Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 15, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    Rizza und seine Umgebung.
Von Karl Eugen Schmidt, Paris.
Jn Nizza geht es mir wie dem
Engländer dei Wilhelm Zusch:
Schön ist es auch anderswo,
Und hier bin ich sowteto.
So schön es in der Stadt selbst ist;
unter den Palmen der Anlagen, am
Quai du Midi« und auf der Mome
nade des Anglaikx in den breiten sau
beren Straßen. Anlagen und Gärten
der neueren, wie in den an Genua
und Neapel erinnernden engen und
steilen Treppengiiszehen der alten
Stadt; am Hasen« wo die ungeheure
Yacht Baudert-UT so groß wie ein
sehr stattlicher Passagierdampser des
Atlaniiichen Ozeans, die ameritanische
Flagge zeigt; am breiten, jeyt nur
von einem schmalen Rinnsal durch-;
slossenen Bette des Paillon, worin die·»
Frauen und Mädchen von Nizza ihre
Wäsche besorgen; am Strande, wo die«
Kinder glatte Kiesel auflesen und wo!
jetzt im Januar das Wasser so warm’
und einladend aussieht, daß man!
gleich den starken Mann machen und;
sich zum Bade entkleiden möchte; tuer
überall, wohin man tommt und blicktJ
—trotzdem zieht es ohne Unterlaß in’
die nähere und fernere Umgebung,
und man möchte wie jener Mister Pies
nur mit dem Perspettiv am Auge spa
zieren gehen.
Der erste Spaziergang gilt natür
lich dein Meere: man lann stunden
lang vom Hasen bis zur Mündung
des Var —- die dortige Ansiedlung
heißt Kalisornien--lustwandeln« denn»
dieie herrliche Promenade ist wohl
nahezu zehn Kilometer lang. Will
man sich noch fernerhin des Anblickea
der Küste sreuen, so muß man die
nach Mönaco gehende elettriiche
Bahn besteigen. Zuerst geht es hin
ter dem Schloßberg her nach dem»
alten Oasen. dann um den Montboii
ron herum an der Bucht von Ville
iranche hin. Dies ist wohl der ent
ziielendite Ort an der ganzen Miste,
und ich wundere mich nicht« daß Kö
nig Leopold, der sich aus die Geniiise
des Lebens verstand, seine Villa hier
hingestellt hatte. Jn Tannerk wo der
Großvater und die Eltern der deut
schen Kronprinzessin die größte Zeit
des Jahres verbrachten. in Cap Mar
tin, wo die Kaiserin Eiisabeth den
Winter zu verbringen pslegte, ist es
gewiß auch schön, aber siir meinen
Geschmack geht die Bucht von Ville
sranche und die sie bildende langge
streckte lHalbinsel von St. Jean allen
anderen lieblichen Streiten dieser
wunderbaren Meeresliiste voran. Aus
der halhinsel hatte König Leopold
sich das Lieber-nett eingerichtet, wo er
den ewigen Frühling seiner dauerhaf
ten Jugend in dem ewigen Frühling
dieser herrlichen Landschast erneute.
Aus einem Vorsprung, der tandem
wiirts leicht vor indislreten Augen
abzuschließen war, legte er einen Pa
radieietigarten an, aus dessen Mitte
ein lustiges weißes Schlößchen aus-:
steigt, nicht prunihast und prohig
sondern in aller Schönheit einfach
und beinahe bescheiden, obgleich groß
genug, uin einen wirklichen König mit
allem. wag dazu gehört, aufzuneh
men. Und rings um die Bai liegen
hundert und aber hundert ähnliche
große und kleine Villen in großen
oder lleinen Garten. Jeder Vor
sprung der Felsen, jede iiig Meer
hinausragende Klippe ist auggenuht
und bis hoch in die Berge hinaus ha
ben sich die Wintergäste angesiedelt,
wo immer eine Handbreit wagerechten
lkrdreiches den Bau des Hauses und
des Gartens ermöglichten
Alles dies: die sauberen Villen, die
prächtigen Gärten mit ihrem siidlich
seitlicheii Reichthum an sattein Grün
und sarbigen Blumen, die nahen Fel
sen iieid die sernen Gebirge, spiegelt
sich in dem klarsten blauen Meere,
und der tlarste blaue Himmel lacht
darüber im goldenen warmen Sonnen
schein. Man braucht weder König zu
sein noch siebzig Jahre zu zählen, uin
in solcher Landschast den Jungbrum
nen zu vermuthen. den der spanische
-Sllbenteiirer Ponre de Leon in Flo
rida suchte. Die Bucht von Ville
sranche, die Halbinsel St. Jean und
der aus der anderen Seite der halb
insel gelegene Billenort Beaulieu ru
sen den Bot-pokus in mein Gedächtnis
zurück. hier wie dort das wunder
borite llare blaue Meer. der herr
lichlte strahlende Himmel, vie an vie
Schilderungen arabischer Märchener
zähler erinnernden Schlösser und
Gärten Am Bot-pokus sind es jedoch
leine steilen und hohen Gebirge, lon
dern sanfte hügeL die weit mehr Platz
iiir Villen und Gärten lassen als die
schroffen Klippen der Cote d’Azur.
Demgemäß sieht man akn Bosporuö
ausgedehnte Parlanlagen. und ein
einziger reicher Mann hat dort für sich
allein mehr Gartenland als hier hun
dert Villenbesiser zufammen, nnd wä
ren sie belgsscht Könige, rulsilehe
»Großiiirften und amerikanische Mil
liardiirr. Indessen hat diese Be
schränkung ihren eigenthiimlichen
Reis, und gerade die Noth, die an der
Tote d'hist die Menschen zwang, ihre
häufer nnd Gärten dem Meere und
den Felsen entsagen-innen dergestalt
daß sie halb im blauenWasser schwim
men, halb an den schrossen Felsen kle
ben. trägt das allermeiste zu der
Lieblichkeit des Bildes dei.
Ganz ähnlich zieht sich die Küste
weiter um das Cap d’til herum nach
Monaco, weiterhin nach Cap Martin
nnd Mentone. hier weiter beschrei
.den wollen, hieße sich ohne Unterlaß
wiederholen, und Monaro und Monte
Carlo werden wir außerdem siir einen
besonderen Besuch aussparen müssen
Ueberall ist es iiber die Maßen lieb
lich nnd schön, —— und nirgends
möchte ich wohnen, nachdem ich mir
die schönsten Plätze siir meine Seifen
blasenvilla ausgesucht habe. Es ist
ein wahres Glück, daß diese Gegend
auch ihre unleidlichen Fehler hat,
denn sonst müßte man sich den Bart
auörausen ans Wnth und Verzweif
lung, weil man nicht den nöthigen
Geldbeutel siir die Wintervilla hat.
Jch möchte hier nicht wohnen, weil die
ganze Kiiste von den Autoniohilen ver
pestet ist. Man müßte sich in sein
Handbreit Gärtchen einschließen und
nie ans die Straße treten, denn die
Straße gehört ausschließlich den
Automobilen. Nun ist aber zwischen
Gebirge und Meer überhaupt tein
Raum, und selbst die Straße mußte
sast aus der ganzen Streite dem Fel
sen abgewonnen werden« hie und da
sogar als Tunnelz man liebt also
entweder am Fels iider den Automo:
bilen, oder man muß sich unter ihnen
zwischen Meer nnd Straße zwangen
Wohnt man oben, so lann man sich
zum Bergsteiger augbilden und die
schrossen Felsen ertlimmen; wohnt
man unten, so ist ein amphibischeg
Fischerleben angezeigt. Aber wenn ich
Gebirge und Meer aus diese Weise
dicht beisammen habe, möchte ich mich
beider erfreuen, ohne beim Uebergang
von einem zum andern lästipein
Staube, iiblem Gestante und oben
drein der Gefahr der Zerinalmung
ausgesetzt zu sein« Vielleicht liber
treibe ich diesen dunklen Puntt der
Cote d’Azur. Das geschieht dann in
der sreundlichen Absicht, mich nnd em
dere zu trösten: nun beschaue ich schon
beinahe mit Schadensrende die Willen
und Gärten der Wintergäste nnd
denke mitleidig: Armee Teufel, was
muß der von den Automobilen leiden!
Oder ich tnurre grimmig: Geschieht
dem Kerl recht, dasz er das schöne
Haus mit dein herrlichen Garten hat,
wo ihm das Dasein von den Autorno
bilen verbittert wird! Und so werde
ich schließlich doch ohne Neid aufs
beste mit meinem Lose zusrieden von
der Cote d«Azur Abschied nehmen.
» Noch einen andern Fehler hat die
"Cote d’Azur: die Leute, die sich hier
angesiedelt haben, sind «neue Reiche«
und haben das Vediirsniß, ihren Be
sisi zu sichern. Ueberall tann man die
Beobachtung machen, daß die alte
Aristotratie weit generöser und ver
ständiger ist, als die neue Plutotratir.
Jn meiner Heimath konnte man nach
Herzenslust aus den Felsen herumtleti
tern und im Walde herumlaufen, so
zlange der Rheingrasenstein den abli
Fgen Erben des alten Geschlechte-z ge
shörte. Seit der Besitz in die Hände
seines emporgelornmenen Finanzba
irons gerathen ist, wandert man aus
l den wenigen noch zugänglichen Wegen
zwischen Warnunastasel und Stachel
»draht, und der größte Theil des Ge
)bietes ist ganz nnd gar abgesperrt.
zDag alte Wörtlein ,,noblesse obliae«
hatte wirklich eine Bedeutunn bei der
wirklichen Aristotratie, existirt aber
garnicht sur-die neuen Emportömm
lingr. An der lkote d’Azur zeigt sich
das in der unangenehmsten Art· Aus
der wunderschönen Halbinsel St.
Jean tann man aus der rundum wohl
siinszehn oder gar zwanin Kilometer
langen Küste sozusagen überhaupt
nicht an’s Meer tommen, denn die
Eigenthümer haben alles abgesperrt,
nicht nur niit Drahtzäunen, sondern
mit drei Meter hohen Mauern, sodaß
tnan stundenlang zwischen solchen
Steinwiinden hinwandert, gerade wie
in einer Dorsstrasze oder in einem
Hohlweg. Und oben im Gebirge ist
es taum bessert Da haben diese Ei
genthumssanatiter ganze Berge, die
weiter nichts als Felswiisten mit
spärlichein Baumwiichs, ummauert
oder eingeziiunt, und dein Spazier
gänger bleibt nichts als die Land
straße, die aber, wie schon gesagt, das
laut-schließliche Eigenthum der Auto
mobilisten ist.
Dieses Bild ist etwas zu schwarz ge
malt. es giebt noch Stellen, ivo man
an das Meer Und in das Waldge
strüpp tornmen kann. Aber wenn die
Eroberung des Cote d’Azur durch
das internationale Parveniis und
Prodenthum so weiter schreitet, wird
in zehn Jahren oder höchstens zwan
zig Jahren die ganze sranzösische
Niviera thatsächlich abgemauert und
unzugiinglich sein, und diejenigen
Hotels, welche ihren Gästen den Blick
aus oder gar den Zutritt an das Meer
oder in den Wald verbürge-h werden
dasiir süns Franken täglich in Rech
nung setzen. Jn Nizza selbst ist es
noch am erträglichsten, hier und in
Eanned hat die Stadt die Bittende
siher und Gastwirthe nicht unmittel
bar an das Meer gelassen, sondern
schöne, viele Kilometer lange Bronn
nahen ziehen sich am Gestade hin.
Und auch aus die nächsten Berge kann
man genußreiche Spaziergänge ma
chen.
Der erste führt aus den Schloß
berg, der sich als steiler Felswiirfel
zwischen dem Hafen und der Stadt
aufbaut. An ihn lehnt sich die alte
Stadt an, die mit ihren engen und
isteilen Ireppengiißchen bis zur Mitte
des Hüaels hinantlimmt und durch
sden Paillon von der neuen Stadt ge
.schieden wird. Oben ist landeinwärts
zein wunderschöner Friedhof, wo außer
Jder Gattin Garibaldi’s auch Gam
betta und Alexander Herzen begraben
sind. Die hier bestatteten Fremden
sind sehr zahlreich und von den Grab
steinen lann man lernen, daß Nizza
schon seit mehr als sechzig Jahren der
Winterausenthalt der Engländer.
Russen und Deutschen ist; Heute fol
len die letzteren die Mehrzahl sein,
indessen sieht man doch ebensoviele
russiscbe und weit mehr englische ais
deutsche Auffchristen an Geschäftesi
und Gasthiiuserm Das mag mit der
jiiberall in Fxgnireich bemertbaren
xFurcht der Deutschen, ihre Nationali
ttät zu zeigen« zusammenhängen, die
Iallerdinas an der Cote leur nicht
tdie alleraeringste Eristenqterechtigung
hat. Wenn irgendwo auf französischen
Boden darf sich hier die deutsche
Sprache und die deutsche Fahne ruhig
zeigen, und die hiesigen deutschen
Hoteliets hätten durchaus mcht not ht g,
ihren Häuser-I enalifcke Namen zu ge
fben und nehm der französischen Tri !
toloke das Sternenbanner und den
englischen Union Jack aufzuvflanzem
während sie die deutsche Fahne sorg
sama verneinen. -
Von der zwischen den Trümmern
der alten Burg errichteten Terrasse
bat man eine herrliche Aussicht Tiber
die alte und neue Stadt und das Ge
stade bis nach dem Vorgebirge von
Aniikes hin. Jrn Halbkreis um
schließen die schüyenden Berge die
Stadt, und in der Ferne zeigen sich
die leuchten-den SchneegipseL der Al
pen. Ostwärts hemmt der Mont
Voron mit der alten Festung Mont
Alt-an den Blick. Da oben babe ich
mich köstlich amiisirt, indem ich Elsas
senrs astpins zuschaute, wie sie sich in:
Kleinkrieg übten. So langweilig das
wie ein Ubrwerk geregelte mechanische
Exerziren im Kaiernhos ist, so amti
sant sind die Uebungen der Alpenjii
ger. Die Leute machen das naturlich
genau so wie wir Jungen, wenn wir
Jndianer Pfadfinder oder Räuber
nnd Gent-armen vorstellten. Sie trie
chen aus allen Vieren an den Feind
heran, verstecken sich hinter Felsen
und Büschen und haben auch selber ei
nen Spaß an diesem Treiben, daß
ihre Freude ganz ansteckend wirkt und
man gleich mikmachen möchte. Noch
niemals ist mir eine solche Lust beim
Zuschauen irgend welcher anderen spi
likiirischen llebungen gekommen. Bei
Iden Alpenjiiaern des Mont Baron
aber könnte ich ein enthusiastifcher
Militarist werden«
Was übrigens die Festunaen und
Soldaten anbelangt, das ganze Land
ist voll davon; alle Beraesgiuiel sino
durch starke Fort-Z vertbeidigt, und
aute Straßen führen da hinaus Man
hat aus beiden Seiten der Grenze un
geheure Summen iiir diese Werte
ausgegeben und fährt immer noch
fort in der kostspieliaen Arbeit. Nr
zvaltige Mai-ern nnd Wälle krönen
die unzugänalirkien Gipfel, iddne
Straßen sind durch die Felsen aelro
chen werden, und man denkt, das der
Dreilsund den Franzosen wie den
Jtalienern ein schönes Geld gekostet
hat. Auch könnte man schöne Gedan
ken haben über die Nutzlosigkeit dieser
Ausgaben und über die weit bessere
Verwendung, die man dem Gelde sie
ben könnte, aber solche Gedanken kann
man überall in Europa haben, und
dazu bin ich nicht an die Cote d’«tlznr
gekommen· Die Palmen nnd Rosen«
der Sonnenschein und das blaue
Meer interessiren mich mehr.
so sue wie vertreten-heb
Ein Wittmer in Phikadetpfiia kipite
sich schon seit tanqem bemiiizt eine
Dame seiner Bekansitich:ft zur iizxe
zu bewegen, doch begegnete er mit sei
nen Liebesbetiyeuerunaen einer sotn en
GleichgüktigteiL dass er schließlirtk fei
ne Zuflucht bei einem Arzt suchte-, der
auch Haugarzt bei der betreffenden
Dame war· Nach einigern Strautien
versprach ihm dieser endlich, sein rnön
lichstes zu thun.
Als er bald darauf die Dame bei
suchte, kam er sofort aus den beregten
Punkt zu sprechen. »Haben Sie nie
daran gedacht, sich zu oerheiratksens
Ein Mann würde Ihnen doch ein
willkommner Schutz sein«, bemerkte
er.
«Verheiratl)en?t« sprach die Dame
lächelnd. »Ich bin schon so gut wie
I verheirathet, denn ich habe drei Haus
thiere, die zusammen mir den Gatten
vollkommen ersetzen. Jch habe einen
Hund, der den ganzen Morgen
brummt und klässt, einen Papaaei.
der den ganzen Nachmittag oerschkäst,
und eine Rahe, die keine Nacht zu
Hause ist.«
»papa Tarn«.
(Der Mamclul des großen Kaisers-J
Noch heutigen Tages sieht man in
Paris nicht selten in den offenen Aus
lagen der Händler mit alten Büchern
und Bildern einen merkwürdigen
Stich, der Napoleon Bonaparte als
ersten Konsul darstellt. Er ist nach
einer Zeichnung von Jsabeh angefer
tigt, die in einem Augenblicke ent
stand, da man der Verschwörung
George Cadoudals eben auf die Spur
gekommen war und das Leben Na
poleons von seinen Feinden ernsthaft
bedroht schien. Der Stich zeigt den
Konsul auf einer Fahrt durch die
Straßen von Paris. Er sitzt in einem
vollständig geschlossenen Wagen, den
sechs eilende Pferde ziehen. Ein
Schwarm von galoppirenden Neitcrn
umgibt ihn, Phantastischen Gestalten
in orientalischer Tracht, mit Traba
nen aus dem Haupte, bunten, reich
gestickten Jucken und weiten Puder
hosen, rollenden Augen und martia
lischen Schnurrbärten. Sie schwingen
trumtne Säbel in den Fäusten und in
ihren breiten Gurtelschärven stecken
Revolver und Dolche. So braust der
unheimliche Zug vorüber und mit
Erstaunen und mit Grauen sebn die»
friedlichen Bürger ihm nach Napo
leon hatte diese Leibgarde aus Egytp
ten mitgebracht. Sie bestand aus
Griechen, Konten, Suriern und Mal
tesern und war ihm mit Leib und
Seele ergeben. Bald umgab sie ein
K anz von Legenden und man erzaylte
Fitrchterliches von ihrer Grausamkeit
nnd Wildheit. Dabei waren es meist
durchaus friedliche und biedere Men
schenkinder-, eher ein wenig schlaff und
indolent als unternehmungglustig nnd
triegerisch· Das galt im Grunde,
anch von dem Mamelulen Rustam,
der am Tage und bei Nacht fast keinen
Augenblick lang von der Seite Natio
leons wich und daher bald eine popu:
läre und umschtneichelte Persönlichteit
wurde. Jn dem soeben erschienenen
vierten Bande seines verdienstvollen
und interessanten Wertes ,,Vielle5
maisong vieux papiers« erzählt G.
Lenotre, der unermüdlich fleißige Pa;
riser Geschicht-Zwischen den Lebens
-aang dieses Leibivächters des größten
Ittriegghelden der neuern Zeit.
Rustani hat seine erste Begegnung
mit Napoleon selbst geschildert. Sie
geschah in Kairo. Aug Georgien ge
bürtig war Rustam fünfmal als
Sklave verkauft und schließlich nach
allerlei Abenteuern nach Egypten ver
schlagen worden. Der General Bo
I naparte suchte eingeborene Führer und
so brachte man ihm auch Rustam.
»Das erste, was er thut«, so berichtet
Rustani, ,,ist, daß er mich an den Oh
ren zieht. Er sagt, ob ich reiten tann.
Jch sage ihm: ja. Dann fragt er
mich, ob ich ordentlich mit dem Säbel
hauen kann. Jch sage ihm: »Ja« ich
habe sogar mehrere Araber mit dem
Säbel erschlagen«. Jch zeige ihm eine
Wunde aus meiner Hand. Er sagt:
»Schön. Wie heißest Duk« Jch sage
ihm: »Jjahia«. Er sagt: »Das ist ja
ein türkischer Name- Wie hießest Du
in (tteorgien.?« Jch sagte ihm: »Ich
heiße Nitstantssliustani«. -— »Ich will
nicht, daß Du Dich mit Deinem tür
kischen Namen nennst. Du sollst Dich
Nustam nennen«. Dann ging er in
sein Zimmer, brachte mir einen da
maszirten Säbel, an dessen Griff sechs
graste Diamanten waren, und ein
Paar goldverzierte Pistolen. Er sagte
zu mir: »Hier, dac- ist siir Dich! Ich
gebe Dir das und werde fiir Dich sor,
gen«. Schon am Abende dieses Tages
bediente Rastan Napoleon beim Ef
fen und Nachts schlief er auf seiner
Schwelle. Napoleons Wahl war auf
ihn gefallen, weil er sich durch sein
stattliches, lriistigeg Aeußere, seine re
gelmäßigen Züge und den stolzen
Ausdruck seines Antlitzeg von seinen
Gefährten vortheilhast unterschied Er
hing an seinem Gebieter mit der
Treue einer Bulldogge und tviirde je
den zerrissen haben, der die Hand ge
gen ihn erhoben hätte. Das; er damit
eine Art Von historischer Mission er
füllte, dasiir besaß er nicht das leiseste
Gefühl. War eg nicht natürlich, daß
er den Ell-kann schiitzte, dein er ein nie
erhofsteg Wohlleben, gutes Essen und
—- ivag er noch hoher schätzte -— reich
-licheg Trinten, schöne Kleider und viel
Geld verdantte? Zu seiner staiiers
trönung läßt Napoleon ihm Gewän
ider anfertigen, die 9000 Freuka ko
sten, und so reitet er in dem Zuge
mit, der sich von den Tuilerien nach
der Kirche von NotreDame bewegt.
Das ist der Höhepunkt seines Lebens-·
Alle haben ihn bewundert, jeder
Fremde, der nach Paris lommi, sucht
ihn aus und sein Bild ist in Tausen
den von Exemplar-en verbreitet. Die
kaiserliche Familie verwöhnt ihn, »o
L sephine hört seine Klagen geduldig an,
—— und er hat viel zu klagen, denn er
list empfindlich und glaubt sich leicht
izurückgesetzi. Geräth er in Streit, so
s nimmt Navoleon stets siir ihn Partei.
sEinmal hat ein Latai ihn einen
sStlaven geschimpt, und wie er sich
darüber beschwert, erwidert der Kai
sser ihm zornig: »Einen Stlavea hast
Du Dich schelten lassen? Hattest Du
denn keinen Dolch bei Dir?« Sanf
ter setzt er dann hinzu: ,,Oder we
lnigstens einen Stock? Einen Skla
ven! Bin ich ein Vey oder ein
Pascha?« Er überhäuft ihn mit
Geschenlen Als Büchsenspanner er
Ihält Rusiain 2400 Franks jährlich 4
’Daneben bezieht er eine lebensläng
liche Pension pon 1200 yrants, die
.fpäter verdoppelt und fast verdut
facht wird. Die Geschenke, die der
Kaiser ihm außer der Reihe macht,
sind selbst nach heutigen Begriffen
"sehr bedeutend und betragen zu Neu
jahr gewöhnlich 5000 oder 6000 Fr.
inneS Abends spielt der Kaiser
Vingt-et-un und gewinnt. Er läßt
Rustam rufen und der Leilnnamelnl
erscheint im Satan, die rechte Hand
Jam Turban, die linke am Säbel:
»griffe. Napoleon spricht: »Da, nimm
meinen Gewinn!« und wirft ihm»
eine Hand voll Gold, 600 Franks, zu.s"
Das gleiche wiederholt sich am näch
sten Abend und am übernäehften sind
es sogar 700 Franks. Jst der Kaiser
ohne ihn verreist, so verzehrt sich
Nustam vor Sehnsucht nach ihm.
Dann läßt ihn wohl die Königin
Hortense, Napoleons schöne Stieftoch
ter, kommen, malt ihn und singt ihm
tleine Lieder vor, als er einzuschan
knern beginnt.
Jm Jahre 1806 verliebte sich Ru
stam in das Fräulein Alexandrinc
Douville, die Tochter eines Kammer
dienerg der Kaiserin Josephin9.
Aber der Heirath stellten sich Schwie
rigkeiten entgegen, da Rustam nichtl
katholisch war nnd keine Ausweigpa---l
viere hatte. Napoleon beseitigte sie;
mit einem Machtworte, unterzeichnetef
selbst den Ehetvntratt und bezahlte
das Hochzeitsmahl. So viel Glück
und Glanz konnte Rustam aus die
Dauer, auch lörperlich, nicht vertra
gen. Er wurde bequem und er wurde
sett. Als Napoleon abgedantt hatte,
entfernte er sich heimlich von Fon
taineblean, um ihm nicht nach Elba
solgen zu müssen, und wie er sich
während der hundert Tage melden
ließ, wollte Napoleon »den Feigling«
nicht sehen und seinen Namen nicht
hören. Und nun wird aus dem
grimmen Leibmarneluten ein behäbL
ger französischer Rentier. Anfangs
überwacht ihn die Polizei deg wieder
hergestellten Königthums etwas miß
trauisch, besonders, weil er mehrmals
geheimnißvollc Reisen nach England
unternimmt. Doch dann stellt sich her
aus, das-, Rustam sich dort —- auf
Jahrmarkten sür Geld sehen läßt,
und sortab bleibt er unbehelligt. Um
das Jahr 1825 läßt er sich in dem
Städtchen Dourdam, sechs Poststun
den von Paris-, mit Frau nnd Kind
und mit seinen Schwiegereltern nie
der. Hier rechnet man ihn, seines
Wohlstandes wegen, bald zu den Ho
noratioren und die Kinder geben dem
immer rundlicher nnd schwersälliaer
werdenden gemiitblichen alten Herrn
den Spitznamen ,,Papa Tarn«.
»Papa Tom« starb am 7. Dezem
ber 1845 im Alter von 64 Jahren.
Auf dein Kirchhofe von Dourdam ist
noch jetzt sein Grab zu sehen. Eine
abgebrochene aothische Säule steht
daraus und träat die Worte: »Hier
liegt Rustam Naza, ehemaliger Ma
inelnt des Kaisers Napoleon, geboren
zu Tislis in Georgien«.
Gericht-references in England
Mit dein neuen Jahre ist in Eng
land die Einrichtung der Jugendge
richte in Wirksamkeit getreten. Axt-.
4. d. M. san-den bei sechs von den
Ansehn Londoner Polizei : Gerichten
turze Nachiuitiagssitzungcn statt, in
denen zum ersten Male nach dem Ge
setz Von Ums Kinder bis zu sechzehn
Jahren allein, ohne Berührung init
der sonstigen Kundschaft der Polizei
gerichte, vorgesiihrt wurden. Der
Ort der Verhandlung war auch nicht
der gewöhnliche Eihungcssaal mit dem
,,Tod«, dein in der Mitte us Saales
errichteten hohen Vlngetlaatenstand,
sondern der Raum, wo der Richter für
gewöhnlich Sachen der freiwilligen
Gerichte-harten zu erledigen pflegt,
von denen übrigens auch in diesen
neuen Sitzungen eine Gattung, die
Erlaubniß fiir Verwendung von Lin
dern bei Schaustellungen behandelt
wir-d. Die Sitzungen der Jugendae
richte sind nicht össentlichz nur die
Presse ist zugelassen Es sind vor
lausig bei einzetnen Polizeigerichten
zwei Nachmittage in der Woche sitt
das Jugend-Gericht angesetzt. Der
Richter braucht das Gesetz gar nicht
anzuwenden, sondern hat so gut wie
ganz freies Ermessen Ek- handelt siclx
om ersten Tage zufällig um ganz ge
ringfügige Sachen, die noch vor sech
zig oder siebzig Jahren schwer geahn
det worden wären, jetzt aber in der
Regel mit einein Verweis erledigt
werden.
Eine andere kleine Reform, die
auch smit dem neuen Jahre in Kraft
getreten ist, hat dem Publikum, das
mit den Gerichten zu thun hat, eine
begreifliche Genugthuung bereitet. Es
ist die Befreiung von der gesund-heim
widrigen Vorschrift, bei der Eil-»Blei
stung das Neue Testament küssen zu
srniissen. Der Gesetzesentwuri hatte
ratgesehem daß das Testament gar
nicht mehr benutzt, die Eidessleistnsg
vielmehr unter Erhebung der rechten
Hand geschehen sollte, vdas Obethsns
hat jedoch durchgesetzt daß das Buch
dabei in die Höhe zu halten ist.
Uebrigens können solche, die keine re
ligiöse Formel anerkennen, an Eides
Statt die einfache Bekräftigung wäh
len.
.
Tröiilich.
Patient: ,,Denien Sie, daß Sie
mir wirklich helfen tönnen, Herr Dok
ior?«
Arzt: »Kein Zweifel, mein Lieber!
Gerade mit dieser Krankheitserschei
nung bin ich ganz vertraut. Jch be
handle nämlich einen Patienten, der
genau dasselbe Leiden hat wie Sie,
schon seit zwanzig Jahren!«
Giinfiiger Umstand.
Erbe: »Das triffi sich ja ausge
zeichnet: ich habe gerade zum Begräb
nis; meiner Erbiante einen solchen
Schnupfen, daß mir die Augen fort
während thränen!«
Unbenbsimtigtk Beleidigung.
Arzt: »Der Zustand Jhrer Frau ist
so bedenklich, Herr Hader, daß es mir
lieb wäre, wenn Sie noch einen Spe
zialisten beiziehen würden . . . .«
Haber: »Sehen Sie, Herr Doktor,
da hab’ ich doch wieder einmal recht.
Schon lange rede ich meiner Sophie
zu, sie möge einen ordentlichen Arzt
fragen —--- aber sie hat immer gemeint,
es tönnt’ Sie verdrießen!«
Recht ungern-link
Fremder: »Welchen Barbier können
Sie mir hier wohl empfehlen?«
Einheimischen »’c- kommt d’raus
an: wollen Sie zum Rasiren, Haar
schneiden oder ZahnziehenZ Rasiren
thut der Müller am schlechtesien,
Haarschneiben der Meier, und zum
-Zahnziehen möcht’ ich Ihnen keinen
von beiden empfehlen!«
Er wcifx sich zu helfen.
Der geizige Schulzenbauer: »Gen
Ioollt Jhr doch nicht für den Weg neh
men, Michel; aber frühsiiickt ordent
lich, dahier ist Brot und Wurst!«
Michel: »Ach, die icheene Magen
wursii Die soll ich anschneide?«
Schulzenbauer: Freilich sollst du
sie anschneiden.«
Michel: »Wo ich will?«
Schulzenbauer: »Natürlich darfst
du sie anschneiden, wo du willsU
Michel: »Na, da dank ich scheene!—
Da roill ich sie derbe-eine anschneide!«
Streng.
»Denk dir, er hatte die Frechheit,
mich zu küssen!«
»Du warst natürlich sehr empört?«
»Ja » jeregnial!«
»Hm, hin, da habe ich ja gar keinen
Knoten im Taschentuch; da habe ich
sicher vergessen, etwas- zu oergessen.«
llnlxenlisichtigte Beleidigung.
(«s ... .«—.—--—-- -i
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lchcntlII1., LIcI1.L1nlIrI,daf-, Is-: Inn lieb
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beziehen würden
HIItnst »Ich-en Zin Herr Zutun-, da
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»Wenn du- Eicr frisch tscihcn sollen, qnä’
Far, müssen s· on einen tithlen Ort ge
legt merdenl«
»Wie könnte man das aber mir der
Heime beibringen?«