Heimweh Roman von Yheinbold Ortmann fu- FortsesungJ 19. Kapite l. Bose sdrei Stunden hatte Eise Ilemming am Vormittag nach der Irinhsrdtschen Abendgesellschast trog das schneidend kalten Nordostwindes auf der Eijbahn ausgeharrt; dann war sie durchsroren, enttäuscht · und in der iibelsten Laune von der Welt nach lhause zurückgekehrt Noli Art ners Aus-bleiben hatte sie mit hellem Zorn erfüllt, und sie war fest ent schlossen, ihn sehr empfindlich dasiir zu bestrafen Denn es tvar der erste wirkliche Gunstbrtpeis gewesen, den sie ihm ge stern mit der Verabredung dieses Stelldicheins gewährt hatte Nicht aus jenem abgesteckten, spie gelblant gesegten Theil des Flusses-, eoo sich gegen Erlegung eines ziemlich Eichen Eintrittsgeledes die vornehme Welt dem lustigen Schlittschuhsport hingab, und wo man zehnmal in je der Minute an irgend einem neugie rigen gafsenden Bekannten vorüber glitt, hatte sie ja mit ihm zusammen treffen wollen, sondern weit draußen hinter dem Fährbause, wohin sich nur noch vereinzelt die wirklichen Eis lauf-Entbusiasten zu verirren pfleg ten. Lange und dringend hatte sie ihn darum bitten lassen, ehe sie ihre nnsängliche, entschiedene Weigerung zurücknahm Und so heiß war sein Dank siir die endlich errungene Zu sage gewesen, daß sie wahrlich aus alles andere eher gesaszt gewesen wäre als daraus, ihn nun vergebens er-; warten zu müssen. J Sie war der Macht« die sie bereitsz Tiber ihn gewonnen hatte, zu gewißJ als daß sie auch nur einen einzigenz Augenblick an die Möglichkeit eineri beabsichtigten Kränkung geglaubt hat-i tr. Aber auch, daß er sich durch irgend welche hindernisse hatte sernhaltent lassen, konnte sie ihm nicht verzeihen» Denn welcher Art auch immer diese4 Hindernisse sein mochten, es mußte ibri als eine iible Vorbedeutung siir dies Zukunft erscheinen, daß er nicht stark( genug gewesen war, sie aus dem Weges zu räumen.s Noch war ja tein Wort von Liebe zwischen ihnen gesprochen worden; aber seit dem Moment, da sie sum ersten Mal als seine Tänzerin in Ists Artners Arm geschmiegt hatte, war Eise sest entschlossen gewesen, die sen Mann siir sich zu gewinnen. Seine bestechende männliche Schönheit, seine sitt-senkte Lebenskraft hatten eine Lei denschaft in ihrem Herzen angefacht, deren sie selbst sich vielleicht bis dahin tat-tm säbig geglaubt. Und wie eine unzweifelhasie Gewißheit hatte sie schon in jener Stunde empfunden. daß es kein anderes Glück mehr siir sie gab als ein Leben an seiner Seite. Daß sie die Verlobte eines andern Mannes war und er der Gatte eines andern Weibes, hatte vie zevrenoe Muth in ihrem Blute vielleicht nur noch mehr geschürt, statt sie zu he tämpfen. Denn der schwer zu er ringende Preis lockte tausendmal sü ßer als ein Glück, das ihr mühelos in den Schooß gefallen wäre. Jhre eige-l nen Fesseln zwar düntten sie so leicht und schwach, daß es nur eines ernst siehen Wollens bedürfen würde, sie zu zerbrechen. Die Scheidewand aber, die nach göttlichein und menschlichem Geses durch seine Ehe zwischen ihnen aufgerichtet war, ließ sich nicht trit raschem Entschluß niederreißen durch ein einziges entscheidendes Wort. Nuei rückstchtiloser Muth und eiserne Be-! harrlichkrit lonnten sie iiher das hin-« « kernig hinweg zu einander fiihren.s Und weil sie Rolfs heutiges Aasbleisf ke- alt einen Mangel an solchem Mihe deutete, war es für Eise Flan Uing viel mehr als nur eine flüchtige, rasch vergessene Unkraut-mutig Wah rend sie sich ans ihren Heimweg gegenl den schneiden-w Wintekwind vokwiikth Xämpste, fühlte sie sich unausaesetzt vons leer quälenden Furcht gepeinigt, daß alle ihre berauschenden hoffnungen anl der Schwäche dieses Mannes zuSchnwj den werden könnten. Und in ihrer Seete kein- d-: Entschluß, ihn aus« itgend welche Art zn einem entschei-; denden Schritt zu zwingen, wäre esi selbst gegen seinen Willen. : Für ihre eigene Person siirchtete sie M öffentlichen Deian nicht. Sie wußte, daß man ihm und ihr binnen diesem verziehen haben würde, denn He hatte ja Gelegenheit genug gehabt. · nie man in der sogenannten »Gesell Mast« über seine abenteuerliche Ehe - sit der misehhliltigen Samonnerin ur Oeiltd Idee auch die Gewißheit ei .. net dauernden Iechtung würde sie I Ist etsWt hohen. Für einen spl Des M sehien the kein Opfer zu Jesus ad sie var seien so weich-umlag Mut-It des die Vorstellung, ihr nie dein Elend einer andern ersz In gessen, ihren Wänschen nnd Borsiihen hätte eine andere Richtung geben können. Das eine nur stand mit voller Klarheit vor ihrem Geiste, daß sie die Ersiillung ihres heißen Sehnens nicht einzig abhängig machen dilrfe von der größeren oder geringe ren Willensstärle eines Mannes. dem die Natur die Gestalt eines Helden und den Charakter eines Kindes gege-. ben hatte. Sie mußte eine Erklärung herbeiführen, und wenn sie ihn da durch ganz in ihre Gewalt bekommen hatte, mußte sie ihn Schritt iiir Schritt vorwärts drängen aus dem Wege, den aue eigenem Entschluß zu gehen er vielleicht niemals Muth genug hohen würde. Sie sand ihre Mutter nicht daheim; aber sie hatte noch laum Hut und; Jackett abgelegt, als ihr das MädchenJ den Besuch des Doktor Artner meldetez Einen Augenblick war sie in Versuch-4 ung, ihn unter irgend einem Wndi abweisen zu lassen. Dann aber schäm-! te sie sich dieser Anwandlung von Feigheit, und stolz aufgerichtet· mit einer Miene, die ihm auf den erste-il Blick erkennen lassen sollte, was ihm hier bevorstand, erwartete sie feinen Eintritt Schon das erste Wort, das« sie ihm zuries, sobald sich die Thür hinter ihm geschlossen. war nicht viel weniger als eine Kriegeerlliirung. »Ich hatte die Absicht, Jhnen noch in dieser Stundezu schreiben, here Doktor Nun aber, da Sie unerwartet getommen sind, mögen wir uns eben sowohl mündlich aussprechen« Hermann Artner blickte umher. alt suche er nach einer dritten im Zim mer anwesenden Person. Dann er widerte er mit dem Ausdruck des Er staunens: »Wir sind, wie ich sehe. allein. Wes halb also diese seltsame Art der Be grüßung?« »Sie werden sie nicht länger ielti iam finden, wenn Sie gehört haben, was doch seither over später einmal gesagt werden mußte. Wir beide sind in einein verhängnisvollen Jrrthum gewesen, Dottor seiner, als wir glaubten. siir einander zu taugen. Und wir wollen dem himmel dani har sein« daß er uns diesen Jerthum erlennen ließ, ehe es zu spät war.' Sie wollte den peinlichen Austritt rasch und riicksichtslos zu Ende süh ren um jeden Preis. Deshalb hatte sie sich nicht gescheut. siir ihre Erklä rung die schrofsste und verletzendste Form zu wählen, volltammrn daraus gefaßt, ihn in leidenschastlichem Un rvillen aussahren zu sehen. Ader die unmittelbare Wirtung ih rer Worte war eine ganz andere, als sie es oermuthet hatte. Wohl sah Her mann Artner sie ein paar Seinnden lang wie in sprachloser Berwundmung an; dann aber erwiderte er vollkom men ruhig: «Das also ist des Räthfels Lö sung! Schon seit einer Reihe von Tagen warst Du rechtlch:ssen be-( müht, rnich durch allerlei zarte Winkel darüber aufzuklären, wie überdrüs-( sig Du meiner geworden seist. Und! weil ich zu schwerfällig war, die liess benswiirdigen Andeutungen in Wor ten und Blicken zu verktehery wirsst Du rnir jeht die vernichtende Absage ohne viel Federlesens gerade ins Ge sicht. Ueber einen Mangel an Auf richtigkeit wenigstens kann ich tnich nun nicht wohl länger bellagen.« Sie war für den Moment ein we nig aus der Fassung gebracht durch seine gelassene Weise. Aber im Grun de mußte ihr ja diese Art der Anteils andersetzung viel lieber sein, als eine stürmische Szene. Und deshalb beeilte sie sich« auf den von ihm angeschlagenen Ton einzugehen. »Sollte ich etwa nach Bormänden Und Ausflüchten suchen, wo nach mei nem Gefühl nur rückbaltlofe Offen heit am Platze ifi2 Jch gefiede, daß ich mich in einem schlecht bewachten Augenblick von Jbrer fiiirmifchen Werbung überrumpeln ließ, und dafz ich eine Zeitlang wirllich der Mei nung war, mehr als freundschaftliche Gefühle fiir Sie zu hegen. Aber foll ich nun vielleicht vielen Jrribunr da fiir büßen, daß ich für den ganzen Rest meines Lebens fterbensungliick lich werde?" »Nein, Fräulein Flemxning — das follen Sie nicht. Von diesem Ausgen blick an find Sie felbfiverfiändlich vollkommen frei. Und ich gebe Ih nen mein Wort-« daß Sie durch nichts mehr an Ihre unbegreifliche Verwir rung erinnere werden sollen. Aber bevor ich gebe, habe-ich doch noch eine Frage an Sie zn richten. Und bei Ihrer Vorliebe für riickhalllofe Of fenbeii, werden Sie mir hoffentlich die Antwort nicht verweigern.« Grasen Sie, herr Doktor —- und W es möglich ist, werde ich Ihnen ans-Mem« «Eigentiich bade ich mich schlecht ausgedrückt Denn nicht so sehr eine Frage als eine Warnung ist es, die ich Ihnen zurufen muß, ehe unsere Wege sich trennen. Ich warne Sie, das Spiel, das Sie mit mirs getrieben, auch da zu wiederholen, wo es nicht mehr eine Leichtsertigkeit, sondern ein Verbrechen sein würde.« »Herr Doktor!« »Lassen Sie mich nur ausredeni Wir wollen ja rückhaltlos offen ge geneinander sein —- nicht wahr? Und ich habe ein gutes Recht, so zu Ihnen zu sprechen. Denn Sie wissen, »daß es mein Bruder isi, an den ich dabei denke.« .hat er Sie zu seinem Vormund bestellt? Oder ist er hilflos, um FJhres Schunes gegen mich zu be ;diirsen?« J »Jn eian gewissen Sinne —- viel teicht! Und mit seinem Willen oder odne ihn —- er soll dieses Schuses theilhqftig werden. hüten Sie sich vor Jllusionen, Fräulein Eise. die nimmermehr Wirklichkeit werden könnten. Mein Bruder befindet sich ougentslicklich in dem Zustand eines Bernuschten, dem die richtige Er kenntniß der Wirklichkeit ebenso voll ständig verloren gegangen ist, als das Bewußtsein der Tragweite seiner eige nen handlungern Aber er wird auf diesem Rausch erwachen, glauben Sie» es mir! Und ich will nicht, daß er in; dem Augenblick seines Erwachens et-: was zu bereuen habe, wzs durch teine Reue geiühnt werden tönnte.« «So wenden-Sie sich mit Jhren son-« derbaren Warnungen an ihn, nicht an mich!' fiel Else mit bebender Stimme ein. .Jch habe so wenig eine Veran lassung· mich vor Jhnen zu rechtferti gen. als ich gesonnen bin, mich unter dem Dache meines Elternbauses be leidigen zu lassen.« Hermann fühlte, daß er nach sol cher Zurückweisung nicht länger hier verweilen diirse. und wandte sich zum Gebeu. Erst als er die Hand bereits auf den Thürgrifi gelegt hatte, sagte er: .Leben Sie wohl. Fräulein Flan rning! Und vergessen Sie nicht« baß Frau Tuima Artner in mir einen Freund — nein, einen Bruder bat, der, wenn es noth thut, mit aller Ent schiedenheit fiir ihre geheiligten Rechte eintreten wird.« Nur ein spöttisches Auslachen ant wortete ihm; aber er hatte auch teine Antwort mehr erwartet. Mit einer leichten Verbeugung grüßte er Eise zum lehtenmal und verließ das Zim mer. Noch eine Weile nach seiner Ent fernung stand sie regungslos, mit rasch athenenderssrust und zornent stelltem Gesicht Dann preßte sie in trotziaer Entschlossenheit die Lippen zusammen und tlingelte dem Mäd chen: »Ist meine Mutter schon nach hxsuse gelommenii« »Nein, gändigez Fräulein!« »Und wissen Sie vielleicht zufällig« wohin sie gegangen ist?« Auch daraus tonnte die Gestank nur eine verneinende Antwort geben. Und zögernd fügte sie hinzu, daß biet Köchin sich schon wiederholt erkun-: digt habe, wie es mit den-. Mittag-» essen gehalten werden solle. Jeßt erst siel ej Else ein, einen Blick auf die Uhr zu weisen. Und sie sah zu ihrer Ueberraschung, baß die Essenistunde, die man an solchen Tagen. wo teine Gäste da waren, im Ilemniingschen Hause innehielt, bereits vorüber war. T »Meine Mutter ist augenscheinlich Iirgenbwo aufgehalten worden« Lai sen Sie uns noch eine halbe Stunde warten, denn ich liebe es nicht« allein zu speisen-" Aber auch diese halbe Stunde ber-f ging, obne daß Frau Flennning zu rückgekehrt wäre. Es buntelte be reits, und in Eise begann sich allge mach die Besorgnisz zu regen, daß ih rer Mutter etwas zugestoßen sei. Sie ließ sich das Mittagessen austraaen; aber sie brachte nur wenige Bissen über die Lippen. Und wiederholt liei sie an den Fernsprecher, urn bei dieser oder jener befreundeten Famile an zusragem ob die vergebens Erwartete sich vielleicht dort befande. War es auch nicht gerade eine überschweng liche tindliche Liebe, die sie sür ibre Mutter empfand, so hatten sie sich doch gerade in der letzten Zeit enaer als bisher aneinander geschlossen, und die Vorstellung. daß sie gerade in die ser kritischen Zeit ihrer besten natiiri lichen Freundin beraubt werden tha te, erfüllte Eise rnit bangem Schrecken Da endlich ertönte das wohlbe kannte zweimalige Klingelzetchem und gleich daraus erschien Frau Flemtning in der Tbiir des Wobnzirnmeri. Aber selbst an dern Tage, da sie die Nach richt von Doktor Dalltvigi Selbst niord heimgebracht hatte sie nicht so verstört und ausgeregt ausgeseben als in diesem Augenblick. Es war, als könne sie sich taum noch aufrecht bal ten, and wie eine hilsesuchende klam merte sie sich an ihre Tochter-. »Wie sind zu Grunde gerichtet, Eise —- der Armuth nnd der Schande W preisgegeben Alles ist verloren — alles!« f »Was sprichst Du da, Mainai FWaö isi denn geschehen? —- Warst JDn bei jenem Langhammers Und zweigert et sich etwa, uns die Papieke ’ auszulieiernØ E »Ja, ich war bei ihm, Elset Aber ich tam zu spät, denn ich sand nur inoch einen Todten.« » Das Wart jagte auch dem jungen lMiit-then einen eistalien Schrecken durch vie Glieder. »Um Gottes willen! Und die Pa piere?« »Sie sind in den Händen unserer Gegnet.« »Nein, das ist unmöglich —- das lann nicht sein. Wie sollten sie es an gefangen haben, sich ihrer zu bemäch tigen?" »Er selbst Tat sie heute in seiner Todesstunde Rats Artner übergehen« Nach allein, was ich von der Wirthin des Menschen erfahren habe, wäre es Thorheit, daran zu zur-eisean .So sage doch. was sie Dir erzählt hat. Jch hegteise ja von alledem noch nicht das geringste.« »Ich war unruhig, weil die Nach richt, die Langhammer mir verspro chen hatte, noch immer nicht lam. Da tum entschloß ich mich. heute wiedesi rum zu ihm zu gehen. Aber die un-l gebildete Perlen. bei der er wonni empfing mich mit der Eröffnung. ihr Mietber sei vor anderthalb Stunden an einer Wiederholung des Blutdur zes, der ihn nach meinem ersten Er scheinen befallen. gestorben. Jch wollte das Ungeheuerliche, das Unsnßbare natürlich nicht glauben, bis sie die Thiir seines Zimmerj iissnete und das Leintuch von dem Gesicht des Todten zog. Jch betam bei dem Anblick eine thmachtsanwandluna, nnd dieFrau, die mein Entsetzen siir einen Art-brach des Schmerzes nahm, wurde ge sprächig. ohne daß ich sie fragte. Schon nach dem ersten Blutsiurz hat te der Arzt ertliirt, daß ihr Miether nicht mehr zu retten sei, und Lang tmmmer selbst hätte auch recht ant ge wußt. daß er bald sterben müsse-« »Und dennoch ließ er Dir teine Nachricht zukommen? Mein Gott, warum dachtest Du auch nicht da ran, Dich aus eigenem Antrieb nach ihm zu ertundigen?« »Verschone mich mit Vorwürsen — ich bitte Dich. Weshalb er mir keine Nachricht qumen liess, verstehe ich ebensowenig wie Du. Seine Schwö che allein tnnn nicht schuld daran ge wesen sein, denn sie hat ihn nicht ge hindert, boraestern einen langen Brief an Eifriede Lornsen zu schrei ben." »Wie? — Das hätte er gethan? — Ah, dann ist sreitich alles verloren.« »Die Frau wußte natürlich nicht, was in dem Brief gestanden. Der Tdresie aber erinnerte sie sicb genau; denn sie selbst hatte ihn zur Post tra gen müssen. Und es ist tein Zweifel, daß Rats Artners heutiger Besuch lsei Langhmnmer aus diesen Brief hin ersplgte.« «Woher weißt Du, Manni, daß es » Rols Artner gewesen ist? Konntei Dir denn die Frau seinen Namen; nennen?" » »Ja. Er hat ihr seine Visitentarte zurückgelassen, damit sie sich an ihn wenden könne, wenn sie des Todten wegen eines Rathes oder Beistandei bedürfe. Denn jener Langhammer war buchstiiblich in seinen Armen ge storben, und er war bis zum Ein tressen de- Arztes an dein Todten hett geblieben« »Aber die Papiere, Mama —- was weißt Du von den Papieren?« »Die Wirthin erzählte, daß sie vonr dem fremden Herrn in das Zimmer ihres Miethers geruer worden sei, laum zehn Minuten, nachdem sie ihn eingelassen. Da hätte Langhammer schrecklich röchelnd in den blutiiber strömten Kissen gelegen, und sie habe aus das Geheiß des Fremden laufen müssen. einen Arzt zu holen. Wie sie nach einer Viertelstunde wiederge tommen sei, habe sich der Kranke scheinbar ein wenig erholt, denn er habe mit sliisternder Stimme zu dem Besucher gesprochen und ihn-. gerade bei ihrem Eintritt eine Mappe mit Papieren übergeben, die er seit dem Beginn seiner letzten Ertrantung im mer unter dem Kopstissen gehabt. Aber sast unmittelbar daraus, und noch vor dem Erscheinen des Arztes habe er dann zu ihrem Schrecken sei nen lehten Athemzug aethan.« » »Und sie sagte auch, daß Rats. IArtner die Papiere .mit sich fortge inommenV . »Ja —- sie tonnte es mit aller Be stimmtheit ertliiren.« »Und Dui Was hast Du daraus hin gethani« »Ich war rathlos und verwirrt, als ob an mich mit einer Keule vor den Mir-i geschlagen hätte. Aber meine erste Eingebung war doch die sen Artner auszulachen, um wenig-« stens Gewißheit darüber zu erhalten, was wir zu fürchten oder noch zu hassen hätten« »Du konntest nichts Thörichteret «untdrnehmen als dtei!« suhr Else hesi I tig auf. »Und was haft Du mit Deinem unsinnigen Beginnen ange richtet? Hast Du Noli Artner ge sprocheni« »Nein. Er iwar nicht in seinem Comptoir, obwohl man dort ver schiedener wichtiger geschäftlicher An gelegenheiten wegen mit S rheit aus sein Erscheinen rechnete. achdem ich länger als eine halbe Stunde ver gebens ans ihn gewartet hatte. fuhr ich nach hause, denn ich hatte nicht mehr den Muth, ihn in seiner Woh nung aufzusuchen.« Ein paar Minuten lang starrte JElsp ganz in angestrengtes Nachden »len verloren, stumm vor lich hin. Dann war ihr Entschluß gefaßt. « »Ich werde versuchen, das Unheil abzuwenden', sagte sie. »Aber Du mußt mir das feste Versprechen ge ken, Manni, daß Du nichts unterneh men wirst, bevor ich zurückgetehrt bin. Was auch inzwischen an Dich herantreten mag. Du darfst Niemand empfangen und Dich mit niemand in irgend welche Verhandlungen einlas sen. Denn ein einziges unvorsichti ges Wert tönnte alle meine Bemü hungen zu Schanden machen.« »Sei unbesorgt! Jch werde in mei nem Zimmer bleiben und keinen Men schen verlassen. Was aber gedentst Du zu munt« »Das muß vorläufig mein heimniß bleiben, Mamat Es muß Dir genügen, dasz der Weg, den ich einschlagen will, der einzige ist« der uns vielleicht noch aus dieser Wirrniß heraussiihren tann." Und Frau Flemming hatte nach den Ausregungen dieser schrecklichen leiten Stunden nicht mehr Energie genug, aus eine deutlichere Erklärung zu dringen. Sie fragte nichts weiter nnd zog sich, ohne das in das Speise zinrmer ausgetragene Mittagessen zu berühren, in ihre Schlafstube zurück. Else aber lleidete sich hastig zum Ausgehen an und verliess das saug. Schneller, als sie ei vorausgesehen. war die Stunde der Entscheidung ge kommen, und die Bedingungen, unter denen sie sich das leidenschaftlich er sehnte Glisa erliimpsen mußte, waren um vieles ungünstiger geworden. Aber sie tannte die Macht ihrer Schönheit. Und der seste Entschluß, auch das Lehte und Aeuszerite siir die Vermitt lichung ihrer hassnungen zu wagen. hatte ihr Herz mit einer trohigen Sie geszuversicht erfüllt. lForlsehung solgt.) Spekulation-wahnsinn. Die Gummi-Altien haben an der Londoner Börse eine solche höhe er llettert, daß auch Leute« die nicht spe luliren und sich im Labyrinth der ahndelsberichte nur mühsam zu rechtsinden, allgemach anfangen, dem so viele Nehenmenschen in Athem haltenden Ereigniß ein ruhig phi losophische-i Interesse zu widmen. Sogar etwas Mystit spielt dabei rnit, denn man hat, nach einer Angabe des Dailh Expreß, entdeckt, dasz alle nam hasten Booms am Ende eines Lust rumj eintreten; die letzte Zisser der Jahres-zahlen ist stets 5 oder O. Das Jahr 1910 hat die Gunimi-Hausse ge bracht, 1895 einen Boom in südasris tanlschen, 1890 und 1870 einen sol chen in amerilanischen Werthen, 1865 einen Boorn in Bantanteilen, 1845 »den »Eisenbahn - Wahnsinn«.. Es ’tvar, als sollte England aus einmal treuz und quer mit Schienen über o gen werden; Eisenbahnlonipagnfen schossen aus wie die Pilze, in wenigen Monaten bildeten sich nicht weniger als 1200 neue Gesellschaften Die -—.—— Hölfte davon verirachte, ehe sie vie vor der staatlichen Genehmigung nach zuweisende Summe zusammenscharren tonnten. Das Jahr 1825 sah ein all gemeines Emporschnellen der Indu striepapiere, da infolge der herabset zung des Zinsfußes der Staatspa piere viele Kapitalisten ihr Geld in Unternehmen anzulegen wünschten, die höhern Gewinn versprachenz die Zahl der zur Börse zugelassenen Firmen stieg von 156 mit einem Kapital von 48 Millionen Pfund auf 624 mit ei nem Kapitai von 372 Millionen. Fm Jahre 1770 gab es eine ostindi che hausie; der größte, berühmteste,iliig lichste und verderblichste Boom aber war die« sogenannte «South-Sea-1 Bubble«, der Siibsee - Schwindel des f Jahres 1720. Er gehört wie die Tra- j gitomödie der französischen Assigna-" tcnwirtschaft zu den ifinanziellen Ka-l tastrophen, die selbt in den für ISchuuiuvek sit-gefaßten Geschicht-vit chern eine Stelle finden; sein Anden ten hat sich beim englischen Volk um so tiefer eingegraben, als er in eine sonst an Erei niisen sehr arme, lang weilige Zeit fel. Das rasche Anschwellen des britis schen Fandels hatte damals viel un tlare offnungen erweckt und den Lo den fiir verwegene Spekulation ge lockert. Seit den Tagen der Königin Elisabeth und der tiihnen Abenteurer, die, halb patriotische selben. halb Pi raten, Goldschisse iapetten, Neger ver lauften, hatten besonders die Schiise des spanischen Ameritai die Phanta sie der Englander mit habsüchtigen Träumen entzündet. Die Regierung ·begiinftigte die 1711 gebildete Süd see - Gesellschaft. die für das Mono pol des spanischen handels und einige andere Vorrechte einen Teil der schwe benden Staattfchuld übernahm. Man fabelte von Schrffsladungen met-ita nifchen Goldes und peruanischen Sil berd, aber die Verhandlungen mit Philipp V. entsprachen teineswegs den Erwartungem Mit zäher Eifersucht fuchte sich Spanien jeden Wettbewerb vorn Leide zu halten« und die Südsees Gesellfchaft sehte nur die Erlaubnis durch, sich arn Stlavenhaudel nach den fpanischenKolonien zu hetheiligen und jedes Jahr ein einziges, dazu noch mit hohen Abgaben belastetes n delsschiff an die Kiiften des spani chen Ameritas zu entsenden. Trohdern fchraubte die Gefellfchast weder in der Zusage riesiger Profite, noch in der Forderung neuer Privilegien ihren hohen Ton herab. Auf Einzelheiten der verwickelten Finanzgeschäfte tön nen wir nicht eingehen; nur so viel sei bemerkt, daß die Gesellschaft 1720 durch fehr geschickte Manöver in Dorf und Stadt einen wahren Sturm der Spetulation entfesselte, einen Ratten tönig von Unternehmen erzeugte, de nen man in ruhigern Zeiten den drei sten Betrug an der Stirn abgelesen hätte. Aber Goldstaubwolten blende ten den Blick, tein Gerücht war wider sinnig genug, urn nicht Scheren von Gläubigen zu finden, die daraufhin selbst den letzten, für das Alter zurück aeleatenNothpfennia zithörienmakler trugen. Vergeblich warnte der-Staats mann Robert Walpole, daß ein allge meiner Ruin das Ende sein werde Von den schmeichelhaften handels unternehmen seien als Beispiele ge nannt: eine Gesellschaft für Einfüh riing dirginischer Walniißbüume, eine Gesellschaft fiir die Umwandlung des Quecksilbers in ein festes, schmiedba res Metall, eine Gesellschaft für ein Perpetuum mobile. Den Vogel aber schon ein genialer Gauner ab mit der Antiindigung einer »Gesellschast zur Ausführung eines höchst vortheilhasten, noch niemanden betannten Unterneh mens'. Das Projekt verlangte ein Kapital von 500.000 Pfund, in 5000 Aktien zu 100 Pfund, von denen zwei Pfund sofort eiiizuzahlen seien; in ei nein Monat würde der zweck des Un trrnehmens bekannt gegeben werden. Arn Tage nach der Antiindigung er öffnete der Gauner ein Bureau in CornhilL Die Thatsache ist wohl ver bürgt, sonst würde man es für möglich halten, daß sie gleich nach der Eröff nung an tausend Personen in die Lifte einzeichneten und je 2 Pfund hin terlegten. Der Zweit des .höchst vor theilhasten, niemand betanntenUnters nehmeni« wurde schon am nächsten Tage tlar, da der Vater des Gedan tens mit den 2000 Pfund nach dem Kontinent ausgerissen war. Man hat nie wieder etwas von ihm gehört. Großen Erfolg hatten auch die soge nannten «Globe-Permits". Sie wa ren nichts weiter als ein StückKartens papier, auf dem sich ein Wachssiegel init dein Zeichen der nahe bei der Bot se gelegenen GlobesIavern befand; die Besiher erfreuten sich deoVorrechtH, Antheilscheine einer später zu gransen den, in Wirklichkeit nie gegründeten Segeltuchfahrit zu beziehen. Der «Glohe-Perinits« stiegen zeitweise auf 60 Guineas. Ein bekanntes Bild von Ward lin der Tate-Galerie) schildert eine Szene in Change-Alleh dicht bei der Börse; wegen des ungeheuren Zu drangs hatten die Schreiber auf offe ner Straße ihre Tische aufgeschlagen, Damen im gebauschten Seidenrock, Stuter mit wallenden Lockenperücten. rotbückige Pächter vom Lande dran gen aufgeregt durcheinander, uin sich ihren Anteil am Gelt-regen zu sichern; zusammengediickt in einer Ecke berech iien Bettler ihre Ersparnisse, ob sie zu einer Attie reichen. Während der Südsee-Schivindel blühte, stiegen unsinniger Luxus und lasterhaftes Vergnügen in erschrecken dern Grade; die Spetulanten, die gro sze Gewinne gemacht hatten oder sie als sicher erwarteten ließen ihren echt bri tischen Appetit an den seltensten Lecke reien und tostbarsten Weinen aus, fchasften sich Cquipagen und Pferde an und sahen auf Leute, die urn geringen Verdienst ehrlich arbeiteten, mit brutas ler Verachtung herab. Die Aristoiras tie war bis an die erlauchtesten Kreise vom Goldhunger ergriffen; hohe Staatsbeamte rühmten der Südsee Gesellschaft, als sie zu wackeln anfing, in der Angst ihres herzenknactk daß sie mehr siir die Wohlfahrt der Nation gethan habe als Krone, Kanzel und Richterbanl. Eine Zeitlang schwank ten die Kurse auf und ab. dann tanr Hipböpost auf hiobspost und endlich der vollständige Zusammenfturz. Die allgemeine Panit war unbeschreiblich; mit wilder Wirth verlangten die Tau » sende, die ab und Gut verloren hat Iten, nach pfern. Der Staats-seite tiir Craggs starb vor Schrecken, der Schadlan ler Aiilavie wurde in den Ton-er g chickt, viele angesehene Män ner, die an der Leitung der Südsee Gesellschaft beteiligt waren oder von ihr Bestechungen empfangen hatten, wurden wegen Betrags verurtheilt Aber selbst die schwärzeste Wolle hat nach einem englischen Sprichwort ei nen silbernen Rand; das aus dern rech ten Themfeuser gel eäene »Hqu ho spital« ist hauptsäch ch aus der Stif tung eineiGeizhalses erbaut, der mäh. rend des SüdseesSchrvindels seian mögen gemacht hatte.