Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 06, 1910, Zweiter Theil, Image 16

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    f pi- prattifche Hausfrau.
ff Us.ssdasioda.
.ci-e freiem Herr Doktor wie ich
IS S diesen Dingen gekommen bin?"
VI ja, Gädige Frau — da ich
, sie gegen die Anklage der Beamtenst
Wung vertheidigen soll. Es schwebt
glaube ich, auch ein Verfahren gegen
Sie wegen Uebertretung des Wein
nnd FleffchberzetzrnngsfteuergesesesX
Da saß ich nun und sollte meinen
Berti-ewiger insormiren und eri!ä!en.
Wenn es dem Anwalt nicht gelang,
mich steigt-kriegen sperrte man mich
am Ende noch ein —- zu all den Un
annehmlichleiten, die ich schon durch
qnert hatte — und aus mir wiirde
eine Frau msit bemaleltem Vorleben
Aus mir! Aus meiner Mutter ein
ziger Tochter!
Da fanden meine Gedanken auch
schon den Puntt. wo sie einhaten tonn
ten.
»Nun, gnädigfte Frau?« fragte der
Uechtsgelehrte und fah mich brillem
funtelnd an. Scharf, wie es dem Ad
volaten «- giitig. wie es meinen neun
zehn Jahren zukam.
Ich athmete tief auf. »Komm Sie
meine Tante Adolfine, Herr Doktors
Nichts Seien Sie froh. Meine Mutter
sagte mir, als ich mich mit meinem
Mann verlobte, es wäre ihr unsaadar
schwer, mich in die Hauptstadt zu ver
heitakhen — nur eins tröstet sie: daß
Tante Adolsine mir nahe sein wird.
Die erfahrene Tante A«dolsine, die so
geschickt im Haus-halten wäre und in
allen Fragen des aesellschasttichen Le
bens. Ich mußte vor dem Abschied
meiner Mutter nach versprechen, mich
ist-net mit Tante Adolsine zu be
rathen.
»Als wir von der Hochzeitser zu
eiick waren, sagte mein Mann. et liebe
die Einmischung von alten Damen
nicht. Und wer ein Jäger werden
W, der schösse eben ’inal eine Geiß
— und Tante Adolfine ginge ihm auf
die Nerven, weil sie so aussähe als
bisde sie sich ein, den ersten Ziegellack
gekocht zu haben.
So wußte ich nicht, woran ich mich
zu Halten hatte, Herr Dom-L Tant
Adolsine war bei mit zum Tbee Eis
trank drei Tassen und sagt-, das siille
so gut den Magen daß man gar tein
Abendessen mehr brauche lind das
wiite seht gut —- in diesen tbeuetn
Zeiten, wo das Ei zwölf Heller koste
und man schon gar nicht wehe Jug
Iuditen könne, was zu kochen sei.
»Heute haben wir Stein«-i mit ges
backenen Kalböfiißen gehabt nnd nach
her Schmaeken aus althackenen Sem
meln. Jch habe seit einer Woche mein
FeiiIhstiicksbkot gesammelt«, sagteTans
te Adolsinr.
Dann war ein lanqu Schweigen
zwischen uns, und meine Seele ittte
umher zwischen den Rathschtiigen mei
net Mutter und der Wohimeinung
meines Gatten. »Tonte Adelsine ist
Ist penttisch«, ettlang'å mir in den
Ober-L Das lockte und eeizte mich, wie
sei- rieselnsder Brunnen den Dutstigen
reizt.
Nämlich, Sie müssen wissen, Herr
Doktor: als ich an meinem Hochzeits
tag vom Haus ging, drückte mir Ma
ma ein rothjuchtenes Geldtäschchen in
die Hände. Darin waren ein paar
Banlnoten, der Notbpfennia Die wa
ren nun verbraucht. Nicht ein einziges
WI, Herr Doktor, war ich mit dem
Wirthschastsgeld auggetommen « in
sechs Monaten.
«Dns Leben in der Stadt ist
theuer«, sagte ich. »Dann muß man
sich erst gewöhnen. Zuerst —— glaubst
Du mir’s, liebe Taute? —- da schämte
ich mich, für süns Kreuzer Suppen
griinzeug zu tausen. Es tam mir so
Wisch vor. Zu Haus bringt meins
Mbeweis.«
, »Für fünf Kreuzer?« ries Adolfine.
»Das ist ja Verschwendung. Für zwei
ist's iiberreichlich.«
Da sprang mir ein Band-, das mir
mein Mann um mein Herz geschlaan
hatte, und mein Vertrauen flog Tsnte
Molfine zu. Ihm wagte ich nichts zu
sagen. Ihm hatte ich eine Andeutung
macht — aber er sagte, eine kluge
Inn könnte jede Summe richtig ein
theileu. Und ich wollte doch in seinen
sagen eine kluge Frau fein. —- Tante
Ælsine aber stürzte sich auf mein
Mftes Vertrauen wie ein ver
Seier, riß es in ihre Fänge
nd hielt es fest.
«Wie viel gibt er Dir dem-.J« fragte·
sie mit jenem scharfe-in Tone, den
Frauen haben wenn vom Mann in
feiner Eigenschaft als Geld1ehek die
Rede ist i
«Dtekhundett Kronen«
»Na, das ist doch prachivoll!« —
Idolfine rieb sich freudig die Hände
,Vs kannst Du mächtig davon sparen.
Oe laufsi Du denn Koffer nnd Zu
Oef«
sei Festekii Deisingetf
ME, sagte die Taute. »Bei;
MW billiger Zu Reujahrs
M Du da ein Pfund Rosinen und
ein W Pfund Schotolade umsoan
s- UII du FAM« ;
der Dritt-se « T
W. feste die Tantr. »sein
—
sreien Verein der Meinst-Weide
tosspki M nur die Mk- Hr jede
new ww. Ue T- M na
pM its-s di eign selbska
gratit. Und Seife, Dei-, Kohle.
Nas«
»Mein Mann Tagi, was bsifiig ist
ist thesi-er«« wandte ich ein.
»O. Du Kind Du! Das sei-gen die
Männer immer —-— bis es zum Zahlen
kommt. Man muß nur praktisch sein
und die Gelegenheit ausniiierr. Zum
Beispiel jetzt die Herbfivccasiom wenn
Du was für den Sommer brauchst —
ei ist alles spottbillig zu haben. Um
den halben Preiz.«
»Mein Mann sagt . . . .«
»Ach, Unsinn! Jch hole Dich mor
gen ab, und wir gondeln los. Jch
zeige Dir französischen Baitift, bil
lig wie PerlaL und seingestreiften Le
vantin, der verfchenii, jawobl ver
fchenlt wird. Die Waschseive, wo
man Barchent fast noch drauftriegi.«
Die Erinneruna über-nannte mich.
»Na, und...?« ermunterie der
RechtsansvalL »Habsen Sie wag ge
kauft?"
»Ja«, sagte ich. »Ich suchte was
Hellblaues. Wir liefen in süns Laden,
Tantchen ließ sich alles zeigen. Es
hätte Thaler ranvvoll gefüllt Sie be
sckmiifselie alles. sie rieb Den Stoff
zwischen den Fingern, sie zog und
zerrte daran —- iminer unter dem me
chanischen Zureden ver Kommis.
«Prachivoll. gnädiae Frau. Neuesie
Mode. Wir können das nur dank
unserer Weliverszindunaen hergeben,
Wie, Gnäviaftef Theuer7 Alter, ich
bitt-. rer haben überhaupt keinen
Nutzen daran. Nur um unsern geehr
:en Kundinnen eine Ueberraschung zu
bereite. haben wir die Occasion arran
girt. Darf ich dienen, gnädiae Franc-«
Er schnitt zwölf Meter ab.
»Ausgezeichnet«, sagte Tante Adol
I finr. »Du wirst da ein berrlicheshaus
I tleid haben. Und spottbillig. Das
Restchen von drei Metern können Sie
mit einpacken. Das lilatarirte. Schrei
ben Sie’s aus einen Bis-CI Und
wandte sich zu mir: »Wir rechnen der
Einfachteit halber später ab."
»Eigentlich habe ich was hellblaneå
haben wollen-", sagte ich der Tante, als
wir draußen waren. «Griin steht mir
nicht. und Ernst kanns auch nicht lei
den.« -
i »Das macht nir. Du hat« doch
billig qetriegt.«
»Und der Stoff wird zu schwer
sein«
»Na. bös mal — bist Du aber wäh
lerisch.
MS die hausniibern zuschneiden
wollte, entdeckten wir ein paar Löcher
iin Gewebe.
Tante kam eben dazu. »Dein weicht
man aus«, sagte sie, und empfahl sich
rasch. Der Morgenrock wurde vorn
Aue-weichen zu eng. zu kurz, und es
; reichte auch nur sür halt-lange AerxneL
. Er wäre wohl-seit gewesen, wennTant
ichen nicht den gewissen lilatarirten
Nest zu zahlen vergessen hätte.«
»Mdigste«« sagte der Recht-ign
mlt, «tonrrnen Sie zur Sache!«
»Ja, sofort, here Dotter. Jch werde
Ihnen nicht alle Unternehmungen
gleich anssiihrlich beschreiben.’«
»Wie —- gab es da noch Aehn
liches?«
»Natürlich. Sie kennen eben die
Tanie nicht. Wir haben Fische ge
kauft, draußen auf dem Fifchmarit.
Wir fuhren in einer Droschie. Tant
chen machte bei der Gelegenheit einen
.Besucb, den sie ein Jahr lang schuldia
war —- die Gegend ist ihr entlegen.
z »Aus der Hund« nennt man das.
iJch las unterdessen im Waden, der
Wasserkübel mii den Flaschen stand zu
meinen Fiißen.» Wir wollten sie le
bend heimbringen
Tantcbens Besuch follie nur ein
paar Minutchen dauern und dauerte
eine Stunde. Die Fische zappelten im
Wasser. Die Wasserflecken sind nie
aus meinem Kleid ausgegangen; der
Wagen kostete drei Gulden, und die
.FUck-e rochen nach Moor.
»Ja«, sagte die Tante »Es sind
doch Weißfische. Und so billig.«
Entschuldigen Sie, gnädige Frau,
warum befolgen Sie denn noch weiter
die Rathschliiqe Ihrer Taute?«
»Ianie Adolfine ist doch so prak
tisch...Jch wollte sparen lernen. —
Vu war noch ein Fall mit einer Fla
nelldecke . . .«
»Nein, nein, Gniidigfte —- zut Sa
che!«
»Bei Globiich, wo ich Zucker und
Kassee kaufte, hätte ich ein Pfund Sie-i
sinen und ein halbes Pfund Scheide-«
de als Prämie gekriegt. Aber det
Laufiunge irrte sich und teugkt zu
Tante Adolfine — vie vergaß, mit ei
zu geben. Und wir hatten doch darum
das ganze Jahr iibet Dhoe getrunken,
der nach grünet Seife roch, und Laf
fee. det nach springen fchmeckte.«
»Alle-, gnädige Frau, zur Sache!
Sie wollten zu Ansicht ein Spanier
tel laufen-» «
»Mit-, ich wollte gar nicht. Das
»Ist so: wit, W III-n und ich, lu
VI II Miss- Itttieh III-— U
iiii M ein Mk Zins-de Mk
site M dem-· dass- se
—
gleich dachte mit der Frage: Mc
wirst Du tochenk
»Ich weis noch nicht«
Jächtk rief Adolftne—ftoli. Ett
schtiire nicht erst bekämpfen vortei
nicht umstosen zu müssen. »Du W
also ein Schweinchen braten. Das
bringt Mit-, wirkt fein und schlendid.
ist meine Lieblingsspeise. und wenn
man’s nur richtig anfängt, ift’s nicht
theuer.« —- Tante Adolsine erklärte
mir alles und sagt-e, ich sollte nur mit
der Droschte Nummer 893 fahren.
IDer Kutscher habe sie schon ost hin
ausgebracht, er mache die Fahrt siir
einen Golde-U
»Und Jhr here Gemahl. gnädig-e
Frau?
»Der wußte von nichts. Jch stand
Morgens um halb fünf auf, kleidete
mich leise an und schlich aus dem
Zimmer. Es war bitter. bitter kalt.
Aus der Straße war’s noch ganz sin
fter. Den Wagen hatte ich rnir be
stellt, und er stand richtig an der
Ecke.
Der Kutscher wollte mir vie Pferde
decke über die Knie legen. ich wollte
aber nicht. sie tvtr seer schmuhia
Wir rJtterten los und fuhren end
los lang. Die Stadt war ohne Le
ben, die Haustdore geschlossen Auf
der Brücke tamen wir in ein Rude!
ungeheuer großer Thiere« Ich schrie
vor Schrecken aus. Es waren Ochsen.
die still, mit gesenktem Kopfe zur
Zchlachtbant gingen. Jm Zwielicht
sahen sie unheimlich aus, wie Unwid
thiere Endlich waren wir außerhalb
der Stadt. Der Weg war hart ge
storen. Ein Fenster des Wagens glitt
immer wieder herab, so oft ich es auch
auszog Die Morgenlntt schnitt wie
Eiesplitter.
Nun standen wir still. Der erni
scher stieg ab. deckte sein Pferd zu nnd
sckilug dke Arme ineinander, nm sie zu
erwärmen. Darauf nahm er feine
- Pfeife unter dem Bock keroor nnd zün
dete sie an. Als sie brannte. trat er
ans Wagenfenster.
«Jesi wer’n wir da warten. gnä«
Frau. Das lummenn?«
«M«üssen wir lange rvarten?«
»Aber now-bereits a lhane Vier-«
lelfinnde.« Gleich darauf rief er
Hreudiw »Da limmt icho asrner'« —
nnd wie-I auf etwas- Schtvarzes, das
klingean näher kroch.
Der erste Marltbauer. Wir hatten
Glück, er hatte Sch·roeinchen· Er wollte
auch mir eins verlaufen nnd zog ein
quieiendez Thierchen am Hinterfuß;
ans dem Berichte-g Werk es zurück;
nnd fing ein anderes herang. Es war :
verblüffend billig. Statt der sechzehn»
Kronen Merlthallenpreis, gab er
-1nir’H für siebeneinhalb Kronen. Ja,
die Plajgebiihy die Zwiscksenhändler,
die Mautb, die vertheuern allesk
»Gnädige Fran....«
»Ja, fa, here Doktor! Den Rest
habe ich ver-wirkend schnell erlebt —
er erzählte ihn auch in demselben
Tempos Der Bauer wollte das
Schweinchen abstechen —- denlen Sie
sich —- auf der Stelle. vor meinen An
gen. Das arme, kleine Thier, das eine
so rosige haut hatte nnd so kleine
schwarze Augen. Vor mir, Die kein
Blut sehen kann, ohne ohnmächtig zu
. werden.
L
»Es wird quieten', sagte der mu
scher warnend.
»Mir-, Eben Sis- nur Ia herein,
da wird’s ihm warm.« l
»Jetzt warten wir noch auf die Ge-.
müsewagen«. sagte der Kutscher i
»Nein, fahren Sie zurück. Jch er-?
sriere sonst.« i
.So werd sich dös net auszahlen,"
gnä’ Irrt-", sagte der Kutscher
»Macht nichts. Fuhren Sie nur.
mir ist Arbeitslast-« -
Bei der Month riß der Zolltvächter
die Wagenthsir ans.
Jch hatte über mein Schweinchen die
Röcke ausgebreitet
»Nichts zu verzollen?« fragte der
Mann
«Nein«, sagte ich
»Qui, qui«, jagte mein Schwein
cken Und dann --- das andere wissen
Sie schon, Herr Doktor: wie man mich
aus dem Wagen zog fammi meinem
Schweinchen——wie der Mann höhnisch,l
ja.wohl, höhnisch wurde und faqieq
»Ah je! Da haben wir ja einen FanaJ
gemacht! Nein, fo eine eleaanfe DameIH
Das ifi wahrscheinlich Jht Echo-Iß
hundetl, wie?" ·
»Nun ja, gnädige Frau, aber Zie
hätten ihm nicht sagen dürfen, daß
sSie sich Frechheiien verbitiem daf, er
ein Lümmel fei.'
»Ich war aufgeregt Das Schwein
chen riß fein hinieefiiißchen los und
wollte davonlaufen Ich lief Sinn nach,
der Iinanzek mir. Ich euifchie aus
und fiel hin und schlug mich weh.
Wann —- Goii, Herr Dotier! — dann
führte man mich ein. Jch hinlie, denn
ich halte ja mein Knie zerschlagen —
mein Kleid war zerrissen, ich muse
weinen, meine Hände waren vol!
fchinnfiger Gede. Dem Schwein-den
hatte man einen Bindfaden ums hin
ieebeinehen gesunden, und ich sollte
dss Musche- Wen.
fes ich dann drei Stunden auf
ist , thiqu bis W mein Mas
pkir. Den scfies sei-W wie, einse
trete-er Hindernisse wegen. est-agen.
O, und was wird fest ans der Oe
schickst-W
»Bei-when Sie sieht Mit Rücksicht
»aus Ihre Jugend wird der Richter
I sehr milde sein«
; Jsm Ganzen kostete die Geschichte
dann zweihundert Kronen Anwaltss
spesen und fünfzig Kronen Strafe;
kostete mir vier schlgflose Nächte und
den Glauben an Tante Adelsinens
praktische Ratbschlägr.
Das Geständnis
Novellette von Gerttud FöppL
«,,Jeht tommt der letzte Aufftieg
dann sind wir am Ziel. Darf ich
Ihnen meine Hülfe anbieten. Fräulein
Marianne? Die Felsen sind hier etwa
vereift!« « Das junge Mädchen, dem
diese Worte galten, warf den schönen
Kon zurück und sah tnit offenem, ge
radem Blick zu dem Fragenden auf.—
»Ich dante fiir Jhre Unterstützung
Herr Doltor«, sagte sie einfach —
»noch hoffe ich mit eigener Kraft das
Ziel erreichen zu tönnen!« —— Damit
fehlen Beide schweigfam ihren Weg
fort, eifrig bemüht, geeignete Hand
griffe und Fußtritte in dem beschmi
ten Felsenmeer zu finden. Der junge
Mann betrat als Erster den Gipfel
des Berges-, ein kleine-, fast treisrun2
des Plateau. Sein Blick schweifte in
die Runde, iiber die in der Sonne
strahlende und glihernde Winterwelt
und blieb dann wohlgesöllig auf der
schlanten, kräftigen Mödchengestalt
haften, die mit Anmuth und Grazie
den legten steilen Frlsblock erllommJ
Noch ein Schritt, und Marianne von
Steinertz stand an feiner Seite. Ganz
überwältigt von der hehren Pracht
ringsumher, gab sie sich mit stuinmer
Begeisterung dem gewaltigen Zauber
hin. Jhre strahlenden Augensterne
leuchteten in einem märchenhaften
Blau, und ihre hohe, schlanle Gestalt
schien größer und stolzer zu werden-i
Doktor Vollmers wandte keinen Blick
von dieser hoheitovollem herrlichen;
Erscheinung und weidete sich an dieferj
aufrichtigen Freude und Begeifterung.
Wie eine Herrscherin erschien sie ihm,;
die von der Zinne des Berges den stol .
ten Blick iiber ihre Reiche ichtveifenj
läßt. Er hätte ihr eine goldene Flrone ;
ino blonde, trause Haar driiclen mö-!
gen und vor ihr niederfallen, um deni
Saum ihres Gewande-d zu küssen. Sos
schön. so begehrenswerth wie in diesem z
Augenblicke war ihm das viel umwors ’
bene Mädchen, das manches spröde«
Männerherz schon entflammt hatte,
noch nie erschienen. Ach, aber auch soi
unerreichbar wie heute war sie ihmx
noch nie gewesen --« ein weit entrückte-i
Ideal, da- er nur von ferne bewun
dern durfte, ohne zu wagen. die hand«
danach auszustrecken Schon seit Wo- :
chen hatte er sich schonungsloe vorge-»
halten« daß er einem unerreichbaren
Phantom nachjage, daß er, der ein
fache Bürgerasohn, nie bestimmt sein
werde, dies holde Wesen in seine Arme
zu schließen. Und heute war ihm
diese Ertenntniß zur bitteren Gewiß
heit geworden. Fris von Steinerh,
Mariannens Bruder, hatte ihm durch
eine Anspielung sehr deutlich zu ver
stehen gegeben, dasz er die hoffnung
auf den Besitz der Geliebten aufgeben
müsse. da Baron von Flieding die
größte Aussicht habe, in Milde sein
Schwager zu werden. Fritz hatte ihm
nie wohl gewollt, das fühlte er längst,
und fest triumphirte er mit strahlen
dem Gesicht über seine Niederlage
— »Wie schön ist doch tie Welt!«
—- Die rothen Mädchenlippen jauchz
ten es in die stille Wintetluft, -- »so
schön, so sonnig und glänzend weiß,
daß man den Schmuy und Staub ver
Städte ganz vergißt!« - Mit Ge
walt riß sich der junge Mann von ih
rem Anblick los. — »Sehen Sie
Fräulein Marionne, dort driiben am
fernen Horizont ist oie Wut-spitze
rechts davon grüßt der wilde Kaiser,
und dort hinten in Ioeiter Ferne, man
ohnt sie mehr.alg das-, man ksie sieht,
zeichnet sich die Zugspitze am Horizont
ab!« Aufmerksam lauschte Ma
rianne feinen Erklärungen und bot
um die Namen her anderen Schnee
rielen. »Sehen Sie, dort unten
liegt der Steinberg« —- plauoerte
Doktor Vollmerg dann lustig weiter-— ,
»wie llein und unanfehnlich er von
hier oben aussieht, wie ein mächtiger
Löwe, der sich am Fuße des Berges
gelagert hat und ihn bewacht!« «
»Uno dort hinten an dem gewaltigen
Felfenoorsprung l,onn man hie Unter
tunftjhiitte erkennen« ——— fiel ihm Ma
rianne ins Wort. -— «Da siit nun
unsere hochalpine Gesellschaft am kni
sternden Feuer und wärmt sich die er
frorenen hande, ohne eine Ahnung zu»
haben, welche Schönheiten den Aue-:
dauernden hier oben erwarten!« —»
Ein frischer Bergwind zaufte an ihren
blonden Lotsen und küßte ihre rosige
Wange. —- «Boron von Flieding hätte
uns fiir fein Leben gern begleitet.
ftoenn er nicht seinen verstauchte- Fuß
wieder gespürt Attel« — nahen her
Doktor das Wort auf, und das zu
friedene Lächeln, das seine Lippen
Its-spielte. Atti-M Ist-froh er mer«
ye- läsisen Wesens-hier wenigstens
einmal fiir ein paar Stunden los zu
sein. —- »Run wollen wir uns aber
ein geschiistes Bläschen zum Ausru
hen suchen!« sudr er dann fort. —
«Die Sonne scheint so war-n, daß wir
nicht zu fiirchten brauchen. uns zu er
lälten. Jch werde einen geeigneten
Platz auslundschastem wenn Sie mich
einige Minuten entichuldigen wollen!"
Damit wandte er sich der Seite des
Abhanges zu« die weniger steil absiel.
Marianne ließ ihren träumerischen
Blick der schlankem hohen Männer-ge
stalt folgen und hing bewundernd an
dem Ebenmaß dieser lrästigen Glieder.
Von Morgens bis Abends schwebte
dieses Bild vollendeter Jugendschiin
heit und Kraft vor ihrem Auge und
scheuchte die Ruhe ihrer Nächte. Und
was ihr längst schon zur Gewißheit
geworden war, gestand sie sich heute
lwieder von Neuem« Sie liebte den
einfachen, ernsten Mann mit dem of
fenen, klaren Blick und dem bescheide
nen, geraden Wesen. Sie liebte ihn
mehr als alle die Salonhelden und
Courmacher, die vor ihr auf den
Knieen lagen und nach einem Blick
»aus ihren blauen Augen schmachteten.
z Daß sie aus Gegenliebe rechnen durfte,
davon war sie fest überzeugt« das ver
rieth er ihr mit jedem Blick, mit jedem
händedruch deren Sprache sie wohl zu
deuten wußte. Gestanden hatte er ihr
aber seine Liebe noch mit teinem Wort.
Warum? Das war ihr ein MithseL
Er hatte eine ganz gut bezahlte Stel
lung an einem Ghmnasium, und daß
sein heller, tlarer Verstand noch ein
mal seinen Weg finden wiirde — das
tonnte nur eine Frage der Zeit sein.
An Gelegenheiten zu einer mündlichen
Aussprache hatte es ihm während des
Winters auch nicht gefehlt, die wurden ;
jeyt mit Schluß des Rarnevals immer
seltener· Mit Schrecken dachte sie and
die Zeit, wo die sonntäglichen Aue-«
flüge, die sie in größerer GesellschaftI
regelmäßig unternahmen, unterbleiben;
mußten und damit ihr gegenseitigerj
Vertehr sehr beschräntt wurde. Warum «
sprach er nicht nas erlösende Wort!
und machte diesem Hangen und Bari
gen ein Endet Verstand er denn nicht l
die Sprache ihrer Augen zu deuten,i
oder wagte er am Ende nicht, um die«
hand der vornehmen Dame, der rei-l
chen Erbin, zu werben
Ein sröhlicher Jodler weckte sie.aus«»
ihrer Träumerei. —- »Kommen Sie,!
Fräulein Marianne," rief ihr der
herbeieilende schon von Weitem entge
gen ——— »und bewundern Sie, welch
gemiithliches Ruheplätzchen ich entdeckt
habe. Dort werden Sie sich behaglich’
fiihlen in der warmen Sonne. Siez
sind doch gewiß auch etwas ruhebei
dürftig?« — »Nicht im geringsten!"
erwiderte die Angeredete. »Ich könnte
in dieser frischen, klaren Winterluft
noch einige Stunden weiter marschi
ren!" « «Trotzdem werden Sie mir
das Plauderftiindchen, auf das ich
mich schon seit unserem Abmarsch
freue, nicht abschlagen!« bat der
junge Mann. »Es ist vielleicht die
leßte Tour, die wir miteinander ma
chen. Wer weiß, in welche Gegend
mich das Schicksal im nächsten Jahre
verschlägt Da heißt’s dann zehren
an schönen Erinnerungen!« — Ein
tiefer Seufzer begleitete seine Worte."
Unterdeß waren sie an einen Fel
senoorsprung getommen, wo mittels
;Lodenmiintel und Kragen ein bequeil
i met Lager geschaffen war. Während-«
« Marianne Plan nahm« holte der Dol- ]
tor seinen Rucksaet herbei und packte:
allerlei verborgene Schiike aus, dies
mit großer Freude begriißt wurden
und in der reinen Winterluft herrlich
mundeten. Die brennende Frage. die»
allein des Mädchens Herz bewegte,
blieb wieder unberührt, und während
der Doltor von seiner Heimath, dem
Schwarzwald, erzählte und dessen
Winterschönbeiten rühmte, irrten Ma
rianneg Gedanten in die Weite. Nur
um Aufmerksamkeit zu heucheln, fragte
sie nach dem Namen feines Heimftiidt:
cherig. -- »hochzimmern" s- war die
Antwort. »Hochzimmern, ein kleines
Restchen mit 800 Einwohnern Dort
itand meine Wiege in der Schuster
ivertitatt meines Vaterst« -— Er
machte eine Pause und sing den er
staunten Blick seiner Begleiter-in auf.
s-— »Ich bin der Sohn eines einfachen
Flickschusters in hochzimmern Dort
führt mein Vater heute noch die Ahle
und sitzt von Morgens bis Abends
über dem groben, plumpen Schuhwert
der Bauern gebeugt. Er ist ein ern
fter,- fleißiger Mann, der es im Leben
wahrscheinlich weiter gebracht hätte,
wenn die Mrhiilinisse es ihm gestattet
hätten. Nun hat er alle-, was er sich
versagen mußte, feinem einzigen
Sohne zugewandt, dem er durch rast
lofen Fleiß und eiserne Sparsamkeit
Hdie Mittel verschaffte. dem hang sei
inei herzenö nachzugehen und zu fin
diren. Der treuen Liebe und Aus
opfetung meinet- Vaters verdanke ich
meine jehige Stellung. Daß ich eine
tiefe, unerschiitterliche Verehrung file
den einfachen Fliaschuster im dessen
trage, werden Sie begreifen können.
Ich bin stolz, sein Sahn zu seini« —
Dai junge Miiwn hatte mit wach
sendem Erstaunen der Erzählung zu
gehöri. Eine unaussprechliche se
tvnnderung und pochachtnng stir diese
einfachen. strebsamen Menschen be
mächtigte sich ihrer. Und nett einein
Male wurde ihr alles klass. ers Mith
feli Lofung schien vor ihrem Auge
offen zu liegen: Der Doktor wagte
nicht, um ihre hand zu werden« feine
einfache Abstammung und fein be
fcheidenes Elternhaus waren der
Grund seiner Zurückhaltung
Ein unfagbarei Weh ergriff ihr
siürrnifch llopfendei herz. Ueber die
fonnige Winterlandfchaft fchien sich
ein grauer Schleier zu breiten, und
alles, was sie noch vorher begeistert
hatte, iam ihr öde und traurig vor, ges
tade fo fchal und öde wie das Leben,
das nor ihr lag. und das jeden Reiz
verloren hatte. Das Glück, das sie
nah und erreichbar geglaubt, verfanl
mit einem Mal in eine nebelhafte
Retnr. sp— »Fräulein Marianne, wo
» rüber sinnen Sie fo ernst?« —-— Seine
iWorte unterbrochen ihre Träume. —
! »Woriiber ich nachfann?« s— Halb ab
wefend wiederholte sie feine Frage.
Und dann ging auf einmal ein Leuch
» ten über ihr Gesicht. Noch einen Mo
« ment überließ sie sich ihrer Träumerei,
dann richtete sie sich entfchloffen auf
lund fah dein Doktor froh und offen
zins Auge »Woriiber ich nach
; fann?'· — begann sie dann von neuem.
’ und eine hohe Freude llang durch ihre
»Worte. »Ein Traum. den ich lehtr
«Nacht geträumt hatte hielt mich ge
fangen» und will mir nicht aus dem
Sinn. Mir träumte, es war Frühs
ling. Rings auf den Bergen grünten
und blühten die Matten. Aug den
grauen Steinen leuchteten rothe Ster
ne, die Alpenrofen und die Tannen
und Fichten hatten sich mit zierlichen
hellgriinen Zweiglein geschmückt. Von
den Felsen rauschten die Quellen, und
ihr Plättchern und Gurgeln mifchte
sich in das harnionifche Glockengeliiute
der Kuhherde und das fröhliche Jauch
zen der Dirtenbuben —-- Es war
Frühling --- Unten im Thale dritte
ten die Veilchen im Moose, und der
Buchenwald hatte ein zartes. leichtes
Frühlingslleid übergeworfen. Ueber
den Waldboden hufchten die Sonnen
strahlen und matten goldene Kreife
auf das faftig griine Moos -— Durch«
den Wald schritt ein Paar zwei
Menfchentinder im Lebenslenzr. Bald
blieben sie am Wege fteifen nnd lausch
ten auf das fehnsiichtige Locken und
Nuer der Vögel, bald verfolgten sie
ein schmuckes Eichhörnchen, das sich
graziös von Zweig zu Zweig schwang.
Sie fprachen beide lein Wort. um den
Frühlingszauber des Waldes nicht zu
ftören. Ab und zu suchten sich aber
ihre hande» und sie sahen sich tief in
die Augen-« --- Die Worte fprudelten
über ihre Lippen. Dann wurde sie
ernster. ——· »Das junge Mädchen« —
berichiete fee zögernd weiter —- «das
junge Mädchen das war ich!' «
»Und wer der Glückliche an ihrer
Seite-Z« —-- Der Doktor fragte sie
leife, und seine Stimme zitterte vor
Aufregung. — - »Nein sprühender
Stern unserer Gefellfchaft, auch tein
Sproß einer altadeligen Familie, son
dern ein ftiller, einfacher Mann mit
offenem Blick und bescheidenem, gera
den Wesen und — und« s— »Und der
Sohn eines armen Schuhmachers!« —
fiel er ihr mit behenden Lippen ins
Wort. Da fchlug sie verschämt den
Blick zu Boden nnd fliifterte: »Ich
kglaube wohll« «Marianne!«
Ein Jauchzen und Jubeln lag in fei
. ner Stimme, und er preßte seine glü
»henden Lippen auf den rothen Mäd
chenmund
Eine tihne Veso-stunk
»Ur-anf- Vu unter deinem Date über
hm kein-as scheut-«
» ch gebe ja nicht in dac- Theaten um
zu Tehem sondern um gesehen zu wer
den«
DIO »Mein-N
F ka u : -Sog’ mal aufrichtig, ist der
Häfuicht tadellos-« -s - Was fehlte ihm
n «
Matte: »Wen« noch eine —
Dachkinne1«