Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 18, 1910, Zweiter Theil, Image 13

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    Ver Todeskandidat.
Faschingi-Novellette von He l m u th
t a n M o r. —
Als mich mein Weg nach mehrjiih·
riger Abwesenheit wieder einmal durch
Mitachen führte, war es natürlich
mein erste-, meinen alter-. Freund Um
hauser aufzusuchen Das letzte, was
ich von ihm gehört hatte, war, daß er
sich verheirathet habe, und ich hoffte,
ihn dementsprechend als glücklichen
Gatten und Familienoater wiederzu
finden. Diese Hoffnung hatte mich
denn auch nicht betrogen.
Nachdem er mich in der Freude des
Wiedersehens beinahe erdrückt und so
dann mit seiner Gattin betannt ges
niacht hatte, nachdem ich drei herzige
Göhren hatte betrachten und bewun
dern müssen, wurde berathen, womit
man meinen Besuch am wiirdigsten
feiern könnte. Es stellte sich heraus,
daß ich —- oh wunderbar-er Zufall! —
gerade zur Faschingozeit nach München
gekommen war, und nach einigem Hin
und Her kamen wir überein, am Abend
die Redoute im Deutschen Theater zu
besuchen. Pünttlich zur verabredeten
Stunde stellte ich mich in Frack und
weißer Weste ein, und in Begleitung
der liebreizenden jungen Frau machten
wir uns in einer Droschle auf den
Weg.
Zur stillen Freude meines Vorte
monnaies hatte mein Freund sich in
der Zwischenzeit bereits Karten site
uns drei besorgt und gestattete trotz
lebhaftester Bitten nicht, daß ich ihm
den Betrag für die meine zurückgeb.
An einem Tisch im ersten Rang ließen
wir uns nieder, und während der
Champagner in schlanlen Gläsern
verlie, blickten wir plaudernd auf das
bunte, farbig bewegte Bild im Parlett
hinunter.
»Man sollte meinen, es wären nur
auserwählte Kinder des Glücke-, die da
dem Gotte des Genusses opfern,« sagt:
ich. »Und wieviel Elend birgt sich
doch vielleicht unter der glänzenden
Hülle!«
zum war eigentlich gar nicht so pyr
losophisch zu Muthe, wie man nach
diesen Worte hätte meinen tönnen.
Mein Freund aber wurde plötzlich
ernst..
»Ja Du hast Recht,« sagte er und
sah seine Gattin an. »Wir haben den
schlagendsten Beweis dasiir erhalten-—
was, Mäuschen?«
Sie nickte nur llnd obwohl mir
der Sinn durchaus nicht nach trauri
gen oder gar tragischen Geschick-ten
stand, hielt ich es doch siir eine Pflicht
der häslichleit, nach den näheren Um
ständen zu fragen. Zu meinem Ent
setzen gab er zur Antwort:
«Wenn es Dich nicht langweilt, will
ich es Dir erzählen! Es ist ja nur eine
kurze Geschichte.«
Jch versicherte ihm, daß ich sehr be
gierig sei, zu hören. Und er begann:
»Ei- tvar kurz nach unserer Verhei
rathung, und wir waren noch beinah
sk närrisch verliebt, wie zur Zeit un
seres Brautstandes —-'«
Sklave-! Da hatte er seine Strafe
mit dem Fächer der jungen Frau.
»Wenn Du so sortsährst, gebe ich
hinausl« schmollte sie.
aAlso wir waren nicht mehr so när
risch verliebt wie —-«
»Du, ietzt gehe ich aber wirtlichl·'
«Schreiben wir denn einen anderen
Ansangl --— Zwei ehrbare junge Ehe
leute besuchten zusammen die Redoute
im Deutschen Theater, München,
Schwanthaler Passage."
»Du triegst teinen Champagner
mehr!«
»Und Du ein Busserl, wenn wir zu
Hause sind. Hier geht das nicht
Man dentt sonst wir find noch nicht
verheirathet «
Und ich dachte, Du wolltest eine
Geschichte erzählen?«
»Ja so! ——— Die junge Frau starrt
mit glänzenden Augen — wirklich zum
Anbeiszen sah sie aus — aus das bunte
Bild, das ihr so neu war —- das heißt
» ich weiß nicht, ob sie nicht vorher
schon mal heimlich —- mit dem Bräu
tigam ———«
»Wenn Du indistret wirst, gieße ich
Dir den Champagner aus denl
Sblips«
»Der geyokr uavcnler, Menschen«
dahinter!·« ! «
»Du bist unaussteblich!«
»Ich will versuchen, mich zu bessern.
Also, wie gesagt, sie freut sich an dein
vergnügten Treiben, als sie plötzlich
den Derrn und Gebieter —"
»Ob weh!«
—s,.rnii dem Fächer anstößi und ihn
auf ein Lesonbers schönes Paar aus
inertsam macht, das eben zwischen den
Tischen daher kommt· Er ein hochge
tvachsener, fchtvarzbiirtiger Kavalier
mit iiidlich beißen Augen« sie schlanl
unb ebenmiiszig gewachsen wie eine
Tanne.'«
»Du, sie hatte aber einen abscheu
lichen hut aus!"
»Der veranlaßte ihn dann auch
wohl. sich plötzlich von ihr abzuwenden
und allein weiter zu gehen. Vielleicht
stachen ihn nun unsere wie hypnvtisirt
aus ihn gerichteten Blicke ausmerlsarn,
oder sonst irgend-was — lurz, er bleibt
stehen, lächelt und sitt, eh wir uns ves
I
W
sen versehen, an unserem Tisch. Nach
fünf Minuten schon plaudert er mit
uns wie mit alten Bekannten, und ich
smuß sagen, amiisant und geistreich
’ war der Kerl, und seine Unterhaltung
bereitete uns das lebhafteste Vergnü
gen. Wie aus einem Füllhorn schüt
telte er witzige und scherzhafte Bemer
tungen über uns aus, wir kamen Isicht
aus dem Lachen. Allnlählich aber ward
er ernsthafter, und zuletzt beinahe
schwerrnüthig. Und zuletzt sagte er:
»Ich wage zu glauben, daß Sie mich
beobachtet haben, meine Herrschaften
Und Sie haben sich sicherlich entrüstet
über mein wildes Treiben, das so gar
nicht zu meinen Jahren paßt.«
Jch murmelte ein paar protestirende
Worte. Er aber fuhr düster melancho
lisch fort:
»Ja meiner Entschuldigung und
Jhrer Beruhigung muß ich sagen, daß
dies die letzte Redoute — ja die letzte
Vergnügung ist, die ich mitzumachen
gehabt habe.«
»Aber ich bitte Sie, bei Jhrer Ju
gend —"
»Meine Jugend! — Sie halten mich
für einen reichen Müßiggänger, der
nichts zu thun hat« als seinem Vergnü
gen zu leben, nicht wahr? Und doch
bin ich nicht nur arm wie eine Kir
chenmaus, sondern auch ein Tot-Man
didat.«
Mein Mauochen wird blaß und
fängt an zu zittern. und ich muß sa
gen, daß auch mir recht unbehaglich
zu Muthe war. Jch begann, den gu
ten Herrn ins Pfefferland zu wün
schen, denn die Stimmung hatte er
uns jedenfalls gründlich verdorben.
Er aber, einmal ins Fahrwafser ge
kommen, sprach weiter:
»Ich bin meines Zeichens ein simp
ler Buchhalter. Bis vor drei Mona
ten lebte ich ruhig und zufrieden, als
ich mich eines Tages lrant zu fühlen
begann und zum Arzt ging. Und der
eröffnete mir, daß ich bei vernünftig
ster Lebensweise taum mehr als ein
halbes Jahr noch zu leben hätte."
»Um Gottes-willen, Sie sind doch so
stattlich und rüstig —"
Er lächelte trübe.
»Ich vin herzleioeno, meine Verr
schaftenl ——-- Ein halbes Jahr gab mir
der Arzt -—-- durch mein wildes Treiben
aber mag ich es wohl noch um einige
Wochen oder Monate verkürzt haben.
Denn als ich mein Todesurthcil er
hielt, da wollte ich die tutze Galgen
srist nicht noch mit langweiliger Ar
eit und Stubenhockerei verbringen
ch hatte ein kleines Kapital, und ich
glaubte, es würde wohl bis zu meiner
Todesstunde reichen, auch wenn ich
mich für den Rest meines Daseins
nach Kräften amiisirte. Jch gab
meine Stelle aus und lebte nur noch
dem Genuß. Jch muß geradezu un
sinnig gewirthschaftet haben; denn
heute schon bin ich mit meinem Gelde
zu Ende. Auch wenn ich dem Tode nicht
ohne dies verfallen wäre, müßte ich
über turz oder lang Hungers sterben.
Ja, ich habe nicht einmal mehr ein
Heim, darin ich meine letzte Stunde
ruhig erwarten könnte — -- nicht einmal
mehr das Geld, mir einen Revolver zu
laufen, um mein Leiden zu verlör
zen."
Er schwieg und wir saßen da wie
die Stockfische. Das heißt, nur ich;
denn Mauschen kann ich höchstens mit
einem Engel vergleichen, den eine Fee
in Wachs verwandelt hat« um ihn an
den Weihnachtsbaum zu hängen.
Na, man ist ja am Ende tein Un
mensch. Und Mauschen sah mich gar
so jämmerlich bittend an. Da habe
ich dem Manne denn fünfzig Mart
gegeben. Es dauerte lange, bis er sich
entschließen konnte, sie zu nehmen.
. Und ich glaube, er war nicht weit vom
Weinen, als er dann ging.«
Er schwieg. Mir lag die Frage aus
der Zunge, ob der Todeskandidat die
fünfzig Mark zum Ankaus eines Re
volvers verwendet habe; aber ich sah,
daß es den Beiden wirklich eine sehr
ernste Erinnerung war, und ich wollte
sie nicht mit meinem Spott und mei
nen Zweifeln tränten. So saßen wir
denn und starrtenseine Weile schwei
gend in die lockende Tiefe. Da stieß
die junge Frau plötzlich einen allerlieb
sten kleinen Schrei aus und deutete
mit zitterndem Finger hinunter:
»Da --- da —- der Todestandidat!«
Jch haftete verzweifelt, um nicht an
dem Lachreiz zu ersticken, der mir in
der Kehle san. Die Beiden aber wa
ren ganz entgeistert. Es dauerte lan
ge, lange, bis sie sich zu einem Lachen
butchgerungen hatten, und so ganz echt
wollte auch das nicht klingen.
Jch sah mir den Kerl näher nn.
JSchön und sascinirend war seine Er«
- scheinung -—- das mußte ihm auch der
Neid lassen· An jedem Arm einen al
lerliebften Käser, promenirte er drun
ten aus und ab, um schließlich unter
der Logenbriistung zu verschwinden
Und dann -«-— allmächtiger Himmels —
dann tauchte er oben bei uns aus —
allein.
Ein schlechtes Gedächtniß ist die ver
hängnisvolllte Schwäche, die denen auf
ihren Lebensweg mitgegeben werden
kann, die eg mit der Wahrheit nicht
allzu genau nehmen. Das sollte der
Todeclandidat an seinem Leibe ersah
ten. Er bemerkte unsere Blicke, die
sstarr auf ihn gerichtet waren —- er
blieb stehen — lächelte — und dann
saß er plötzlich an unserem Tisch.
Mein Freund und sein kleines
Frauchen saßen stumm wie die Fische.
Mir aber begann die Sache ein un
bändigei Vergnügen zu machen. Jch
ging auf die geistreichen Scherze des
Mannes ein und ließ es nicht dahin
kommen, daß die Schweigsamkeit der
Andern ihn mißtrauisch machte. Und
er wurde allmählich ernsthafter, um
schließlich in eine beinahe schwermii
thige Stimmung zu verfallen.
Da --—- ich erwartete gerade sein
Herzleiden -— lonnte mein ehrlicher
Freund nicht länger an sich halten und
platzte heraus:
»Nun ist es- aber genug! --— Sie sindi
der« frechste Gauner, der mir jemals
vorgekommen ist Und Sie sollten sich
wenigstens die Mühe nehmen, sich die
Gesichter zu merken, mit denen Sie bei«
Jhren Schwindeleien zu thun hatten.«
Jetzt erlannte er die Beiden wirt:
lich. lind ich erwartete, ihn in Reue
und Zertnirschung vergehen zu sehen.
Aber wie großen Jrrthiimer ist der
Mensch doch unterworfenl Jn seiner
schwermiithigsten Weise sprach der
Fremde:
»O ja, mein Herr, ich habe Sie be
reits erkannt! Sie sind der edle Men
schenfreund, der mir vor fünf Jahren
mit einigen Mark aushalf Es ist
wahr, ich erzählte Jhnen damals eine
Geschichte, die nicht ganz der Wahrheit
entsprach. Aber ich meine, Sie sollten
sich darüber freuen.«
Wir erstarrten zu Stein. Er aber
fuhr diister fort:
,,Doch so sind die Menschen! « Da
mals waren Sie von Schmerz und
Mitleid ersiillt, daß ich dem Tode ge
weiht war und nun, da Sie sehen,
daß ich ein leidlich gesunder und rü
stiger Mensch bin, sind Sie zornig und
beleidigt! Jch hätte vor fünf Jahren
schon sterben sollen, nur um Ihre Er
wartung zu erfüllen —s nicht wahr?
Jst das menschlich und gerecht?--—llnd
ist es nicht ein viel schöneres Bewußt
sein, mit seinem Gelde einem Lebendi
gen und Lebensfreudigen weiter gehol
fen zu haben, als es an einen Todtge
meihten weggeworfen zu wissen?«
Mein Freund hat den Kerl nicht
verhaften lassen. Aber eine halbe
Flasche Seit hat er ihm spendirt.
l
Nu als-!
-A.: »Warum haben Sie denn vor
Jhrern Fenster zwei Thermometer
ausgehönth Das ist doch Luxus-Il«
B.: »Unsinn! Das verstehen Sie
nicht! Der eine ist fiir die Hitze und
der andere sitr die Mittel« «
Schnell gefasst.
Hausherr (der durch einen Haufirer
unsanst aus dem Mittagsschlase ne
llingelt worden ist): »Was wünschen
Sie eigentlich?«
Hausirer: »Ich iviinsche — woh! ges
ruht zu haben!«
Eine Virlskitiqr.
Aelteres Fräulein: »Wenn man hei
rathen will, ist man wirklich geplagt
heute habe ich mich bei drei Ver
mittlern vorzustellen-« bei dem ei-«
nen mit blonden1, bei dem zweiten ntit
schwarzem. und bei dem dritten mit
rothern Haare!«
Verkomm
Fram »Heute kommt mein Sohn
wieder heim. Halten Sie sich von ihm
möglichst zurück, Theres!«
Köchin: »So, schlägt der seinem
Papa nach?«
Das (ttelicimnisi.
»Jact, Dolln hat mir ein schreck
liches Geheimniß erzählt nnd bat mich
schwören lassen, daß ich es keiner Zee
le wiedererzählen werde.«
»Nun, mach schnell. Ich tomme so
wieso schon zu spät in’5 Geschäft.«
Ganz modern.
»Gniidigste gehen ja jetzt in häufig
zu Fuß?«
»Ach Gott« ja. Das Autcmoliil be
nutzt nur noch die åtöchin zum tsiiilw
len, und unser Lastschiff ist aeraoe in
Reparatur.«
Unttttqliches Zeichen.
Hängchent »Ist dein Biliterrlien
schon wieder gesund?
Fritzchent ,,Jawok,l, er bat heute
vom Papa schon wieder die ersten
Prügel bekommen.
—- »- A—
Ein Liebe-dienst.
via-n »Ist-sus
»Alfo, ums III-, Rele Wud"-:s mit
uns zwei nir Z« «
»Ja sclmnm ZE« i kann Jhsm lmtt als
Liebhaber net brattch’n, weil S zu gross
sind siir unseko hiüchentastcn da."·'
Ein kühner Gaunerstreich.
Erzählung von Kurt von Wal
feld.
Der junge, hübsche und lebensla
stige Provinz - Schauspieler Franz
Möring saß in eine-m eleganten Kas
feehaus in der Berliner Friedrich
straße und las mißmuthig die Zei
tung. Der Grund zu seiner Unzufrie
denheit lag in der bedenklichen Ebbe
seiner Kasse. Plötzlich leuchtete es in
seinen dunstlen Augen auf, als er fol
gende kleine Annonce las: »Gesucht
wird ein tüchtiger, junger Schauspie
ler, Liebhaberrollen, gegen hohe-IMM
rar fiir eine Wohlthätigkeit-J : Vor
stellung. Angebote unter S. H· an die
Exp. d. Blattes.«
Msöring schrieb sofort eine Offerte
und warf den Brief selbst iu rsen näch
sten Brieflaften. Bereits am anderen
Morgen hatte er folgende Antwort in
seinen Händen: »Da ich Sie zufällig
von der Bühne her tenne, berücksich
tige ich unter den vielen Angeboten
zuerst das Ihrige. Ich erwarte Sie
morgen, Dienstag Nachmittag punlt
drei Uhr im Gasthof zur Glocke, Zim
mer Nummer eehtu Ergebenft Sophie
von Hölfcher «
Mit nrofzer Ungeduld fah der junge
Zchnufpieler Der Nachmittagsftunde
entgegen. Punkt drei Uhr klopfte er
an die Thiir der- Zimmergs Nummer
lzehn Sofort öffnete ihm eine zwan
Tziajiihrige, schön und höchst elegante
T«ame die Thüre. Verbliifft und ent
zuett zu gleicher Zeit trat der unter
11ek:mungslustige Künstler in das vor
nehm ausgestattete Zimmer. Nach
freundlicher Begriifzung und einem
fchmeichelltciften Lob iibser feine Büh
nenleiftungen lud die junge Dame den
Künstler zum Sitzen ein. Dann kam
sie sofort auf den Ztvect ihrer Annonce
in sprech-en, indem sie mit der reizend
tten und unschuldigsten Miene sagte:
»Es handelt sich in diesem Falle nicht
um eine Komödie auf der Bühne, fön
dern um eine solche im alltäglichen Le
ben· Sie sollen eine Liebhaberrolle
spielen, indem Sie fiir wenige Stun
den meinen Mann vertreten! Stau
nen und erschrecken Sie nickt, es han
delt sich nur um einen lleinen und
völlig harmlosen Scherz. Jch werde
nichts Böses von Ihnen verlangen.
Ich weiß, Sie sind ein Ehrenmann.
Das Honorar beträgt dreihundert
Mart, die ich mir gestatte, gleich aus
zuzahlen.«
Die drei blauen Scheine. welche die
Schöne da vor ihm auf den Tisch
legte, reizten den abgebrannten Mi
men zwar sehr, aber dennoch zögerte
er, die verhältnismäßig große Sum
me zu nehmen« und beinahe verlegen
sagte er: »Es liegt mir ganz fern,
an der Wahrheit Ihrer Worte zu
lzweifeln, aber ich möchte doch vorher
etwas Nähere-« erfahren, ehe ich die
mir gütigst zugedachte Rolle über-«
nek,me.«'
Die junge Dante lächelte sanft und
erwiderte in gewinnetdem Tone: »Ich
finde Jhr Verlangen ganz gerechtfer:
tigt und will Ihnen gerne und offen
die nöthigen Mittheilungen machen,
Als ich zehn Jahre alt war, das sind
jetzt auch zehn Jahre her, da starb
plötzlich kneine gute Mutter. Jch war
ihr einziges Kind. Mein Vater reiste
bald nach dem Hinscheiden meiner
Mutter nach Siidamerita, wo er
große Plantagen besas-» die dringend
seiner Anwesenheit bedurften, wenn
er nicht finanziell ruinirt werden
wollte. Das alles erfuhr ich natürlich
erst später. Vor seiner Abreise brach:
te er mich nach Dresden in eine Pen
ston, wo ich bie- dor einen: Jahre blieb.
Zu dieser Zeit lernte ich nämlich mei
nen jetzigen Mann kennen, einenBanl-«
beamten. Unsere Heirath erziirnte mei
en Vater so sehr, daß er sich von mir
lossagte, brieflich, denn ich habe ihn
und er hat mich noch nicht wiederge
sehen seit meinem zehnten Jahre. Vor
wenigen Tagen brachten Berliner Zei
tungen die Nachricht, daß mein Vater,
der Konsnl Bergen als steinreicher
Mann nach ifuropa zuriielgetehrt sei
und sich in einem westlichen Vorort
Berlin-J eine der schönsten Villen ge
laust habe. Mein Zweck ist es, mei
nen Vater sogleich aufzusuchen und
seine Verzeihung zu erflelxen. Erlen
nen werden wir uns schon nach sriiher
gewechselten Photographien Meinen
Mann lann ich zu diesem Schritt nicht
gebrauchen, erstens weil er augenblick
lich geschäftlich in London weilt und
zweitens weil er nicht das Zeug dazu
hat, den Demütbsigen und Reumiithis
gen zu spielen. Diese Rolle sollen Sie
übernehmen, nur einmal, beim ersten
«Wiederfehen. Sie verhalten sich so
passiv wie möglich und überlassen mir
das Reden.«
L
Der jnnae Künstler war beenl)iat,
das ganze Wesen der jungen Frau be
zauberte ihn, so daß er alles glaubte.
Er nahm die dreihundert Mart an
sich nnd fuhr mit der Schönen nach
der Villa des Konsulsz Berg-er Unter
wegs erhielt er noch manche Andeutun:
gen und Belehrungen. Jn der wirt
lich fürstlichen Van des Millionärg
Berge-r angekommen, gelang es der
jungen Dame durch ihr vornehme-?
und entschiedenes Wesen beim Konsul
gemeldet und von ihm empfangen zu
werden.
Als Sophie von Hölscher den alten
Herrn vor sich sah, stürzte sie mit
einem Schrei der Freude und Weh
muth zu seinen Füßen nieder und
spielte die liebende und tief bereuende
Tochter so rührend und hinreiszend,
daß der überrumpelte und gerührte
Greis sie mit Thränen der Freude in
seine Arme schloß und ihr den rosigen
Mund küßte.
Auch Möring gefiel dem Fionsul als
Schwiegersohn ganz gut. Bald sa
ßen die drei in bester Stimmung an
einem reich besetzten Früdftiickstisch
Nach dem Frühstück zeigte der Konsul
auf Wunsch seiner liebenswürdigen
Tochter feine ganze Van und all seine
ausländischen Schätze.
Am meisten interessirte sich die
junge Frau fiir das Zimmer, wo der
mächtige Geldschrank stand. Neben
diesem Zimmer befand sich das
Schlasgemach des Millionärg und
zwar verbunden durch eine breite
Doppelthiir, die meistens offen stand,
selbst Nachts. Sophie von Hölscher
idar ganz liebende und zärtliche Toch
ter und beherrschte die Situation,
während ilsr angeblicher Gatte mit der
Zeit seine Rolle Jlg unangenehm und
peinlich empfand.
Endlich schlug seine Erlösunagi
stunde. Seine Pseudo-Gattin er
lliirte dem Konstel, ihr Mann müsse
heute noch in dringenden Geschäften
nach London abreisen. Sie wolle ihn
zum Bahnhos begleiten, aber morgen
tämc sie zum Mittagessen wieder, um
dann so lange zu bleiben, wie der liebe
Vater eE gestatte.
Das falsche Ehepaar tr t die Rück
reise nach Berlin an und schon am
Iliotssdaner Bahnhof wurde der junge
Mime mit freundlichem Dank und
Händedruck entlassen.
Tief in Gedanken versunken sonn
derte Möring nach der Friedrichstrasze,»
betrat sein Stammtassee und setzte sich
an eins der kleinen Marmortischchen
in der Nähe der großen Fenster-, die
den Blick aus die stets belebte Straße
gestatten. Er saß noch keine Viertel
stunde dort. da sah er Sophie von
Hölscher vorbeigehen und zwar in Be
gleitung eines Herrn, dessen scharf
umrissenes Gesicht ihm bekannt vor
kam Lange griibelte er darüber nach,
wo er dieses scharfe, glatt rasirte Ges
sicht mit dem unangenehmen Ausdruck
ichon gesehen habe.
Plötzlich sprang Möring erschrocken
aus, bezahlte eiligst und suchte seinen
Freund, den Detettiv Heniel auf.
Dort hatte er das Bild des Mannes,
nämlich seine Photographie im Ver
brecheralbum, gesehen. Fast athem
los vor Aufregung und Eile kam er
bei dem Detettio an, der ihn jovial
begrüßte. Sofort aber wurde er
ernst, als er vernahm, was den jungen
Freund zu ihm getrieben hatte. Ohne
Viel Worte zu verlieren, holte er sein
Verbrecheralbum und schlug es auf.
Schon bei der dritten Seite zeigte
Möring aus ein Bild und riei erregt:
»Das ist erl«
Der Detettiv nickte oerständnißvoll
und sagte: »Der Mann ist einer der
tühnsten Einbrecher, der selbst vor dem
Aeußersten nicht zurückschreett. Brauchst
leine Angst zu haben! Du hast deine
Schuldigteit gethan! Jetzt nehme ich
die Sache in die Hand. Lebe wohl big
übermorgen! Dann erwarte ich dich
hier, uns. diese Stunde, dann werde ich
dir Bericht erstatten· Jetzt habe ich tei
ne Zeit mehr zu verlieren.« Die beiden
Freunde trennten sich nach kurzen: Abs -
schied. »
Als Sophie von Hölscher am andern z
Nachmittag in der Villa des Stoniulss
erschien, fand sie zu ihrer unangeneh-«
men Ueberraschung den Vater nicht
allein. Ein recht alter, weisqhaarigerl
Herr war bei ihm, den er ihr alg On
tel Edmund vorstellte mit den Worsi
ten: »Du erinnerst dich doch des altenl
Heringe-« !
Sie sah den Greis irn SilberksaatJ
prüfend an nnd sagte dann in sicherein s
Tone: »Gewiß, Onkel lsdrrund kenne:
ich dich doch, obwohl Du sehr weiß ae !
morden bist.«
Sie sah nicht das merkwürdige
kurze Aufleuchten in den auffallend
klaren Augen des Greises, nicht den
Schmerz im Antlitze degxionsuls Dei-s
Greis stellte noch verschiedene Vers-Ina- -
liche Fragen an die junae Frau, die siei
ihrer Ansicht nach klug und gewandii
beantwortete.
Man ging dann bald zu Tische, we
man es sich gut schmecken ließ nnd sehr
guter Laune mar. Die junge Frau
trank viel von dem auten Wein und er
munterte auch die beiden alten Herrn
zum Trinken. Schon gean neun klhr
Abends wurde Onkel Edmund sehr
müde und wünschte zu Bett zu geden.
Bald lag anscheinend alles in der Vil
la im tiefsten Schlummer. Onkekkfdi
cnund schlief neben dem Schlaszimmer
des Konsulg.
Die elfte Stunde schlua, da schlich
sich Sophie, noch in vollständigste-r
Toilette, leise zur Hoflhür, öffnete sie
geräuschlos und liefz den Mann ein
treten, mit dem Möring sie zusammen
gesehen hatte. Sie skiisterten einen
— w-— .—.-..———»-—.-....-—-.-- —
Augenblick leise mit einander reif-P
schlichen dann ganz unhörbar n
dem Zimmer, wo der Geldschr
stand. Dort machte sich der Einbu
chek mit einer verblüffenden Geschick
lichteit an das Oeffnen des Geld
schrantes, während Sophie die Die
beslaterne hielt. s
Im Nebenziknmer schnarchte der
Konsul leise, anscheinend in festeste
Schlaf. Dieses leise, regelmäßige
Schnarchen beruhigte die Berbrecher so
sehr, daß sie ihre ganze Aufmerksam
leit dem Schranke widmeten und es·
nicht merkten, wie durch eineThiir hin
ter ihnen Onkel Edmund eintritt, der
jetzt vo n einer jugendlichen Bedenk-ig
leit war Jhm folgten zwei riefenstatie
Kriminalbeamtr.
Eben hatte der Einbrecher die äußere
Thüi des Geldschranles geöffnet, da
fühlte er sich plötzlich umfangen, und
ehe er sich verfah, hatten ihm die bei
den Beamten die Händ-e auf dem Rü
elen gefesselt. Seine schöne Begleiterin
aber fühlte sich von den Armen des
greifen Onlels Edmund umschlungen,
die eine jugendliche Kraft zu besitzen
schienen, denn fie vermochte eI mit al
ler Anstrengung nicht, sich dieser Um
arinung zu entziehen. Dann wurden
ihr die zarten Hände von einem Be
amten nach vorne gefesselt. Das al
lei- gefchah so schnell und überrafchend.
da sz selbst die Verbrecher keinen Laut
rson sich gaben, fo sehr hatte der-Schreck
sie gelähmt Ohne Widerstand zu lei
sten, folgten sie den beiden Beamten
nadi dem unten l-arrendenWagen, der
sie nach dem Gefängniß brachte.
Onkel dennnd blieb im Zimmer,
dehnte sich voll Behagen und rief mit
tlangvoller Stimme dem iin Rahmen
der Verbindungg . Thin erscheinenden
Konfnl fröhlich zu: »Der Fang wäre
gliicllich aelunaenl Die beiden Vögel
find fiir lange Zeit sicher unterge
bracht!"
Dann riß er Perriicle und Bart
herunter, und das freudig strahlende
Gesicht deg Detettivs Hensel war-de
sichtbar-. Der KonsuL Der .:ngetleidet
im Bette gelegen und das ruhige
Schnarchen sehr geschickt nachgeahent
hatte schüttelte traurig dae graue
Haupt und meinte: »Dein Manne
schadet es nichts, daß er seinen Lohn
für seinen frechen ciinbruch erhält,
aber seine hübsche Genossin thut rnir
leid! Wie tann ein so reizendes We
sen auf solche Abwege gerathen?«
Der Deteltive machte eine abweh
rende Bewegung und entgegnete eif
rig: »Die junge Person verdient Jhr
Mitleid nicht, denn sie ist eine der ge
fährlichsten Hochstaplerinnen und die
Geliebte ihres heutigen Genossen. Jch
»bin fest überzeugt, die Gerichtsver
shandlung wird ergeben, daß sie es
swar, die den kühnen Gaunerstreich
beim Lesen der Zeitungsnachrichten
erdacht hat, daß sie sich niit Ihrer
Twahren Tochter persönlich in Verbin
ldung gesetzt hat, um dieser Ahnungs
slosen die noch fehlenden nöthigen Ein
.zelheiten binterlistig und schlau zu
entloclen Nein, nein, diese gefährliche
Schöne verdient lein Mitleid. Be
denken Sie, nur ein Zufall hat Sie
gerettet!«
Bevor der Deteltiv nach einiger Zeit
Abschied vom Konful nahm, sagte die-;
ser in weicher Stisinmunaz »Wollen
Sie mir noch einen großen Dienst er
weisen?«
»Selbstverstiindlich, wenn es in«
meiner Macht stel)t!« entgegnete dienst
Veilissen der Deteltiv.
»So reisen Sie bitte morgen gleich
zu meiner wahren Tochter in Dresden
und bringen Sie mir dieselbe init ih-"
rem Manne hierher. Jch will den bei
den nicht länger vorenthalten was ich
einer Alsenteurerin bewilligt habe.«
Zwei Tage später tiisste der Konful
seine echte Tochter und umarmte feinen
richtigen Schwiegersohn.
Möring erfuhr dieg alles von fei
nein Freund, dein Detettiv, nnd er
ging natürlich strafloci aug dieser für
ian beinahe unangenehm gewordenen
Llffiire heraus.
Tresscnd bezeichan
il«- ——A NR
»Er-han« Sie dur1, Hcr dick- Mauer
auf Nollmntlnssri Wir du komisch aus-I
ji(’l)t!««
-- Tor reinste Rollnwpsl«
Ein schwerer Manu
Wittwe We zum viertcmnnl heira
thet, auf der steilen Treppe zum Stan
degamt verschnaufend):
»Weißt Du, Max, Du bist aber hör
Letzte . .. das Treppensteigen wird mir
’zu beschwerlich «