Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 11, 1910, Zweiter Theil, Image 14

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    Heimweh
Roman von Röcinöold Ortmann
(7. IortsesgngJ
-Mit gesenktem Köpfchen und zu
--M Lippen stund Elsriede am
P.
Tisch ein in seiner Lieblichkeit zwie
such riibtendes Bild der Rotblostglrit
und Betrübnis
»Jet- rnöchte doch ins Theater ge
ben und um eine Riicknabine der K in
digung bitten« sagte sie endlich
«hier in der Stadt fände ich ja jetzt
mitten im Winter, sicherlich kein »in
deres Engagement.«
»Aber das sollen Sie euch gar
nicht. Sind Sie denn mirllich so
mit Leib und Seele bei dieser Kunst
daß Sie nicht mehr ohne sie leben
konnen und wäre es auch nur iiir
ein paar Wochen oder Monate «
Elsriede schüttelte den Kopf. :
ZDCH ist es nicht. Ich bin ja eine
so unbedeutende Schauspielerin leer
«es ist nun einmal mein Beruf und ich;
bin doch darauf anaewiesen ihn aus «
Mühen«
»Mein Bruder war an diesem
Morqen bei Ihnen Haben Sie
denn mit ihm aar nicht iiber Ihre
Zukunft gesprochen? Und lxsat er
Ihnen nicht als der Freund Ihres
Vaters seinen Beistand angebotenW
O ja —- er tbat es sogar in der
liebenswürdigsten Weise. Und ich bin
ihm herzlich dankbar siir seine Güte,
wenn ich auch die angebotene Unter
an selbstverständlich ablehnen
Mist-«
Er merkte wohl, daß ibee Worte
zugleichein Wink sein sollten auch siit
ist« eine berschleierie Bitte. sie nicht
dirrch eine Wiederholung ähnlicher
«Unerbietnngen in Verlegenheit zu se
IIL Und er beherzigte die Mahnung,
die sie ihm da hatte zu Theil werben
Busen.
·Jrnmerhin aber werden Sie ihm,
und dei etwas näherer Bekanntschaft
auch mir gestatten, Jhnen init freund
schaftlichen Rathschliigen zu dienen,
- die Sie dann ja noch immer ganz nach
Ihrem Belieben befolgen oder verwer
sen können. Fiir den Augenblick aller
dings scheint mir eine allzu dringliche
Veranlassung dazu noch nicht Vorhan
den. Denn es ist außer aller Frage,
das Sie weder Jhren bisherigen Di
rektor Ist eine Rücknahme dieser bru
talar Mdigung bitten, noch ein an
deres Engagement suchen dürfen, ehe
nicht Jhre Kräfte Ihnen gestatten
wiirden, es auch wirklich anzutreten
st Sie nicht trank. sondern nur in
hohem Grade til-ermüdet sind, wird
bei der nöthigen Ruhe und Schonung
—nber auch nur dann! —- eine Woche
Mescheinlich hinreichen, Sie wieder
siir Ihren schauspielerischen oder ir
gend einen anderen Berus tauglich zu
machen. Und nicht wahr, Sie werden
sich diese Schonung gönnen, wenn ich
Ihnen aus mein Wort versichere, daß
es urn Jhrer selbst und um Jhrer
Ichwester willen Jhre heilige Pflicht
i L«
»Ich dars ja nicht Nein sagen, nach
dem Sie es mir unter solcher Begrün
dung besehlen. Aber... .«
»Nichts da! Kein Aber und leine
Einschränkung! Und ich betraue Sie,
mein kleines Fräulein, hiermit in al
ler Form mit dein Amte eines Aus
sehers iiher meine unzuverläisige Pa
tientim Sie werden mir von jeder
Uebertretung getreulich Bericht erstat
t«en; kann ich darauf rechnen?«
. «Unhedingt!« ries Hertha, kräftig
in seine dargebotene . echte einschla
send «O, ich hahe gen wie ein
END Herr Doktor! Und wir wollen
ihr nichts durchlasieiy nicht den aller
kleinsten Ungehorsatn. Erst wenn sie«
W so rosig und blühend aussieht
äfriiher erhält sie ihre Freiheit zu- i
. «"hetiha!« mahnte Elftiede del-les
gen. Aber die Schwester verschloß·
ihr mit einem halben Dutzend zärt-«
Wer Küsse die Lippen. Und dann
lief sie wie ein Wirbelwind in das;
anstoßende Schlafzimmerchen, um
gleich darauf in einem Straßenjäck
the-, aus dem sie schon bedenklich her
sns gewachsen war, nnd in einem
Glocken Krimmerbarett, das ziemlich
schief aus den dunkeln Locken saß, wie
der zum Vorschein zu kommen.
«Es ist die höchste Zeil, daß ich
geseC sagte sie, ihre Natenheste zu
»" «sammenraffend, »sonst macht mit der
z« Professor ein bitterböse-Z Gesicht«
Vielleichi haben wir denselben
M Oder darf ich nicht wagen,
« «W meine Begleitung anzubieten?«
»O Ist-um nicht? Jch gehe »als
Des Mem-UT isi das auch Jhke
s- angesähr. Adieu also sskk
Ist-. Mulein Lotnsenl Und ich
M M bis us Weitem als Jbren
West betrat-nein nicht wahrs«
Am nicht Den Doktor, wie
U Ihrem Bruder ange
well siie die Theilnah
Q fie Sie seit-erweise
vax das Sie meine Verhal
Wiss nicht in den sind
schreiben. Für einen Arzt isi das
immer der beste Lohn.«
Er unterließ es. das schmale hand
chen freundschaftlich zu drücken. wie
»er’s so gern gethan hätte« und wand
Ete sich hertha zu, die schon mit allen
Anzeichen lebhafter Ungeduld in der
offenen Thiir stand.
«hofsentlich können Sie gut mar
schiren, herr Dottor«, sagte sie, wäh
rend sie leichtsiißig vor ihm die Trep
pen hinabeilte. «Denn wir müssen
flott ausschreiten Sie glauben nicht,
was fiir eine Angst ich vor meinem
Professor habe.«
»Ihr Profefsor ist ein Musiklebrer,
wie ich vermuthe. Sie sind also eine
angehende Künstlerin ?
,,Ja — aber es geht noch sehr an',
meinte sie mit einem drolligen Seuf
zer. »Manchmal tommt es mir vor
als ob ich mindestens noch hundert
Jabre brauchen würde, um es zu et
was Rechtem zu bringen. Und siir
ein erstes öffentliches Auftreten wäre
ich dann doch schon ein bischen alt."
»Sie werden sich also bemühen müs: «
sen, etwas früher dahin zu gelangen-l
Wer ist denn Jhk Lehrer ?· I
«Profefsor Bernhard«, erwiderte
sie mit einem gewissen Stolz. aHaben
Sie ihn jemals spielen hören-»
«Freilich! Und ich war zu der
Zeit, da er sich noch öffentlich hören
ließ. gewiß einer seiner begeistertsten
Verehrer. Aber erzählte man mir
nicht, daß er auch seine Lehrthätig
keit bereits seit Jahren ausgegeben
dabei« «
»So ist es auch. Jch bin seine eins
zige Schülerin Und denken Sie.
here Doktor, er unterrichtet mich ganz
unentgeltlich. Jst das nicht himm
lisch von ihm?«
»Es ist jedenfalls ein Beweis. da
er sich viel von Jhnen verspricht. Jch
werde Sie nächstens bitten. mir et
was vorzuspielen.«
Das thue ich mit Freuden. Aber
unser Klavier ist so schlecht. Und
wenn Elsriede nun wirklich ihr En
gagernent verliert, wird sie wohl
schwerlich ihr Versprechen einlösen
können, mir zum nächsten Quartals-s
ersten ein besseres zu miethen.'
»Sie bezahlt also auch diese Kla
vierrniethe von ihrer Gage«
»Aber natürlich — das und alles
andere! Jch besitze ja keinen Pfen
nig, und verdienen kann ich doch auch
nichts, da ich den ganzen Tag üben
muß. O, sie ist so gut, so himmlisc(
gut. Wenn sie nicht siir mich sorgte,
hätte ich gewiß schon Kindergärtnerin
lernen müssen oder Stenographie,
oder etwas noch Schrecklicheres. Jch
liebe sie abgättisch. Und ich bin so
froh, daß Sie ihr das viele Arbeiten
verbieten wollen. Nun wird sie auch
gewiß wieder so schön und so srisch
werden, wie sie es vor ihrer Theater
zeit gewesen ist«
»Das ist also noch nicht lange her?«
»Nein doch! Sie ist ja erst vor
einem Jahr zur Bühne gegangen, als
diese Uebersetzungen und das greu
liche Schreibmaschinentipveln nicht
mehr so viel eintragen, daß wir an
ständig davon leben konnten. Es
kam ganz zufällig; Elsriede selbst
hatte vorher niemals daran gedacht.
Und sie hat doch ein so herrliches Ta
lent, nicht wahr, here Doktor?«
«Wie sollte ich ein Urtheil dariiber
abgeben lännen?« meinte er auswei
chend. »Ich sah sie ja an diesem nn
gliicklichen gestrigen Abend zum ersten
Mal.«
»Ach so! Nun, Sie werden ja noch
Gelegenheit haben, sie zu bewundern.
Denn sie macht gewiß eine glänzende
Carriere —- obwohl es mir, unter
uns gesagt, manchmal vorkommt, als
sei sie mit dem herzen nicht so ganz
bei ihrer Kunst wie ich bei der met-s
nigen. Aber das kommt wohl da-’
her, daß es beim Theater so viele Un
annehmlichteiten gibt. Jeh weiß nicht
recht, worin sie bestehen, denn Elsrie
de spricht zu mir niemals davon. Und
so weit i,ch zurüadenten kann, habe
ich überhaupt noch nie eine Klage aus
ihrem Mund gehört. Aber Frau
Teschendors, deren Mann auch
Schauspieler gewesen ist, sagt immer,
es wäre ein dornenvoller Beruf site
ein rechtschassems Mädchen. Meinen
Sie das auch, here Doktors«
»Wenn Frau Tesehendors aus Er
fahrung spricht, wird sie wohl recht
,haben. Und Sie sollten sich deshalb
Lvon Herzen freuen, wenn Jhre Schwe
isier diesen dornenvollen Beruf eines
Tages wieder ausgiibe.«
Dertha blickte verwundert aus, als
zweisle sie, daß seine Worte ernst
haft gemeint seien.
1 »Aber warum sollte sie es denn
thun? Seiner Kunst muß man doch
itteu bleiben bis zum Tode. Und die
berühmten Schauspieletinaen, die sich
nachher Brillantea und Equipagen
taufen tonnten baben es im Anfang
wahrscheinlich auch nicht leichter ge
habt ais meine geliebte Eife. Wenn
ich an ihrer Stelle wäre. ich ließe
mich«"burch tleine Widerwärtigkeiten
gewiß nicht beitren."
Da er nicht wohl versuchen sonnen
das abnttngstose Kind, dein die fröh
liche Unschuld so hell aus den Augen
leuchtete. über die Natur dieser Wi
derwärtigkeiten aufzuklären, hielt
Hermann Artner es für angezeigt,
das Gespräch hier abzubrechen unb
sich von ihr zu berabschieben. Aber
mit einigem Vergnügen blickte er noch
ein paar Sekunden lang dem büb
fchen, schlanken Mädchen nach. wie ej
ieichtfiißig und elastifch die Straße
hinabschritt.
9. Kapitel.
Die lästigen Besucher, von denen
Eise dem Dotter geschrieben hatte,
waren gegangen, frühzeitig. wie ei
bei eine-n einfachen Diner die gute
Sitte vorschreibt und Mutter undj
Tochter waren wieder allein. »
Eise hatte sich gemächlich aus eini
Ruhebett gestreckt und nach einems
Buche gegrissen. Frau Fiennningl
aber, die schon während des Essenii
zerstreuter und schweigsamer gerne-I
sen war als sonst, ging ganz gegeni
ihre Gewohnheit wie in nervöser tin-l
geduld aus und nieder.
Weshalb siehst Du nur so ost nach
der Uhr Mama?« sragte Eise dies
»sich ossenbar in ihrer Lettiire gestörtl
« fühlte. nach einer Weile« »Man sollte
fast glauben, daß Du noch jemand er
wartest.«
«Das thue ich auch. Wenn er
dürrttlich ist, wird dieser Herr Art
ner in einer Viertelstunde hier sein.«
Ueberrascht hob das junge Mäd
chen den Kopf.
»Der Doktor, Mama?«
«Nein, nicht ers sondern sein Bru
der.«
»Ah, und davon weiß ich gar
nichts? Kommt er denn nicht mit
seiner Frau?«
»Nein. Und ich bezweifle, mein
Kind, daß sie die Schwelle unseres
Hauses jemals überschreiten wird.
Als der Dotter uns gewissermaßen
um die Erlaubniß bat, seinen Bru
der hier einzusiihren, wußte er os
ienbar nicht« weiche Absichten diesen
tHerrn Artner in Bezug aus mich be
seeiten.«
ein Gott, das liingt sa, ais tiirne
it den seindseiigsten Vorsähen.'
.Und ich dermuthe beinahe, daß
ei sich so verhält. "
Jeht ließ Fräulein Eise die Füße
von dein Ruhebett gleiten und zwi
schen ihren Brauen zeigte sich eine
kleine Falte.
aAber das ist ja ganz unt-entban
Möchtest Du Dich nicht wenigstens
etwas deutlicher ertliiren?«
»Das ist taum möglich, denn ich
selbst weiß in diesem Augenblick noch
nicht recht, was er eigentlich will. Er
hat mich gestern in einem sehr ge
schästsmäßigen Briefe mn eine Un
terredung gebeten, und hat dabei nur
andeutungstoeise durchblieten lassen,
urn was es sich siir ihn handelt
»Nun also —- diese Andeutungen
zum mindesten könntest Du mir doch
wiederholen«
,,Es betrifft eine Sache, mein Kind,
die Deinem Vater mehr Aufregung
und Verdruß bereitet hat als irgend
eine andere —- eine Sache, die gewis
sen unbantbtaren Geschöpfen sogar als
Vormund gedient hat für die abscheu
lichsten Verdachtigungen und Ver
leurndungen.« «
»Ah, weßhalb diese Umschreibung?
Es tann doch nur die Affaire Lom
sen sein, bon der Du sprichst."
»Nun ja. sie ist ei.«
,Wie aber tornnit des Dottora
Bruder dazu, sich um diese Angele
genheit zu tiirnrnern —- er der um
Tausende von Meilen entfernt war,
während sie sich abspielte, und der erst
vor wenig Tagen von der andern
hälste der Erdtugel hierher zurückge
tehrt ist?«
«Jener Lornsen hat das leßtn
Jahr seines Lebens auf Samoa zuge
bracht, und herr Rols Artner schreibt
mir, daß er mit ihm aus das engste
befreundet gewesen sei· Er fithlt
’daraufhin, wie es scheint, nrrn auch
sdie Verpflichtung den ritterlichen Be
schiißer der hinterlassenen Töchter zu
spielen, und sich, tvie er sagt, in ih
rem Interesse gewisse Austiinste von
nrtr zu erbitten.«
»Und Du hast Dich bereit erklan,
sie ihm zu geben?«
»Ich habe ihm geantwortet. daß
mir sein Besuch am heutigen Nach
mittag willkommen fei. Hätte ich
denn nach Deiner Meinung etwas
anderes thun sollen ?« .
»Nein. Aber ich verstehe nicht,
jweßhalls Du Dich jetzt vor dieser Un
1 terredung fürchtest.«
»Ich fürchte mich vor nichts und
vor niemand. Aber es ist mir pein-.
lich, daß an diesen alten Geschichten
gerührt werden foll, die Deinem Ba
ter das Leben verdittert haben —
daö ist alles.«
»Wenn es nichts weiter ist als das,
Mann —- tveißt Du, was ich dann an
Deiner Stelle thiitei«
Nun-P
«Jch würde Herrn Artner mit der
größten Liebeneiviirdigteit empfan
gen. wiitde die lästige Sache lo schnell
un: so freundlich als möglich abthun
un . . . .«
»Ja, wenn es dabei nur auf mich
antanrel" fiel Frau Flernming ein.
»Aber lein Brief war in la ernsthaf:
ten» ich möchte faft lagen, feierlichen
Wendungen abgefaßt. daß ich ver
muthe. es ist ihm an einer lehr gründs
lichen Erörterung gelegen."
»Ich verstehe das gar nicht. Die
Haltlosigteit der Lortenlchen Ansprü
che ist doch, wie ich denke, schon ganz
sonnentlar erwiesen und durch ein ge
richtliches Ertenntniß bestätigt wars
den.«
»Allerdings. Der Vormund der
beiden Mädchen wurde mit feiner
Klage abgewiesen Aber der verstor
bene Lornien scheint seinem Freunde
Artner allerlei abenteuerliche Mör
chen autgetischt zu haben, von deren
lWabrbaftigteit der junge Mann fel .
klenfest überzeugt ist. lind diese El
Jtriedh die Deinem Vater zum Dankt
’fiir die empfangenen Wohltdaten ei-«
nen so unverschämten Brief zu schrei
» ben wagte. hat ihn natürlich nur noch
I mehr darin bestärkt«
»Und das beunruhigt Dich, Ma
ma? Du brauchst ihm doch nur zu
versicheru, daß man ihn getäuscht hat«
Man tann eine Sache, die einmal ge
richttich ahgethan worden itt. doch
nicht nach io und so oiel Jahren bes;
liebig wieder aufnehmen« L
»So hon- ich. Avkk ich wünscht-(
;doch. Dotter Dallwig wäre noch am»
Leben-« ·
«Weßhalb das-? Welchen Nutzen
lönntett Du Dir von ihm verspre
then-?u
»Er hat damals den Prozeß der
Lornsenichen Erden gegen Deinen Va
ter geführt. Und er könnte deßhalb
bestätigen, daß die Doturnente, die
Bernhard Lornien ihm angeblich an
vertraut haben toll, niemals existirt
haben.« .
Jn den llugen Augen des jungen
Mädchens blitzte es eigenthiimlich auf.
Nicht mehr in dem überlegenen Ton.
den sie bisher angeichlagen· sondern
mit ersichtlich sehr hoch geipanntem
Interesse sagte sie:
.Wenn sie existirt hätten, würde
der Prozeß dann einen anderen —
ich meine einen für die Lorniens gün
stigen Ausgang genommen hohen?«
«Vielleicht —- ich weiß nicht ——- Du
mußt mich nicht mehr fragen, als ich
beantworten lann. Genug, daß sie
nicht da waren. und das Dallivig er
klären mußte. nichts oon ihnen zu
wissen.«
»Das ertlärte er? Und er ruhm
ren prozefz gegen den Papa, obwohl
er mit ihm befreundet war?'
Frau Flemming, die immer wider
williger aus die eindringlichen Fragen
ihres wißbegierigen Töchterchens ge
antwortet hatte, wandte sich heftig um.
«Wa«i willst Du damit sagen, El
se? Und was foll dies ganze Verhör
bedeuten?«
»Mein Gott« es ist doch tein Wun
der. wenn ich mich fiir eine Angele
genheit interessire, die mich schliesslich
ebenso nahe angeht, wie Dich. s—— Aber
es hat gellingelt. Mamal Das ist ohne
Zweifel herr Artnerl Willst Du ihn
hier empfangen?«
»Nein, ich beauftragle Martha, ihn
in den blauen Satan zu führen.'
»Daß ihn lieber hierher tommen.
Eine Unterhaltung im gemiithlichen
Wohnzimmer hat von vornherein ei
nen hehaglicheren Anstrich Und
wenn Du Jui mich hören willst. Ma
ma, wirst Du Deine ganze Liedensi
würdigleit aufbieten, um es nicht ohne
die- zwingende Nothwendigteit sit ihm
zu verderben-«
Frau Ilemrning tupfte sich mit ih
rern feinen Taschentuch die Stirn. ob
wohl et keineswegs übermäßig heiß
irn Zimmer war.
«Ein solcher Rath, rneän sinds ists
leichter gegeben als ausgefiihrt. Ich
tann doch nicht geradezu um seine»
Freundschaft und fein Wohlwollen
betteln.«
»Das ist auch nicht nöthig. Eine
so gute Menfchentennerin wie Du
toird den richtigen Weg schon zu fin
den wissen. Aber lieh zu, ihn eine
halbe Stunde hier festzuhalten. Jch
möchte den gefährlichen Menfchen doch
auch gern kennen lernen.«
Das Hausmiidchen lam mit der
Karte des Besucheri.
,,Der Herr wartet im blauen Sas
lon, wie gnädige Frau besahlen·«
«Fiihr.en Sie ihn hierher. Und
wenn sonst noch ein Besuch lommen
sollte —- es ist niemand zu sprechen.«
Else ging zu der Thür, die in das
Nebengemoch führte. Die Oeffnung
war nur durch einen Vorhang ver
schlossen, und sie ließ denselben erst
dann wieder binter sich zusallen, als
Reis Artner eingetreten war. Nur ei-?
nen einzigen Blick hatte sie aus ihn
werfen lönnen; aber mit seiner hohen,
breitschulterigen Gestalt, seinem ties
gebräunten, blondbiietigen Antlitz,
war er ihr bei dieser sliichtigen Mu
sterung. als der schönste Mann erschie
nen, den sie je gesehen.«
Sie hätte es leicht gehabt, hier seine
Unterhaltung rnit ihrer Mutter zu be
tauschen; aber sie derschrniihte ei. ihre
Neugier auf eine so unwsrdige Weise
zu befriedigen. Mußte sie doch. daß
sie auch ohnedies später alles erfah
ren würde. was sie zu wissen begehrte.
Sie ging in ihr Ankleidezitnmer und
stellte sich vor den Spiegel. Wie im
mer, wenn im Flemming’schen Hause
Gäfte empfangen wurden, hatte sie sich
auch zu dem heutigen kleinen Diner
mit beinahe gesuchter Einfachheit ge-!
neidet. Aber ihre Tpiiette war;
nichtidestoweniger ein Meisterwerk des(
geschicktesien Damenschneiders deri
Stadt. Auch das prachtvollstr Ball
kostiim hätte ihren tadellofen Wuchs,
die anmuthige Fülle ihree«Fornie·n«
nicht wirksamer zur Geltung bringenz
können als das knapp anfchlirfzende,
ichmurklose Kleid nach englischem
Schnitt. Es war gewin tein eitler
Selbstbetrug« wenn sie ihr Ebenbild
im Spiegel fehr hiibsch fand, und
wenn sie mit einiger Zuversicht dar
auf rechnete, auch dem von ihrer Mut
ter offenbar nicht wenig gefürchtetrrs
Zeiucher ru gefallen. Ein wenig aber
half sie doch den Stier-löschen noch
mit der Brennfcheere nach, und ein
tlein wenig auch dem Noth ihrer Lip
pen. das ihr heute um ein Geringes
minder frisch voriommen wollte als
gewöhnlich.
Die halbe Stunde, von der sie zu
Frau Flemming gesprochen hatte, war
noch nicht ganz vorüber, als sie das
Gemach neben dein Wohnziinmer wie
der betrat. Für einen Augenblick
blieb sie tauschend stehen. Und sie
hörte eine tiefe, angenehm klingende
Männerftimnre sagen:
»---— nicht aus feindseliger Gesin
nung gegen Jhren Gatten, den ich ja
nie gesehen, sondern einzig aus Pietät
gegen das Andenken eines theuren
Freundes, der sich mir vorn ersten bis
turn lehten Tage unsrer Bekanntschaft
stets als ein Mann von Ehre und als
ein wahrer Gentleman erwieien."
tFortfehung solgt.) i
»IOUII III tiIIIOU«
Wer hätte nicht einmal schon bei ir
gendeinen lledelbefinden diesen guten
Rath helommenI Die Nachharnin hat
Willen, die unfehlbar wirken. die Cou
fine hat ein Pulver, der Ontel eine
tiinreibung Und jeder dringt die
sichere Hilfe womöglich gleich herbei
nnd ist geträntt, wenn man sie etwa
abweist.
«Ja, wenn du eben nicht willst —!'
llnd sie hatte doch dem Onkel, der
Tante, der Großmutter oder irgend
iemandem so brillant geholfen! Viel
leicht ift·das Pulverchen oder die Mii
tur, die da freiwillig hervorge
trarnt wird, schon längst dumpfig oder
trübe, vielleicht hatte auch der, auf des
sen Namen die Verordnung lautete,
ganz etwas anderes — aber man tann
es noch einmal versuchen! Cis wäre
doch schade, etwas wegzutveksen, wag
viel Geld getostet hat.
Wer in Pflegelreifen II tun hat.
weiss, daß in manchen Fällen sogar
Familienmitglieder übriggehliebene
Medizinen austrinlem nur damit sie
nicht umlommenl Dean die Mensch
heit ist im roszen und ganzen leider
nur allzu reit, dem fotalen Rath
,.Nim.sn doch mal —!' sofort die That
folgen zu lassen! Wenn es doch dem
oder jenem gut gethan th! »Es
nimmt'« sich doch viel leichter etwas·
als dafz man sich erst dem langweili
gen Zwange eines sachgemäßen Ver
haltens —- worin in der hälfte aller
Mille wohl die vom Arzt vorgeschrie
bene Kur bestehen würde —— unter
wirst. Der ausherr will fein Bier
nicht missen. seine Zigarre nicht aufgez
hen —- da »nimmt" er schnell irgend
etwae, was ihm angepriefen wird, um
der Indisposition gleich die Wurzel
abzuschneiden, wie er meint. Die
Hausfrau ist überarbeitet, sie sollte ih
rem Körper ein paar Stunden Schlaf
oder einen Spaziergang gönnen und
das Uebelhefinden würde auf einfache
und natrtrgemässe Weise gehoben fein.
Ader sie hat imcasshalt zu thun oder
vielleicht auch ein Vergnügen vor, das
sie nicht ahfagen will. Da schluett sich
ein Gläschen Medizin, das eine Be
tannte anoreisi, fo schnell und leicht -—
nnd es hilft vielleicht doch! Die we
niglten sagen sich, daß ein Mißbrauch
der Deilmittel unter Umständen ernste
Folgen hen kann; lein gewissenhaf
ster Men ch sollte aus Gefälligleit aufs
Gerathetoohl Mittel anpreifen, oon de-l
nen er teine Ahnung hat« oh fie in dein ;
gerade vorliegenden Falle auch wirt
lich nützen liinnenz lein gewissenhafter
Mensch sollte sich auf solche Versuchs
ichluclerei einlassen.
Jm gänltiasten Falle wird umzieht-.
rer überhaupt reagieren, sosern es sich
vielleicht um eins jener harmlosen Be
ruhigungsmittelchrn handelt. mit de
nen der Arzt ostrnals Patienten, die
alles Heil nur vorn Einnehmen erwar
ten, hinhalten muß. Denn jeder zweite
Stranle zuminoest will lieber eine
Quarlslasche Medizin austrinlen, als
nur vierzehn Tage lang naturgemäß
und vorsichtig leben. Wenn er nichts
zu schlucken bekommt, verzweifelt er
non vornherein an dem Erfolge. Für
solche Leute muß man Arzneien haben.
mit deren Verordnung das tornhlniert
iwerden tann, was ihnen wirllich
nil t, vielleicht ohne daß sie es wissen.
- radezu strashar handelt der, der
scharsstoirtenvFMeoiZinen an Dritte
roeitergipi. So etwas ist nicht mehr
sSefalligleit, sondern grober Unfug.
Wenn ein Leiden dem andern noch so
ähnlich sieht. ein Laie, selbst wenn er
schon in Kranienfiuben gerochen hat«
kann niemals erkennen, od es auch
wirklich dasselbe ist.
Auch sind bei der Verabreichung von
Medilamenien oft Vorschriften zu be
obachten. mit denen nur der in der
ärztlichen Wissenschaft Stehende und
sein geschultes Pslegepersonal Bescheid
weiß. In einem gutgefiihrten Kran
ienhause z. B. dars Afpnirin nicht ge
ben werden, ohne daß gleichzeitig die
Thätigteit der Nieren einer dauernden
Beobachtung unterstellt wird. Von
solchen Borsichtsmaßregeln hat der.
der eine Medizin an Dritte weiter-gibt
oder sie ohne Verordnung selbst
nimmt, in den meisten Fällen
teine Ahnung. Es gibt einen
sehr gangbaren Mittelmeg zwi
schen den Ueberäanilichen, die, wenn
sie vzweimal nacheinander geniest da
ben. zum Arzt laufen nnd von ihm
sofortige Absteslnng ihres Leidens un
ter Garantieschein verlangen, und je
nen Leichtalönbigem die alles einneh
men. was Müllers oder Schutzes je
mals geholfen haben soll.
»Nimm doch einmal —- Nun ja:
Nimm doch einmal deine Gedanken zu
samt-sen und iiderlege dir, daß Luft.
Licht. Mäszialeit, Sanbertrit, Arbeit
und Schlaf die Dinge sind, die dich
am ersten gesund erhalten, und daß,
wo diese nicht ausreichen, anderes fiir
dich nötig ist« als die Medizin, die
deine Bekannten zusällig noch in ihren-.
Schranke stehen haben.
«
site etsmu große-e fest-der
Anläßlich des jetzt siir Berlin pro
jektierten Dentnials siir Werner Sie
mens dürfte eine turze Erinnerung an
den Lebenslauf dieses bedeutenden
Mannes willkommen sein. Siemenz
ist auf dem Umwege iiber das Militiir
sur Technit gelangt, da er bereits im
Alter.don 18 Jahren bei der Artitlerie
in Magdeburg eintrat. Mit ganz be
sonderem Behagen erzählt er in seinen
«Lebenserinnerungen« von seinem
Bombardier, der ihn auf dem Magde
burger Damplafze scharf drillte, dessen
Wohlgefallen er sich aber bald zu ge
winnen wußte, nachdem er in dem
Bodens-the des Magdeburger Bräu—
hahns, eines damals beliebte Biere6,
ein Mittel gesunden hatte, auch die wi
derfpenftigste Frisur der Netrutem
der militärischen Vorschrift entspre
chend, zu glatten. Seine ersten gründ
lichen technichen Kenntnisse erlangte
Siemens in den drei glücklichen Jah
ren, die er damals aus der Artillerie:
und Jngenieuefchule verbrachte. In
Wittenbeeg machte S. seine erste Er
findung und schrieb auch sein erstes
Potentgesuch. aus das »dem Sekondes
leutnant Werner Siemeas am 29.·
März 1842 ein Patent erteilt wurde
auf ein Verfahren: Gold behufs der
Vergoldung auf nassem Wege vermit
telst des galvaniichen Strome auszu
lösen'. . .. Es ist originell, daß Sie
mens diese Erfindung während einer
ihm wegen Kartelktragens bei einem
Duell zuerteilten mehrcnonatigen Fe(
streng-haft gemacht hat« . . . Siemens
lag frühzeitig die Verpflichtung ob,
fiir seine jüngeren Geschwister zu sor
gen. «Die Erziehung ging im ekterlt
eben hause so weit«, schreibt Siemens,
»daß die älteren Kinder mitbestrast
wurden, wenn eines der jüngeren et
was Strafbares begangen hatte.«. . . .
Die ganzen Geldmittel, welche Sie
mens und dem jungen Mechaniker
hakt-te siir die Errichtung der ersten
Berliner Tetegraphenbaustilnstalt zur
Verfügung standen, waren 4000 Dol:
tats, die ihm fein Vetter, Justizrat
Georg Siemene. geliehen hatte. Aus
diesen kleinen Ansöngen ist das längst
seht welkdetannte Etablissement von
Siemens de Hat-te mit teinen Zweig
geschiisten in alten hauptsiädten Euro
pas entstanden.
ster- als Zahl-steten
In Zeiten. da bei ans jedermann
Mersdaii geringe Angebot von hiths
nereiern tlagt, dürste ei besonders in
teressant sein, zu hören, dask in einigen
Theilen von Peru. vorzüglich in der
Provinz Jauja, die Hülmereier als ———
Scheidemiinze gebraucht werden. 40
bis 50 Eier s— die Zahl wechselt aber
start, je nach dem größeren oder gerin
geren Angebot, gelten das eine Mal,
nach unserem Gelde nur einen Cent,
das andere Mal bis zu 10 Cents.
Aus den Mörtten und in den Laden
bezahlen dort die Jndianer ihre mei
sten Eirtiiuse mit dieser zerbrechlichen
Münze. Man gibt zwei bis drei Eier
siir ein Gläschen des scharfen, einhei
mischen »Pi5co« genannten Brannt
; Ioeinlz, drei mehr siir eine schlechte Zi
igarre aus peruanischem Tabak. Die
Eier werden von den Ladeninhabern
in Kisten verpatti und so bald wie
möglich nach Lima, der hauptstadt
Perris, sendet. Von Jnusa allein
eben iii rlich mehrere tausend Karten
cdirn en Eier nach Lima oder Callaro
Nach r Stadt Jauja werden die Eier
von deti Jndianern der anzen Um e
bung gebracht, und die ausleute ge
stehen daraus, nur ganz frische Waare
zu erhalten, und wenigstens tn ania
tertennen alle mit Sicherheit das lter
s der Eier und toeisen zu alte zurück, wie
fieder Banttassierer eine salsche Münze.
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Das eimweh t
M tm agm h« feinen SiHeIe -.