Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 24, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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    Roman aus dem ;
Volksleben z
-«-.--·«- »Um-O« »so-O
s- IJIW INI .- IIIIII III IIIOIOIN II
; Rosen und Ucyrthen
Its-It- III-IIIwa
Von OF Elfter
ZZZZZZZIIZFIOIOOZZIICIOCOZ
J. K a p i t e l.
Ei grüne die Tanne, es tvachie
das Erz,
Gott schenke uns allen ein fröh:
this-I s- psl
use-»so Cz »z.
Dieser alte Harzer Bergmanns
fpruch prangte aus weithin schimmern
dem Transparent vor dem Eingang
der festlich rnit Guirlanden und Fah
nen geschmückten »Wenbueg«, einem
großen ländlichen Gasthause, das am
Fuße der halbzerbröckelten Nuine der
mittelalterlichen Ritterburg lag. Die
Berge thürmten sich hinter dem Gast
hanfe höher und höher auf, bis sie in
der Kappe des alten, sagenunvwobenen
Brocken ihren höchsten Gipfel erreich
ten. Dichte Tannen- und Bischenwäl
der umrauschten den herrlich gelegenen
Glanz saftige Wiesen und Halden ko
gen sich den Abhang hinunter, vis- zu
der großen Landstraße, welche in dem
engen Thale entlang lief. Weiterhin
eröffnete sich dem Blick eine ziemlich
kahle. öde Hochebenr. Nur einzelne
dunkle, wallartige Erhöhungen rag
ten hier empor, umstanden von niedri
gem Gebäfch und einigen hohen Erlen
und Pappeln. Zwischen ihnen fah
man mächtige Schotnfteine, gewal
tige Bauten und sonderbar geformte
Maschinen sich erheben, es waren die
sergweris- und Hochofenanlagen der
sugtverie , und Eisenhiitten, welche
,- hier schon seit Jahrhunderten betete
Hm wurden und den Hauptindustrie
innig der Gegend bildeten. j
Die Knappfchaft des Bergwerrversl
- eins feierte auf der »Biilenburg« ihr
alljährliches Knappfchaftåfest und von
weit und breit waren die Bergleute,
Hättenarbeiten Forftleute und Forst
arbeiter gekommen, um das frohe Fest
der gemeinsamen Arbeit zu begehen.
In einer festlich gefchrniietten Tafel
auf der Veranda des Gasthauses fa
Ien die höheren Beamten des Berg
rebiers und des Oberförftereibezirtee
sitt ihren Damen. der Berghaupt
staun, die Bergassessoren und Refe
rendare, die Obersteiger und Berg
Hefchworenen, der Forftrneifter, der
Oberfdrfter und deren Untergebene.
Die Bergleute und unteren Beamten
des Fittfiers hatten die langen Tafeln
im Garten eingenommen, die jungen
Hörster und Bergtnappen schwangen
Ich mit den fchmucken Harzer Dirnen
im Tanze und häufig genug suchte auch
ein Iorftaffessor oder ein jüngerer
Vetgbearnter den mit Gnirlanden ge
felnniiekten Tanzfaal auf. Die dunkle.
E schwarze Tracht der Bergleute bildete
Ei etnen angenehm wirtenden Gegensatz
E Fu den grünen Uniforrnen der Forst
k
t
leute nnd die bunte Studententracht
der Bergataderniter aus dem nahen
Clausthal brachte reiche Abwechslung
in das Gefamthrild
Von jeher herrschte zwischen den
Vergleuten und Forstbeamten ein gu-:
tes Einvernehmen, hatte fie früher!
doch unter einer gemeinsamen Ver-J
waltung gestanden. Und wenn auch;
dann und ann tleine Eifersiichte:
leien entstanden wenn auch dann und
spann rinnt-il ein Bergmann ohne
Jagdfchein auf «des Könige Wild«
v pürfchte, so gehörten doch Wald und
Berg fo eng zufammen. waren seit
Jahrhunderten durch fo manche ge
meinsame Interessen und Ueberlieie
Jungen verbunden, daß der Freund
schaft irn Allgemeinen durch derartige
, vkleine Meleien tein Abbruch geschehen
kannte. Erst in letzter Zeit war eine
Ists-Use Spannung zwischen beiden
Aktien eingetreten da sich die Wad
Bei-treten gemehrt hatten nnd die
III-Matten vergeblich nach den
Ulddieben suchten, fie aber unter den
HOM zugezogenen Bergleuten vermuthe
Der Tanz war zu End-. Tie Men
ge der jungen Burschen und Mädchen
fluiheie nuf den Feitplatz. Uns Geh an
den Familientischen niederzulassen
»Ich muß Dir jetzt Lebemobl innen,
Bands sagte ein junges, hübsches
Mädchen zu einem junaen Forst
Ilanm der mit bittendek Gebärde vor
ihr stand. »Meine Eltern wollen nicht
Unget- auf dem Feste bleiben und ich
Ins mit ihnen nach Hause zurückkeh
sen.«
E v «Es ifi ja noch so früh, Anna«,
.-Jesigegnete der junge Försiet bittend.
««: Sonne ifi noch nicht einmal hin
";iek dein Brocken versunken.« ·
- »Unser Weg bit nach Friedrichs
,Me ist weit. Meine Mutter kann
Ue kleinen Kinder nicht so lange al
Æ kam —«
Jso laß uns noch einen Augenblick
Indes Bald gehen, Wunsch bat et.
« habe Dido vieles zu sagen —«
d blickte sich Anna nen; der
las war von einer lachend-en,
-- - i- - Menge angeiällh Rie
" - We cnf sie; ihre Eltern saßen
’ - esse-· Minute-I MON- ste M
Im ais es sehe-» ieet W
Ob Inst siedet q- nnd die
- , III Massen seit lautem Juch
e
PIOIIIIIIIWIIIIA
hei in den Saal. Wenn Anna noch
einige Minuten fortbtieb, konnte es
nicht auffallen.
Mit einem leicht schelmischen Lö
cheln nieste sie hans zu und eilte dann
rasch durch den großen Obftgartem
der hinter dem Tanzsaale lag, und
aus dem eine Pforte in den nahen
Wald führte. Unter einer breittifti
gen Buche befand sich ein RuhepiaH
die Zweige der Buche hingen fo tief
zur Erde nieder, daß die Bank voll
ständig verdeckt wurde. Schon in
einer Entfernung von wenigen Schrit
ten v: mochte Niemand zu sehen, ob
Jemand auf der Bank Platz genom
men hatte. »
Hier harrte sie des jungen Förfters,j
der denn auch nicht lange auf sich war
ten ließ.
Mit eine-n »md1ich" fchlofz er das
erröthende Mädchen in die Arme und
küßte ihre frischen Lippen.
«Artig mußt Du aber fein Hans«.
sagte sie verfchiimt uno entwand sich
; feinen Armen.
; »Anm, haft Du mich denn nicht
Jinelxr lied?«' fragte er lächelnd, bittend
in ihre blauen Augen schauend.
» »Du weißt ja, han» daß ich Dich
stets lieb behalten wer . entgegnete
Anna ernst. «Aber«, so feste sie seuf
zend hinzu, »was ioll denn aus unse
rer Liebe werden ?«
»Ein glückliches Paar«, rief lachend
der braunlockige Bursche. aus dessen
dunklen Augen Muth·und Lebens
freude dervorleuchtetem
»Ja, rnir wär's schon recht', entgeg
nete Anna mit zärtlichern Blick in feine
braunen Augen. »Aber Du haftj
nichts und ich hab’ nichts und von derl
Lieb allein können wir nicht leben.
Und dann —- mein Vater duldet’s
nicht, er ist fest schon bös« daß ich mit
Dir vertehre.«
»Dort-in ift Deine Stiefmutter
schuld! Seit die Frau in Eurem
Haus ist« geht’s nicht gut. Die will
oben hinaus! Sie ist mal in der
Stadt gewesen und nun verachtet sie·
uns einfachen Leute.«
»Ja, ja, Hans; Du hast schon recht.
Wenn meine gute Mutter noch lebte,
würd? wohl anders aus-schauen«
»Aber so wahr ich hans Allmers
heiße, ich heirathe Doch doch, Anna!
Jn zwei, drei Jahren krieg ich eine
Förfterftelle. ter Forstnreifter shat mir-J
schon gesagt, wenn eine Stelle frei
wird, sollte ich sie haben. Und der
Föriter auf dem Schulenberkzse ift alt,!
er will in Pension neben. Das iolla
ein Leben werden« Annchen.« ;
Er wollte sie wieder in die Arme
ziehen. aber sie wehrte ihn sit-.
»Es- möcht schon fein«, entgegnete sie,
traurig das blonde Köpfchen senkend,
i
»wenn wir in zwei, drei Jahren nur
noch hier sind.«
»Was tedeit Du denn wieder? Wo
hin wollt szr denn? Dein Vater hat
ein tleines Häuschen in Friedrichs
hiitte, ein Stückchen Land und Arbeit
auf der Hütte -— was will er mehr?
Wenn er tleißig und ordentlich ist«
wird et Steiaer und Werkmeister —"
»Ach. Hans, die Mutter tößt ihm
ja keine Ruhe, er soll nach der Stadt
ziehen —"
»Das ist doch zurn TollwerdenZ
«Und Dein Vater?«
»Vottiiufig will er noch nicht. Aber
ever weiß. ob die Mutter ihn nicht nach
übertedet.'«
»Nun, dann laß sie ziehen. Wenn
Du nur hier bleibst.«
»Wie könnt ich allein hier bleiben?«
»Ein braves Mädchen findet immer
einen Platz. Deine alte Großmutter
lebt ja noch, dann ziehft Du zu ihr.«
«Mvine Großmutter hat nicht ge
nug tiit sich zum Leben. Rein. nein,
Deuts, das geht nicht. Die Eltern
können mich in der Wirthlchatt nicht
entbehren, dent an die fünf kleinen
Geschwister. Ich tönt-» dem Vater
nicht out-hun, ihn allein ziehen zu
lassen«
i
i
III III-Ist- III-I
.Dann sprech ich mit ihm -——"
»Nein, nein. das darfst Du nicht
TEr lann die Forstlent’ nicht leiden; et
hat mal als junger Bursch einer
Streit mit den Forsilenten gehabt —«
»Ja, wir Geänröcte scheinen fest
gewissen Leuten im Wege zu sein.
Anna, sag Deinem Vater. er möge sieh
in Acht nehmen, —in Friedrichtshütte
sind wir einigen Burschen ans der
Spur. die uns die Rehböcke wegschie
ßen —- saa Deinem Vater. daß er sich
mit den fremden Bergarbeitern nicht
einlassen soll. Wir sangen sie doch
noch —«
Eine tiefe Gluth überslammte das
hübsche Antlih des jungen Mädchens
»Was willst Du damit sagen,
Hans?' sragte sie erschrocken. »Du
glaubst doch nicht —?·'
»Nichts Schlechte-« von Deinem Va
ter, mein liebes Mädchen. Man hat
nur den langen Bartels im Hause
Deines Vaters verkehren sehen nnd
ver Kerl steht aus unserer schwarzen
Liste. Mach nur nicht ein to ernann
ches Gesicht-sen Jch sorge schon da
siir, daß Deinem Vater nichts ge
schieht. Und aus Eurem Fortziehen
does nichts werden, ich dulde es nicht
nnd sollte ich Dich vom Fleck weg hei
rathen«
Troß ihres Sträubens schloß er sie
sest in die Arme und tiiizte sie. Sie
schmiegte das haupt an seine Brust
nnd blieb eine Weile in seliger Selbst
vergessenheit an seinem Herzen ruhen.
Er sliisterte ihr zärtlich zu: »Sieh,
mein Liebling. was ich Dir mitge
bracht habe. Gestern war ich aus dem
Brocken im hochrevierx da hab' ich
Deiner gedacht und iiir Dich diese
Blumen gepsliickt.«
Er zog aus seiner grougriinen Jä
gerjoppe einen Strauß Blumen her
vor.
»Ach«. ries sie, »Broctenroien nnd
Mnrtlsen!'«
»Ja, die Brockenrpsenl Die Eben
bilder Deiner jungen Schönheit-— sie
sollen die Sinnbilder unserer Liebe
sein. Wie sie dort oben unter Felsen
und GerölL in Sturm und Wetter
blühen und duiten, so soll auch unsere
Liebe jede Schwierigkeit überwinden»
Und die Myrtde soll das Zeichen unsj
irrer Treue sein, die immergrüne«
Myrthe, welch-e trotz Schnee und Glis
im Winter. trpk Dürre tin-d Sonnen-J
brand im Sommer aus der Kappe des
Brogens und die kahlen Felsen iibers
tleidet und nimmer verwellt nnd nim
mer stirbt —«
»Du lieber, lieber Mann«, iliiiterte
Anna, beseligt durch seine Worte, und
wars sich jekt ielbst in seine-Arme »Ich
will die Blumen heilig h.rlten", fuhr
sie lächelnd zu ihm ausblickend fort,
»und immer an Deine lieben, treuen
Worte denken, trenn mich das Leben
glich von Dir sortreißen sollte. Ich
abe Dich lieh und bleibe Dir treu —
imnxer und ewig."
Er drückte sie sest und zärtlich an
sich. Nach einer Weile schreckte sie aus
seinen Armen empor.
»Die Musik schweigt«, sagte sie.
»Der Tanz ist zu Ende, mein Vater
wird mich iucken —- leb ivohl —- leb
wohl, mein lieber Hans —«
Er wollte sie zurückzalten Doch
rasch liiszte sie ihn noch einmal dann
;entschliipste sie ihm nnd eilte davor-»
i Mit innigem Blick schaute er ihr
noch. »Ich habe die Lust an dem Feste
verloren«, murmelte er dann, strich
sieh aviathmend mit der lBand über
die Augen« als envache er aus einem
süßen Traume und schritt langsam
den Weg hinan, der tieser in den Forst
hineinsiihrtr.
2. Kapitel.
Friedrichshiitte war ein kleiner Ort,
hoch oben im Gebirge gelegen« um
ringt von meilenweiten, düsteren Tan
nenwsilderrn Seltsame Ielsentzehilde
ragten ans dem dunkelgrünen Meer
quer Geist-en- ansoeomwek sich-»- »W
Schant htt. Musen mku ist l kjllis ein Ueinetstsletrå WW
Pius-: mais-zu mirs-i Johetriaqciw x
— -y-Ms, —-—- »Ja-I
III-III III-W-«
der Tannenwipfel empor und steile
Zelseniviinde engten das Thal ein,
tn dem die mit Schindeln gedeckten
Häuschen des Dorfes emporlletterten.
Ein altes Kirchlein, von wilden Rosen
und Enden über-wuchert erhob sich
Hanf einer kleinen Anhöhe mitten im
Dorf; an die Kirchhofsmauer lehnte
sich das ärmliche Pfarrhaus, das sich
laum von Den hätten der Berg- und
Waldarbeiter unterichied.
Nur selten lehrte friikker ein Ton
rift oder ein Brockenreiiender in dem
bescheidenen Gasthnns ein« das den
stolzen Minnen »Zum deutschen Hau
se« trun. Jn den letzten Jahren war
indessen die Zahl der Sommerfrerrrvenj
immer größer geworden, die hier ins
der rriirzigen Luft und Einsamkeit der
meilenxreiten Iannenmäler Erho
lung und Stätte suchten. Schon hat
le ein unternehmungsluftiger Mann
an einem der schönsten Punkte ein
modernen Bedürfnissen entsprechen
des Lonirlnus gebaut, welches er
«Friedrichehütte« taufte, und auch
in diesem Sommer war das Legit
hous von Fremden angefüllt
Friedrichshiitte hatte seinen Namen
von einem Hochofen und einer Eilen
hiitte, welche bereits vor mehreren
MIWWWWWII
han« rt Jahren in der romantischen
Waldeinfamleit errichtet waren, als
auch die Eiienindustrie irn Oberhorz
eine der bedeutendsten ganz Deutsch
lands war. Die Hütten- und Berg
leute, welche in einer tiefen Grube das
yeisenhaltige Erz zu Tage förderten
und in dem Hochofen aus dem Erz das
Eisen der.iusschrnolzen, entitammten
sämmtlich alteingesessenen Berg
rnannsfamilien, welche von dem her
zog Friedrich, dem Stifter der Eisen
hätte. hier annesiedelt werden waren
Erst in neuerer Zeit waren einzelne
fremde Drittenleute lrinzugetommem
da die Direktoren der Eiienhiitte den
Betrieb weiter ausdehnen wollte, weil
der diZlkerige nicht meer lohnend ge
nug war.
Das Häuschen. welches Friedrich
Gerhard, der Vater Anna«6, bewehrt-?
te. lag am äußersten Ende des Dorfes,
abseits der großen Heersiraße. welche
nach Friedrichshiitte führte. Der
Garten des Häuschen-Z kletterte einen
steilen Abhang hinauf und stieß an den
Hochwald rnit seinen hundertjährigen
Tannen und dichten, undurchdring
lichen Brombeergebiischen kdas Be
siythum war tlein und ärmlich, das
Häuschen mit rohen Brettern per
——«
- Iwwwwwwww f
schalt, das Schindeldach mit schweren "
Felsstiieten beschwert, die zum Aus
und Abschiede-i eingerichteten Fenster
klein und mit Blei eingesaszt. Jm
Gärtchen vor dem hause hatte Anna
mehrere Blumenbeete ungesehn und
wenn auch leine kostbaren Rosen und
seltenen Blumen hier gediehen, so ver
liehen die bescheidenen Blümchen, die
wilden Rosen« die Primeln und
Aftern dem Häuschen doch ein freund
Ilicbeg Ansehen, zumal ein alter Apfel
baum mit seinen breiten Aesten das
Dach der hätte beschattetr.
Die Dämmerung war bereits ein
getreten, als Friedrich Gerlyard mit
Frau und Tochter heimtehrtr. Des
Bergmanns Mutter-, eine aebrechtiche
Greisin von siebenzig Jahren, bitte
die fünf Kinder ihrer Schwiegertoch
ter vor dem Hause beaufsichtigt.
Gortsehung folgt.)
—- Der Elefanten-Käfer in Vene
zuela ist das grösste Jnselt ver Welt.
Er wiegt ein halbes Pfund.
—- Jn Argentinien erhält jedes Mi
litärpferv neben seinem gewöhnlichen
Futter zwei Unzen Zucker, weil diese
die Leistungsfähigkeit bedeutend er
höhen sollen
k
Ein Roman auS dem Leben
, llJaIIdlllngon. von Erika Riedberg.
(11. Fortfecung und Schluß.)
Und diese Zurückhaltung war wei
terhin belohnt worden. Von Tag zu
Tag siiblte er mehr. daß sie ihn nicht
mehr fürchtete, daß er ihr Vertrauen
gewonnen. Mit feinem Spiirsinn
ging er den Regungen ihres Herzens
nach, und ehe sie selbst es noch wußte
hatte er erkannt, daß neben der Freude
über seine Genesung, neben dem Mit
"gesiibl für feine Leiden etwas anderes
Hin ihrem Herzen aussproßte, da- ihn
»mit einein iiberirsältlgensden Glüasges
iiihl erfüllte.
Aber iiur jegt nicht die Geduld vers
lieren, nur jetzt warten können, bis
die Zeit der Ernte kam.
Ta trat der Diener mit seinen lei
sen. gleitenden Schritten durch den
Salon heraus. Er brachte die Mor
qyofn Zeitungen unid mehrere Brie
fe; zipei darunter auch an Eiigenir.
Sie erbr.-.ch den einen Sind schob;
ihn dann glücklich lächelnd ihren-.
Manne hin.
Es mir eine tindliche Kritzelei. Der
Kleine hatte sich von der Kinderirau
die hand führen lassen.
«Lieber Papa und Mantos Ich
bin sehr gefreut, daß mein Papa
geiund ist. Ich möchte furchtbar
gern. daß Papa und Mama ioies
dertomrnt. Gefiern bin ich mit
Tante Eriia ausgegangen, da dabei
ich auf Onkel Robert fein Pferds
gereitet. Euer lieb-es Wölfchen.·
Der zweite Brief war von Ernml
Nur eiti paar herzliche, treue Worte,j
mitten in allen Aufregungen vor derj
Hochzeit geschrieben. l
Arn Schluß die Bemerkung, daß
Hielt ein paar Tagen die bis jeht in
-tlntersuchungsb:st gewesene Dorn:
Görn in eine Jrrenanftnlt übersiibrtt
worden sei. Längere Zeit bade manj
sie siir eine Simulantin gehalten, ieitz
turzein hätten sich sdie Aerzte von ih-:
rein Jersinn überzeugen müssen. Vons
deni Paul Heller und seiner kostbarer-f
Beute habe man unbegreiflichertveise
noch iininer teine Spur. «
Engenie sah nachdenllich auf die
Nachricht nieder. Zett, ioo das Mäd
chen so furchtbar gestraft, that sie ihr
silH leid·
Sie war lanaft zu aer ueverzeuaung«
gekommen, raß ihr Mann die Sich :
Lage von Anfang an richtig renrtheilL
L)atte, daß die Görn weit wenigers
schuld war, als nian ann.il:m, und;
seit in ihr eigenes herz der Friede eins-«
gezogen, war sie milder geworden ge
gen ihre erbitterte Feindin.
Sie reichte dedin auch diesen
Brief hinüber.
«hier lies, Otto!" sagte sie mit be
deckter Stimme. »Ich habe immer ge
wünscht, rnich einmal rächen zu tön
nen, sie zu strafen fiir all ihre Lüge
und heuchelei -—- nun hat es ein an
sderer fiir mich gethan, dein wir im
mer die Fiigung unseres Gefchicls
über-lassen follten.«
Roddin fah erftaunt auf bei der
Ergriffenheit, die aus ihrer Stimme
tlang. Er las and sagte ernst:
»Das ficht hart und traurig aus.
Und doch ist es das hefte, was ihr pas
siren konnte. Jhr Leben war ver-;
pfnscht Sie würde es immer weiterJ
zuschanden gewirthsehastet haben,
wer, da sie sich nun einmal an diesen
Menschen gehängt hatte. wer weit-, wie
bald von sich geworfen haben. Zeit
sit sie für nichts mehr verantwortlich
end sann ein ruhiges Ende haben. Da
hier-, fuhr er leichteren Jenes fort,
nnd schob ihr eine Zeitung hin, »nur-i
macht mich auf meine alten, tranken?
Tage noch eitel!« s
Eugenient Augen überflogen die
Zeitung und btieben an einem Artikel
unter Lotalnaehrichten hängen:
»Aus sicherer Quelle erfahren wir,
daß die Genesung unseres genialen
Bauraths Roddin in so erfreutiehers
Weise fortgeschritten ist· dass wir be »
griindete Oeffnung hegen dürfen, diese
unschiighrre, künstlerische Kraft unse
rer Stadt erhalten zu iehen. Seines
neuefte Schöpfung der herrliche Sie-s
naissaneebau in der St. Straße ist
während seiner Krankheit unter Lei
tung seines Vertreters fleißig geför
dert worden. hoffen wir, daß baldI
des Meisters Auge wieder iiber feinein
Werte wacht usw."
Mit stolzer Befriedigung fnh Eu
genie zu ihrn hinüber.
Sie begriff daß nnn einem Manne
Schroffheit und herrfchfucht verzeihen
tann, wenn er nur ein Mann ift —
Vas heißt wahr und zuverlässig ist
Ein wunderliches Gefühl übertani
sie —- Heirnlichei, Bräutliches. das
ihr das Blut in die Wangen trieb.
Rasch farliiriie sie in den Gartens
falon uns tam rnit einem rief-gen
Albunr zurück«
Sie tegte es vor ihren Mann hin
nnd schlug es bei einein ei ngelegten
Zeichen auf. l
Es war ein Prachtrvert über Ae z
chitettur. ·
l
i
»Im beginnt der Unterricht, Herr
Baurath Den ganzen Unterricht hn
ben tvit geschwänzt« mahnte sie heiter
Und er begann. Jn seiner wun
derbar feffelnden Weife sprach er zu
ihr über seine Kunst, ließ sie in eine
Welt voll Schönheit und hehrer Ge
danken blicken. Und in dieser lich
ten Welt, in der er als der Belten
einer herrschte und schaffte, flog ihre
Seele ihm zu auf den Schwingen
reinster Begeifterung
Jn solchen Augenblicken vergaß siel
übeä denr Künftler den Despoten von
ein .
Wissengdurstig las sie die Wort-!
von seinen beredten Lippen, und
schwieg er einmal, mußte sie voll
Traurigkeit denlen, warum er wohl«
nicht früher es der Mütze werth ge
halten, so zu ihr zu sprechen, sich ihr
in diesem Lichte als ein lo ganz an
derer, so viel Größerer zu zeigen
Dicht nebeneinander beugten sich
ihre Köpfe über das Buch. s«
stobdin hielt in der Hand einen
Stift, mit dem er langsam den Li
nien der Zeichnung folgte, auch wohl·
zur Erlliirung eine flüchtige Slizze
auf ein Blatt zeichnete
Und plöhlich glitten Ekiqenieno
Augen tros aller Aufmerksamkeit von
dem besprochenen Kunstwert oh und
blieben an der hand ihres Mannes
haften. Wie schön geformt sie war!
Nicht allzu llein, auch nicht weich, nher
schlank und selt, charaktervoll in jeder
Linie.
Er trug teinen der Ringe mehr, die
sie früher an ihm gelehen, nur an der
Rechten den Trauring.
Sie mußte den schlichten Reif lin
metfort ansehen, und ie länger sie ei
that, je beklommener wurde ihr zu
Muthe. Es überkam sie ein Geishh
als müsse sie, wenn sie noch länger
daran hinstarrtr. unbestoinqlith an
gezogen, diele hand lassen —- was,
um Gottes willen, würde ee dann von
ihr denken-i
Verwirrt, mit brennenden Wan
gen its-m sie plstlich aut
»Was ift diri« fragte Roddin er
staunt
.Zch weiß nicht«, ftammelte sie ver
legen. «Ee ift fehr fchtoiil hier« nicht
wahr?« «
»Das tann ich nicht finden. Aber
wenn du ermüdet bift. fo hören wir
fiir heute auf«, erwiderte er freund
lich.
»Ich fürchte, ich bin dir zuletzt nicht
aanz gefolgt. Verzeih meiner Unauf
rnertiarnteit. Morgen will ich deine
Mühe besser verdienen.« — —
Neunzehntes Kapitel.
Jn dem Garten ver Villa ging
Roddin am andern Tage unruhig auf
und nieder. Wo sie nur blieb? Sie
pflegte sich nie fo zu verfpiiten.
Er nahm den hnt al- und ließ die
laue Aheredluft fein haupt frei unt
spielen.
Welch ein Frieden in solchem stil
ten Abend lag! Es war doch etwas
eigenes urn dieses Leben mit und in
der Natur. Bisher kannte er es taum,
er hatte sich nicht die Zeit genommen
Friih schon hatte ihn der Ehrgeiz ge
packt und nicht rnehr lesgelaffem
Bald waren die Erfolge gekommen.
große, stolze Erfolge. aber auch Ent
täuichnngen. wie sie das Leben, nnd
zumal das Leben, wie er es geführt
— toll iibermiithig. alles bis zur Neige
toftend —- rnit fich bringt. Dann die
Jahre seiner tkhek Und nun die
Krankheit! Ernster und ernster fah er
hinaus in den Atendfrieven
Da klang ein leichter Schritt hinter
ihm.
»Otto!«
Er fuhr herum.
»Endlichl Wo bliehft du so lanae?"
»Du haft dich doch nicht geängftigt,
doch nicht aufgeregt?'· fragte fie he
forgt.
»Das nicht. Jch glaube foaar. ich
habe etwas gethan, was ich noch nie
that, oder doch vor fo langer« langer
Zeit. daß ich vergessen habe.«
»Und das wiirek
»Ich herbe geiräumt", sagte er lang
sam. »Aber nun erzähle mir. wo
xoarit du?«
»Ich war im Port von Bekannten
aufgehalten und später - - da hab’ ich
noch im Bittenhiiuschen gesessen und
ein paar Zeilen an Erna geschrie
ben —--"
»Es-siehst du, niio doch Sehnsucht«
»Nein Otto, keine Sehnsucht Jch
— ich mußte ihr etwas sagen, -—
etwas, dns ich auch dir —- daß ich
...-,:V1ß ..,.
Sie zogertr. ihr Gesicht hastig ab
wendend. Roddin konnte noch eben
sehen, wie es sich mit tiefer Röthe be
deckte.
»Daß —- ivos —?« fragte er
stockend.
»Daß ich meinen Mann itebe«,
sagte sie nun klar und deutlich, ihm
voll in die Augen sehend.
» «Eugenie!«
Sie lag an seiner Brust, heiß und
? ftitrmisch umschlungen
f Aber ihr graute nicht mehr. Ver
trauenivoll schmiegte sie sich in feine
Art-ie«f singst-end sah sie zu seinem
dunklen ieidenfchaftdurchbebten Ant
iis qui.
Die Sonne war fest ganz hinun
ter. Schwer nnd grau sank die Däm
merung hernieder. Sie achteten det
(en nicht, denn in ihren bergen stand
hell und ficht die Gewißheit eines gre
Hen und sicheren Saite-.
-(cnde.)