Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 15, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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    Wandungen
---.— -..——-.- —-—x—,. ..—«
Roman von Grika yiedberg.
(1. FortsetzungJ
Eugenie haiie mit fieberhaster
Spannung zugehöri. jetzt sprang sie
ans und rief außer sich: »Wenn sie
meinen Vater so liebte, daß sie alles.
Wort und Treue, jedes weibliche Zart
gefiihl vergaß, um ihn zu besitzen. wie
ist es möglich, daß sie dann sein Kind«
sein einziges Kind, so quälen kann,
wie sie es gethan?'·
»Aber, Eugenie, das ist ja wieder
psychologisch so leicht erklärlich. Ge
rade weil sie alles vergaß, um ihn
zu hesiyem mußte die Erkenntnik daß
sie ihm nichts sei, daß sie vergeblich
die Schranken guter Sitte und weid
lieher Zurückhaltung durchbrochen, ihr
herz geradezu oernichiend treffen. Die
tödiliehe Wunde, die ihrem Stolz da
mit geschlagen, konnte eine Natur wie
die ihre nie verwinden. und wie sie
einst geliebt, grenzenlos, ohne Maß,
is Mit sit fest-«
»Was that sie? Hat sie schon da
mals versucht. sich siir diese Demü
ihigung zu rächen?«
aSie ist lange Zeit hesirebi gewesen«
das Brrhiiliniß zwischen Ihrem Va
ter und seiner Braut zu zerstören —
oergeblich, denn nach ein paar Jahren«
fährte er sein junges Weib in sein
Pfarrhaus zu einem reinen und gro
ßen. leider nur so kurzen Glück-"
»Wie aber konnte er mich. den
Charakter dieser Frau kennend, vor
seinem Tode ihr annerirauenf Mußte
er nicht mit dieser Unoersöhnlichkeit,
mit diesem Daß rechnen. als er iiber
die Zukunft seines Kindes entschiedk
»Er rechnete wohl mit dem Gu
ten, Edlen, das in so mancher Men
schenbrust nur tief verborgen ruht —
angesichii des» Tode-« isi man leichter
geneigt, an das Osmiche im Menschen,
ais an irdische Fehler und Schwächen
sn denken. Zudem war Jhr Onke!
sein einziger Bruder, der nächste und
natürlichsie Beschiiper der Waise. A »
Und dann, vergegenwartigen Sie
sich die rerzweiselte Lage Jhres un
glücklichen Vaters. Sein junges
Weib hatte er eben begraben, als auch
er sich von dem typhösen Fieber, das
Opfer und Opfer in dem Städtchen
forderte. ergriffen fühlte; kaum blieb
ihm Zeit, die nothwendigsten Anord
nungen zu treffen. Mit schau schwin
denden Sinnen schrieb er den Brief,
der den Bruder an sein Sterdedett tief.
Innerhalb acht Tagen waren Sie ver
waist, mein armes Kind, und das
Haus Ihrer Verwandten nahm Sie
aus.«
.Um nach Ontelz Tode ein Kerker
in werden, ein unerträglicher Kerker.
Wohl war ei das nächste, das natür
lichste — aber hätte mein Vater mich
zu demgeringsten Tagelöhner in sei
ner Gemeinde gegeben, es wäre besser,
menschlicher gewesen,« ries Eugenie
verzweislungjvoll.
«halt, Kind! Jetzt sredeln Sie.
Klagen Sie nicht Jhren Vater, den
das Schicksal so hart schlug, noch im
Grabe an! Er handelte nach bestem
Wissen und Ermessen in der kurzen
Frist, die ihm gegeben war. Vielleicht
hätte das herz Jhrer Tante sich Ih
nen allmähich zugewandt, wenn die
Natur Ihnen auch nur etwai- von Ih
rem blonden Vater verliehen hätte.
Indessen Sie sind so ganz Ihrer Mut
ter wie aus dem Gesicht geschnitten,l
daß es zu verstehen ist, wie diese täg-·
lich immer mehr hervortretende Aehn
lichteit mit der siegreichen Nebenbuhi
lerin sieti aufs neu zu einem Stachel;
für die stolze Frau wurde.« (
»Aber warum ließ sie mich denn?
nicht sortt Warum zwingt sie mich
fest noch unausgeseht in ihre Nähe?
Warum ließ sie mich nichts lernen
nnd in der Fremde mein Brot verdie
neni Warum schwor sie mir noch eben
in, ich würde ihr haus nie oder nurx
an der band des von ihr bestimmten
Gatten verlassen?«
»So wie ich diesen Charakter he
nriheile, ist es einerseits der Stolz
ihres alten, reichen Hauses, der
nicht zugibt, daß ein so nahes Fami
lienmitglied in irgend welcher Dienst
harkeit lebt, andererseits ist es ihre
Rache —- Sie sollen denselben Weg
sehen, den sie einsi, gezwungen durch
Ihren Vater, gegangen ist — den
Weg in eine frendlose Ehe ohne
Lief-X
»Und so weit ist es ja nun. Bald
hat str ihre Rache. Wenn ich je noch
Mi, mich gegen ihre Macht, ihren
Wden Willen auslehnen zu tön
ten, ieit sehe ich ein, ei wärde ganz
versehen-, ganz vergehen- sein. ha
Ien Sie Denk fiir Ihre Aufklärung,
siehe Wem Ualtroppl Oh mich das
W heutiheiien Risi. was sie an
sise Ietfchuldet ich weiß es noch nicht;
I siihte nur noch gewisser, daß ich
stein Schicksal nicht entgehen
. Exis- Sie sie-i sp items-, sichs
se M. mein sind! Warum weisen
sie jede Oeffnung auf eine frohere
Zukunft mit solcher Bestimmtheit von
fich? Wollen Sie sich nicht einmal
Mühe geben, dem Baurath Roddin,
wenn Sie ihn noch nicht lieben kön
nen, so doch zu vertrauen, und an die
fes auf Vertrauen und Achtung ge
gründete Glück zu glauben?«
»Weil ich weiß« daß man mich nicht
zur Ruhe kommen läßt. Jch bin ge
wiß. daß Dora Görn nicht raften
wird, bis sie das, was Roddin mir
entgegenbringen mag, zerstört hat, bis
es in Mißtrauen und Zweifel unter
gegangen fein wird. Und ich fürchte
mich vor ihm —- auch vor seiner
Liebe! Jch fürchte feine pedantifche
und doch jähzornige Art, das Domi
nirende feines Wesens, aber gleichviel,
es muß einmal fein und —- ej wird(
fein.«
Engenie fanl in din Sessel zurück
und ftiihte ihren Kopf matt mit ge
sefchloffenen Augen gegen die Lehne.
Erna und ihre Mutter sahen mit
traurigen Blicken auf das blasse,
müde Gesicht, in dem die blößlichen
Lippen neroös zuckten und die Adern
an den Schlöfen wie ein blaues Reh
beäugftigend scharf hervortraten.
Wie und durch wen tonnte hier ge
holfen werden?
Da klang draußen ein schneller,
elaftifcher Schritt. Vom Borzimrner
herein hörte man das Klirren von
Sporen und das Abfchnallen eines
SäbeU
»Ist-at ift getornmen,'· fagte
Erna leife, und beide Frauen sahen
mit ängstlicher Spannung zu Eugenie
hinüber. Aber, obgleich auch sie den
Antomrnenden gehört haben mußte«
blieb sie regungslos und ihr Antlis
ftill und unbewegt.
Erna öffnete die Thin und rief in
das halbduntle Zimmer hinaus: ,hier
im Solon find wir, Robert. Eugenie
ist auch hier.' 1
»Ach!' Ein leiser, freudiger Laut.
und hastig trat der junge Ossizier
iiber die Schwelle.
Dieselbe hohe Gestalt wie seine
Schwester, dieselben klugen, grauen
Augen, dicht an der schmalen geraden
Nase stehend, derselbe ausdruelsvolle
Mund, dessen etwas herbe Linien
durch den blonden Schnukrbart ver
deckt wurden. Ei war fast wunder
har, wie sehr die Geschwister sich
glichen.
.Eugenie, wie lange sah ich Sie
nicht!" Er eilte auf das junge Mäd
chen zu, und seine Augen leuchteten
warm und liebevoll zu ihr nieder. »So
bleich und erschöpft sehen Sie aus-l
Sie sind lranl oder -——?«
»Ich bin nicht trant. Robert. Bin
ich so bleich? Nun, es thut nicht«
Sie sah mit einem dunklen Blick zu
ihm aus· »Ja« ja, lange sahen wir
uns nicht« Und werden wir uns tiinfi
tig sehen? Wie wird es sein, wenn-?
Ach, laß fahren dahinl« ries sie dann
laut und sprang auf.
Robert Waltropp sah verständnis
los von einer der Frauen zu der an
deren. Seine Mutter trat zu ihm und,
leicht den Arm um feine Schulter le
gend, sagte sie:
.Eugenie ist heute aufgeregt und
fiihlt sich Lehr niedergedrückt, mein
Junge; das macht,« sie zögerte taum
merklich, »das macht, sie steht vor ei
ner Entscheidung einer sehr wichtigen
Entschließung —« sie tam nicht weiter,
denn Robert war auf Eugenie zuge
stiith und faßte ungestiim ihre hande.
«Eugenie, um Gottes willen, Sie
werden doch in dieser Lebensfrage sich
nicht willenlos Ihrer Taste fügen
wollen? Hierin, nur hierin bleiben Sie
fest! Es besteht tein Geset, das Sie
verpflichten, sich so bedingungslos zu
unterwerfen. Niemand, niemands
lann Sie zwingen, wenn nur Sie
selbsi —« er M.
«Wenn ich nur selbst nicht will. So
wollten Sie doch sagen, Robert, nicht
wahr? Nun denn —- ich selbst will.
Jch will, weil ich zu arm bin, um aus
Liebe heirathen zu können, ich will,
weil ich weder Talent noch Energie
genug besche, um selbständig zu sein,
zich will um einer Bersorgung willen
und weil ich des Kampses miide bin,
und endlich will ich, weil ich soll und
muß- Vergessen Sie nicht« daß ich
mein ganzes Leben immer nur ge
imuszh nie gewollt habe —- da haben
Sie die ganze feige Erbärmlichteit.«
Robert stand regungslos und sah in
das junge Gesicht, das sast entstellt
wurde durch Bittereit und Leid. Lang
sam legte sich eine tiese Blässe iiber
seine energischen Züge, dunkel, sast
schwarz vor innerer Qual gliibten
seine Augen sie an Wie hatte er,sie
geliebt! Dieses scheue, surchtsame
Rind, wie pst batte ei schussuchend
seine band gest-ist« wenn ihr Schelte
und Strafe drohte, wie war später
dem erwachsenen Mädchen das stille
heim der Seinen wie ein Ast-l usll
DIWTL und Frieden, eine Zuflucht
aus der kalten Pracht, der hergest
leere ihrer Umgebung gewesen! Wie
—
batte er gearbeitet und gestrebt. um
in seinem Beruf der sesten einer u
sein« um, wenn auch nach Jahren ers,
sie heimzuhplen als sein Weib, das
arme, gequälte Herz aus seinem Bann
zu lösen und durch die Krast seiner
Liede ei dem Glück zu erschiieksz
«Wie hatte er sich das so beseeligend
gedacht! Und nun? «Las; sahren da
hin« — so sprach sie selbst das Ur
theil über all seine Glückshossnungern
Hatte er ein Recht, ihr zu ziirnenf
Durste er von ihr, der Perschiichters
ten, die Mast fordern, um des der
einstigen, so bescheidenen Looses an
seiner Seite willen noch lange Jahre
hindurch die Quälereien ihrer Tante
zu erdulden, die nie, das wußte er,
ihre Einwilligung zu diesem herze-is
bunde geben würde? Nein, er grollte
ihr nicht. Ein tiefes Erbarmen mit
diesem armen. ohne Licht und Wärme
ausgewachsenen Geschöpf. das traurig
und matt wie eine welke Blume ihr
Haupt zur Erde senlte, zog in sein
herz. Er hätte sie an seine Brust zie
hen und ihr selbst Trost und Muth
einsprechen mögen.
So standen sich die beiden stumm
gegenüber, und während diese Gedan
ten durch sein Hirn jagten, wurzelten
ihre Blicke ineinander —— schmerzlich
fragend, abschiednehmend.
Unten rollte ein Wagen in raschem
Trabe heran und hielt mit einem
scharfen Ruck vor dem Hause. Eugenir
fuhr wir aus einem Traum erwachend
auf, und noch immer mit den Augen
an Roberto schmerzdurchwiihlten Zü
gen hängend, sliifterte sie halb abwe
s send:
.Der Wagen ist da Nun muß ich
fort. Ob ich wiederkomme? Gott al
lein weiß. ob ich nicht zum lehten
IMale hier war.«
Schwer und thriinendunlel glitten
Jihre Blicke durch den vertrauteni
Nebel sein unbedecktej haupt im un
Raum dann raffte sie hastig ihre
Sachen auf, rief ein halbersticktes Le-j
bewohl den bestürzt daftehenden
Frauen zu und war zur Thür hin
aus, so eilig, daß Robert ihr kaum
zu folgen vermochte. Unten an der«
hauithiir holte er sie ein« wortlos
öffnete er ihr den Wagenschlag, und
erst, als sie schon saß, stieß er her
vor:
»So nehmen Sie denn meine
Wünsche für Ihr Glück mit in Jhre
neue Zukunft, Cugenir. Möchte ein
anderer Jhnen geben« was ich —" ers
brach ab, nahm ihre hand, die eistalt l
in ihrem Schoß lag, und preßte seinel
behenden Lippen darauf, dann trat er
zurück. Eugenie sah wie durch einen
sicheren Laternenlicht sah wir der
Rachtwind durch sein blondei haar·
strich. Die Pferde zogen an und fiihr- (
ten sie fort von der Stätte, die der
einzige Lichtpuntt gewesen in ihrem
freudlosen Dasein.
Drittes Kapitel.
.Das gnädige Fräulein fertig?«
«Jawohl, gnädige Frau. Fräulein
warten im Salon.«
Bertha öffnete die Thiir bor der
Kommerzienriithim die in voller
Toiletto aus ihrem Ankleidezimmer
trat. Jrnposant sah sie aus, diese
Frau. Schwere, schwarze Atlasfals
ten rauschtrn um eine majestiitische
Gestalt, und der tostbare antite
Schmuck zierte ein haupt, das so stolz
getragen wurde, wie das einer Fürstin
— einen warmbliitigen Menschen aber
fror es in ihrer Nähe
Und wie ein Eishauch überlief es
Hauch Eugenie, die wartend im Salons
;an den Flügel gelehnt stand, als ihres
Tante eintrat l
»Nun, die rührsame Szene glücklich
überstanden? Jch irre doch nicht irrt
der Annahme, daß du dein beladenes
herz an dern mitsiihlenden Busen der’
Waltropps ausgeschüttet hast? Ein
Wunder, daß du mit dem Leben da
«vongetornnien dikti«
»Ich habe die Waltropps freilich
von deinen Bestimmungen iiber mich
in Kenntniß gesetzt; ob dieses sehr
rührsani war — ich vermuthe, das ist
von geringem Interesse siir tdich.'«
»Nett von dir, daß du doch ein
räumst, daß ich Bestimmungen über
dich trefsen tonn —- im übrigen, du
bereitest rnir Ueberraschungen heute
IAbend. Wie vorhin deinen Scharf
s sinn, muß ich jetzt dein Verwandlungs
vermögen bewundern; du träumst dich
entschieden schon als Frau Baurath
Roddin —- wie sonst erlaubtest du dir
dieie Sprache7«
,Jch träume nicht, Taste. Jch bin
wach —- dn sorgst schon dafür.«
»So ninirn deine Sinne zusammen,
wenn sie wirklich wach find, und ver
giß nicht, was und mit wem du
sprichst! Um dir jedoch nicht ferner
Gelege« Ausbildung diese
neuettvachten Talents siir unpassende
Redensarten zu geden, verbiete ich dir
hiermit jeden Vertedr mit den Wal
tropps. «
»Und dieses Verbot ist wirklich ein
Restes meines neuentdeckten Tolentöx
M- sd ei nicht liingii schon deine Ab
sicht gewesen wäre, diese karg deines
sene Freude zu zerstören! Uebrigen-,
wäre es nicht angemessen die sestinn
muss til-er meinen Verkehr tiinstig
dem sei-roth zu til-erlagen ils-redet
ja dein Nachfolger in der herrschan
über mich fein wirdf«
»Sieh da, das Gänschen macht sich
wenigstens keine Jllusionenl Du kalt
meinen Befehl verstanden? Daß mein
Nachfolger, wie du den Baurath fo
einsieht-voll nennst, mir beifiimmen
wird, laß getrost meine-Sorge feins«
»Unzroeifelhafl.« Engenie sprach
immerfort mit einem leier Lächeln.
als triebe sie ein fremder Wille, die
Gefürchtele zu reizen. Jhe war zu
nmthe wie einem Soldaten, der alles
verloren sieht und sich nun mit dum
pfer Gleichgültigkeit den Kugeln aus
setzt —- fchlimmer als es ist, kamst
nicht mehr werden. »Ich muß mich
nur manchmal fragen, woher eigent
lich dein Zorn gegen diese harmlosen
iMenschen lomtni; der Grund muß
»weil zurückliegen, ganz weit in der
«Vergangenheii, von der« — sie net-h
stummte entsedt
Wie mit zum Schlage erhobenem
Arm stand die Kommerzienriithin
vor ihr. Aus ihrem todtenhlassen
Gesicht sprühten die Augen in so wil
dem Haß, daß das Mädchen zurück
wich.
»Schweig! Schweig. oder beim
Jewiaen Gott »S« Einen Moment
schien es als solle die hand wirllich
zum Schlage niedersinlen dann
hatte sie iich schon wieder in der Ge
walt.
»Nörrin, alberne Mitein! Denkst
du an mir deine lindische Bosheit
üben zu können? Suche dir ein ande
res Suiet siir deine ABC-Studien in
diesem Genre« Sie wars den Mantel
um« und nur an dem Beben ihrer
hände sah man, wie der Ausruhr in
ihr tobte.
»Noch eins. Kommt Roddin in die
Loge. so lennlt du meinen unabänder
lichen Willen, und ferner. sollte es dir
möglich sein, so spielt dich etwas we
niger aus das Gänschen hinaus als
gewöhnlich bei seinen Besuchen —— ei
möchte ihm sonst gar zu zeitig die
Reue onlommen."
Die wundervollen Klänge der Lo
hengrinouoerture ransehten schon
durch das Haus« ol- die Kommerzien
räthin mit ihrer Nichte ihre Loge be-»
trat. Kaum hatten sie Platz genom
men, so richteten sich oom Partett aus
die Gläser mehrerer jungen Ossiziere
aus die beiden Damen.
«·saltisch, scharmantej Geschöpf, die
Kleine da oben!« nöselte der Leutnant
R. »Hei so etwas Blumenhasteo, so
weiß, so tiihl wie —- sinde leider nicht
gleich rechten Ausdruck
«Wie eine Lotoohlume, meinen Sirtl
Ganz recht. Herr Kamerad«'· siel ein
älterer, ernst aussehender —Oherleut
nant von der Urtillerie ein. Deut
lich genug steht dem armen Ding die«
Angst oor der Gletscherdame neben ihr
aui dem Gesicht geschriebenk «
«Gletscherdame ist gut. RönnteJ
mon denn da nicht den Retter spie-?
len?" fragte ein ondrrer blutjunger
Otjizien
»Ist ja gerade das verdammte Pech«
Fehlt ver goldene hintergrund ganz:
und gar. All der Glanz, nur Wohl-’
thaten der Frau Tante —- nichts zu
machenk
.Schade auf Ehre! Diese Perle in
richtiger Fassung —- eaniset Scheus
lich, wenn sich da so ein Philister ran
pirschte."
.Nehrnen Sie’s laltbliitiz Herr
Hamen-in Fiir uns arme Stlaven
des verdammten Mammons —- zum
Geier, siir uns blüht diese Blume
nicht«
«Scheint auch schon anderweitig en
gagirt zu sein. Ah wenn mich nicht
alles täuscht meine herren sehen Sie
dorti«
Die Gläser flogen wieder vor die
Augen und richteten sich insge
latnmt aus die Lege der Kommerzien
rathin, in die soeben der Wurnth
Roddin getreten war.
»Alle Wetter, has sieht wahrhaftig
so aus. Also der ist der Auserwählte!
Na kanns sich leisten. Sündhaft viel
Moos, der Kerl·" ·
«Verdrehte Welt! Immer vor den
elenden Geldsöcken die Waffen strecken! i
Keine sröhliche Attacte möglich. Oede
Afsäre das· Oh, attention messieursZ
Die Sache scheint definitiv perseit.'«l
Die Herren iahen gespannt nach vers
Lage, wo vie Kommerzienräthin sichI
liebenswürdig dem eintretenden Rad-«
din zuwandte.
i Die sichtliche Befangenheit des sonst
so zuversichtlichen Mannes entloate ihr
ein spöttisches Lächeln, mit lalter
Verachtung sah sie auf die neben ihr
sihenhe Eugenie.
»Nimm dich zufammen,« herrschte
sie dem erhleichenden Mädchen zu hin
ter ihrem großen Fächer. »Mein tie
her Bat-rath, der nächste Morgen
wiirde Ihnen Antwort auf Ihre An
trage gebracht hahen.'«
«Tansenhmat Pardon, meine gnä
dtgste Zran,« stotterte sieht-im dessen
Selbstbewußtsein und die Ueberzeni
gang, hier, wie überall, der allein Be
gltickende zu lein, ihm ilher eine eno
mentane Unsicherheit nicht hinweghalf.
»Gewiß, es ist hier kaum der ge
eignete Ori, lo gewissermaßen über
Sein nnd Nichtsein zu entscheiden —
iehoch die peinigenhe Ungewißheit —
glt ich die Damen hier erbliate,
a —
« ·Getoiß« gewiß, bester Rot-bin, ich
Patient: »Mit Ihrem Rat bin ich ich ön herkictgeiallkm Dosten ein halbes
Jahr habe Ich kein sck getrunken, und genügt bat re doch nicht-N nvükendj da
Imm im in meinem Leben nicht wieder Anhalt-IF
! verftehe das. Nun holen Sie fich die
« Antwort von Engenie felbfi. Jch kann
verrathen, daß sie ohne Zweifel zu
Jhrer Zufriedenheit ausfallen wird.'
Sie lehnte sich zuriirt in den Schat
ten der Logenvorhiinge und fah mit
Genugthuung daß Noddin und Eu
genie, im hellften Lichte allein sicht
bar, das Ziel ungezählter Reugieriger
waren.
«Eugenie, wenn ich das hoffen
diirftes Wenn ich die Gewißheit
Jhrer Einwilligung hötte!" Er fuchte
ihre Hand zu fassen, unbekümmert um
all die beobachtenden Blicke; sie aber
ftiefz zitternd hervor:
.Man sieht fo fehr nach uns. Jch
bitte Sie, treten Sie etwas in den
hintergrund.«
«Wozu?« fragte die Kommerzien
riithin, «morgen weiß es ja doch die
ganze Residenz. Nehmen Sie ruhig
Plah neben Ihrer Braut, lieber Rod
din.«
Sie riicite bei diesen Worten ein
wenig zur Seite, fo daß der Sessel
neben Eugenie vorn an der Brüstung
yfrei wurde. Roddin fani erleichtert
Waran nieder, und fich zu Eugenie
shiniiberbeugenh fagte er mit mühfarn
oerhaltener Ungeduld:
»Noch immer nicht habe ich von
Jhnen ielbft die Antwort. Bitte, Eu
genie, sprechen Sie« fagen Sie nur ein
Wort!«
Das Mädchen fah da, behend in
jedem Nerv. Vergebens mühten sich
ihre eitlalten Lippen, einen Laut her
vorzubringen Angftvoll wie eine
Gefangene. fah sie sich in dem engen
Raum. der sie und ihre Peiniger um
fchlofz« um. Jhr einziger Gedanke
»war: fliehen. fliehen —-— aber ihre
Glieder waren fchwer wie Blei, sie
hätten ihr den Dienft versagt; und
wozu auch, wohin? Es war zu spät!
»Sie fpannen mich auf die Zotten
Eugenie. Ihre Frau Tante nannte
Sie eben meine Braut —- Sie aber
bleiben stumm. Sollte es Jhnen etwa
ein Opfer fein —- ich will nicht hof
sen, das —
Eugenie fah das erwachende Miß
trauen in feinen Augen ausglimmen,
sah, wie die Adern an den Schlafen,
dieie Verräther seines choleriichen
Temperaments, anschwollen, fühlte
den Blick der Kommerzienräthin fas
zinirend auf sich ruhen, nnd init einem
Gefühl, gemischt aus Grauen und
Willenlosigleit, reichte sie ihm die
Hand.
»Na. Gott sei Dant! Sie verstehen
aber die Menschen zu martern, schöne
Eugeniet Also ich habe ieht Jhre
.Hand, und ich werde sie halten. Ja,
ja, ich werde sie halten« wenn Sie auch
daran zerren. sich zu befreien, wie fest.
Sehen Sie, dann decke ich noch meine
andere hand darüber —- nnd gesan
gen« rettungslos gefangen.«
Sie neigte den Kopf bei feinen
Worten, aus denen fest wieder die
vollste, siegejsichere Zuversicht sprach.
Sie selbst wußte am besten, was diese
Gefangenschaft fiir sie hieß —- ret
tungslos. Etwas wie ein verblaßtes
Lächeln hufchte iiber ihre Züge, die sich
weiß und still wie eine Kamee in der
Reinheit ihres Schnitteö von dem ro
then Samrnet des hintergrundei ab
hoben. Und je länger die Augen des
Mannes aus diesem Antlih ruhten,
um so intensiver entzüaten sie sich an
feiner tadellosen Schönheit.
Mehr und mehr entzündete sich in
seinem Herzen die Flamme einer Lei
denschaft. die rnit fast brutaler Deut
tichteit zu dem Mädchen sprach.
Jhm, dem Lebeinann, dem Frauen
tenner. der in alle höben und Tiefen
der menschlichen Gesellschaft geschaut,
ibm sollte es nicht schwer werden, die
ses tteine, surchtsame Mädchen zu ge
winnen. Und war sie erst ganz sein,
dann sollte seine Leidenschaft wie eine
Woge sie mit sortreissem bis sich zu
der Furcht vor ihm die Liebe gesellte.
Und süß mußte ei fein, sich von ihr
lieben zu lassen, wunderbar süß. Diese
schlanten Glieder hingebend in seinen
Armen zu hatten, auf diese btästichen
Lippen purbnrne Glutb zu tüssen
Unverwandt starrte er sie an, seine
Brust hob und senkte sich unter schwe
ren Atbemsiigem Eugenie gewahrte
mit Entfew, daß er nabe daran
war, seine Selbstbeberrfchung zu ver
lieren. -
Und noch etne andere sah ei —- die
Apmmerzienriitbtm die wie in einem
foffenen Buch in dem Antlitz des
iMannes las, und ein undefinirbarer
Ausdruck von Befriedigung breitete sich
Ziiber ihr ruhiges Gesicht. Sie wußte,
jwas da auf und ab wogte in den See
;len der beiden; sie wußte, welche ver
äzweifelte Angst das herz des Mäd
lehean in schweren Schlägen tlopfen
!machte; sie tannte es, dieses wilde
sFlactern in den Augen des Mannes,
;das nichts in der Seele einer Frau zu
kerwecten vermochte als Furcht und
IWiderwillen —- sie tannte es ganz,
Edas Elend und die Schmach einer Ehe
Zohne Liebe.
I Und weit sie es kannte, weil sie die-·
«len Dornenpfad gegangen war Jahr
sum Jahr, so sollte auch die ihn gehen,
«die ihr ein Stachel im herzen war,
feit sie ihre blauen Märchenaugen ans
lgeschlagen hatte, diefe Augen. die fo
funheimlich denen glichen, die ihm, dem
.Unvergesienen, die Sonne und Wonne
feines Lebens gewesen waren.
Sie wußte genau, daß die Herrsitk
sucht und Leidenschaft Roddins Enge
nie zu feinem willenlosen Geschöpf
machen würde, wußte. daß das arme
.Weib nie das Glück eirkr reinen Liebe
Jtennen lernen und besißen würde.
l Und das war ihr Wert, das Ziel,
«dem sie seit langen Jahren mit der
ganzen zähen Energie ihres Charat
ters zugestrebt hatte, die Rache noch
über das Grab hinaus an derjenigen,
die besessen, was zu besitzen sie der
geblich das Opfer ihres Stolzes ge
bracht hatte.
Bald nun war dieses Wert doll
endet. Sie wußte nach dem heutigen
Abend, daß Roddin sicher nur die al
lertiirzeste Frist verstreichen lassen
würde, bis das bindende Wort Enge
nie ihm überlieferte. Würde dann,
wenn diefes letzte Ziel erreicht war,
ihr eigenes lherz Ruhe finden vor dem
rastlos dohrenden Gedanken, Vergel
tung zu üben, zu thun an dern Rinde
der Verhaßten, wie ihr selbst gesche
heut
Sie wat der Wollust satt, die in
solchem Quälen lag, satt auch von
Grund aus dieses Mädchen, aus deren
Angesicht die Mutter sprach, Zug um
Zug. Das hatte sie ausgestachett zu
immer neuem haß, aber so Jahr um
Jahr, das ermüdete endlich.
Sie würde es als eine Erleichte
rung empfinden, nun sie ihr Szepter
weitergehen konnte« an einen Nachfol
ger, der, dessen war sie sicher, den
Psad nicht mit Rosen bestreuen würde.
Von der Bühne heraus klang in
dessen süß und herzbethötend das Lie
bestied Lohengtins. Mit brennende-«
Augen starrten die beiden eben Bet
tobten aus det Loge aus die wunder
bare Szene, wo Elsa, von ihres jun
gen Gatten Arm umschlungen, an dem
mondbeglänzten Fenster lehnt. Rod
din faßte irn Schuhe des oerduntelten
'3uschauerrautnes Eusenieni hand
und umschloß sie mit preisendetn
Druck. Durch den handschuh hindurch
fühlte sie das Putsiken seines Blutes,
und als ob diese Berührung ihr den
Rest Thttk Stlbskbtbtkkschung raube,
stand sie plöhlich fast taumelnd aus
und bat mit oersagender Stimme:
» »Mit ist nicht wohl, Tante. Jch
bitte dich, laß uns jth schon gehen.'
(Iottsehung solgt.)
Ah
s ---
Der König von Siam toill Amerika
’einen Besuch abstatten. Das ist schon
deswegen erster-lich weil dadurch die
hierzulande übliche irrtümliche Ansicht,
wonach aus Siarn nur Zwillinge kom
men, abermals berichtigt werden wird.
O O I
" Jm Senatsausschusz siir die Teue
rungsuntersuchung wurde konstatiert,
eine Familie von siins Personen tönne
in Washington von dreißig D llars im
Monat leben. »Leben'« —- getvt on
nen eventuell selbst zehn Personen von
dreißig Dollars monatlich «leben«:
aber ——— rnan stage nur nicht wie! Und
dann: wie lange?!. . .·
O i I
gaben Fische .rin Gedächtnis, ist
die rage, die in der vorigen Nummer
vom Seientisic American ernsthaft
behandelt wird. Die Frage ist nicht
leicht zu beantworten, aber sicher ist«
daß ein Mann, der zu viel Fische ge
nossen hat« recht lange sich dessen er
innert.
f I .
Jn unserer fett niibrt stoar nicht
jedes Geschäst einen Mann, aber sast
jedes mästet seinen Trost.