Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 22, 1910, Zweiter Theil, Image 14

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    Heimweh
Roman von thinhold Drimann
(13. Fortsetzung-)
Was für eine armselige Waffe sind
sechs-see besten und festesten Vers-Eise
In einem solchen Kampf!
»Nein, sich bin im Allgemeinen nicht
neidisch oder mißgünstig«, hörte Her-s
wann Art-sey als er sich noch einmal
energisch aus dem Bonn seiner anti
ienden Selbsivorwiirfe zu befreien
suchte, einen ver beiden geschwätzigen
Besucher sagen, »aber ich will mich
doch nicht besser machen, als sich bins
Sesiern und heute. mein gnädiges
Fräulein, war meine Seele von dem
selbsten Neid erfüllt· der je eines
Menschen herzensruhe vergiftet hat«
Jud wer wäre der Beneidengwers
Flse gewesen, Herr Erschien, dem selbst
Ihre menschenfreundliche Seele fein
Glück missönnen konnte?'«
.- kenne seinen Namen nicht«
Iriiu Flem-ming, und ich wollte
nich-i sso indistret sein mich bei inei
nen Bekannten auf der Eis-sahn nach
ihm zu ertnndigen. Aber ich muß lei
der zugestehen, daß er ein sehr statt
licher Mann war, so vom Schlage der
Widinget oder Nibelungen. mit einem
Lohengrinbarte und Siegsriedsaugen
Daß er ein sehr mittelmäßigerSchliw
. schuhläufer ist, war schließlich noch das
einzige, was mich einigermaßen mit
seiner operrkhasten Schönheit versöhntr.
Bei meiner Ehre, gnädiges Fräulein,
Sie hätten ohne große Miit-e einen
gewandteren Meiner finden können
als ihres-'
hermann Artner blickte auf Eife.
und er war betroffen zu sehen, daß sie
roth geworden war wie ein in Verle
genheit gerathener Backiiich. Aber
noch in der nämlichen Seinnde warf
He tnit einer beinahe trotzigen Gebärde
den Kopf zurück, und indem sie dem
jungen Arzt ihr Gesicht zuledrte« sagte
fe, ihm fest in die Augen sehend:
»Es ist der Bruder des Herrn Doii
tors hier« von dem Sie sprechen, Herr
Erichfen!«
.Ach, dann bitte ich tausendmal urn
— Entschuldigung —- obgleich ich wohl
eigentlich gar nichts Tadelnskoeethez
gesagt dabe. Denn mangelnde Uebung
im Schlittschuhlaufen ist ja Lein Cha
rakteriehlet. Vielleicht haben gnädiges
Fräulein es auf sich genommen, die
Ausbildung des Herrn in dieser
schwierigen Kunst zu vollenden
Noch ehe er ausgesprochen hatte sich
Herrn-tun Artner erbot-em
»Jch muß tnich von den Damen ver
abschieden«, sagte er, und der Un
muth, der ihn erfüllte. klang vernehm
lich im Ton seiner Rede wieder. »Viel
leicht haben Sie mir einen Gruß oder
eine Bestellung fiir die Gattin meines
Bruders aufzutragen, Fräulein Firm
keingk
Der ungeschickte Spötter zapfte ver
legen an seinem SchnurrbäricheH
Elle aber schlug auch jetzt die Augenj
nicht vor dem Blick ihres Verlobten
nieder. J
»Einen Gruß -— gewiß« wenn Zie
glauben, daß er Frau Tuima Vergnü
gen macht. Aber vielleicht ist eS bef
ser, daß Sie ihr nichts von dein ver
rathen, was Sie hier gehöre haben.
Ihr Bruder hat mich wenigstens ges
ietem ihr bei einein etwaigen Zutun
rnentreffen nichts von feinen Eiglnuf
iihungen zu fagen.«
Vernimm hatte aufgehört sie zu!
verstehen Ohne Zweifel ahnte sie ja
nichts von der häßlichen Deutung, die
Wische Gemüther ihren Worten ge
ben konnten. Aber es war zugleich et
was so feinbselig Herausforderndes
Ein ihrer hochmüthig hingeworfenen
Antwort gewesen, daß ihm seine
Selbstachtung nunmehr gehieterisch
sur Pflicht machte, endlich eine un
weideutige Erklärung von ihr zu for
dern. Nicht in diesem Augenblick
«freilich, tm Beisein ihrer Mutter und
jener Fremden, konnte es ge Gehen.
Ober et nahm sich vor, ihr no heute
- zsfchreiberh daß sie ihtn morgen unter
sses Umstanden eine Unterredung
thue lästige Zeugen gewähren müsse,
. damit ei klar werde zwischen ihnen
IU dieser unwüvdige Zustand ein
sahe weh-Zen, den zu ertragen er nicht
.-s.· M gesonnen war
tsseher und tühler Verab
W ging er von dannen.
M M winterlichen Straßen
U du aktprsde Schnee mit einem
WM seiner Heiligkeit
W Mit et feiner Wohnung zu
feinen mir-glichen Gedanken der
M achtend
II M ehe UM helle Sinnen-e
" . « M sei-er Unwissenheit
"gtoßen Notenmappe stand Herth
Lornsen vor ihm. Freundlich nnds
voll naioer Unbefangenheit blickten?
ihre lachenden Schelmennugen zu ihmå
auf. - . «
»Fränlein Heriha!« Wahrhaftig ichl
wäre-ohne diese liebenswürdige Mah-!
nung an Ihnen vorübergegangen, ohne
Sie zu sehen. Sind Sie auf dem
Nachhaufewege?«
»Nein —- ich gehe zur Stunde. Undj
es ist, wie zweie-, die höchste Zeit, daß»
ich hiniotnnir. Wenn Sie wollen, daß;
ich Ihnen mein sorgenvolles herz aus
fchiitte, müssen Sie mich schon ein
Stückchen begleiten.'
»Mit Vergnügen! Ader die Sor
gen, die ich Ihnen tragen helfen foll.
sind hoffentlich nicht allzu schaden« «
«Run, wie means nimmt. Mir ha
ben sie seit drei Tagen Kummer genug
gemacht. Aber ich weiß gar nicht, til-!
ich Ihnen davon sprechen darf. El
friede wird gewiß schrecklich böse sein,
wenn sie’s erfährt. Und dann ——«
»Nun —- und dann?«
»Dann iß es auch wohl sehe unbe
scheiden, Sie damit zu behelligen. Sie
haben sicherlich Besseres zu thun. als
sich um zwei arme Mädchen zu klim
mern.«
Er fühlte, daß er den laum beab
sichtigten und doch für ihn sehr ver-·
nebinlichen Vorwurf in ihren Worten
vollan verdient habe. Sein Fortblei
ben mußte den Schwestern, die ja die
wahre Ursache nicht ahnen konnten.
nothwendig als ein Mangel an Theil
nahme erscheinen.
»Nein, ich habe nichts Besseres zu
thun«, sagte er, »und jedenfalls nichts
Dringknderes, sobald mein Beistand
Jhnen oder Jbrer Schwesier von ir
gend welchem Nutzen sein tann. Fräu
lein Elsriede ist doch nicht etwa aufs
neue etlrantt?«
»Noch nicht — oder doch wenigstens
nicht so, daß man’s ihr geradezu nach
weisen iönnte. Aber wenn fie wirt
lich morgen die gräßliche Stellung an
nimmt, in der sie seit vier Tagen dro
beweise gearbeitet hat« wird es gewiß
sehr bald noch viel schlimmer mit ihr
stehen« als an jenem furchtbaren
Abend im Urania-Theater, den ich
mein Leben lang nicht vergesseni
werde.«
»Was siir eine Stellung ist das,
von der Sie sprechen, Fräulein her
tha? Jch denke doch, man hätte Jbrer
Schwester ein Engagement als Korre
spondentin bei der Firma Rodenberg
angeboten. Und ich fürchte nicht, das-,
man dort Unbilligeö von ihr verkau
es
gen töntzte.«
»Nein, das hätte man gewiß nicht
gethan. Aber Elsriede ist manchmal
so schwer zu begreifen. Sie bat das
Engagement, das viel oortbeilhaster
war als das jetzige, nach zsveitiigiger
Ueberlegung abgelehnt.«
»Und welche Gründe haben sie dazu
bestimmt?«
»Ich weiß nicht« denn sie bat es mir
nicht gesagt. Nach vielen vergeblichen
Versuchen hat sie nun endlich etwas
anderes gesunden. Aber es ist auch
danach. Ein Posten als Stenographin,
Buchbalterin und Gott weiß, waj
sonst noch, in einein kleinen Erweise
schiist. wo sie siir geringes Gehalt ar
beiten muß wie eins-na, Sie liinnen
sich schon -denlen. was ich meine-und
obendrein noch hochsabrend und anma
.ßmd behandelt mitb. Sie giebt sichs
inatiirlich alle erdenlliche Mühe, ihre;
Niedergeschlagenheit wie ihre körper-;
liche Erschöpfung vor mir zu derber-«
gen. Aber ich bin jetzt nicht mehr so’
sunersasbren und so leichtgläubig wie
»darnals, als sie noch beim Theater
war. Und ich babe beinahe die ganze
Nacht durchgeweint, weil sie mir gez
stern Abend sagte, das heute ihre Prok«
bezeit abliese und morgen der Vertrag
abgeschlossen werden soll, der sie zu
nächst aus ein Vierteljahr verpflichtet
Aber sie wird es nicht ein Vierteljahr
klang aushalten, das ist ganz gewiß.«
»Und haben Sie denn nichts ge
than, Jhre Schwester von einem Vor
haben abzubringen, das Sie wahr
sckeinlich mit vollem Recht für ein sehr
igesäbrliches halten?«
»O, Sie tiinnen sich doch wohl den
ken, daß ich nichts unversucht gelassen
habe. Aber sie läßt sich durch mich
nicht überreden — durch mich so we
nig als durch irgend einen andern —,
ausgenommen vielleicht —«
Sie sioeltex aber als her-wann Art
xcer sie fragend ansah, fuhr sie rnuthig
ort:
Ausgenommen vielleicht durch Ste,
Herr Doktor! Wenn es Ihnen da
mals geluan ist« sie von: Theater
fortzubringen wiirde Elsriebe Ihnen
wahrscheinlich auch dies-nat gehorchen,
sofern Sie ihr nur recht eindringlich
IWtern daß sie ei nicht than dürfe.
sc dachte in ndeiner Noth sogleich an
f;; eher ich hatte doch nicht die ice-i
icaurage mich mit einer so unser-i
schämten sitte an Sie zu wenden. "
Sie hätten es unbedenklich thun
;sollen; denn ich bin immer zu Ihrer
HVeriiisgung Aber ich fürchte aller
dings. daß Sie meinen Einfluß auf
Iraulein Elsriede überschätzenk
Nein — nein! Wenn sie es mir
auch nicht dirett gesagt hat weiß ich
doch, daß sie zu keinem Meer-schen so
viel Vertrauen hat als z» Ihnen
Und ich würde Ihnen so dan bar sein,
wenn Sie ei wenigstens versuchtenck
»Dieses bin ich selbstverständlich mit
Freuden bereit· Aber Sie sagen, das
das Engagement morgen perfett wer
den soll. Jch müßte also Jdre Schwe
ster nothwendig noch heute sprechen,
und wie könnte das gescheit-»si
Hertkja dachte einenAuaenblict nach:
dann Ktte sie den rechten Weg gefun
den.
»Ich will Ihnen etwas ingen. Jest
ist es sechs Uhr, und meine Klavier
stunde dauert bis halb acht. Wenn
wir uns dann irgendwo treffen und
zusammen nach Hause gehen, werden
wir meine Schwester schon vorfinden.
Denn sie hat heute auf iare Mittags
pause verzichtet, damit sie das Comp
toir ausnahmsweise schon um sieben
Uhr verlassen dürfe. Jch sage ihr
dann der Wahrheit gemäß, daß wir
uns zufällig begegnet seien und dass
ich Ihnen gebeichtet habe. Wenn Sie
mir darum auch ein bischen biiie sein
wird, dies-mal muß ich es schon ertra
gen.«
.Wohl, Fräulein Wins- ich werde
mich zu der angegebenen Zeit piintt-»
lich hier vor dem Hause Jlneg Lehrers
einfinden« sagte er Und wenn mirs
dann als gute Kameraden treu zus
iammendatten, wird Fräulein El-;
sriede doch wohl zuletzt der Ueber
ntacht erliegen mussenk
16. K I p i t e l.
»Warten Sie einen Augenblick hier
draußen, Herr Dottort Vielleicht ist
es doch besser. wenn ich Elstiede vor
her sage, daß Sie mit rnir getommen
sinn
» Mit diesen Worten ließ Hei-tha, als
sie gegen acht Uhr das Heini der Frau
Teschendors erreicht hatten. ihren Be
gleiter ini Korridor zurück und
schlüpste in ihr Zimmer. Aber gleich
daraus öffnete sie wieder die Thür
und wintte ihm, einzutreten.
»Bitte —- recht leise!« sliisterte sie
ihm zuc »Sie ist eingeschlzsem und
ich habe sie absichtlich nicht geweckt, da
iiiit Sie sich davon überzeugen tön
nen, wie angegriffen und todtmiide sie
aussieht·«
Zögernd trat Hei-wann Artner auf
die Schwelle, nnd ein Empfinden tief-«
ster Rührung zitterte durch seine
Seele, als er der schlummernden El
friede ansichtig wurde.
Aus einein der unbeqiieinen Rohr
stiihle am Tische sitend, war sie os
senhar von der unwiderstehlichen
Müdigteit überwältigt worden« als
sie sich eben anschickte, eine neue Ar
beit zu beginnen. Denn sie hatte eine
Kleidertaille aus derii Schdoße, und
selbst iin Schlafe hatten die schlanten
Finger ihrer Rechten die Nähnadel
nicht fahren lassen. Ihr Köpfchen
hatte sie ein wenig zur Seite geneigt.
und in gleichmäßig ruhigen Athen
zügen hob sich ihre Brust. Wohl sah
herniann Artner die durchsichtige
Blässe ihres Antlitze-Z und den Leiden
den Zug zwischen den seinen Nasen
sliigeln und den leicht herabgezogrnen
Mundwinieln; aber es war nicht due-«
was ihn sso tief ergriff. Denn all seine
sesien Vor-sähe hatten ihm nicht jene
Unbefangenheit zu geben vermocht, ve
ren er beburst hätte, um sie nur mit
dem Auge des Arzte- zu betrachten
Nicht eine Patientin sah er in die
sem schlummernden Mädchen vor sich,
sondern eine Märtyrer-in und eine
heldin, deren rührende Erscheinung
ihn zugleich mit innigstem Mitleid
und mit ebrsiirchtiger Bewunderung
erfüllte. Eine -«Mnuhe übermächtige
Sehnsucht vor ihr niederzuknien und
sihrefmiidem weißen hönde zu küssen,
schwellte seine Brust. Das enge Stüh
chen muthete ihn an wie ein Heilig
thurn, das zu betreten er taum würdig
war. Und nur mit einer Regung des
Widerwillens vermochte er in dieser
Atmosphäre von Unschuld und Rein
zu gedenken, die er vor zwei Stunden
verlassen.
«Seben Sie nur« wir gut und wie
ausopfernd sie ist!'« sliisterte Hertha,
in deren»Augen vie hellen Tbriinen
blinitem ihm ins Obr. »Die Taille,
on der sie genäht bat, ist fiir mich.
Sie bat sie aus einein ibrer Theater
tleider zurecht gemacht, damit ich et
was Habicht- anzuzieben hätte, wenn
ich nächßens in einer Gesellschast bei
Profesior Bernhard etwas vorspielen
mus. Und ich würde doch lieber in
dein Miichiien eilten Kittel hingeben,
wenn ste mir nur versprechen writte,
sich ist«-du«
Mann seiner ergriff ihre Hand
und Wie sie so start, daß He in Ver
such-m wor« laut unsrnschreiem
Mer sich fest hätte Eber clfriede
heit der üppigen, psrsiitnirten Räume»
Rsinds-engen und sie mit der Fragew
werten dürfen: Wisst Du Dein schwe
res Joch aus meine starien Schultern
legen, Du edles, herrliches Geschöpf?
Willst Du mir erkunden, die Dornen
aus Deinem Wege zu räumen und
Dich hinfort in meinen Armen iiber
alle Klippen und durch alle Fährlichs
teilen zu tragen? Bei Gott, er wäre
der glücklichsie der Menschen gewesen,
und er würde sich teinen seligeren Au
genblick mehr gewünscht haben nnch
diesem. ·
Aber er but-sie nichts thun von alle-;
dem. Er wär der mitleidöswlirdiges
Sklave eines in thörichter Berbienss
hung. in unseligern Jrrtbum gespro-»
stenen Wortes. Und er würde mit
zucken-dem Herzen unthiitig und oan
mächtig bei Seite sieben müssen, wenn
die Klippen und Dornen auch weiter
die Füße der stillen Dulderin dort am
Tische zerrissen.
Hertha neigte sich über die Schlum
mernä und- beriihrte mit den Lippen
.s.mst ihre Stirn. Sogleich schlug El
f
s
sriede vie Augen aus und blickte in ei
niger Verwirrung umher.
»Bist Du eg, Liebling? Deine
Stunde ist schon aus? Jn, habe ich
nicht einmal kommen hörte?·
Idenn so sest geschlnsen, daß ich Dch
»So sest und so süß, meine geliebte
Glie! Aber ich mußte Dich wachiiiss
sen, denn ich bin nicht allein nach
Hautse gekommen.«
»Guten Aben, Fräulein Lornsen«,
sagte Herr-rann Artner in demselben
Augenblick. «Entschuldigen Sie. dost
ich mir noch zu später Stunde die
Freiheit nehme. mich noch Ihrem Be
finden zu ertundigen.'
Elsriede war bei seinem unerwarte
ten Anblict in raschem Wtckpsel sehr
roth und wieder blaß geworden. Aber
trotz ihrer augensiilligen Verwirrung
reichte sie ihm doch mit einem freund
uchm Lächeln die Hemd.
»Es bedarf gewiß feiner Entschul
dioung fiir eine Aufmerksamkeit. die
Zie mir erweifen. Herr Dottori Auch
tann ich Jhnen gute Auskunft geben.
Mein Befinden Eft, wie Sie fehen,
ganz ausgezeichnet-«
Er zog sich einen Stuhl neben den
ihrigen und fah ihr aufmerksam ins
Gesicht.
»Nein, Fräulein Lornfen, davon
sehe ich nichts. Jch finde Sie viel
mehr viel bleicher, als ich es erwartet
hätte. Und ich fürchte. Sie haben
mein strenges Ruhegebok nun doch
steäflich übertreten.«
Eifriede warf einen halb fragenden,
halb vorwurfäoollen Blick auf ihre
Seh-besten und hertha glitt. sie mit
beiden Armen umfchlingend. neben ihr
in die Knie nieder.
,J.1, ja —- ich habe dem Doktor
alles verrathen, Jch tann es ja nicht
tnil ansehen, daß Du Dich fiir mich
opferft.«
»Als wenn davon die Rede fein
könnte, Du thörichtes Kind! Des
halb alfo diefee seztliche Besuch! Laß
mich für einige Minuten mit dein
deren Doktor allein. Vielleicht tannft
Du Frau Telchendorf behilflich fein,
unfer Abenbeffen herzurichten.«
Gehorfam fchliipfte die fchlanke
Musitfchülerin hinaus, nachdem ihre
lebhaften Augen den Arzt noch einmal
gemahnt hatten, feines Versprechens
eingedent zu bleiben. Sobald fich die
Tbür hinter ihr gefchioffen hatte, fagie
Elfriede mit einer ruhigen Entschä
denheit, die unverkennbar von vorn
heoein jede Einwendung abfchneideni
solltet
»Ich bin anen dankbar iiir Jbre
freundliche Absicht, Herr Doktor; aber
ich bitte Sie dringend, nicht von mir
zu verlangen, was siir mich eben ein-l
sach unmöglich ist. Da ich einmal dasl
raus angewiesen bin, um das tägli-:
che Brot zu arbeiten, tann ich beim
besten Willen leiner ärzttichen Ver
ordnung Foige leisten. die es mir ber
bietet. Und ich glaube auch durchaus
nicht, daß die Arbeit, die ich jetzt aus
mich genommen habe, meine Kräfte
übersteigt.«
Troß der Entschiedenbeit ihrer Er
klärung aber ließ er sich noch nicht
zum Schweigen verurtheilen. Er
sprach ihr ossen aus, daß sie nach sei
ner Ueberzeugung im Begriff sei, sich
auszureiben, und sragte, warum sie
seines Bruders Anerbieten zurückge
wiesen. Jm Eiser seiner Rede war
er ausgestanden und nabe aus sie zuge
treten; doch auch Elsriede schob jetzt
Iden Stuhl zurück, um sich zu erheben.
l
I
»Ich bin nicht schlechter daran, als
tausend andere arme Mädchen —- ja
wahrscheinlich besser als die meisten
von ihnen. Und wenn mir auch vie
Eomptoirarbeit, an die ich mich erst
wieder gewöhnen-muß im Ansang
vielleicht ein wenig schwer stillt, so ist
doch die Gesalsr siir meine Gesundheit
nicht so gross, daß ich ihr nicht »Hei
Weitem den Vorzug geben sollte vor
der Annahme eines Almosen-, wie ei
diese sogenannte Anstellung bei der
Firma Roderiberg gewesen ins-«
,,Freilich —- wenn Sie es so an
benl —- Aber war denn mein Bruder
nicht der Freund Ihm Baterss hat
er als solcher nicht ein Recht, Ihnen
iu helfe-IS'
«Sobald ich mir selbst nicht mehr
zu helfen vermag —- dielleichtl AdetT
so weit ift es ja glücklicherweise noch
» nicht geiominen.«
l »Und ich darf natürlich nicht er
xwariem daß Sie mir gestalten werden«
»was Sie ihm versagen. Giebt ei denn
aber gar keinen Weg, Fräulein El
»friede, ikahr Vertrauen zu gewin
nen?«
«Sie mißt-erstehen mich, herr Dol
tor! Jch vertraue Ihnen vollkommen.
Und um es Ihnen zu beweisen, will
. ich Sie jetzt gleich nin Jipren Rath ans
geden Lesen Sie, bitte. diesen Brief»
den ich heute bei meiner heimlehr vor
gefunden. Und lagen Sie mie, was
ich daran thun soll.«
Fortsetzung folgt.) Y
MO
Die Vogelinsel Halifax.
Etwa eine Meile fiidlich von ders
Diazspine liegt ganz dicht dem Lundel
vorgelagert die dritische Jniel halifax,
die man sowohl auf dem Landwege
auf der Karte oder im Sattel —- mit
nachiolgendem Uebersenen vZwischen
den Klippen des schmalen Kanals
—- ivie auch ganz auf dem See
weg von Liideritzbucht ans er
reicht. Wie wählen lentere Beförde
rungsart und dampfen an einem hei
tern Morgen aus dem im Motgendunit
daliegenden Roberthaien in die leicht
geleäuielte Bucht hinein. Einen An
genbliri stoppen wir an der Lande
driicke der DiazhalbinieL nm ein
Schleppboot zurückznlassem das einige
Male in der Woche Zement nnd Was
set nach der Halbinsel bringt; haben
doch schon die Arbeiten an dein neuen
Leuchtturm begonnen. der an Stelle
des 1903 errichteten, gänzlich unzu
länalichen lleinen Turmes ein auf 21
Seen-eilen leuchtendesFeuer zeigen scll.
Er erhält 150 Fuß Höhe iiber Mittel
hochwasser und wird, selbst 100 Fuß
hoch, den Seefahrern bei Taqe eine
gute Ansteuerung ermöglichen« dagegen
bei Nacht ein weit sichtbares Etten
nungszeichen abgeben. Jnsolge der ost
schweren Nebel ist es ferner mit Freu
den zu teariißen, daß nun eine pneuss
matische Sirene hergerichtet werten
foll, die aus dem Kreuzfelsen ihren nei
lenden Warnruf erschallen lassen wird.
Recht dicht pflegen sich gerade vor der
Einsahrt zur Bucht und namentlich bei
der Diazbalbinfel die Nebel zu lagern
und oft seht man bewegungslos in ei
ner dichten Nebelbanl. während die
meist nebelsreie Bucht im hellsten Son
nenglanz erstrnhlt.
Die Diazhalbinsel trägt ihren Na
men nach Bartolomeus Diaz, dem lith
nen portugiesischen Usrita - Umsegler.
der aus dem Wege nach Indien wie auf
vielen oorspringenden Puntten der
langen asritanisehen Westtiiste auch
ier aus einem hohen Felsen in der
ornr eines Steintreuzes gewisserma
en einen Wegtreiser hinterließ. Nun
mehr soll das Original im Kapstädter
Museum sein, doch schmückt ein ein
faches Kreuz jenen selfiqen Punkt, der
den Gewalten der rastlosen See seit
Jahrtausenden getrost hat und ietzt
zum Ziel vieler Aussliiqe aus Lilderidi
bucht gewählt wird, weil man dort
namentlich an iirmischen Tagen, den
vollen Anblick r ausgeregten See ge
nießen lann, die mit ungebrnchener
Kraft Brecher auf Brecher gegen die
wildzertliifteten Klippen fchleudert
und sie oft mit Gischt überschüttet. Un
ser Dampset verläßt die qeschiitzte
Sturmka elbucht und erreicht gleich
nach Um Ihren der zerrissenen Halb
insel den ofsenen Ozean. der durch ver
störtte Schisssbewegung feine Kraft
zum Bewußtsein bringt« aber heute in
langer, ruhiaer Dünunq gleichsam
nur athmet. Zwischen Diazspitze und
Halisar sind anscheinend große Fisch-«
züge nichts Seltenes-. denn ost genuq
bemerkt man Reihen »von Delphine-i
und Schar-ten von Toucherenten und
weissbeschioinqten Miiwen, nnd häusig
genug taucht dann auch der schwarz-.
glänzende Rucken eines Mach aus«
Eine andere Voqelart mit schwarz und
weis-. arsprenteltem Kops selselt nun in
Hunehnieudem Maße unsere Aufmerk
ssamleih Pinguine zeiaen sich immer
häufiger aus der See, mn sieh bei An
niiherung des Schiffes durch blitzschnel:
leo Untertaueben den Blicken zu entzie
hen. Diese Yögel bevölkern in großen
Scharen die der Küste vorgelaaerten
britisehen Inseln, die sich in See durch
den schatsen, durchdringenden Geruch
ihres Guanos schon von weitem be
niertbar machen. Wir stovpen nun uus
der nach Süden geschützten Neede von s
halisar und lassen uns nach einer tlei- s
nen pelsbueht auibootem wo uns der
Voqe wärter, ein alter enalischer See-;
viir, begrii t, der schon seit Jahr und
Tag aus eser Bogellolonie haust und l
die Aufsicht iiber die beiden benachbar- i
ten in der Lilderiybucht liegenden Jn- ;
seln siihrt. ;
Unter seiner Führung unternehmen
wir einen Rundnang und begeben uns
aus die weite Fläche, aus der die Pin
guine zu Tausenden si n. Ein meet
toiirdiqes Geschöpf-.- deser Pinguinl
halb Fisch, halb Vogel, ein Lebewesen,
das wohl zu den Vögeln zu rechnen ist,
aber nicht fliegen tann. sondern seine
yliigelstummel sehr geschickt als Flei
en verwendet und damit pseilschnell
unter Wasser sieh u bewegen vermoa.
Doch tvie unbeholeen ist der Pinguin
aus dem Erdboden! Seine ortbetve
sung ist eigentlich nur e n Wat
scheln, und doch können die Thiere in
der Verfolgung so schnell laufen, dass
ein Mann kaum Schritt biilt. Wir
senden die Thiere bei allerhand Oe
schästignngem Sahlreiche sonnen wa
"ren am Dritten-. andere hütettn mit ih
kren Körpern eben’auägetrochene Junge,
; während sehon etwas tiltere Thiere sich
qu dichten hausen ängstlich zusammen
ischaartem Ueberall stolzirten zwischen
xdiesen Reihen Höh-re nmher. nnd es ge
währte einen reisenden Anblick. ioknn
.sie mit einem Fisch oder Iischtheil im
ESchnahel die jungen Tiere siitterten.
HDie Pinguine scheinen in einzelnen,
Eziemlich scharf voneinander getrennten
TStppen zu leder- nnv irrende Ein
«dringlinge mit scharfen Schnabelkiksen
izu verjagen. Auch ist ihnen menschlixter
JBesuch durchaus nicht million-wem
I denn ein nnfrenndlidsez Geichixnkfe er
’schallt, wenn man sirli einer Bei-einstu
nie nähert. Mit Iveit voraesrreckten
Hälsem merlwiirdiaen Lauten halb
Entengeschnatter, halb Eselögeschrei —
stiirzen sich die Lagergrwaliigen ans
den fremden likindrinqlinzn nnd ninß
man einen Gan-i durch die Reihen brü
tendrr Hennen unternehmen. so tann
man zahlreicher Bisse dieer höchst nn
liehengwiirdigen Damen gewiß sein.
Der Bogelmist stellt einen Fischgnano
dar und wird einmal im Jahre —
nämlich im März —-- zusammenge
trayt und in Fössern verpattt nach
Kapitadt verschisst wo er an die Far
mer verlaust wird. Einst ging die
Jahre-Hausherrn nach London, wo viel
bessere Preise H hi« zu Miit für die
Tonne — tezah wurden, doch sor
derten die larliindischen Farmer diesen
Dünger mit einer solchen Entschiedens
heit, weil aus Südasrita herrührend.
siir ihr Gebiet. daß nun alles zu trc
sentlich niedrigem Preisen nach Kap
stadt geht. Aus der kleinen Signal
station, wo munter der rotheUnionJacl
weh-, ist auf einer Tafel zu lesen, aus:
im Jahre 1866 Fiaritän Forsnth R.
N. von Halisar sowie den übrigen Jn
seln im Namen ihrer kritischen Maik
stät Besitz ergriffen bat-e.
So sanft gestaltet und lseouem die
Nordfeite der Insel ist« nm so zerlliif
teter und unzugirnalickser sieht es aus
der Windiette im Süden aug, wo tag
aus tagein die volle, immer bestehende,
mehr oder minder heftiae atlantische
Diimmg gegen die hohen Klippen
donnert und rauschend Brecher auf
Bre er iiter alattpolierte Felsen glei
tet. « n einer scharfen Einbuchtuna hat
das Schicksal in den lstslier Jahren
einen Seqler erreicht, von dem nun ein
Theil deöDeclanfbaues die engeBehau
sung des Voqelnsarte bildet. Die Ver-—
prooiantiernng der Jnfel erfolgt alle
Monate non Kapstadt out-, wogegen
die Versorgung mit Wasser von hit
deriyhucht vorgenommen wird. Wir
verabschieden uns vom Vogel-part uno
tehren an Bord zurück. Mittleriveile
hat sich der übliche Mittags-sind erho
ben und mancherSvritzer feat über uns
beim Kreuzen des Lüderitzhafens bin
tveg,ans dem derWind getröhnlichsveht.
ON
Ostsee send steter-sent
Einer der geistvollften und federge
wandtesten englischen Gelehrten, der
detannte Astronom Robert Ball, hat
sich in einer drastischen Weise über die
Furcht der Leute vor dem Weltunteri
gnng ausgesprochen. Weil er zu den
voltöthiimlichsten Himmelsforschern
Englands gehört, wurde er mit hun
derten von Briefen bombardiert, die
angstvoll um Auskunft iiher den hal
lenfchen Kometen und das der Erde
von ihm drohende Schicksal baten. Er
hat infolgedessen eine Flucht in die
Orffentlichteit unternommen und der
Time- eine geharnischte Erllärung in
Irrm eines offenen Briefes eingefandt.
der folgenden Wortlaut trägt: »Ein
Rhinozeros in vollem Lauf würde den
Zusammenstoß mit einem Spinnweh
nicht fürchten, und die Erde hat es
ebensowenig nötig, den Zusammenstosz
mit einein Kometen zu fürchten. Jm
Jahr 1861 reisten wir durch den
Schweif eines Kometen, und niemand
hat damals irgend etwas davon ge
merkt. Für etwa hundert Millionen-a
Jchre hat das Leben auf dieser E Hi
ohne Unterbrechung bestanden, obglei
unser Welttörper in dieser Zeit wohl
von mindestens fünf Kometen in jedem
Jahr Besuch empfangen hat. Wenn
Kometen der Erde überhaupt Schaden
zufügen lönnten, so wiirde das wohl
vor langer Zeit einmal geschehen sein,
und Sie und ich würden uns dann we
der über Kometen noch über etwas an
deres zu unterhalten Gelegenheit ha
ben. Ich hoffe, dieser Brief wird Ih
nen die Beruhigung geben, die Sie
brauchen. Soweit ich es übersehen
lann, werden wir uns um den 12. Mai
in dem Schweif des hallehschen Ko
meten befinden. und ich hofie sehr, daß
wir es werden. Jch erinnere mich, daß
der berühmte John herschel irgendwo
einmal gesagt hat, ein ganzer Komet
tönne zusammengeguetscht in einer
Manteltasche untergebracht werden«
Ein anderer Astronom tommt dem Ge
diichtnis seines Kollegen zu Hilfe und
verweist aus die Stelle in den Schrif
T ten herschels wo dieser Astronorn that
sachlich jenen Ausspruch getan und
noch die Worte hinzugelest hat: »Der
Schweif eines großen Kometen kann,
soweit wir wissen, nur an's sehr weni
gen Pfunden Materie bestehen.««
M-—
In Long Island gibt es einen
Iamilienpaten der zweiunddreißt le
bende Kinder hat, und seine Kach
barn erzählen, daß er si noch nie
mals iiber die hohen Le ers-mittel
preiie betlat hat« Der arme Mann
hat vermutl teine Zeit, urn sichiiber
irgend etwas zu beklagen.