Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 01, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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Volk-leben J
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III Rosen und Myrthent s
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(1. FortfetzungJ
Judelnd sprangen die Kinder den
heimkehrenden entgegen. Aber der
Vater empfing sie mürrisch und die
Ritter schalt. daß sie noch nicht im
Bette wären. Nur Anna beugte sich
lieblich zu den kleinen Kraustöpfchen
nieder und steckte ihnen heimlich einige
send-ins zu, die sie auf dern Fest in
söfenlntrg getauft hatte.
Hättest auch was Besseres thun
können, als die Kinder hier so lange
in der kühlen Asbendluft lassen, Mut
ter«, sagte Frau Gerhard mißmuthig.
»Die Kinder wollten Euch gern noch
begrüßen', entgegnete die Alte. »Fei
jche Luft hat noch Niemand geschadet.«
«’s geht so lange gut, bis sie sich er
Iälten und das Fieber kriegen. —
Welch fest, ins Bett.«
Betrübt hufchten die Kinder in das.
haus. Anna folgte ihnen, um sie zur
IM- tu bring-v- ?
Die Eltern und die Großmutter?
traten in das ärmliche, aber reinlichi
gehaltene Wohnzimmer.
»Da-it tein Abendbrot bereit, Mut:
ter«t« fragte Gerhard, sich um-i
chauen-o
»Ich dacht, Ihr würdet in Bösen
barg essen -—«'
»Wenn Du nur das dumme Denken
sein lassen wolltest«, fuhr Frau Ger
Ijard aus. »Glanbst, nach einem Weg
m zwei Stunden hätte man keinen
Hungeri«
»Ich gehe schon in die Kiich’ und
besorg Euch das Essen«, murmelte die
site und schlüpste Unaus.
Der Mann entledigte sich seiner
Feiertagslleidey zog eine graublaue
Iriesjacle über, zündete sich eine kurze
Pseise an nnd setzte sich an das kleine
Fenster. das Kinn auf die Hand
stützend und mit mißmutlsigem Blick
in die Dämmerung hinausschauend.
Seine Frau beobachtete ils-n von der
Seite. während auch sie sich umkleidetr.
»Bist ja wieder in einer guten
Laune heute Abend, Zriedrich«. bub
sie nach einer Weile an. »Sprichfi ja
kein Bot-if
.Woriiber soll man denn sprechen«,
ins-irrte er. »Man sieht ja hier nichts-«
als Tannen und Ielsen.« ·
Die Frau lachte spöttisch aus. »Das
tsi Deine eigene Schuld«, entgegnete
sie. »We5halb bleibst hier in dem
Winkel hocken und machst es nicht rote
der Varteli, der nächstens nach Ber
lin will·«
«Lieg' mir nicht immer im Ohr mit
set-lin. Was soll ich da?«
«Arbeiten sollst Du ebensogut wie
hier. Aber besser bezahlt kriegst Deine
Arbeit und lebst nicht in solch elender
dritte, wie hier, sondern in einem schö
nen, großen haus mit großen Stuben
nnd hoben Fenstern. Und Menschen
stehst Du und schöne Liiden —- turz,
’i ist in der Stadt ganz anderes Le
sen, als hier in der Eins-W
»Du mußt’g in kennen. Warst ja
auf fünf Jahre in der Sie-de
»Ja, und gut gefsllen hat's mir
dort. Deshalb möcht’ ich Euch gern(
hier aus dein elendigen Loch herzug
habem möcht gern, dcß die Kinder
was Qrdentlichses lernen nnd werden.
Das alles können sie in der Stadt,
aber hier — da bleiben sie arme Hüt
tenleute oder Waldarbeiier.«
»Es ift noch keiner bei der Arbeit
« verhungert«
»Aber auch noch keiner reich gewor
den.«
»Meine Vorfahren bnben an dieJ
zweihundert Jahre in dem Häuschen
da gesessen —« ’
«Und haben gehungert bis nn ihr’
Lebensende. Friedrich, ich rcth’ Dir
gut. Jch hab’ vor einiqen Tagen mit
einer herrschaft gesprochen, die drü
; sen in Friedrichshöhe logirtx sie sucht
F einen Partien einen ordentlichen, ne
beitfamen Mann für ihr großes
heut in Berlin —- das wäre was für
· «
W
»Und woher soll ickfs Geld nehmen,
· um die Reise zu bezahlen?«
»Berlaufe das Haus —«
»Das hanc verkaufen?! Da half
ich doch auch noch ein Wort mitzu
iptechts —
Die Mutter Gerhards wer unbe
merkt in das Zimmer getreten und
· satte die lesten Worte ihrer Schwie
· setpchter gehört.
— »Sei vernünftig, Mutter —" mein
, Ie diese, während sich der Sohn mit
i M Inseduldägen Bewegung ab
M
bin siebzis Jahre alt geworden
h ice selt«, fuhr die Alte fort, »und
deines set-rund mehr. Das
nir, i- tems is- leb«. und
Dir, mit meiner Zu
ges-i W vers-erst- Was
?
snicht need- gnt geneigt Was? Frei
lich, als Jungfer in der Stadt. dei ders
feinen herrschan da gab-I Weißbrot
ists-U Schwarzbrot und alle Tage!
Fleisch und Butter und Schotolade—
Ha, ja fo mags fchon fein. Ader ich
! sag Dir, Du tannft Deinem Gott dan
ten, daß Du hier Schwarzbrot und
faure Milch in Ehrbarkeit und Frie
den verzehren tannft und daß Deine
Kinder zu ehrlichen Menschen heran
wachsen. Nach Berlin ziehen —- sieh
mal einer ant«
,’s ift noch nicht so weit, Mutter-«
’ »Und es wird nicht fo weit kommen.
«Wenigitens geh ich nicht mit. Jch will
hier begraben fein, wo ich geboren bin
und wo mein Mann und fünf von
meinen Kindern auf dem Friedhof lie
gen. «
»Und wenn wir nun ohne Dich
nach Berlin zögen?« fragte ipiittiict
lachend Frau Gerhard. »Was woll
teft Du wohl anfangen?«
»Was ich anfangen wollt? Arbei
ten wollt ich«, rief die Alte und streckte
ihre hageren. fehnigen Arme empor.
«So lang ich dieie Arme noch regen
lann. werd’ ich schon nicht verhun
gern —«
«Hollah, was gebt denn hier ook?«
tief eine laute, rauhe Stimme und di e
Gestalten zweier Männer schaden sich
in das Zimmer.
»Ihr feid’s. Bartelz und Hinrichs
— na, wir unterhalten uns gerade
iider die schlechten Zeiten', lachte Frau
Oerdard spöttisch auf. »Großmutter
will nicht ntit nach Berlin —«
»Mit Euch fchon gar nicht, Bar
tels«. brummte die Alte und verließ
das Zimmer, die Thür heftig hinter
sich zufchlagend.
Die deinen Manner mehren main
aus. Jhre Erscheinungen bildeten ei
nen komisch wirtenden Gegensah zu
einander. Bettels, der lange Bar
tel5, wie er genannt wurde, war eine
wohl sechs Fuß hohe, starke, hagere
Gestalt. Er mochte etwa in der Mitte
der dreißiger Jahre stehen. Das
dunkle Haar hing ihm wirr urn die
Stirn. ein dichter, brauner Bart be
deckte den unteren Theil seines Gesich
tes; sinster leuchteten die Augen unter
buschigen Brauen hervor. Hinrichö
dagegen war ein tleiner beweglicher
Bursche mit einem verschmitzten gut
rniithigen Gesicht und slachsblondern
haar. Seine breiten Schultern und
langen Arme, sowie sein dicker Kopf
hätten eigentlich zu einer weit größe
ren Gestalt gehaßt. Es schien, daß
er itn Wachsthum zurückgeblieben war;
spottend nannte man ihn den «abge
schnittrnen Riesen«.
Bartelg sowohl wie Hinrichs gehör
ten zu den fremden Arbeitern, welche
erst seit kurzer Zeit in der Eisenhiitte
beschäftigt waren.
»Ist-her totnrnt ihrs« srngte Ger
harr. »Wer-et ja nicht aus der Bö
senburg.«
...Hatten kris anderes zu thun, als"
Feste zu feiern«. lachte der lange Bar
te15, währen-: der adgeichnittene Riese
verichrnitzt rnit den graugrünen Aug
lein zwinterte
»Wie ist's, Gethard«, fuhr Bartels
dann fort, sich vorsichtig umfehend,
»l«o"nni Jbr uns heute Nacht noch ein
mal Euren Ziegenftall da draußen zur
Verfügung stellen?«
»Es-ist mich zufrieden«, brummte
Gerhard ärgerlich. »Mag zum zwei
ten Mal nichts mit Euren Geschichten
zu thun ha«hen.«
»Na. na, hast doch neulich ein hüb
sches Trinkgeld dafür aetrieat, daß
wir den Rehboet in Deinem Ziegen
stalle verbergen durften·«
»Schweigt! Meine Mutter und die
Anna brauchen’s nicht zu hören —«
»Sei vernünftig, Gerhard«, fuhr
der lange Bartels leiser fort. »Wir
haben ini Walde drohen einen Sech
zehnensder liegen —- ’nen tapitalen
hirfch, sag ich Dir. Diese Nacht
Hin-äffen wir ihn herunterlchassen. Wir
lzwei allein tönnen es aber nicht, Du
sollst uns helfen —«
»Seid Jhr toll geworden? Ich hin
tein Wilddieh —«
«Nirnrnsi aber das Geld von Wild
diehen getn", lachte der abgeschnittene
Riese. »Was ist denn auch dahei. Ei
laufen so viele Dies-he und Rehe irn
Walde herum und fressen den Bauern
die Felder tahl. Man thut nur ein(
gu» Wert, wenn man sie nieder-i
tnallt.«' l
aBrauchst auch die Entdeckung nicht;
zu fürchten«, fuhr Barteli fort. «Allel
Isrster sind auf dein Feste in Bösen-l
hung. der alte Zörster von den-. Stint-i
lenberser schleicht wie ein M nndj
ist taub wie ein Innhahn in der Bald
—- ein endet-tin aber nicht ds. Der;
Weh-used der AMI, ist in sit-(
send-es —- Ilsc —- in einer Stunde«
if alsth DIE-III den
W sen a nn zer
Ikss ils dort. Musen Hoffen tpits
die stste einzeln nach der Stadt. N
yk sehen meinen Abnehmer ibid
WISIM
baß ein gutes Stück Geld verdient.
Na. willst DIE« Er hielt Gerhard die
derbe und breite Hand hin.
»Ihu’s, Friedrich«, rannte seine
Frau ihm zu. «Deiner Mutter und
Anna sag’ ich, Du seist mit Vorteil
nnd Hinrichi noch ein Glas Bier trin
ten gegangen, ins Deutsche Haus —«
Langsam erhob sich Gerhardx noch
zögerte er, aber vie beiden redeten ibm
so lange zu, bis er ieine Mütze ergriss
und trvnig sagte: .Nn. dann in Kul
lucks Namen ja! Zum letzten Male
will ich Euch den Gesellen thun. Habe
ich vvch den Hirsch nicht selbst nieder
getnctllt.«
»Bravv —- und nun tvrnrnt rasch!'
Die drei Männer verließen die
Stube. Auf dem Hausilur trat ihnen
Anna entgegen.
»thin, Vaters Das Abendbrvt
ist iwig ——«
«Bctter ißt mit uns irr-. Deutschen
Hause, mein Schätzchen«. entgegnete
der lange Bartels und versuchte An
nas Wange zu streicheln. Diese tvich
einige Schritte zttriich
»Niihrt mich nicht an, Borteli —"
»No, na, nur nicht so wild, mein
lleines Schätzchen«
Die beiden Männer lachten spöt
tisch. Gerhord brummte einige unver
ständliche Worte in den Bart, dann
verließen sie das Hatt-.
Angstvoll vvll banger Ahn-engen
starrte Anna ihnen nach.
3. Ka pi t e l.
.Legt Euch nur zu Bett, ich werde
die Küche schon in Ordnung bringen
—- niuß ja ahnedies aus den Vater
warten.«
Mit diesen Worten schickte Frau
Gerhard die Großmutter und Anna
satt, nachdem sie in der Küche ihr ein
faches Abendbrat verzehrt hatten.
.Wird denn der Vater spät zu haus
tamnien, Mutter?« fragte Anna zö
gernd. »Ich tönnt Dir ja sanft Gr
sellschast leisten.«
«Nee. nee, leg Dich nur nieder; wirst
vom Tanzen müde sein« der junge All
nrerö hat ja teine Ruhe gelassen.«
Mit aussallender Freundlichkeit fuhr
Frau Gerhard fort: »Na, brauchst
nicht gleich roth zu werden —- ’s ist
ein schmucker Bursch, der All-rieth
wenn er auch keinen rothen Heller in
der Tasche hat-und nun gute Recht,
Großmutter —- legt Euch nieder.«
Die Hast, mit welcher die Mutter sie
zu Bett schickte, siel Anna aus. Doch
glaubte sie an nichts Schlechtes Sie
sagte der Mutter sreundlich gute
Nacht und stieg mit der Großmutter,
die mürrisch vor sich hin brummte,
die schmale Stiege hinaus, welche zu
dein Dachtärnmerchen führte, in den«
sie mit der Großmutter im.·.ej. —
Während sie sich enttleidete. siel der
Blumenstrauß zur Erde, den ihr Hans
Allmers geschenkt hatte. Rasch biiate
sie sich. um ihn aufzuheben.
»Sieh da«. sagte die Großmutter
lächelnd, «hast ja einen Strauß von
Brockenrosen und Myrthens Hast ihn
wohl von Deinem Echzß gekriegt?'«
,Großmutter sp«
»Ja, ja. der Hang Allmers ist Tein
Schad. Leuane es nur nicht« Ann
eben. Weshalb solltet Jhr Euch auch
nicht lieb haben? Jhr paßt so recht
zusammen. Und wenn der Hans All
mers erst Förstee aus dem Schulen
berge ist, dann tönnt Ihr auch vor
ben Altar treten. Aber weißt Du,
Annchen, daß ein Bursch seinem Schag
leine Brockenrosen scheuten toll? Die
weißen Brockenrvsen bedeuten Thrä
nen und die rothen Plinttchen aus den
Blättern Blutstropsem Als ich juna
war, hat mir ein Bursch auch einmal
einen Strauß Brockenrosen gebracht
und am anderen Tag hat ihn ein Fels
stiiet im Stein-bruch erschlagen. Das
Blut ist ihm aus Mund und Nase
gedrungen und hat die Brockenmyrthe,
welche ba oben wächst, roth gefärbt.
Dein Großvater wollt mir auch ein
mal Brockenrasen mitbringen, aber ich
hat« nimmer gelitten-«
»Ach, Großmutter, wer wird denn
so aberglöubisch sein —"
»Ireilieh, heutzutage glauben ja die
Leute an nichts mehr, nicht einmal an
unsern herrgatt', murmelte die Alte,
während sie ihr ärmliche« Lager aus
suchtk »Aber ich sage Dir, Annchem
J ist doch etwas dran, und unser
hertgatt lebt auch noch. Wenn Dein
Vater seit immer mit dem langen
Variels und dem til-geschnittenen Rie
sen zusammensteckt, dann trieg ielfs
mit der Angst und habe so meine Oe
dairteru heute Nachmittag hakt da
»den im Vald- von Schulenberg wie
;der mehrere We getnallt, die Bör
; set waren ja alle aus der Dissens-arg
svee muß da eben wohl geschossen ha
Ebens«
» Der Vater var mit ans aus dem
Fest, entgegnete Anna rasch.
»Ich sag auch nicht, das der Vater
Ists-stie- dst —' -
WIIIIIIWOI
»Glaubsi Du. das Batteli unt
hinrichs —?«
»Ich weiß nichts und ich fag nichti««
brummte die alte Frau. sich in die
Decke wickelnd.
»Grvßmutter. ich bitte Dich ——-·
»Laß mich zufrieden, ich bin mild
wie ein hund.«'
Sie wandte sich nach der Wand ber
um und blieb regungslos liegen, alt
ad sie in tiefen Schlaf terfunten
wäre. · -
Anna wußte aus Erfahrung, daß
die alte Frau nicht zum Reden zu be
wean war, wenn sie nicht wollte.
Seufzend wandte sie sich ab. Die
Worte der Großmutter hatten sie an
die Warnung von Hans Allmers er
innert und ein beiinaftigendes Gefühl
legte sich auf ibr Herz. Dem Barteli
und Hinrichs traute sie fchon zu. dafi
sie Wilddiederei trieben. denn sie fiibrs
ten oftmals wilde Redensarten von
der llnaeeechtigleit der Jagdgefeir.
Das Wild gehöre Niemandem auf der
Welt; wer es niederfchieße, der thue
ein gutes Wert. Idenn das Wild rui
nire nur die Aeeter und Wiesen, und
was dergleichen mehr Worte waren.
Außerdem ftammten die beiden Män
ner aus einem bochgelegenen. einsamen
Gebirgsdorf, deren Einwohner als
lecke Wildfchiitzen bekannt waren. Aber
der Vater war mit den Beiden noch
niemals in dem Walde gewesen, das
wußte sie besitmmij
Und doch konnte sie sich bente Nacht
des drückendem beiingsiigenden Ge
fühls-nicht erwehren. Sie trat an
das lleine Schiebefenfter, welches nach
dem Hof und dem Gärtchen hinaus
fiibrtr. Die Blumen ftellte sie in einem
Glas Wasser vor das halb emporge
» schobene Fenster
an ver Kammer war es oumpr uns
schmäl. Vom Walde her wehte ein er
iriichender Luitzug und Anna blieb
eine Weile am Fenster stehen. um die
iriirzige Lust mit Wohlbehagen ein
zuathinen. Ueber dem dunklen Wald
stand die fast volle Scheibe des Mon
des und goß sein zitternbes Licht iiber
die zerstreut am Bergeshang empor
kleiternden han«-schen aus. Nur das
Gärtchen hinter dem hause und der
Abhang unmittelbar am Walde lzgen
im tiefen Schatten der hohen, hundert
jiihrigen Tannen, in denen der Nacht
toind leiie rauschte.
Ein Bild des Friedens —- unb auch
Anna-T herz ward ruhig und still.
Sie saltete die hände und betete flü
sternd ihr Abendgebet, welches ihr die
verstorbene Mutter gelehrt hatte.
Dann begab sie sich zur Ruhe und war
bald sanft entichlummert. ·
Wie lange sie geschlafen, wußte sie
nicht. Plötzlich schreckte sie empor; es
was ihr, als habe ein scharfer Knall
sie dein Schlafe entrissen. Rasch rich
iete sie sich im Bette empor und lausch
te in die Nacht hinaus. Der Mond
wars einen zitterndem hellen Schein
in das Zimmer, der Wind rauschte
stärker in dem nahen Walde — ionft
herrschte Iodtenstille.
Annae Herz tlopste zum Zeriprin
gen. Es war ihr, als sei etwas
Furchtbares geschehen, als habe sie ei
nen schrecklichen Traum gehabt, der sie
noch im Wachen beöngstigte.
»Groszmutter, bist Du w-.:ch?« ries
sie leise
»hab noch gar nicht geschlafen«,
entgegnete dieAltr. »Wir alten Leut«
schlasen nicht so sest, wie idr junges
Volt.«
»Hast nichts gehört. Großmutter?«
»Der-den im Walde ist geschossen
worden«, drang es mürrisch oon dein
irn Dunteln stehenden Lager ver Al
ren her.
»Groszer Gott —!«
itlnna sprang aus dem Bett und
eilte an das Fenster.
»Bleib’ ruhig im Bett, Annchen«·
mahnte die Großmutter-. «M·ochtest
sonst etwas sehen, was Dir nicht lieb
wärt Misch Dich nicht in die Ge
schichten der Männer-, Annchenz ich
hab’ aber gleich gesagt, Brockenrosen
bedeuten Blut und Thriinen.«
Mit angstvollen Augen starrte An
na in die mondlselle Nacht hinaus·
Ihre Pulse und ihr herz tlonsten hör
bar. Mit sieberbaster Anstrengung
lauschte sie aus jeden Ton da brau
sen. Sie konnte sich ihre Angst selbst
nicht erklären. Es war nicht das er
ste Mal, daß in ver Nacht ein Schuß
im Walde siel, die Jäger gingen oft
schon vor Tagesanbruch aus die
Paris-. Aber heute waren sue Fak.
ster aus der Bösenburg versammelt
und das Anappschastssesi dauerte bit
zum Morgen. Ei konnte nur ein
Mmchits sein« der da oben tm Schu
tenbeeger Fast geschossen hatte.
Wenn ihr Vater dabei gewesen
wärest
»Ist oatee schon heimgekommen
seasmutteri« fragte sie nach einer
Weile.
Ost-' M- uts-t- aki-sit —
Iaa tout dass Da hinten as
WWWWIII
Walde-kund regte es sich. Mehrere
duntle Gestalten traten vorsichtig aus
dem Dunlet des Waldes und btieben
sieben, als schauten sie sich um. Dann
duckten sie sich hinter der Decke welche
dort die Wiesen begrenzten und ent-;
schwanden dem Blicke Annas. «
Doch nach einer Weile tauchten sie
wieder aus gerade an der Ecke wo der
Zaun des Gärtchenb mit der Hecke zu
sammenstiesz. Einer der Männer
sprang iiber den Zaun und stand jegt
im betten Mondlicht. Es war der
lange Bartelst Seine große, derbe
Gestalt war unvertenn-bar.
Anna zitterte heftig. Sie bemertte,
wie das Mond-licht aus einem glänzen
den Gegenstand schimmerte, der auf
dem Rücken Bartets hing —- es war
eine Ftintet
Jest beugte sich Bartets über den?
Zaun. Die beiden anderen -Miinner.»
die noch im Schatten standen, hoben»
mit greßer Anstrengung einen schwe
ren Gegenstand empor, den Bartels
iiber den Zaun zog und aus die Erde!
niedersinten ließ. Deutlich erkannte
Anna ein Stück Wild dessen Läuse
zusammengeschniirt waren und dessen
hats und Raps schwer niederbingen.
Lebend sant sie in die Knie und ver
hüllte das Antlig in die hände Jbrej
angswolle Ahnung batte sie nicht be
trugen der lange Bartels und Hin-s
richs waren die Wildschiigen — und
ibr Vater —?
Noch batte sie ibn nicht ertannt, Sie
scheute sich auch, wieder hinzusehen. sie
wollte keine Gewißheit haben, sie woll
te ibren Vater nicht bei dem verbote
nen nächtlichen Werte beobachten.
»Hast genug gesehen Annchkn?"
hörte sie die Stimme der Großm rtter
fragen. «Siebit. ich brauch« gar nicht
aus meinem Bett aufzustehen, ich ieb’
doch alles deutlich vor Augen« denn
ich hör’ jeden Schritt da draußen und
hab’ neulich schon beobachtet, wie sie
einen Rebbock in unseren alten Zie
genstnll gebracht baden, zu dem die
. Mutter stets den Schlüssel in ver Ta
fche trägt. Hörst, jeht tragen sie das
gelchassene Wild durch den Garten —
fest tonimt die Mutter nui der Hin
terthiir —- ietzt schließen sie den Zie
genltall auf — hörst. wie sie rnit ein
ander fliisiernf —· Jekt schließen sie
zu —- und jth ist alles aus ——«
Jeht war alles aus —- allez vorbei!
Weinend warf sich Anna auf ihr La
ger und prehte ihr Antlitz in die Ris
sen. Sie wallte nichts mehr ieden und
hören —- es war alles aus! Ihr Ba
ter war ein Will-hieb —- er machte ge
meinschaftliche Sache mit Wilddieben
—- es war alles aus! Wie tonnte sie
jemals ihrem hans wieder frei und4
essen in die Augen blicken, nachdem sie i
die ichrecklicheckntdeckung gemacht bot- i
te? Sie wäre sich wie eine Lügnerin,.
wie eine Betrügerin vorgetommenH
wenn sie seine zärtlichen Watte wie-J
der anhören, seine Liebtosungen wie
« der dulden wallte.
Sie, die Tochter eines Wi!:.:2:ersee,
eines Mannes, der dein Gesetze versal
len war, der in ewiger Furcht vor den
machsainen Augen der Forstbeamten
leben mußte, der wohl gar mit der ge
ladenen Flinte einem Förster gegen
über trat —- und olöklich sielen ihr
die Worte der Großmutter wieder ein:
Broaenrosen bedeuten Thronen und
Blut —- und laut schliichste sie aus. .
Da siihlte sie die zitternde, ioelte
liihle hanv der Großmutter aus ihrem .
Haupt. Die alte Frau hatte sich neben
sie aus das Bett gesetzt und suchte sie
mit leisen Worten zu beruhigen.
»’s wird zum Schlimmsten nicht
tonimen, Annchen«, tröstete die. Alte
ihre weinende Entelin. »Was scho-;
det’i viel, ob sie einmal einen hirschz
niedergetnallt haben, es lausen noch
viele- hirsche im Walde umher —
tvenn’s nur tein Menschenleben ist —
aber ich werde dasiir sorgen, daß Dein
Vater nicht wieder an solchem Wert
theil nimmt; ich werde dasiie sorgen!
Mein Vater und sein Großvater findt
als ehrliche Bergleute gestorben unds
begraben« er soln auch, denn er ists
mein Sohn. Jch werd’ den beiden»
Burschen, die ihn verführen, das haus;
verbieten; ich wert-' ihnen schon llar
machen, wo der Zimmermann das
Loch gelassen hat.«
Sie streckte drohend die lnochige
Faust empor. Dann nahm fee Ann
chen in die Arme und tiißte sie und
streichelte ihre Wangen. gerade wie
damali, als Annchens Mutter gestor
ben war nnd Ilan stch nicht von
vek Leiche trennen wollte und ziemt
hergerbrechen weinte. Und wie dass
mal-, so beruhigte sich Anna- herze-s
leid auch seht nach und nach unter denj
leisem tröste-wen Worten der oltenl
Fran. Ihrr Ihrs-re- slossen linderJ
. lächelnd blickte sie in der alten Frau«
" empor und neue dessem-es zog in ihr
den« s .
Wams nicht anders geht«, fuhr
die cresnmtter sort, «dann mag Dein
IWWIQIQFF
Vater fortgehen-nach Berlin, wo
hin Deine Stiefmutter ja so gern
»miichie. Dort gieth keine Rehe und
Ihirschh dort soll er das Wildern schon
;sein lassen. Und Du bleibst hier bei
’rnir. Annchem Wir wollen schon
durchtommen, unser herrgott lebt noch
und verläßt Niemanden in seiner
Noth, wenn er nur ehrlich bleibt. Und
Niemand ersährt’s. toas Dein Vater
gethan —- die Jägereleut’ sind nicht
daheim, keiner hat’s gesehen, auch
Dein hans Allmers nicht-und ihr
werdet doch noch ein glückliches
Paar —«
Anna schmiegte sich in die Arme der
alten Frau und unter ihren Trostesi
warten, unter leisem linden Tbriinen
entschlummerte sie wie ein Kind in
Mutterarmen.
Ein heftiges Gewitter war gegen
Morgen niedergegangen und selbst als
die Dampspseise der Eisenbiitte die
Arbeiter zur Arbeit ries, regnete es
noch in Strömen nieder, wenn auch
das Gewitter selbst verslogen ers-r
Friedrich Gerbard stand an idem
Fenster der Wesiseite und blickte mit
sinsterem Auge in den Regen hinaus.
Früh Morgens schon war er im Gar
ten und Wald gewesen und batte an
dem Zaun und der Decke eifrig ge
sucht. Als er beimtehrte. sliisterte et
seiner Frau ausathmead zu: »Der
Gewitterregen hat alle Spuren ver
tilgt. Jch lonnte wenigstens nichts
mehr entdecken.«
»Um so besser«, entgegnete die Frau
ebenso leise und vorsichtig. »So
brauchst Du Tit weiter letne Gedan
ten zu uuchen.«
Aber Gerbard schien sich doch nach
trübe Gedanken genug zu machen. Er
vermochte die Gewissensbisse nicht zu
vertreiben und rang nach einem Ent
schluß. .
« - L e- -I«, ,».- t-At
Abs Zums m pas Just-un um,
trondte er sich um. Er erschrak über
das blasse Gesicht feiner Tochter, die
er zärtlich !iebte« weil sie Ihm das
Bild seiner ersten Frau vertörverte, die
er so früh verloren.
»Bist Du trank Anna?« fragte et
weich, »Du siehst schlecht aus-"
»Ich bin nicht trank. Vater«, ent
gegnete das Mädchen mit niederge
schlagenem Mir-. da sie ihrem Vater
nicht in die Augen zu sehen vermochte.
»Du bist spät heimgetomrnem Vater««
feste sie schüchtern hinzu.
rortsetzung folgt.)
Ein Genie wirft über den Haufen,
was zum Haufen gehört. ,
II O I
Das geistreichste Ding aus der Welt
ist der gesunde Menschenverstand·
f I I
Daß jemand Geist haben will, be
merkt mnn öfter, ais daß jemand
Geist hat.
i f
Der Nacht - Bantenbetrieb in New
York ift eingestellt worden; die Entw
serung der in sriitier Morgenftunde
ausgesteltten Chectg muß doch eine
allzu große Schwierigkeit gehabt ha
ben.
I I sc
Der Mann in Chicngo, der seine
Westentasche als Bant benutzte und
nach und nach darin 8700 ansammelte,
muß ein Junggeselle sein; dnfz eine
Frau eine solche Goldgrube hatte
übersehen sollen, ist nicht wohl vent
tar.
i i i
Man tann auch geistig auf Kredit
leben. —
I O I
Das Ungliiet mancher Leute besteht
darin, nie Unglück tennen gelernt zu
haben
I I
Die Regierung tragt sich mit ded
Gedanken, den Zuckertrust aufzulösen.
Fiir einen Zuckertruft ist dies die ein
zig richtige Todesnrt
i «- - —
Bis zu einer gewissen Zeit haben
oiele Männer einen festen Willen;
dann aber —- heiraten fie.
f I I
Dem Berichte des Oundesschatzs
mnts zufolge ist das Nationalvermö
gen iin verflossenen Monat utn 14
Cents aus den Kopf der Bevölkerung
gestiegen. Klirnpern Sie, freundli
cher Leser, mit Ihren 14 Cents in
der Tasche und freuen Sie sich der
Prosperitiit. . .
est hat ein Gelehrter ausgerechnet,
da unsere Erde 72 Millionen Jahre
alt ist. Das ist noch nicht ekelt genug.
»Wenn wir ihren Geburtstag feiern
.tollen, tnlissen wir, das ganz genaue
Datum wissen
a i i
; Wenn es so fortgeht, muß der Itarne
im sluefietds in Ritaragua abgesta
dert werden. Es geht dort stem
lich rot sit-. . .
n s dem or eines :
erbaute-; Willst-i Mit
sandtpurrnf Ja, was fehlt denn dein
Hand-ums « .