann mit
freundlichem Lächeln auf der schlan
ten, jugendlichen Gestalt Annas. die
unter dem ungenirten Blick jedesmal
erröthete.
»Sie lommen doch mit nach Ber
lin, mein schönes Kind?« fragte er sie
einmal. »Es würde mich sehr freuen.
IMM ich Sie in Berlin wieder begrü
ßen dürfte.«
»Ich weiß nicht« ob ich mitgehe«,
entgegnete Anna stockend.
.Ei natürlich müssen Sie mitgeben«,
rief er lebhaft. Ein so schönes Mäd
chen, eoie Sie, macht in Berlin schon
fein Glück ———«
Die Großmutter untendrach das
Gespräch, indem sie mit einem Bündel
Gras, das sie draußen geschnitten. den
jungen herrn rücksichtslos bei Seite
drängte.
»Um Entschuldigung junger Herr',
sagte sie scharf. «hier giebt’5 alle
hör-de voll zu thun und Sie halten
die Anna nur von der Arbeit ab.«
herr Mangel entfernte sich, indem
er Anna lachend ein «auf Wiedersehen
in Berlin« zurief.
Anna befand sich in tiefer, seelischer
Erregung Immer näher rückte der
Tag der Abreise, fast acht Tage waren
seit dem Knappschaftsfest aus der Bö
senburg verflossen und noch hatte sie
hans Allmers nicht wiedergesehen oder
eine Botschaft von ihm erhalten Sonst
war er fast alle Tage an ihrem Haus
vorübergegangen und des Abends
hatte sich wohl auch eine Gelegenheit
zu einer kurzen Begrüßung geboten —
jegt schaute sie sich Tag siir Tag fast
die Augen nach ihm aus, er ließ sich
nicht sehen und ließ auch, nichts von
sich hören.
Eine namenloie Angst bemachngie
sich ihrer. Wenn ihm etwa-«- zugesto
ßen wäre? Man hatte in lenter Zeit
verschiedene Geichichten gehört, daß
Wilderer und Foritbrnnite zufammen
getrossen waren. Doch nein, das war
gar nicht möglich. Man würde schon
davon gehört haben, wenn ihm ein
Unfall zugestoßen oder wenn er aar’
von Wilderern erfchossen wäre-Das
Blut drang ihr siärtnisch zu herzen.
»daß sie nach Atbem rang. Sie mußte
Iirmnerfort an die Nacht denlen, in der
ihr Vater mit Bartels und Hinrichs
im Wald gewesen war, sie hörte ltets
noch den Nachhall des Schusses —
doch nein, nein, das war ja ganz un
m" lich!
der, wenn er ihr untreu gewor
den wäret Doch auch diefen Gedan
ken wies fee weit von sich. Welchen
Grund sollte er haben, ihr untreu zu
werdens Bei ibreni legten Abschied
hatte er ihr noch ewige Liebe und
Treue gelchworen und er log nicht,
seine guten. treuen, braunen Augen
konnten nicht liigenl
Weshalb aber lain er nicht? Wes
halb ließ er nichts von lich böteni —
Zwei Tage »vor der Ubreile larn es
zwilchen ihren Eltern und der Groß
mutter zu einein heftigen Austritt.
Die alte Frau wollte Anna nicht rnit
nach Berlin ziehen lassen, die Eltern
wollten es nicht dulden, daß sie zurück
blieb. sann sauste selbst nicht, wie sie
N entscheiden sollte. Einerleiti fühlte
He sieh WILL ihren Vater, der ihr
bis auf die leste Zeit Wer freund
li« end esti- beatguet M- nicht ev
set-lesen, andererseits hielt ihre Liebe
zu hans Allrners und die Anhäng
lichkeit an die Dei-rieth sie hier fest.
Mit Bangen sah sie dein Leben in der
großen, fremden Stadt entgegen, wo
lsie seinen Menschen kannte. Sie wus
l te sich selbst dieses Bangen nicht zu er
ltlären tannte sie doch die Gefahren
nicht« welche sie in der Stadt um«-tier
ten, wußte sie doch nichts von der har
ten Arbeit von der Hast und Unruhe,
welche jeden erharrten der in das
Treiben der Weltstadt hineinverseht
wird. nur aus seiner Hände Arbeit an
gewiesen. Sie siirchtete sich gewiß
nicht vor der Arbeit; auch hier mußte
sie ost hart und angestrengt arbeiten«
aber die unbekannten Verhältnisse
slößten ihr eine sast unheimliche Angst
ein. Und dazu diese entsetzliche Un
gewißheit über das Schicksal des Ge
liebten! "
Als ihr Vater sie barsch sragte« ob
sie ihre Kindetpslicht nicht tenne, ob
sie undankbar genug sei, ihn zu ver-l
lassen da wußte sie nichts zu erwi
dern. Sie schluchzte laut aus und eilte
aus dein Zimmer, aus dem Hause und
erst am Waldesiaum hielt sie inne.
wars sich in das Gras und weinte lan
ae bitterlich, bis sie aus dem Gebet zu
Gott neues Vertrauen, neuen Muth
schspstei
Sie richtete sich empor und wollte
nach haufe,zurüettehren. Da fiel ihr
Blick auf den Wegwseifer, welcher fich
zur Seite de- fchmalen Fußpfades be
fand, der hier durclx den Wald berg
auf führte. aNach Iorfthaus Schu
lenberg' stand auf dein Wiegweifer.
Unwilltiirlich hatte fie die Stelle auf
gefucht, wo sie oft mit hano Alltners
zufammengetroffen war, wenn er,
rorn Forfthaus Schulenberg totn
wend, ihrer wartete. Sie tannte den
Weg genau, war sie ihn doch oft tnit
hans entlang gewandert, wenn fie ihn
ein Stüchen begleitete· Und plöilich
schoß ihr der Gedanke durch den Kopf.
Sie mußte hani sprechen. fie mußte
erfahren, was ihn von ihr fern hielt.
und er mochte entscheiden, ob sie ihren
Eltern folgen oder bei ihrer Groß
mutter in der Heinrath bleiben sollte.
lSie raffte sich auf und eilte den stei
len Fußpfand entlang« nach wenigen
Minuten in dein Schatten des Waldes
ver-schwindend Stundenlang warteten
ihre Eltern auf die Dein-lehr Annai.
»Da habt Jhr’j«, brummte bie
Großmutter. »Die Anna tomint nicht
wieder —- tvenn fie sich nicht gar etwas
zu Leide gethan hat«
»Die Liebe zu dein Grünroet steckt
ihr im thpr fchalt Gerharb. »Na,
tin Berlin wird sie ihn fchon hergef
m«
»Wenn sie überhaupt wieder
toinmt —«
-Dunintes Zeug —- fo leicht ists
nicht, fich das Leben zu nehmen«
Nach ftundenlansgem, oergeblichem
Warten begaben fich die Eltern zur
Ruhe
— , «. . J
»Ich hao sie vorhin am Wam- ge i
sehen«, beruhigte Frau Gerhard ihren
Mann. »Sie wird Abschied von dem
Grünroa nehmen —- na, Die Freude
tann man ihr noch gönnen.'·
Die Großmutter fand jedoch leine
Ruhe. Sie saß in ihrem Kämmerchen
und horchte auf jedes tleine Geräusch
im Hause. »Lafz sie nicht verzweifeln
in ihrem Schmerz und Herzeleid, lie
ber Gott«, betete die alte Frau mit
zitternder Stimme. «Gieb ihr Kraft,
des Lebens Last und Leid zu tragen,
wie du mir Kraft gegeben hast —«
Gegen Mitternacht wurde die Haus
thiir mit festem Griff geöffnet uno die
Großmutter erkannte den Schritt An
naj, die rafch oie schmale Treppe zu
dem Bodentämmerchen emporftieg.
»Bist Du’s, Annchen?« fragte sie,
als sich die Thür öffnete.
»Ja, Großmutter, ich hin’s«, ent
»gegnete die Stimme des jungen Mäd
chens mit seltsam oerändertem, her
hen Mang.
Die alte Frau richtete sich emvor.
»Da warst Du, Anna? Wir glaubten
schon, Du wollteöt nicht wiederkom
men, bis Deine ltern ahgerelsi wä-;
ren —« I
»Ich reife mit meinen Eltern —-«
«Anna?!«
Die alte Frau zündete rasch die
Kerze vor ihrem Bett an.
.Uin Dimmelswillem Annchen, wie
W Du ausf«
Die Alte hatte toohl Ursache. zu er
schrecken. Wirt hing das blonde haar
um das blasfe Untliy Innasx ihre
Kleider Daten durchnäst und an eini
gen Stellen zerrissen. »Da-I ist Dir
begegnet, Musik Deine Augen blicken
ja, all eh Du einen Geist gesehen -«
,Jch hab mir vie Wissen her
Menschen tennen gelernt, Großmut
ter«, files Anna heftig hemr.
Jlnd deswegen willst Du mit nach
serlink
«sa. Groß-mitten — hier mußte
ich fa doch IetztoeifelnP
Its Ietosaltsatnei Schlnchzen drang
H
i·
taui dem gequälten hersen des Mäd
«chens, das sich in plöilich neu ausbre
irbrndem Sckmerz nor dem Lager der
alten Frau nieder-wars und diese mit
den Armen tranwhast umfaßte.
»Du warst bei hani Allwers -——?«
»Juki nicht, Großmutter — oder
ich werd« wahnsinnig —- ·s ist alles
for-S —- alles aus —«
- Und weinend verbarg sie ihr Ant
litz in die Kissen.
»Ja, ja, mein armes Kind, die
’Brockenrosen bedeuten Thränen —«
f »und Bin-, kaßmumkxs fuh
iAnna auf. »Er-Ihrr Gott, wer hätte
das denten können —' i
» »Und Du willst mich wirtlich ver
lassen?«
»Ich tnnn nicht anders, Großmut
ier —- bei meiner Seelen Seligkeit!
Draußen in der Welt werd’ ich ver
gessen.«
»So gebe, mein Kind —- ziehe bin
aug in die weite, große Welt. Jch
aber, ich will daheimbleiben und Dei
nen Plas offenhaltem nnd wenn Du
eingesehen hast, daß auch draußen in
der Welt Sorge und Noth. Schmerz
und Herzeleid wohnen. und Du Heim
weh empfindest nach der stillen Wald
einsamteit Deiner Kindheit, Deiner
Jugend, dann tomrn zu mir zurück. ich
iwill Dir Deinen Platz in der heimatl
ossenhnlten — so lange ich noch
lebe —«
Und fester preßte sich Anna an die
alte Frau, die mit ihrer zitterndem
rrielten Greisenhand »das wirre hnar
und die heißen Wangen des Mädchens
sanst streichelte.
5. Kapitel.
Woher der seit Kurzem verstorbene
Heinrich Gottlieb Christian Mankel
die Berechtigung erhalten hatte, den
Titel Baumeister zu führen, wußte
wahrscheinlich nur er allein. Soviei
stand wenigstens siir die näheren
Freunde Mnntzels sest. das; er niemass
eine höhere Schule, geschweige denn
ein Politechnilum oder sonstige Uta
demie besucht und keinerlei bangen-erb
liches Exnmen gemacht hatte. Aber
es stand auch ebenso unumstiiszlich sest.
daß er, als einsncher Maurerpolier be
ginnend, ein haust aus Spetuiation
in einer ausbliibenden Gegend Berlins
gebaut, dieses mit großem Vortbeil
vertaust und sich dann aus Terrain
spetulntionen nnd Bouunternebrnuns
gen in Berlin und den Vorarten ein
gelassen hatte. die ibsm im Lause der
Jahre ein großes Vermögen einbrach
ten. Er hatte Glück gehabt. Manch
anderer ebenso fleißiger und vielleicht
chrlicherer Mann war bei solchen Un
ternehmungen zu Grunde gegangen,
aber Heinrich Gottfried Ebristian
Mantel verstand ei, sich stets rechtzei
tig vor einem saulen Geschiist zurück
zuziehen, seine Forderungen an die
Bauten einzulassiren oder Nenbauten
billig in der Subdqstation zu erwer
ben. Ob die anderen Gläubiger ge
schädigt wurden, ob so und lo viel
Bauhandwerter urn ihren Verdienst
lamen, darum tiirnmerte sich der all
mählich zum »Baun·.eister« aufgeriiate
früherer Maureruolier nicht: es war
ja nicht seine Sache, fiir andere Leute
zu sorgen, wenn er nur fiir sich sorg
te, dann hatte er genug zu thun.
So lam er- denn, daß der Herr
«Baunieister« Mangel bei seinem To
de seiner Wittwe etwa zehn große
däuser in den «feinften« Gegenden
Berlins und außerdem noch ein Baar
verrnögen von etlichen hunderttausend
Mart hinterlassen tonnte. Frau Enge
nie Mantel beweinte ihren Gatten
etwa vierzehn Tage; dann aber sah
sie ein, daß die übermäßige Trauer
ihrer Gesundheit — sie war eine sehr
starte Dame, die ihre zweihundert
Pfund wog —- fchaden würde, sie über
gab die Verwaltung der häutet einem
tüchtigen Rechtsanwalt und Notar und
reiste selbst mit ihrem einzigen Sohne
Max, einem zwanzigjährigen, hoff
nungsvollen Jüngling nach Italien.
Oariiber war etwa ein Jahr ver
flossen. Das Asthma der Frau
Baumes-ster« war in Italien nicht
besser geworden. Die setzte riethen
dringend zu einem Aufenthalt in ei
»nenr höhenturort und da Friedrichs
hiitte im harz in Mode getornmen
war, so fchickten die setzte die asthrnas
tische Frau »Den-meister« aus sechs
Wochen nach dem harz. Max mußte
tie begleiten; Max hatte auch die Ja
milie Eerhard ausfindig gemacht, da»
Frau Gerhard die Wäsche fiir die
seau Daumeistef besorgte und In
na Oerhard öfter die frisch gez-Miete
Msche zurisbrachtr. Die friselp
Schönheit Lunas gefiel denr has-f
nungsellen Max und er wußte seine
Mutter zu bestimmen. Gerhavd die
gerade erledigte Poetieesielle in dem
großen hause in der Vlilotvsteaie zu
libertragern
War war ein kluger Jiingting,
toenn er auch die Realschule nue sit
W
Mühe und Noth abfplbirt hatte. Aber
das Leben in Berlin tunnte er gründiä
lich und weil et es so gründlich kann-T
te, hatte er fich noch für keinen Berufs
entscheiden .tönnen. sondern bracht-.
seine Tage auf den Rennbahnen undI
den Tennispläsen in haleniee und?
Zeblendorf. seine Wöcnde und Nächte
jedoch in been Spezialitätentlieater des
Wintergartens. den öffentlichen Ball
siilen der Friedrichsstndt und den Ca
;fe’j unter den Linden und auf der
HFriedrichstraße zu.
Das war gewiß eine lehr nützliche
Beschäftigung fiir einen jungen Mann,
der das Leben der Weltftadt gründlich
kennen lernen wollte. ehe er sich für
einen Beruf entschied Vorsicht ist der
Mutter Weisheit, und ehe man einen
se wichtigen Schritt thut, einenLebens
beruf zu wählen, soll rnnn das Leben
gründlich stubiren. Max lernte aus
diesen Studien, daß die Berliner Luft,
das Leben und Treiben der Großstadt
einen eigensrtigen Einfluß auf unver
dorbene junge Gemüther ausübte be
töubend und verwirrend, niederdrü
etend und doch wieder unreizend, ver-—
ziveifelnd und doch auch wieder behag
lich machend, nach nll den Herrlichkeii
ten. die die Weltftadt in verschwenderi
scher Fülle darbot.
Vielleicht hatte aus diese-m Grunde
der tluge Jünglin Anna die frische
Harzblume, in die Luft der Millionen
iiadt verpflanzt —- wir sagen Viel:
leicht, denn der tluae Weltftadtjiings
ling ließ so leicht Niemanden in seine
Karten blicken.
Or k· ts- - is
«:«(l, war sagst- zu urr uounuitgr
fragte Frau Lene Gerhard mit stol
zera Lächeln ihren Gatten ani Tage
des Anzqu in die Portierswohnung,
indem sie sich als früheres Berliner
«Mädchen fiir alles« verpflichtet fühl
te, das unverfälschk Berliner Deutsch
wieder aufzunehmen. »Det is doch
eene janz andere Kiste, als det Schin
delshiiuschen im Walde· Zwei scheene
Stuben, eene nach varn heraus, hübsch
hell, die andere nach hinten, etkvas
dunlel. aber scheen tihl imSomrner un
warm irn Winter, un denn die Kiiche
und hier die Partierlosche mit del
lleene Fenster uff die hausslur. Ta
peten überall an die Wände und die
Decken scheen vermalt, Jaj in allen
Studen und een Parzellandherd —- na,
wat sagste dadrrzu?"
Friedrich Gerhard sah sich etwas
verlegen in den niederen Räumen am,
deren Fenster mit der oberen Kante
fast mit dem Bürger-steige draußen in
einer Höhe lagen. Die Tapeten und
die weißen Kachelöfen, die gestrichenen
Faßt-öden und vermalten Decken im
panirten ihm gewaltig, aber er lannte
nicht recht frei aufathrnen, die niedrige
Decke schien ihm die Brust zusammen
zupressen.
Schön ist s hier schan« , entgegnete
er, »aber wo fallen roir denn schlafen?«
»Ist is doch sehr einfach. Wir un
die Kinder schlafen in det Hinterzinn
mer. Inn schläft hier in die Küche,
da is Mag amng
Ztveifelnd blickte sich Friedrich Ger
hard den haibduntlen Raum an, in
dem er mit Frau und fiins Kindern
schlafen sollte. Wenn auch ihr Schlaf
zimrner in der heimathlichen Schindel
hiitte nicht größer gewesen war, so
hatte doch durch das assenstehende
Fenster stets die frische Waldluft Zu
tritt gefunden und wenns mal irn
Sinn-mer zu heiß und dunstig wurde,
hatte er fich draußen im Garten auf
die Saat gelegt. Das einzige vergil
WWIH
terte Fenster ihres jesigen Schlafzims
meri ging aber auf einen tleinen Hof
hinaqu der von himmelanftrebenden
Mauern umgeben war, fo daß den
ganzen Tag ein tiihler. feuchter Schat
ten auf dem engen dofraum herrschte,
der einem Keller glich.
»Wir werden uni fchon einrichten,
Vater", nahm Anna das Wort, indem
sie begann, die durcheinander ftebens
den Hausgeriithfchaften in Ordnung
zu bringen.
»Natürlich. evir werden uns fchon
einrichten«, ftimmte die Stiefmutter
Anna zu und faßte energifch mit an,
das Zimmer aufzuräumen.
Die Kinder ftanden mit offenem
Munde da und blickten erstaunt auf
das ihnen fo fremde Treiben auf der
breiten Straße, über der der Sonnen
schein blendend flimmerte und eine
dicke, dunftige. ftaudirfiillte Luft weh
te. Hochdepmtte Last-wagen donnerten
vorüber, Drofchten fuhren hin und
wieder, die Pferdedahn wand sich mit
aellendem Gioetenfpiel durch die nie
mais endende Reihe der Wagen und
auf den Bürgerfteiaen flutiyete eine
geschäftige Menge auf und ab, achtlos
an einander oorbeihaftend oder lang
firm dahinfchlendernd. Solch ein Ge
tiimmel war daheim nicht einmal auf
der Kirchweihgexvefem Es mußte hier
in Berlin ein Fefttag fein. daß fo vieZe
Menschen auf den Straßen waren.
»’nen Morgen. here Gerhard, ’n
Morgen, Frau Gerhard und Fräulein
Anat-", rief eine fchnarrende Stimme
und der junge Herr Mentzel erschien
auf der schmalen Treppe. welche von
der hauethiir in das Vorderzimmer
der Portierwohnung führte.
Gerhard trat auf den jungen haus
besitzersfohn zu und bot ihm treuher
zig die Hand-. Versichtig letzte Herr
Max feine, mit einem blutrothen
Handschuh keileikete Rechte in die
hand dee früheren Bergmannee.
»Na, also gut angetommen?« fraate
kr, lächelnd zu Anna hinüberdlietend,
die sich abwendete und in die Küche
ging.
»Ich hin nur hergekommen, um
Sie noch einmal iiher Jhre Pflickzten
zu inftruiren«, fuhr er etwas mißmu
thig fort.
»O, herr Manyel«, entgegnete Frau
Geryqu eifrig, »in-für laffen Sie mir
nur forgen. Jck have fiinf Jahre in
Berlin gedient und kenne alles ganz
genau. Treppen fcheuern — Hof rein
halten« Jenstetpuhem uffpassem det zu
rechter Zeit die Tepptckzc getlopft werf
den und det die Kinder nich uff dein
hof randaliren und dann immer pa
rat stehen« wenn et an die Hausthür
llingelt.«
»Ich sehe, Sie tennen Jhre Pflich
ten. Na, dann holdf ich in nicht« mehr
hinzuzufügen. Lichten Sie nur da
rauf, daß die hausthiir nicht heftig
zugefchlagen wird. Meine Mutter —
wit bewohnen den erften Stoet —ift
fehr nerviis und duldet leinen Lärm.
befonderö auf die Kinder und die
Leute irn hinterhaus müssen Sie ach
ten.«
«Weiß ich, weiß ich, herr Man
tzel —·« »
«th denn in der Wohnung alles in
Ordnunng«
Mit wichtiger Miene diickte der
junge hauibefiser in jeden Winlel
der Wohnung. hierbei torn er auch
in vie Miche, wo Anna das wenige Ge
schirr der haushaltung in den-Schrank
stellte. -
Vertiefung folgt.)
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O e t r : sollen Sie fis was verdienen mit Dolzcleinmqcheaf
Oettlen Uhulieber what lannich a tm Iheklanen
sich meinem-e en an hket Oe IIheIIv Itzt-h ädjqenx nsq singt-at dran Ideen-Ae
Jhkkk Lonsti IItIoII si c solckue tIeIIIe besten verordne. IIIId die sollte Ich Ihnen
»nehmen«-« —- Ree —- M bringe ich II ichs fettiq- ad«ei hl