Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 20, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    Sein Parodie-.
Stizze vonEllaTriebnigg
Das Filet war ziihe und die Kar
tosseln waren lalt und hart, aber Iris
Buttmann laute wacker drauf los mit
der praltischen Genügsamleit eines
Menschen, der sich von langer Fahrt
einen gesunden Appetit mitgebracht
und noch einen Rest seiner Reise vor
sich hat und iiberdies durch langjäh
rige Erfahrung im Reisen sich an die
Mangelhastigleit der Vorräthe aus
lleinen Bahnreitaurants gewöhnt hat.
Dabei plauderte er ganz vergnügt.
..Ob es mir gut geht? Na. Jch laß
es mir halt nicht schlecht geh’n. Man
muß halt jede Situation ausniitzem
zum Beispiel heut’ ist Dein Pech mein
Glückl« «
Er grinste sein Gegenüber behaglich
an.
»Na, Rudi. hand auss Herz: ent
zückt warst Du nicht iiber Deine Er
nennung gerade in diesem Nest! Jst
doch ein gewaltiger Unterschied zwi
schen Wien und Krügelsdorsl Hier zu
leben, selbst als wohlbestellter herr
Gerichtsauslultant . . . brr . . . Glitck
nenn’ ich das nicht! Fiir mich aber ist
dieser Umstand sehr angenehm, denn
ich muß hier den nächsten Zug erwar
ten und habe an Dir wenigstens einen
angenehmen Gesellschaften Jch bin
halt ein unheilbarer Egoist, während
Du . . . bist Du noch immer der alte
Träumer und Dptimist? Laß Dich
- mal ordentlich ansehen! Mensch, mir
scheint, Du bist auch unheilbar, Du
liebst ja gar nicht so unglücklich aug,
als Du solltest!«
Nun lächelte der bisher stille und
ernst zuhörende Rudi Salzbnrger
ebensalls.
»Du kennst Krügelgdors ja nicht,«
sagte er still und wollte auch noch et
was von seiner Wohnung hinzufügen,
aber es ging ihm immer so. daß er
seine Sätze lieber ausdachte, als zu
Ende sprach, weil er schon als kleines
Kind weit eher lebhast ism Denken und
Ausspinnen seiner Einfälle war als
im Reden.
»Ich kenne Kriigelsdors nicht, nein,
Gott sei Dank, aber ich hätte es bald
früher und eingehender kennen gelernt.
als Du bisher Gelegenheit haben losm
test, in der kurzen Zeit Deines Hier
seins und bei Deiner Fähigkeit und
lebhaften Neigung Dich Niemanden
anzuschließen. Ich hatte nämlich ei
nen Onkel da, und der hatte eine
Tochter, und meine Mutter und ihre
Mutter hatten, wie alle ölterenFrauen,
die tveiblichste der Weiberneigungen,
das heirathsstisten als Hauptberus
Na, aber die Tante starb dann sriiher«
als das Unglück zustande tominens
konnte, sonst säße ich entweder hier.
alg der glückliche Gotte der schönen,!
blonden, mir nur durch Photographien J
— gegen die ich immer ein gewissegs
Mißtrauen habe — bekannten CouU
sine Resi, oder sie säße neben mir in!
Wien. Aber vorher hätte ich doch her I
kommen müssen, und dagegen habe ich «
mich stets mit Erfolg gest-zuvi, bis ficht
Mutter auch dareingefunden hat. Also
Du siehst, dass ich Krügelsdors kenne,
wenn ich auch nie da war, denn durch
die Briefe, die damals gewechselt wur
den, ersuhr ich alle-, wa da nur zu er
sahren ist.«
.War«, verbesserte Salzburger wie
der lächelnd.
»Wa, viel geanoerl hai sich oa Iooyi
nicht seitdem,« brummte Fritz Butt.
mann. »Der Onkel ist allerdings ge
starben und die Rest hat geheirathet
irgend einen reichen Holzhändler, wie
ich hörte« aber sonst? . . . Na, jeden
falls interessirt’"s mich nicht, und ich
werde jetzt, da mein Zug bald einsah
ren muß, zahlen und dann ebenso
sicher und schleunigst trachten, von
hier sortgudampsem als ich es« vor dem
Ehejoch gethan habe.«
Rudi Salzburger dachte nicht viel
weiter iiber seines Freundes Mitthei.
lungen nach« denn diese hatten auch
sein Interesse nicht sonderlich geweckt,
aber da tam einmal nach einigen Wo
chen ein Bries von Fritz, worin er siir
Ruditl freundliches Gesellschastleisten
im Bahnhos noch einmal dantte.
». . . Apropoel Und noch etwas zum
Schluß! Erinnerst Du Dich noch, daß
ich von einer Cousine erzählte? Gerade
gestern schrieb mir Mutter über sie s-—
Frauen sind hartnäckig und lassen
schwer lo-! - sie soll seit zwei Jahren
Wittwe sein Spannst Du etwa-T? -—
Aber mit mir nicht zu machen! Trotz
dem sie schwer reich sein soll und trog.
dem ihre damalige Photographie eine
schlanke Blondine imeine frühere
Schwärmerei. aber ietzt gesallen mir
die Bronnen doch bessert) mit träu
merischen Augen darstellte. Nicht zu
machen! Es ist vielleicht schade um
das arme Weib, sie hat ein harteö
Schicksal: in Kriigelsdors geboren, an
einen alten Holzbiindler oerheirathet
wieder in Kriigelsdors und nun ein
same Wittib . . . oder willst Du sie
vielleicht trösten? Jetzt heißt sie Frau
Therefia Gottermann gebotene Zinner
oder in der Geschiistswelt als Firma
Ilois Gottermanns Wittwe . . .«'
Ilois Gotternianns Wittwe . . . .
Das war sehr merkwürdig. Sehr
merkwllrdig sand Nudi, als et weiter
darüber nachdachte« dieser Name war
. ist doch die eigene Wohnung, wenn die
ihm schon lange geläufig. Tagtäglich
ging er an einem mit hoben Mauern
nmfriedeten Grund oorbei und las
unwillkürlich die über dem großenj
Eingangsthor besestigte Firmentafel;
«Alois Gottermanns Wittwe, Holz
bandlung". Wochen-— und monatelang
liest man's immer wieder und denlt
sich höchstens dabei: »Das muß eine
alte und reiche Firma sein«, und denit
über den Menschen, den das bedeutet,
nicht weiter nach. denn eine Wittwe
die ein so großes Geschäft weiterfithrt,
ist ja wahrscheinlich eine ältere Frau.
Und dann kommt der Zufall und reißt
ein Loch durch eine hohe Mauer. nnd
da hat man aus einmal anderen Aus
blick. Und dann interessirt einem eine
Sache plöhlich weil man ihr näher ge
tommen war. Es war doch nicht gut
möglich, daß Rudi Salzburger jetzt ge
dantenlas an dem Firmenschild vor
·l:eitam, wenn er wußte, daß damit die
Cousine seines besten Freunde-, eine
junge Frau gemeint war...·
Es ist merkwürdig. wie fo alles
tommt.
Der Gottermannsche Grund lag
inmitten oon Krügelsdors wie ein
Stück eigenes Land. Uebergll mußte
man an ihm oorbeitommen, denn er
hatte eine sehr beträchtliche Ausdeh:
nung. Er bildete mit seiner Rück
mauer das Gegenüber oon Rudis
Wohnung und war deren schönster
Schmuck Nämlich daraufhin hatte er
die Wohnung gemiethel, die ian alles
war, die ihm Krügelsdors, das sonst
so wenig Anziehendeo fis-r sich hatte,«
liebgewinnen ließ, denn die Hauptsache
se angenehm ist, mag sie stehen, Ivo sie
will, sie ist ein Hart. ein Schutzwall,
sie lann das Paradies sein. Und sie
war Nudi Salzburgers Paradies
Allerdings nicht ohne das Geaen
Lock
Nudi hätte das Niemandem so
teicht erzählen können, denn die Lrhite
die anderen Gemiithes sind und mehrz
fiir das Aeußerliche, die begreifen ei
nen nie, und deshalb verschwieg er
dergleichen lieber und hütete es siir
sich. So auch mit der Wohnung. Sie
bestand aus einein Gassenzimmer und
einem Kabinet, das aus den engen,
lchrnuyigen Hof ging. der duntel
blauen durchsiirbten Grund hatte, wei!
der Hausherr ein Blaufiirber war und
den angrenzenden Grund, der viel
leicht freundlicheren Ausblick gestattet
hätte, auch rnit seinen frijchgefärbten
Leinenweben« die hier zurn Trocknen
ausgespannt waren, vollgehängt hatte.
Das Gassenzirnrner war etwas dun
tel, denn es war niedrig, und da die
Wohnung im Erdgeschoß lag und das
Hausdaclx etwas vorniibersprana, be
tani sie wenig Licht. Auch die tfinrich
tung war altergqeiaursiirzt und dürftii
linan konnte es aber auch siir den ge
rinaen Miethzing nicht anders verlan
gen), aber nun tasm die Aussicht bin
zu!
Das hätten wieder viele nicht recht
begriffen.
Die Aussicht aing nämlich aus die
hohe Mauer des Gottermannschen
Grundes, und die Mauer war gewiß
schadhast und unschön, aber darüber
wucherte ein vielleicht hundertsiihriger
Epheu, der satt bis an die Straße
herabhing, und neben dem Epheu lugte
die breite Krone eines alten Birnbau
mes heraus, und weiter sah man die
schlanke Spitze einer Risenpappel, die
terzengerade in den himmel deutete,
und wäre die Mauer nicht so hoch ge:
wesen, so hätte man wohl den ganzen
prächtigen Garten übersehen können,
so aber tarnen nur noch ein wenig
Laub und Geäste von einein Holunderi
strauch und dazwischen Ausliiuser ei
ner Fliederhecke iiber der Mauer zum
Vorschein.
Halm most jtcy krtvasOmouercb Herr
len? fragte sich Rudi oft, wenn er das
alles genoß· Und eine Antwort wollte
er ja gar nicht, denn die hätte ihm viel
leicht die Freude verdorben, denn die
anderen verstehen so etwas nicht, weil
sie sich teine Mühe geben zu verstehen.
Als er die Wohnung miethete, da
blühte der Birnbauin Und das gab
den Ausschlag, er miethete sotort und
hatte, solange seine Herbseliateiten
nicht nntergebracht waren, Anast, daß
ein Anderer ibm doch noch ziioortom
inen könnte, wenn er diese tausendbliis
thige herrlichteit erblickt. Aber die
Leute gingen daran achtlos vorbei rote
an allein Schönen, das sich ihnen nicht
aufdrängt.
Der Garten gehörte Nur-i Saht-ur
ger. Ganz allein ihm. Wenn er vorn
Amt tnm oder ins Amt ging, da nahm
er stets den Weg an dem Stückchen
Mauer vorbei. wo der Birnbuum
über-hing und der preu her-ablief. Da
ging er unter seinem Baum nnd streif
te liebtosend über die harten, glänzend
ariinen Blätter des Schlinggewächseö
wie ein sorgtarner Vater über die
häupter seiner Lieblinge —- und nie
dachte er daran, daß etn anderer in
seinem Garten, den er nur in seinen
Träumen durchschritt, gehen durfte,
daß er darin schalten und walten durs
te. wie ej sich Rudt selbst in Gedanken
nie erlaubte. und daß das alles dem
anderen gehörte, rechtmäßig und nicht
ihm .....
Jetzt nun war das meritviirdig.
Als er Fritz Buttmanns Brief gele
sen hatte, da schüttelte er den Kopr
sonderbart --— Er fühlte sich aber nicht
iieraubt oder herausgedriinat aus sei
nem Besin, sondern er dachte nur: also
da drüben lebt eine und die heißt Frau
Therese, und ich habe sie noch nie ge
sehen, vin ihr noch nie begegnet. Und
dabei hatte er ein sympathisch bereit
williges Gesiihl wie bei der Nachricht
oder Antundigung eines lieben Gastes,
mit dem man gern sein Hab theilt und
den man mitgenießen lassen will. Alva
er würde jetzt nicht mehr allein in dem
schönen Garten herumstreisen, sondern
kann das alles Jan-indem zeigen, ei
’ner jungen blonden Frau, die ver
träumte Augen hatte und Ihrrese
hieß . . . .
Und er begann mit der neuen Nach
barin langsam vertraut zu werden.
Sie störte ihn gar nicht. Wenn er
sich ans Fenster setzte und hinüber-.
nictte, da ließ sie ihn zuerst allein.i
Dann war sie plötzlich da. Er wußtei
das gleich an dein Nicken der Flieder-«
hecken und an dem Rauschen der Pap
pel. daß sie da vorbei tam und oaß
die Bäume und Busche sie grüßten,
kann saß sie neben ihm aui seinem
Lieblingspläßchen unter einer Linde
die er entdeckt hatte, als sie ihre Blü
thensehnsucht in einer Julinacht iiber
die Mauer dustete. und die herzförmi
aen Blättchen zitterten alle wie tleine
Glöctchen . . . .
Anfangs sprachen sie nichts mitsam- «
men, dann aber erzählte sie ihm alles-E
nach und nach und hatte teiu Hehl vor"
ihm, denn sie waren so gute Freunde
geworden, wie man sich's- nur träumen
kann! Sie hatte sich sriiher in dies
Welt aesehnt, oder doch ihr Gliick vons
draußen erwartet. Da tam es anders. !
Ein alternder nüchterner Mann wurd,
ihr Gntte und sie mußte sich siiaen.s
Davon sprachen die träumerischen Au- ’
gen. Sie iiiate sich, denn der Mann
war gut uno umgab sie init Sorgfalt.l
mit Wohlleben Davon sprachen dies
zarten weißen Hände, die dustiges
srrone oon dionohaar uno das weich
rieselnde. geheininißooll lnisternde Ge
wand, das ihre zarten Glieder um
loste. Aber sie entbehrte doch. Sie
sehnte sich, sie dürstete und hungerte
innerlich. Davon sprachen ihre durch
sichtigen Wangen nnd senchtzitternden
halbossenen Lippen.
So wußte Rndi alles. Er wußte
von ihrer Einsamkeit und von ihrer
Armuth trotz-all ihres Gutes-. Und es
ivar ihm ein großes seliges Glück, daß
er ihr oen Garten bieten konnte, seinen
schonen, kostbaren Garten, den sie nie
gekannt hatte vordem und det« sie ein I
zig froh machen konnte. Gerade nurk
dieser Garten hatte ihr gefehlt, Nudisgsj
Garten, nnd Dem Garten hatte wieders«
gerade nur sie gefehlt .....
Da tam der nächste Brief von Fritzi
Buttniann und drinnen stanb:«
Was ists- denn aber mit Dir, alte-II
Hat-es Dein letzter Brief, der tl.rng;
stellenweise, Gott verzeih mir die Siin i
de, wie ein RomankapiieU Jst’5 saj
heiß bei Ench? Oder bist Du ver ;
rieth Wenn nicht, dann ist’L« die höcb s
ste Zeit, daß Du Dich umschaust. denn z
sonst schnappst um! Hast meine Cou s
sine noch nicht besucht? Das tönntestk
doch einmal thun, schaden kann dass
Dir doch nicht!
Das riß Rudi empor.
Es wir ein ganz heller von einen
nächtlichen Regen erfrischter Tag, und
ter brachte ihm so klare, reine Gedan
ten, dasz er plötzlich halblaut mit sich
zu reden begann, ioie ein Fremder zu
einem anbeten: »Du wärst ein Narr,
wenn Du, der sich sogar sein Glück er
träumen kann, an dem wirklichen reel
ten Glück vorbeiliefest. Jeht ist der
Garten wirklich ganz zu haben, eile,
bevor Dir ein anderer zuvortomint
Gewiß mußt Du Deinen Besuch ma
chen. Eine günstigere Gelegenheit sin
det sich nie mehr, es ist ein Schick«
salswink.«
Und er machte sich bereit, ihm zu
folgen.
!
c
i
Trotz aller Vernunft und iiderlegteus
Denkens hing ·er währender Toitette
siir den bevorstehenden Besuch machte»
seinen Träumen nach, nnd atsz er
dnnn oor dem großen That die Klin
get zog, da klopfte sein Herz mächtig,
wie es ihm als tleinem Rinde qetlopit
hatte, wenn er hinter der verschlossenen
Thiir der Weihnachtsbescheerung out
gegen-harrte «
Ueber dem großen Hotzplntz mußte
man gehen, dann erst tnm man zu dem
langen, niederen Wohngebände, das
sehr ties drinnen lag. Das Wohnzims
mer hatte Pliischmöbel und vergoldete
Spiegel und an den Wänden Photo
graphien, das mochte der Geschmack
des Seligen gewesen s:in. dachte sich
Rubi, und dann tam eine dicke Frau
herein in einem großtarrirten Alcid
und hielt Rudis Karte unschliississ in
der Hand: »Was steht zu Diensten?«
»Ich wollte der gnädigen Frau, der
Frau Gottermann, meine Aufwartung
machen und ihr Grüße überbringen
von ihrem Vetter, meinem Freunde
Iris Buttmann....'«
»Seht sreundlich«. sagte die dicke
s - l -.-—
Frau gleichgültig. »Frau Gottermann
bin ich.«
Rndi verneigte sich und war nicht
im Stande, ein Wort hervorzubringen
Steif wie ein Stock stand er da und
starrte in das von der Sonne rotyge
zogene dicte Gesicht mit dem leeren
Ausdruck in den verwaschenen Augen.
Spärliche dunkelblonde Haare straff
ten sich über eine niedere Stirn empor
und waren zu einem spitzen Knoten
gesteckt.
»Vielleichi nehmen Sie ein wenig
Platz«. schlug Frau Gottermann vor,
die offen-bar nicht wußte, wag sie mit
ihrem Gast anfangen sollte, und dann
sprach iie langsam und leidenschafts
los von Der Hitze und den Arbeiten im
Geschäft und wie der Regen nicht viel
genutzt hat« sondern nur aufhält, iveil
die Wege schlechter geworden sind.
Rudi mußte anstiindsh.1lbeo doch et
was sagen, und er preßte ees mühsam
hervor: »Die Natur hat es doch er
frifcht, auch Jshrem Garten wird dar
sehr zugute gekommen sein . .
»Ach, außer dem nothwendigsten
Grünzeug für’s Haus bauen wir ja
nichts, es zahlt sich nicht auo . . .
»Ich meine ja den großen Garten
den dort....«
Er stand aus und die dicke Frau
Gottermann öffnete die leiin die hin
ter das Haus in die angedeutete Rich
tung führte. Da war zuerst ein klei
ner sonnoerbrannter Rasenplatz« auf
dem einige Hühner scharrten. dann ei
niae erhöhte lange Beete mit Grün
zeug, daneben drei mannshohe Son
nrnblumenftörte und an die Mauer
gedrängt ein Holunderstrauch, Flieder
und der alte Birnbauin Rudi bekam
schwere Füße, einen trockenen Gaumen
uud trüb wurde es vor feinen Blicken.
Wortlok wendete er sich zum Haus zu
iiici, ging dinn, von der Hausfrau be
gleitet, über den Holzplatz, und da
bemertte er erst die hohe Pappel. Die
stand hier und stieg über das Haus
empor
»Die schonen Baume«, murmelte
Rudi. ,.Einige solche und andere
Baume dazu . . ..'«
»Ja, es ist pesundes Holz. aber
weich, toir lönnen’g nicht brauchen«,
sagte die Frau wie entschuldigend.
»Unser Geschäft ist auf hartle ein
gerichtet, das geht am besten...«
Dann fiel das That hinter ihnk »
und er fah sich nicht um. Er ging in
sein Zimmer und ließ die Segeltuchs
Siiouleaus herab, ziindete die Lampe
an und starrte in die kleine rothe
Flamme: die lnisterte ab und zu und
flatterte dann auf, wie wenn etwas
darin verbrannt ivjirde, viele Stücke,
eines nach dem anderen. Dann nahm
er einen Briefboaen und schrieb an
Fritz Buttmann. llnd sum Schluß
setzte er hinzu: Du hast recht
mit Deinen Befürchtunan um mich
hier« Man denkt erst an all die Ein
samteit, wenn die Bäume ihr Laub
zu verlieren beginnen. Bis jetzt ginng
aut, aber der Winter macht selbst mir
ein wenig bang. Es ist erst Septem
ber, aber mich fröstelt·5 heute wahr
haftig. Es mag ja auch an der Woh
nung lieaen, sie ist nieder und feucht.
Jedenfalls ziehe ich wieder aus oder
ich lasse mich von hier überhaupt ver
setzen. Vielleicht hilfst Du mir dabei.
Und Deine Couiine habe ich besucht,
sie läßt ariißen, und das Geschäft geht
sehr aut . · .
Dann starrte er wieder in die Lam
pe, bis ihn der Schlaf übermannte
Und er begann zu träumen wie vor
dem alle Abende plötzlich aber sanl
fein Ron auf die Tifchplatte und er
schreckte empor. Was- ivar dag?
Das war das Thor, das hinter ihm
ins Schloß fiel — — das Thor von dem
Garten, in dem er sein Paradies ge
funden -— nun stand er draußen —
.«.lles, alles hatte er verloren.
Da schlich sich eine Thräne aus fei
nem Auge.
W
III hoff-Voll Jssskc Iclck Dass-Use —
Das Londoner Museum des lgl.
Instituts fiir Wundärzte besitzt einen
berühmten prähistorischen Schädel.
Vor mehreren Jahren wurde er in
Gibraltar gefunden und als der eines
menschlichen Wesen-J aus vorgeschicht:
sicher Zeit festgestellt. Viele Gelehrte
haben sich den Schädel angesehen, al
lerlei Theorien iiber dag Wesen, zu
dem er einstmals gehörte, sind aufge
stellt tvorden und aus allen Theilen
der Welt kamen Besucher. um Licht
in das Dunkel in bringen. Endlich
ist es Professor Keith dem Kurator
des Musen-ne, mit Hilfe eines neuen
Maßshstems und unter Benutzung
aller Hilfsmittel der modernen Wis
senschaft gelungen, den Schädel genau
zu bestimmen. Er verglich ihn sorg
siiltig mit Schädeln aller heute leben
den Völter und Stämme und hat ihn
als unzweifelhaft prähistorich festge
stellt.
Kürzlich gab er vor den Mitgliedern
des Anthropologischen Instituts eine
rusfiihrlicheBeschreibung seiner Unter:
suchungen an dem Schädel, den er zu
gleich vorwieg. Nach ihm ist der
Schädel der einer Frau, die vor ettva
500,000 Jahren lebte und ziemlich in
telligent gewesen sein muß. Jhre
Kaumusleln waren ersichtlich start
ausgebildet, man tann mit einiger
Sicherheit da aus schließen, welche
Nahrung dieser- priihistorische Weib
zu sich nahm: Nüsse und Wurzeln bil
deten wahrscheinlich Hauptbestand
theile ihrer Nahrung, sie war imstande,
Dinge zu essen, die eine große An
strengung der Kaumugieln erforderten.
Die Menschen vor 60(),000 Jahren
waren ohne Zweifel langarimg, dage
gen waren sie klein von Statut und
hatten abnorm starke, dicke Nacken.
Jhr Gehirn scheint größer gewesen zu
sein, als man bisher von Menschen
aus jener Zeit angenommen hat. Mit
einiger Sicherheit lann behauptet wer
den, daß jene Menschen schon die Fä
higkeit besaßen, mit einander zu spre
chen. Dagegen lebte diese Frau in
einer Zeit, in der die Menschen noch
leine Häuser bauten, der Himmel ihr
Dach war. Familienbildung war
wohl auch noch nicht vorhanden, die
prähistorischen Menschen lebten in
Ratten, dir keinem Gesetz unterworfen
waren. Wahrscheinlich waren sie Jä
ger und Fischer. Der Schädel läßt
erkennen, daß das Weib eine große
Nase besessen haben muß. Jhr Gau
men war um ein Drittel größer als
derjenige der Frauen von heute.
.- ———--i.---—
F Ot- Dtek nispdufemn tu London.
Aus London wird geschrieben:
Aehnlich wie die Deutschen ihr Goethe-.
Museum in Frankfurt und die Fran
zosen ihr Viktor Hugo-Museum in
Paris haben, haben auch die Englän
der Andenken an ihre großen Litera
ten in Räumen angesammelt, in des
nen diese einst wohnten, oder zu des
nen sie doch in näherer Beziehung stan
den; so z. B. das Shatespeare-Mu
seum in Stratford-on-Avon. die Mu
seen Carlyle’5 in Ecclefechan und
Chelsea, das Scottsslltuseum in Ab
botsford. Hier in Amerika, Ivo es
eine große Anzahl von Wams-Vereh
rern giebt, ist nun die Jdee entstan
den, auch dem Meister des englischen
Humors ein derartiges Museum zu
errichten, und zwar wurde dafür der
allen Fremden wohlbekannte ,,Old
Curiosith Shop« in London in Aus-—
ficht genommen. Die Londoner
Dickenssreunde sind diesem Plane aber
nicht günstig gesonnen, denn obgleich
der Kuriositätenladen ein gewisses Jn
teresse als Alt-Londoner Gebäude hat,
dessen Bild sich in jedem Fremdeufiih
rer befindet, so ist doch mehr als frag
lich, ob das Haus das Geringste mit
Dieleng zu thun hat. Dagegen hat der
Plan von C. V. Lucag, dem bekann
ten Schriftsteller, als Dickeiig-Miiseitni
eines der Londoner Häuser, die der
Dichter bewohnte, einzurichten, mehr
Aussicht auf Verloirtlichung ltjt12
ist Dickeu’5 Mut-jähriger Geburtstag,
und seine Verehrer hoffen, bis zu die
ser Zeit eine derartige wohlangebrachte
Würdigung iu’:«- Werk setzen zu kön
nen.
———-. - —
Iotgen einer anmutigen Wette.
Jn der kleinen Stadt Reszthely am
Plattensee metteten It Burschen, daß
sie um Mitternacht im Plattensee ein
Eigbad nehmen würden. Sie gingen
»in Begleitung zahlreicher Männer und
Frauen zum See, durchbrachen am
Ufer die Eisdecke und nahmen das
Bad. Unter dem Judel der Zuschauer
stiegen alle drei glücklich wieder anåiv
Land, und nun sollte nach dem Wett
schwimmen ein Wettsaufeu folgen.
Aber der eine stürzte todt nieder, ehe
er noch einen Tropfen getrunken hatte.
Der zweite verlor nach dem ersten Li
ter Wein Stimme und Bewußtsein,
und der dritte wurde von einer hoff
nungslosen Lunaenentzitndung ge
packt.
Hy
Gedantcnspmter.
Schwerthiebe find leichter zu pari
ren als Nabelstiche.
sit If II
Nicht jeder Reformtarif bedeutet
eine Tarifreform.
si- Ilt si
Verhaltene Leidenschaft ist das
Wetterleuchten der Seele.
li- Ifs II
Ueberschöumen gibt's am leichtesten,
wo nichts als Schaum ist.
s- Ilt II
Mancher thut der Leute wegen al
les, um des Menschen willen nichts.
Tit sit si
Manche wären sich nie so nah ge
tommen, hätte man nicht ver s,ucht sie
einander abs spenftia zu machen
—-.
Auskunft
Klein-Elte: »Mama» wenn ich groß
bin und heirathe, —- werde ich dann
auch einen Mann haben, wie Papa
ist«-«
Mutter: »Wahrfcheinlich, Kinn«
Klein-Rathe: »Und wenn ich nicht
heirathe, werde ich dann grad lo ’ne
alte Jungfer wie Tante Moral-«
Mutter: ,,·’5reilich wohl'·
Klein-Elle: »Ach du lieber Gott!
Wir Frauen haben’s aber schwat«
Galanten-in
»Sehen Sie, Herr Dottor, die
Sonne neigt sich.«
»Mir vor Ihnen, gnädigeg Fräu
lein!«
s——ss- k « --—..
Im Jahre »Mo.
l A 1
»!’·Jun, was macht Ihr Söhncth Wie
alt in cis- riqrntlicshk Fliegt tcs fri)os»t’.-·'
»Nein, in drei Monaten ist es fluggc!«
Gutcr Trost.
-
A rzix ,,Eeien Zie icnbesqrgt, Herr
Statuts«-, ich werde ein Mittel gegen
schn- Ueiden finden nnd sollte ich zelni
s«
Janus luan darüber nachdenken.
Doch ums-.
Erster Lehrling: »Du, Fritze, wes
halb biste denn jrade zum Optiker in
de Lehre jejangeii?"
Zweiter: »Ach, weeßte, da kann ick
die Stullen wenigstens immer durch’n
Verjrößeriinggglag antieken.«
-.—.—-————
Unterschied-.
Madame-: »Um Gotteswillenk Diese
arriinschvollc Nachbarschaft! Hören
Sie nur das Rindergeschrei!«
Dienstmädchen: »Das sind Jhte ei
genen Kinder, Madame.«
Madame: ,,Wirklich? Wie die Klei
nen sich ainiisiren!«
Vergesilich.
Richter: »Und was- thaten Sie
dann?«
Angeklagierr »Dann wars ich ihm
einige Rosen an den Kopf«
Richter: »Wen: wollen Sie das
weiß machen; Rosen schlagen doch kein
Loch in einen Nopf.«
Angeklagterz »Ja, ich vergaß zu sa
gen, die Rosen waren in einein Blu
nieinopfe!«
Er kennt das.
»Mensch, wie kannst Du den Hut
Deiner Frau so riesig loben; der ist
doch wahrhaftig nicht schön.«
»Das weiß ich selber; aber — ein
Wort deg Tadels, nnd ich muß einen
nenen tanfen.«
Heimat-leuchtet
Ged: »Ja, jn, meine Gniidigste, der
Zahn der Zeit verschont keinen; auch
in Jhrem schönen Antlitz gewahre ich
schon mehrere Falten«
»Na, Sie werden sicher eine Aus
nahme machen; Sie werden immer
nur einfältig bleiben.«
Beim Sturm.
Freundin: »Du, ist inir da nicht et
was auf den Kon gefallen?"
»Ja, ein kleiner Blumentopf aus
der ersten Einge; aber laß ihn nur
ruhig liegen, so kleidet Dich der hui
bedeutend besser!"
Verwechsrlnngen.
Junge Gnädige lSalai bereitend):
,,Jette, verwechseln Sie um Himmels
willen nicht immerfort die Artikel!
Es heißt der Salat, nicht die Salai!«
»Und gnä’ Frau haben eben den
Benzin genomm statt dem Essig!«
Mitleid·
i Eines Morgens früh, vor vielen
»Jahren, rannte ein Ginvrecher. so
sschnell er konnte, durch die Straßen
’ Londong, verfolgt von einer Frau, die
schrie: ,,.L)aliet den Diebs« Ein Milch-»
mann stellte sich dem Flüchtling in den
Weg, wurde aber slehentlich gebeten:
»Lassen Sie mich um Himmels lau
fen. Das ist meine Frau, sie wird
mich umbringen, wenn sie mich faßi!«
Der Milchmann war selbst verhei
rathet und ließ den Uebelthäter ent
wischen.
Abgewintr.
Gigerl: »Mein Fräulein, nehmen
Sie diesen Ring als Symbol meiner
Liebe zu Ihnen, denn er hat tein
» Ende-«
Bactfisch: »Ich nehme den Ring als
Symbol meiner Liebe zu Ihnen, denn
er hat keinen —- Anfang.«