Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 15, 1910, Zweiter Theil, Image 13
Rizza und seine Umgebung. Von Karl Eugen Schmidt, Paris. Jn Nizza geht es mir wie dem Engländer dei Wilhelm Zusch: Schön ist es auch anderswo, Und hier bin ich sowteto. So schön es in der Stadt selbst ist; unter den Palmen der Anlagen, am Quai du Midi« und auf der Mome nade des Anglaikx in den breiten sau beren Straßen. Anlagen und Gärten der neueren, wie in den an Genua und Neapel erinnernden engen und steilen Treppengiiszehen der alten Stadt; am Hasen« wo die ungeheure Yacht Baudert-UT so groß wie ein sehr stattlicher Passagierdampser des Atlaniiichen Ozeans, die ameritanische Flagge zeigt; am breiten, jeyt nur von einem schmalen Rinnsal durch-; slossenen Bette des Paillon, worin die·» Frauen und Mädchen von Nizza ihre Wäsche besorgen; am Strande, wo die« Kinder glatte Kiesel auflesen und wo! jetzt im Januar das Wasser so warm’ und einladend aussieht, daß man! gleich den starken Mann machen und; sich zum Bade entkleiden möchte; tuer überall, wohin man tommt und blicktJ —trotzdem zieht es ohne Unterlaß in’ die nähere und fernere Umgebung, und man möchte wie jener Mister Pies nur mit dem Perspettiv am Auge spa zieren gehen. Der erste Spaziergang gilt natür lich dein Meere: man lann stunden lang vom Hasen bis zur Mündung des Var —- die dortige Ansiedlung heißt Kalisornien--lustwandeln« denn» dieie herrliche Promenade ist wohl nahezu zehn Kilometer lang. Will man sich noch fernerhin des Anblickea der Küste sreuen, so muß man die nach Mönaco gehende elettriiche Bahn besteigen. Zuerst geht es hin ter dem Schloßberg her nach dem» alten Oasen. dann um den Montboii ron herum an der Bucht von Ville iranche hin. Dies ist wohl der ent ziielendite Ort an der ganzen Miste, und ich wundere mich nicht« daß Kö nig Leopold, der sich aus die Geniiise des Lebens verstand, seine Villa hier hingestellt hatte. Jn Tannerk wo der Großvater und die Eltern der deut schen Kronprinzessin die größte Zeit des Jahres verbrachten. in Cap Mar tin, wo die Kaiserin Eiisabeth den Winter zu verbringen pslegte, ist es gewiß auch schön, aber siir meinen Geschmack geht die Bucht von Ville sranche und die sie bildende langge streckte lHalbinsel von St. Jean allen anderen lieblichen Streiten dieser wunderbaren Meeresliiste voran. Aus der halhinsel hatte König Leopold sich das Lieber-nett eingerichtet, wo er den ewigen Frühling seiner dauerhaf ten Jugend in dem ewigen Frühling dieser herrlichen Landschast erneute. Aus einem Vorsprung, der tandem wiirts leicht vor indislreten Augen abzuschließen war, legte er einen Pa radieietigarten an, aus dessen Mitte ein lustiges weißes Schlößchen aus-: steigt, nicht prunihast und prohig sondern in aller Schönheit einfach und beinahe bescheiden, obgleich groß genug, uin einen wirklichen König mit allem. wag dazu gehört, aufzuneh men. Und rings um die Bai liegen hundert und aber hundert ähnliche große und kleine Villen in großen oder lleinen Garten. Jeder Vor sprung der Felsen, jede iiig Meer hinausragende Klippe ist auggenuht und bis hoch in die Berge hinaus ha ben sich die Wintergäste angesiedelt, wo immer eine Handbreit wagerechten lkrdreiches den Bau des Hauses und des Gartens ermöglichten Alles dies: die sauberen Villen, die prächtigen Gärten mit ihrem siidlich seitlicheii Reichthum an sattein Grün und sarbigen Blumen, die nahen Fel sen iieid die sernen Gebirge, spiegelt sich in dem klarsten blauen Meere, und der tlarste blaue Himmel lacht darüber im goldenen warmen Sonnen schein. Man braucht weder König zu sein noch siebzig Jahre zu zählen, uin in solcher Landschast den Jungbrum nen zu vermuthen. den der spanische -Sllbenteiirer Ponre de Leon in Flo rida suchte. Die Bucht von Ville sranche, die Halbinsel St. Jean und der aus der anderen Seite der halb insel gelegene Billenort Beaulieu ru sen den Bot-pokus in mein Gedächtnis zurück. hier wie dort das wunder borite llare blaue Meer. der herr lichlte strahlende Himmel, vie an vie Schilderungen arabischer Märchener zähler erinnernden Schlösser und Gärten Am Bot-pokus sind es jedoch leine steilen und hohen Gebirge, lon dern sanfte hügeL die weit mehr Platz iiir Villen und Gärten lassen als die schroffen Klippen der Cote d’Azur. Demgemäß sieht man akn Bosporuö ausgedehnte Parlanlagen. und ein einziger reicher Mann hat dort für sich allein mehr Gartenland als hier hun dert Villenbesiser zufammen, nnd wä ren sie belgsscht Könige, rulsilehe »Großiiirften und amerikanische Mil liardiirr. Indessen hat diese Be schränkung ihren eigenthiimlichen Reis, und gerade die Noth, die an der Tote d'hist die Menschen zwang, ihre häufer nnd Gärten dem Meere und den Felsen entsagen-innen dergestalt daß sie halb im blauenWasser schwim men, halb an den schrossen Felsen kle ben. trägt das allermeiste zu der Lieblichkeit des Bildes dei. Ganz ähnlich zieht sich die Küste weiter um das Cap d’til herum nach Monaco, weiterhin nach Cap Martin nnd Mentone. hier weiter beschrei .den wollen, hieße sich ohne Unterlaß wiederholen, und Monaro und Monte Carlo werden wir außerdem siir einen besonderen Besuch aussparen müssen Ueberall ist es iiber die Maßen lieb lich nnd schön, —— und nirgends möchte ich wohnen, nachdem ich mir die schönsten Plätze siir meine Seifen blasenvilla ausgesucht habe. Es ist ein wahres Glück, daß diese Gegend auch ihre unleidlichen Fehler hat, denn sonst müßte man sich den Bart auörausen ans Wnth und Verzweif lung, weil man nicht den nöthigen Geldbeutel siir die Wintervilla hat. Jch möchte hier nicht wohnen, weil die ganze Kiiste von den Autoniohilen ver pestet ist. Man müßte sich in sein Handbreit Gärtchen einschließen und nie ans die Straße treten, denn die Straße gehört ausschließlich den Automobilen. Nun ist aber zwischen Gebirge und Meer überhaupt tein Raum, und selbst die Straße mußte sast aus der ganzen Streite dem Fel sen abgewonnen werden« hie und da sogar als Tunnelz man liebt also entweder am Fels iider den Automo: bilen, oder man muß sich unter ihnen zwischen Meer nnd Straße zwangen Wohnt man oben, so lann man sich zum Bergsteiger augbilden und die schrossen Felsen ertlimmen; wohnt man unten, so ist ein amphibischeg Fischerleben angezeigt. Aber wenn ich Gebirge und Meer aus diese Weise dicht beisammen habe, möchte ich mich beider erfreuen, ohne beim Uebergang von einem zum andern lästipein Staube, iiblem Gestante und oben drein der Gefahr der Zerinalmung ausgesetzt zu sein« Vielleicht liber treibe ich diesen dunklen Puntt der Cote d’Azur. Das geschieht dann in der sreundlichen Absicht, mich nnd em dere zu trösten: nun beschaue ich schon beinahe mit Schadensrende die Willen und Gärten der Wintergäste nnd denke mitleidig: Armee Teufel, was muß der von den Automobilen leiden! Oder ich tnurre grimmig: Geschieht dem Kerl recht, dasz er das schöne Haus mit dein herrlichen Garten hat, wo ihm das Dasein von den Autorno bilen verbittert wird! Und so werde ich schließlich doch ohne Neid aufs beste mit meinem Lose zusrieden von der Cote d«Azur Abschied nehmen. » Noch einen andern Fehler hat die "Cote d’Azur: die Leute, die sich hier angesiedelt haben, sind «neue Reiche« und haben das Vediirsniß, ihren Be sisi zu sichern. Ueberall tann man die Beobachtung machen, daß die alte Aristotratie weit generöser und ver ständiger ist, als die neue Plutotratir. Jn meiner Heimath konnte man nach Herzenslust aus den Felsen herumtleti tern und im Walde herumlaufen, so zlange der Rheingrasenstein den abli Fgen Erben des alten Geschlechte-z ge shörte. Seit der Besitz in die Hände seines emporgelornmenen Finanzba irons gerathen ist, wandert man aus l den wenigen noch zugänglichen Wegen zwischen Warnunastasel und Stachel »draht, und der größte Theil des Ge )bietes ist ganz nnd gar abgesperrt. zDag alte Wörtlein ,,noblesse obliae« hatte wirklich eine Bedeutunn bei der wirklichen Aristotratie, existirt aber garnicht sur-die neuen Emportömm lingr. An der lkote d’Azur zeigt sich das in der unangenehmsten Art· Aus der wunderschönen Halbinsel St. Jean tann man aus der rundum wohl siinszehn oder gar zwanin Kilometer langen Küste sozusagen überhaupt nicht an’s Meer tommen, denn die Eigenthümer haben alles abgesperrt, nicht nur niit Drahtzäunen, sondern mit drei Meter hohen Mauern, sodaß tnan stundenlang zwischen solchen Steinwiinden hinwandert, gerade wie in einer Dorsstrasze oder in einem Hohlweg. Und oben im Gebirge ist es taum bessert Da haben diese Ei genthumssanatiter ganze Berge, die weiter nichts als Felswiisten mit spärlichein Baumwiichs, ummauert oder eingeziiunt, und dein Spazier gänger bleibt nichts als die Land straße, die aber, wie schon gesagt, das laut-schließliche Eigenthum der Auto mobilisten ist. Dieses Bild ist etwas zu schwarz ge malt. es giebt noch Stellen, ivo man an das Meer Und in das Waldge strüpp tornmen kann. Aber wenn die Eroberung des Cote d’Azur durch das internationale Parveniis und Prodenthum so weiter schreitet, wird in zehn Jahren oder höchstens zwan zig Jahren die ganze sranzösische Niviera thatsächlich abgemauert und unzugiinglich sein, und diejenigen Hotels, welche ihren Gästen den Blick aus oder gar den Zutritt an das Meer oder in den Wald verbürge-h werden dasiir süns Franken täglich in Rech nung setzen. Jn Nizza selbst ist es noch am erträglichsten, hier und in Eanned hat die Stadt die Bittende siher und Gastwirthe nicht unmittel bar an das Meer gelassen, sondern schöne, viele Kilometer lange Bronn nahen ziehen sich am Gestade hin. Und auch aus die nächsten Berge kann man genußreiche Spaziergänge ma chen. Der erste führt aus den Schloß berg, der sich als steiler Felswiirfel zwischen dem Hafen und der Stadt aufbaut. An ihn lehnt sich die alte Stadt an, die mit ihren engen und isteilen Ireppengiißchen bis zur Mitte des Hüaels hinantlimmt und durch sden Paillon von der neuen Stadt ge .schieden wird. Oben ist landeinwärts zein wunderschöner Friedhof, wo außer Jder Gattin Garibaldi’s auch Gam betta und Alexander Herzen begraben sind. Die hier bestatteten Fremden sind sehr zahlreich und von den Grab steinen lann man lernen, daß Nizza schon seit mehr als sechzig Jahren der Winterausenthalt der Engländer. Russen und Deutschen ist; Heute fol len die letzteren die Mehrzahl sein, indessen sieht man doch ebensoviele russiscbe und weit mehr englische ais deutsche Auffchristen an Geschäftesi und Gasthiiuserm Das mag mit der jiiberall in Fxgnireich bemertbaren xFurcht der Deutschen, ihre Nationali ttät zu zeigen« zusammenhängen, die Iallerdinas an der Cote leur nicht tdie alleraeringste Eristenqterechtigung hat. Wenn irgendwo auf französischen Boden darf sich hier die deutsche Sprache und die deutsche Fahne ruhig zeigen, und die hiesigen deutschen Hoteliets hätten durchaus mcht not ht g, ihren Häuser-I enalifcke Namen zu ge fben und nehm der französischen Tri ! toloke das Sternenbanner und den englischen Union Jack aufzuvflanzem während sie die deutsche Fahne sorg sama verneinen. - Von der zwischen den Trümmern der alten Burg errichteten Terrasse bat man eine herrliche Aussicht Tiber die alte und neue Stadt und das Ge stade bis nach dem Vorgebirge von Aniikes hin. Jrn Halbkreis um schließen die schüyenden Berge die Stadt, und in der Ferne zeigen sich die leuchten-den SchneegipseL der Al pen. Ostwärts hemmt der Mont Voron mit der alten Festung Mont Alt-an den Blick. Da oben babe ich mich köstlich amiisirt, indem ich Elsas senrs astpins zuschaute, wie sie sich in: Kleinkrieg übten. So langweilig das wie ein Ubrwerk geregelte mechanische Exerziren im Kaiernhos ist, so amti sant sind die Uebungen der Alpenjii ger. Die Leute machen das naturlich genau so wie wir Jungen, wenn wir Jndianer Pfadfinder oder Räuber nnd Gent-armen vorstellten. Sie trie chen aus allen Vieren an den Feind heran, verstecken sich hinter Felsen und Büschen und haben auch selber ei nen Spaß an diesem Treiben, daß ihre Freude ganz ansteckend wirkt und man gleich mikmachen möchte. Noch niemals ist mir eine solche Lust beim Zuschauen irgend welcher anderen spi likiirischen llebungen gekommen. Bei Iden Alpenjiiaern des Mont Baron aber könnte ich ein enthusiastifcher Militarist werden« Was übrigens die Festunaen und Soldaten anbelangt, das ganze Land ist voll davon; alle Beraesgiuiel sino durch starke Fort-Z vertbeidigt, und aute Straßen führen da hinaus Man hat aus beiden Seiten der Grenze un geheure Summen iiir diese Werte ausgegeben und fährt immer noch fort in der kostspieliaen Arbeit. Nr zvaltige Mai-ern nnd Wälle krönen die unzugänalirkien Gipfel, iddne Straßen sind durch die Felsen aelro chen werden, und man denkt, das der Dreilsund den Franzosen wie den Jtalienern ein schönes Geld gekostet hat. Auch könnte man schöne Gedan ken haben über die Nutzlosigkeit dieser Ausgaben und über die weit bessere Verwendung, die man dem Gelde sie ben könnte, aber solche Gedanken kann man überall in Europa haben, und dazu bin ich nicht an die Cote d’«tlznr gekommen· Die Palmen nnd Rosen« der Sonnenschein und das blaue Meer interessiren mich mehr. so sue wie vertreten-heb Ein Wittmer in Phikadetpfiia kipite sich schon seit tanqem bemiiizt eine Dame seiner Bekansitich:ft zur iizxe zu bewegen, doch begegnete er mit sei nen Liebesbetiyeuerunaen einer sotn en GleichgüktigteiL dass er schließlirtk fei ne Zuflucht bei einem Arzt suchte-, der auch Haugarzt bei der betreffenden Dame war· Nach einigern Strautien versprach ihm dieser endlich, sein rnön lichstes zu thun. Als er bald darauf die Dame bei suchte, kam er sofort aus den beregten Punkt zu sprechen. »Haben Sie nie daran gedacht, sich zu oerheiratksens Ein Mann würde Ihnen doch ein willkommner Schutz sein«, bemerkte er. «Verheiratl)en?t« sprach die Dame lächelnd. »Ich bin schon so gut wie I verheirathet, denn ich habe drei Haus thiere, die zusammen mir den Gatten vollkommen ersetzen. Jch habe einen Hund, der den ganzen Morgen brummt und klässt, einen Papaaei. der den ganzen Nachmittag oerschkäst, und eine Rahe, die keine Nacht zu Hause ist.« »papa Tarn«. (Der Mamclul des großen Kaisers-J Noch heutigen Tages sieht man in Paris nicht selten in den offenen Aus lagen der Händler mit alten Büchern und Bildern einen merkwürdigen Stich, der Napoleon Bonaparte als ersten Konsul darstellt. Er ist nach einer Zeichnung von Jsabeh angefer tigt, die in einem Augenblicke ent stand, da man der Verschwörung George Cadoudals eben auf die Spur gekommen war und das Leben Na poleons von seinen Feinden ernsthaft bedroht schien. Der Stich zeigt den Konsul auf einer Fahrt durch die Straßen von Paris. Er sitzt in einem vollständig geschlossenen Wagen, den sechs eilende Pferde ziehen. Ein Schwarm von galoppirenden Neitcrn umgibt ihn, Phantastischen Gestalten in orientalischer Tracht, mit Traba nen aus dem Haupte, bunten, reich gestickten Jucken und weiten Puder hosen, rollenden Augen und martia lischen Schnurrbärten. Sie schwingen trumtne Säbel in den Fäusten und in ihren breiten Gurtelschärven stecken Revolver und Dolche. So braust der unheimliche Zug vorüber und mit Erstaunen und mit Grauen sebn die» friedlichen Bürger ihm nach Napo leon hatte diese Leibgarde aus Egytp ten mitgebracht. Sie bestand aus Griechen, Konten, Suriern und Mal tesern und war ihm mit Leib und Seele ergeben. Bald umgab sie ein K anz von Legenden und man erzaylte Fitrchterliches von ihrer Grausamkeit nnd Wildheit. Dabei waren es meist durchaus friedliche und biedere Men schenkinder-, eher ein wenig schlaff und indolent als unternehmungglustig nnd triegerisch· Das galt im Grunde, anch von dem Mamelulen Rustam, der am Tage und bei Nacht fast keinen Augenblick lang von der Seite Natio leons wich und daher bald eine popu: läre und umschtneichelte Persönlichteit wurde. Jn dem soeben erschienenen vierten Bande seines verdienstvollen und interessanten Wertes ,,Vielle5 maisong vieux papiers« erzählt G. Lenotre, der unermüdlich fleißige Pa; riser Geschicht-Zwischen den Lebens -aang dieses Leibivächters des größten Ittriegghelden der neuern Zeit. Rustani hat seine erste Begegnung mit Napoleon selbst geschildert. Sie geschah in Kairo. Aug Georgien ge bürtig war Rustam fünfmal als Sklave verkauft und schließlich nach allerlei Abenteuern nach Egypten ver schlagen worden. Der General Bo I naparte suchte eingeborene Führer und so brachte man ihm auch Rustam. »Das erste, was er thut«, so berichtet Rustani, ,,ist, daß er mich an den Oh ren zieht. Er sagt, ob ich reiten tann. Jch sage ihm: ja. Dann fragt er mich, ob ich ordentlich mit dem Säbel hauen kann. Jch sage ihm: »Ja« ich habe sogar mehrere Araber mit dem Säbel erschlagen«. Jch zeige ihm eine Wunde aus meiner Hand. Er sagt: »Schön. Wie heißest Duk« Jch sage ihm: »Jjahia«. Er sagt: »Das ist ja ein türkischer Name- Wie hießest Du in (tteorgien.?« Jch sagte ihm: »Ich heiße Nitstantssliustani«. -— »Ich will nicht, daß Du Dich mit Deinem tür kischen Namen nennst. Du sollst Dich Nustam nennen«. Dann ging er in sein Zimmer, brachte mir einen da maszirten Säbel, an dessen Griff sechs graste Diamanten waren, und ein Paar goldverzierte Pistolen. Er sagte zu mir: »Hier, dac- ist siir Dich! Ich gebe Dir das und werde fiir Dich sor, gen«. Schon am Abende dieses Tages bediente Rastan Napoleon beim Ef fen und Nachts schlief er auf seiner Schwelle. Napoleons Wahl war auf ihn gefallen, weil er sich durch sein stattliches, lriistigeg Aeußere, seine re gelmäßigen Züge und den stolzen Ausdruck seines Antlitzeg von seinen Gefährten vortheilhast unterschied Er hing an seinem Gebieter mit der Treue einer Bulldogge und tviirde je den zerrissen haben, der die Hand ge gen ihn erhoben hätte. Das; er damit eine Art Von historischer Mission er füllte, dasiir besaß er nicht das leiseste Gefühl. War eg nicht natürlich, daß er den Ell-kann schiitzte, dein er ein nie erhofsteg Wohlleben, gutes Essen und —- ivag er noch hoher schätzte -— reich -licheg Trinten, schöne Kleider und viel Geld verdantte? Zu seiner staiiers trönung läßt Napoleon ihm Gewän ider anfertigen, die 9000 Freuka ko sten, und so reitet er in dem Zuge mit, der sich von den Tuilerien nach der Kirche von NotreDame bewegt. Das ist der Höhepunkt seines Lebens-· Alle haben ihn bewundert, jeder Fremde, der nach Paris lommi, sucht ihn aus und sein Bild ist in Tausen den von Exemplar-en verbreitet. Die kaiserliche Familie verwöhnt ihn, »o L sephine hört seine Klagen geduldig an, —— und er hat viel zu klagen, denn er list empfindlich und glaubt sich leicht izurückgesetzi. Geräth er in Streit, so s nimmt Navoleon stets siir ihn Partei. sEinmal hat ein Latai ihn einen sStlaven geschimpt, und wie er sich darüber beschwert, erwidert der Kai sser ihm zornig: »Einen Stlavea hast Du Dich schelten lassen? Hattest Du denn keinen Dolch bei Dir?« Sanf ter setzt er dann hinzu: ,,Oder we lnigstens einen Stock? Einen Skla ven! Bin ich ein Vey oder ein Pascha?« Er überhäuft ihn mit Geschenlen Als Büchsenspanner er Ihält Rusiain 2400 Franks jährlich 4 ’Daneben bezieht er eine lebensläng liche Pension pon 1200 yrants, die .fpäter verdoppelt und fast verdut facht wird. Die Geschenke, die der Kaiser ihm außer der Reihe macht, sind selbst nach heutigen Begriffen "sehr bedeutend und betragen zu Neu jahr gewöhnlich 5000 oder 6000 Fr. inneS Abends spielt der Kaiser Vingt-et-un und gewinnt. Er läßt Rustam rufen und der Leilnnamelnl erscheint im Satan, die rechte Hand Jam Turban, die linke am Säbel: »griffe. Napoleon spricht: »Da, nimm meinen Gewinn!« und wirft ihm» eine Hand voll Gold, 600 Franks, zu.s" Das gleiche wiederholt sich am näch sten Abend und am übernäehften sind es sogar 700 Franks. Jst der Kaiser ohne ihn verreist, so verzehrt sich Nustam vor Sehnsucht nach ihm. Dann läßt ihn wohl die Königin Hortense, Napoleons schöne Stieftoch ter, kommen, malt ihn und singt ihm tleine Lieder vor, als er einzuschan knern beginnt. Jm Jahre 1806 verliebte sich Ru stam in das Fräulein Alexandrinc Douville, die Tochter eines Kammer dienerg der Kaiserin Josephin9. Aber der Heirath stellten sich Schwie rigkeiten entgegen, da Rustam nichtl katholisch war nnd keine Ausweigpa---l viere hatte. Napoleon beseitigte sie; mit einem Machtworte, unterzeichnetef selbst den Ehetvntratt und bezahlte das Hochzeitsmahl. So viel Glück und Glanz konnte Rustam aus die Dauer, auch lörperlich, nicht vertra gen. Er wurde bequem und er wurde sett. Als Napoleon abgedantt hatte, entfernte er sich heimlich von Fon taineblean, um ihm nicht nach Elba solgen zu müssen, und wie er sich während der hundert Tage melden ließ, wollte Napoleon »den Feigling« nicht sehen und seinen Namen nicht hören. Und nun wird aus dem grimmen Leibmarneluten ein behäbL ger französischer Rentier. Anfangs überwacht ihn die Polizei deg wieder hergestellten Königthums etwas miß trauisch, besonders, weil er mehrmals geheimnißvollc Reisen nach England unternimmt. Doch dann stellt sich her aus, das-, Rustam sich dort —- auf Jahrmarkten sür Geld sehen läßt, und sortab bleibt er unbehelligt. Um das Jahr 1825 läßt er sich in dem Städtchen Dourdam, sechs Poststun den von Paris-, mit Frau nnd Kind und mit seinen Schwiegereltern nie der. Hier rechnet man ihn, seines Wohlstandes wegen, bald zu den Ho noratioren und die Kinder geben dem immer rundlicher nnd schwersälliaer werdenden gemiitblichen alten Herrn den Spitznamen ,,Papa Tarn«. »Papa Tom« starb am 7. Dezem ber 1845 im Alter von 64 Jahren. Auf dein Kirchhofe von Dourdam ist noch jetzt sein Grab zu sehen. Eine abgebrochene aothische Säule steht daraus und träat die Worte: »Hier liegt Rustam Naza, ehemaliger Ma inelnt des Kaisers Napoleon, geboren zu Tislis in Georgien«. Gericht-references in England Mit dein neuen Jahre ist in Eng land die Einrichtung der Jugendge richte in Wirksamkeit getreten. Axt-. 4. d. M. san-den bei sechs von den Ansehn Londoner Polizei : Gerichten turze Nachiuitiagssitzungcn statt, in denen zum ersten Male nach dem Ge setz Von Ums Kinder bis zu sechzehn Jahren allein, ohne Berührung init der sonstigen Kundschaft der Polizei gerichte, vorgesiihrt wurden. Der Ort der Verhandlung war auch nicht der gewöhnliche Eihungcssaal mit dem ,,Tod«, dein in der Mitte us Saales errichteten hohen Vlngetlaatenstand, sondern der Raum, wo der Richter für gewöhnlich Sachen der freiwilligen Gerichte-harten zu erledigen pflegt, von denen übrigens auch in diesen neuen Sitzungen eine Gattung, die Erlaubniß fiir Verwendung von Lin dern bei Schaustellungen behandelt wir-d. Die Sitzungen der Jugendae richte sind nicht össentlichz nur die Presse ist zugelassen Es sind vor lausig bei einzetnen Polizeigerichten zwei Nachmittage in der Woche sitt das Jugend-Gericht angesetzt. Der Richter braucht das Gesetz gar nicht anzuwenden, sondern hat so gut wie ganz freies Ermessen Ek- handelt siclx om ersten Tage zufällig um ganz ge ringfügige Sachen, die noch vor sech zig oder siebzig Jahren schwer geahn det worden wären, jetzt aber in der Regel mit einein Verweis erledigt werden. Eine andere kleine Reform, die auch smit dem neuen Jahre in Kraft getreten ist, hat dem Publikum, das mit den Gerichten zu thun hat, eine begreifliche Genugthuung bereitet. Es ist die Befreiung von der gesund-heim widrigen Vorschrift, bei der Eil-»Blei stung das Neue Testament küssen zu srniissen. Der Gesetzesentwuri hatte ratgesehem daß das Testament gar nicht mehr benutzt, die Eidessleistnsg vielmehr unter Erhebung der rechten Hand geschehen sollte, vdas Obethsns hat jedoch durchgesetzt daß das Buch dabei in die Höhe zu halten ist. Uebrigens können solche, die keine re ligiöse Formel anerkennen, an Eides Statt die einfache Bekräftigung wäh len. . Tröiilich. Patient: ,,Denien Sie, daß Sie mir wirklich helfen tönnen, Herr Dok ior?« Arzt: »Kein Zweifel, mein Lieber! Gerade mit dieser Krankheitserschei nung bin ich ganz vertraut. Jch be handle nämlich einen Patienten, der genau dasselbe Leiden hat wie Sie, schon seit zwanzig Jahren!« Giinfiiger Umstand. Erbe: »Das triffi sich ja ausge zeichnet: ich habe gerade zum Begräb nis; meiner Erbiante einen solchen Schnupfen, daß mir die Augen fort während thränen!« Unbenbsimtigtk Beleidigung. Arzt: »Der Zustand Jhrer Frau ist so bedenklich, Herr Hader, daß es mir lieb wäre, wenn Sie noch einen Spe zialisten beiziehen würden . . . .« Haber: »Sehen Sie, Herr Doktor, da hab’ ich doch wieder einmal recht. Schon lange rede ich meiner Sophie zu, sie möge einen ordentlichen Arzt fragen —--- aber sie hat immer gemeint, es tönnt’ Sie verdrießen!« Recht ungern-link Fremder: »Welchen Barbier können Sie mir hier wohl empfehlen?« Einheimischen »’c- kommt d’raus an: wollen Sie zum Rasiren, Haar schneiden oder ZahnziehenZ Rasiren thut der Müller am schlechtesien, Haarschneiben der Meier, und zum -Zahnziehen möcht’ ich Ihnen keinen von beiden empfehlen!« Er wcifx sich zu helfen. Der geizige Schulzenbauer: »Gen Ioollt Jhr doch nicht für den Weg neh men, Michel; aber frühsiiickt ordent lich, dahier ist Brot und Wurst!« Michel: »Ach, die icheene Magen wursii Die soll ich anschneide?« Schulzenbauer: Freilich sollst du sie anschneiden.« Michel: »Wo ich will?« Schulzenbauer: »Natürlich darfst du sie anschneiden, wo du willsU Michel: »Na, da dank ich scheene!— Da roill ich sie derbe-eine anschneide!« Streng. »Denk dir, er hatte die Frechheit, mich zu küssen!« »Du warst natürlich sehr empört?« »Ja » jeregnial!« »Hm, hin, da habe ich ja gar keinen Knoten im Taschentuch; da habe ich sicher vergessen, etwas- zu oergessen.« llnlxenlisichtigte Beleidigung. («s ... .«—.—--—-- -i w 911It:,.TcIZnIn«-nd JlncI man Iit so lchcntlII1., LIcI1.L1nlIrI,daf-, Is-: Inn lieb um«-. nIInII EIc nott) cIncn chzinlisteu beziehen würden HIItnst »Ich-en Zin Herr Zutun-, da Imh ich doch IvndIr einmal mm Schon chnac lcdc Im mcsnIII -oplIII« kn, fic möge cincn nIdentlichcn otut fmmsn -— aber sie lmI Immer gemeint. tsc- tönnt’ Eic ver dricfchIl« M s Djsp lsölikrc Tom(c:·. n ·u dx I n »zum Onusfniuicinn »Wenn du- Eicr frisch tscihcn sollen, qnä’ Far, müssen s· on einen tithlen Ort ge legt merdenl« »Wie könnte man das aber mir der Heime beibringen?«