Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 25, 1910, Zweiter Theil, Image 9

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    Nebraska
Staats- Anzeiger und J set-old.
Jahrgang
Grund oIsland Revis» 3.-. Februar1910. F tttttttt (Theil.)
N
ummer 27. E
Wintermonderung.
Von Mary Reichel Kariten
Tief im Winter starrt vie Erde,
Ruhe. Schweinen überall,
Nur aus grauer Wollenheerde
Leiser, weißer Flockeniall
Alle Freuden gingen schlafen,
Blatt und Blüthen well und todt.
Himmelsfern am Sonnenhaien
Blüan des Abends Rosen roth.
Bliiht auch dir ein leichter Segen,
Herz in deiner Winterruh,
Und du träurnst auf weißen Wegen
Deinem ewigen Friilyling zu.
Wenn sie wandern.
Von Käte Damm.
Jch war noch ein lehr tleines Mäd
ctwm vielleicht eben erst schulpflichtig
geworden. als ich. zum Besuch bei
einer lieben Tante in einer norddeut
ickten Kleinitadt, auf einem Spazier
gang vor dem Thore sah, wie zwei
junge Wanderburickem jeder von der
Mutter noch ein Stück Wege qeleitet,
in hie Fremde zogen.
Das hat sich meinem Gedächtniß so
unauslöichlich eingepriiqt ivie teine
andere Beaehenheit jener herrlichen
Reit, da dem Großstadttinde zum er
itenrnal die Nerli-leiten und Reize des
ländlichen Lebens nnd tleinitädtiicher
Verhältnisse nahe traten. Die unge
bundene Freiheit in Garten und
Feld, die Möalichteit, »allein« in der
Stadt eine Beiorgunq zu machen, das
Fehlen fast jeden Wagenverlehrg, in
nsß die vierspännigen Kutschen, wel
ckse die Landherrschaften gelegentlich
iur Stadt brachten. anqestnunt wur
den, das frohe EinderVogelikiTie
nen«. die unbekannte Freude eines
»wirtlichen zxayrmarrtes —
Berliner, auf dem die Bäntelsänaer,
die Bratwurstbuden, die Menaaerien
und Karossels fehlten, habe iclt
wahrscheinlich nicht fiir »voll'« ange
fehen--«das alles ist in meiner Erin
nerung verblaßt. Aber das Bild der
beiden Mütter, die mit den jungen
Söhnen, die Ränzel und Stecten tru
aen und jeder noch ein Paar Stiefel
am Räti,jel befestigt hatten, das ist
mir geblieben, und jedeg Jahr zu der
Zeit, da so und so viele Tausende von
Kindern »in-s Leben treten«, steht
dieses Bild swieder deutlich vor mei
ner Seele. Ein Wanderbnrfcht Ich
hatte von ihm gehört und gelesen,
nnd die Kindermädchem die damals
noch nicht Fräuleins hießen, hatten,
wenn sie nicht aug- Berlin, sondern
aus kleinen Orten ftammten, dznn
und wann oon ihnen erzählt s— aber«
qeiehen hatte ich keinen· Das »War
um« machte wir grofie Pein. Die
alte Kinderwärterin der Steinen Ku
iine mußte die Fraan iiber sich er
aehen lassen: »Das ift doch ichteälicb
traurig, warum müssen denn die jun
aen Gesellen wandern?«
»Ja, Rind. die müssen, das ist nun
mal so Handwertobrauch, sie müssen
in anderen Städten arbeiten und
noch mehr lernen; wag smein Bruder
ielia war, Geldgießer auf Lampen,
der war soaar bis nach Paris.«
»Aber nachher fahren sie doch mit»
der Bahn, Line, nicht wahr? Sie aeJ
hen doch nur bis zur Station, wohin
wir mit der Post fahren?«
»Ach, behüte Gott — die laufen auf
ihren zwei Beinen.«
»Aber Link, da werden sie jas
müde!«
»Ja, müde werden fie wohl.«
»Und die Stiefel werden schlecht."!
»Nun, dafiir haben sie ja nockj
welche mitt« I
»und Ger haben sie nichts-« t
»Nein, viel Geld nicht, das sollen»
sie sieh oerdienen.« ;
«Kännen sie nicht hier Geld verdie-»
nen?« ’
llnser Gespräch wäre wohl noch
eine autc Weile ohne sichtbare Erfolge
fiir mein Verständnis fortaefetzt wor
den, wenn nicht just am Kreuzwege,
da. wo sich die beiden Cbauffeen nach
Ost und Weit abzsweigten die eine
blieb in Mecklenburg, die andere, mit
Ichwakz WØIB gestrichen-m pure-«
vreichnete die preußifche Grenze die
Gruppe der beiden Mütter und Win«
Derburschen Halt aemacht hätte.
Der Abschied dauerte nicht lande.
die jungen Burschen schwenkten die
Hüte nnd schlugen die preußitche
Chanssec ein, oie beiden Mütter aksek,
tvständizr sich umsäumend tehrten den
Weg zurück. Die Entfernung zwi
schen den Wanderern und den Mitt
tern wurde immer größer---ssnur noch
ein Stückchen -— und sie waren ver
schwanden.
Trotz ihres Schmerzes grüßten die
Frauen die Line.
Die etne hatte etwas Stolzes, Her
bei und Falles, die andere, tletnere,
hatte weichere Züge, tbre blauen.
alantloten Augen standen voller
The-Unen.
»Na — wohin sind sie?« fragte
Line gleichmiithig.
Mach Sübdeutschland über Stet
tin und Berlin, sie wollen durchaus
bis Italien-«
»Gott schütze sie!« sagte Ltne an
bachtig —, nnd das gefiel uns Kin
dern von der Line.
Die stolze, herbe Frau ging hoch
aufgerichtet neben Line —— die kleine
aber schlnchzte herzzerbrechend.
Was sie sprachen, tonnte mein
kindlicher Sinn nicht fassen, nur das
eine ist mir im Gedächtnis geblieben;
vie große Frau sagte: »Ich habe
Hinrich gut ver-mahnt —- er soll ehr
lich und brav bleiben, wie sein Vater
war -— nur ehrlich und brav soll et
mir wieder beimtommen.« Die Stim
7ne tlang scharf und hell, und es war
trotz der Härte. die ich mebr instinitiv
empfand etwas im Wesen Ver Frau,
das mir imponirte.
Die Kleine aber sagte weich: Har
tnngsch, da versteh« ich Euch nicht
Ich meine und habe Claus gesagt:
Bleib’ brav und ehrlich ---— widersieh’
aller Versuchung zum Bösen und
Schlechten —- aber das eine nimm
mit in Gottes Welt, die weit ist, du
weißt, wo du hingebörst, und bei dei
ner Mutter ist immer Platz und Liebe
fiir dich — wie du auch lommft.«
Die große Frau blickte die tleine
an —-- »und wenn er in der Fremde
nicht gut thut, auch dann?«
Da hob die tleine Frau OJH weiche.
verweinte Gesicht und sagte feierlich
mit ihrer milden Stimme: »Auch
dann wo soll ein Kind bleiben,
das in die Irre ging, wenn nicht bei
der Mutter - bei ner Mutter ist im
mer des Kindes Platz s immer.
Ich bate, da ich nie wieder später
in die Gegend tam, ans der die Ver
wandten bald fortzugem niemals
auch nur etwas von jenen Wander
burschen erfahren -- und d.1«s'sind
fest Un Kruste UeL Arml ermitteln
ob sie wiederkamen und wie sie wie
derkamen. Aber stets zu den Zeiten,
wenn die Jungen die Flügel beben
fijr ein-n Beruf, der sie in der Hei
math läßt oder in die Fremde führt
—- aleichviel, mir steht immer das
Bild der beiden Mütter vor Augen,
von damals, als dem Kinde eine
Abnuna anfing von anderer Phitter
liebe und anderen Muttersorgen als
jenen, die ein zärtlich behütetes Kind
in Faniilientreisen lennen lernt.
Wenn sie wandern. Für alle
Mütter tornmt biese Stunde einmal,
auch wenn nicht gleich Meilen sich
litviichen Mutter und Kinder legen!
Wenn sie wandern. In diesem
letzten Augenblick erst möchten viele
Mütter alle Lehren, alle Mahnun
aen, alle Ratbichliige den Kindern
nabelegem zu eigen machen — sie be
ichwörem bleibt gut. bleibt brav
denlt an uns! Das alles ist gewis;
gut und verständlich, und der Erfolg
solcher letzter Mutterwiinfche tritt ge
wiss os: ein -- vielleicht ebenso oft
tritt aber auch das Gegentlseil ein.
Und wenn sie nicht gut wieder-lehrten
oder wenn sie im Strudel branden
den Lebens und brandender Jahre
verloren gingen - — ganz verloren
dann denten die Mütter mit lum
merschwerem Herren, wie es nur
kommen tonnte, dass sie ihre Ermah
nungen, ibre Bitte beim Scheiben so
in den Wind sprachen, daß es Stun
den geben konnte, in denen sie, die
sie ziehen ließen, so gar nicht mehr
dachten an Mutter-dort unv Mutter
treue.
Wer wollte sich darüber tvun
dern?! Und noch mehr. Wer wollte
rechten mit den Müttern, die vielleicht
erst gerade fiir den letzten Augenblick
des Scheideno die Ermahnungen aus
fvarten?-! Wohl haben die Scheiben
den sie gehört und haben, ergriffen
von deni großen, herben Gefühle des
Abschiede. fest und heilig versprochen:
Gewiß —— wir bleiben gutr treu,
wahr. Und trotz alledem tan! das —«
Berge en! Die neuen Eindrücke, dir
Selbst tänvigteit, all das, wag viel
leicht nach dem ersten, schnell über
wundenen Heimweh dem jungen,
dem Leben entgegenreifenden Men
ichn begegnet, zulächelt. ihn schließ
lich an sich reißt, übertoältigt·sie. All
Las Ukoßh ifkkmot luuustuyen uni
iinßektickken Lebens taucht diese Wer
denden in einen Steude!, in dem es
tein Besinne-i gibt. Und wenn dann
stilleke Stunden der Einter tom
men, wenn früher oder später dass
Verlangen sich meldet, einma( mit
der Mutter traute Zwiespeache zu
halten. ihr von den Wieenissen nnd
Irie oft schon Jkenissen des jungen
Lebens zu erzählen, --- ach da
gibt es denn tanfende von Gegen
münden, tausende von Abhaltung-ten
Das Elternhaus taucht oft nur vor
übergehend gleich einer Fata worna
na vor dein geistigen Auge ant; die
iem oder jenem, dessen Weg empor
tiibtte, scheint es dann vielleicht ttein
und eng und begrenzt, nicht passend
nnd nicht gemacht site das Schaffen
und die Thatttaft der Jugend, und
i
l
)
f
—— dag Mutterbild ist verblaßt in der
Erinnerung, und die Mutterworte
sind lvergeffem Und wenn man
»zum Besuch« kommt, dann lotnmt
man als Gast in das Elternhaus, nicht
mehr als Kind zur Mutter. Es wird
heutzutage noch vielfach den Miittern
zum Vorwurf gemacht, daß sie auch
ihre erwachsenen Kinder zu iehr als
»Kinder'« behandeln, die fee gängeln
und leiten möchten. Nun --— eine
frühere Zeit, die Zeit des Gehorsam-Z
nnd der «Kinderzncht, von der tnctn
heute tat-m etwas wissen will, hat
uns dennoch große, gute, tb.rtlräftige
und stolze Persönlichkeiten gegeben
Die meisten Mütter finden sich
heute sel·,r früh und fetyr tlug mit
dem Gedanlen ab, daf; »il1r« Kind
nicht »dao" Kind bleibt. Die rechte
Mutter will gar nicht, daß ihr Kind
das Kind bleibt. eine rechte Mutter
erfreut sich an der rigenartia entwi
ckelten Persönlichteit ihrer Kinder,
aleichvieL ob diese Persiinlichteit der
ihrigen ähnlich oder entgegengeseyt
aeartet ist. Und die echte nnd reche
Mutter es tann die fchlichteste
Frau aus dein Volke iein -- die
lernt, manchmal unter schweren Er
E ftiarnnaem manchmal unter lichteren
Lebensphasen, daß man Elternhaus
und Mutterherz zum Abschied nicht
mit wenig Worten in der Erinnerung
der Kinder seftmachen kann. Dazu
aebört denn doch was anderes, dazu
gehier das-, die Kinder, ganz gleich,
’in was für Verhältnissen sie heran
:vachfen, fest und sicher, seitdem sie
anfingen, zu denlen nnd itfre Eltern
zu lieben, wissen: Hier aeliörst dn
bin! Das ist ein Hafen, worin du
immer aeboraen bist. Hier ist Frie
den für sich nach Sturm, und Liebe
fiir dich nach Hader. lind hier ist
Liebe für dich auch, wenn dein Le »
bensgana nnd wenn deine Fiihrunas
; nicht nach deni glsunscbe der Eltern
zpvareu und seit-It wenn au irr-aus
lcheltest und selbst wenn du stürztest
- - auch dann ist da jemand, der dich
liebt. llnd wenn selbst die Mutter
arns ist und nicht einmal genug
bat Tür sich - sie hat immer noch
Liebe und immer noch Erbarmen auch
sisr die Kinder-, die irrte-n und fehlte-.
Ein Stern, ein gold glänzender, ein
leuchtender Stern in der Dunkelheit
der Nacht soll das Elternlsaus, sollen
Vatertreue nnd Mutter-liebe den jun
aen Menschen sein, als Stern soll die
Erinnerung sie aeleiten und als-;
Steuer die Zuversichk: Jch weis-« wo;
ich hinqehörr.
Grmahnunaen nnd War-minnen
nützen nicht viel, wenn nicht mit den
jenigen. welche wandern, das Bild
des warmen, wohliatraulichen Hau
ses lsieht. Ob es denn wirklich so
schwach damit bestellt ist in unserer
Zeit? Ob wirklich das Etternhausx so
ost, anstatt Freude und Wärme zu
spenden, kiihl bleibt und leer?
Und neben dein Bild de-? Vater
hause-«- die Getviszbeitt Alleseit ist
dort ein Platz siir dich, allezeit —
auch wenn du als .3chiifbriia«siaer
wiederkehrst
Und noch ein anderes Bildt dass
Bild des Feierabendg im Familien-z
treise! Sskuch die Erinneruna dieser;
traulichen Feierabende kann sie unhei«
wußt schiitzen vor dem Strancheln,
sie, die da wandern.
Die Noth ver Zeit zwingt ja Juch
die Frauen sast aller Stände zu ei
nem Beruf, der Kampf ums Dasein
spannt alle Kräfte .1n. und die inei
sten Menschen suchen Die nothwendige
Freude des Feierabend-s in stetem
Genuß, im Theater, Concert, in aka
ßer, anstrengender Geselliqteit Da
veröden die Feierabende der Familie,
die oft die herrlichste Erinneruna der
Kinder an das Elternhausz bilden.
Und wenn schon das moderne Getrie
be nicht aus die Feier dek- Feierabend-s
außer dem Hause verzichten tann —-——
sollten doch die Frauen und Fami-l
lienmiitter wieder Versuchen, wenig-T
stens zwei bis drei Aibende der Woche
für die Familie zu retten. Da ist so
viel, was diese Abende, die heutzu
tage leicht dem Spott als »Faniilien
suupelei« verfallen, verschönen t.1nn:
Gesang und Musik« Belehnna der
Gesellsckiastgsspiele, Vorlesen und »in
deree mehr. s
Das lflteriibi1115, wenns- now
iirmlich ist, soll Der Erinneruna der!
erwachsenen Kinder lieb bleiben
Lieb aber machen es unsJ Eljtutters
treue und Mutterliebe.
Und wenn sie anfangen isn Beruf
selbstständig zu fein - « Söhne und
Töchter dann müssen wir jltiitter
uns sagen, daß unsere Leitung Eibers
sliisfig ist« ja, daß sie hemmend und
schädlich sein tann
Nicht erst beim deeiden sagt es
ihnen, jede Stunde, die ihr mit ihnen
zusammen seid, von ihrer Geburt an
durch die Kinderiahre und in der her
anwachsenden stürmenden Zeit, zeigt
es isbnent Jhr wißt, wo ihr binaebört
—— und bei der Mutter ist immer
Platz, und —- immer Liebe siir euch,
wie ihr-»auch kommt-«
Hochzeit auf den Philippinen.
,,Apotl1eter5 reisen in die Provinz
zu einer großen Hochzeit«, sagte mein
Mann während unseres Aufenthalts-!
in Manila, als er eines Mittags Hum:
Tiffin --— wie das warme Früh-Titel
in Ostasien heißt -— nach Hause kam.
»Was-'s ries ich aus, »das läth
du dir so erzählen, natürlich;
fahren wir mit.« Die liebens
lviirdige AApotbeter s- Familie wars
auch gleich bereit, uns mitzunehmen;
die Vorbereitungen wurden getroffen, .
worunter das Nothwendigste war, ein
biibsches Hochzeitsgeschenl anszuwkib
len! Jn den schönen Läden der Escols
ta, Manilas Hauptgeschäftsstraße, war
bald das Rechte gefunden, ein Toilet
tentischaussatz aus einer Silbertompo
sition mit Spiegel und Flatong fiik
Parfllmz und Puder, ein sebr passen
des Geschenk für eine Philippiuerin,
die von den Spanierinnen das Parfiis
mieren und Pudern gelernt hat. Kann
man ihnen aber das verdenlen in einein
Lande, lvo der Ylana-Ylangbaum
wächst, der uns Grundstoff fast aller
Pakfiims liefert?
Am liebsten pudern sie sich weiß, um
den Teint der Europäerinnen vorzu
täuschen. Auch beim Karneval werden
mit Vorliebe die weißen Pierrotmagi
ten getragen.
Früh mußten wir ausbrechen: unser
Zug ging bereits um f; Uhr, und sieben
Stunden betrug die Fahrt.die aröfzten
teils durch Reisfelder und Zuckerulan
tagen führte, auf denen Arbeiter gegen
die Hitze in rothe Stoffe getlejdet sich
malerisch abboben. Die Hitze war un
erträglich, und unser reichlichcr Vor-—
ratb an Whigtey u. Tans.-n. der über
all in Ostnsien aetruntenen japanischen
Quelle, neigte sich bereits seinen-. Ende
zu, als die Landschast schöner wurde,
wir ourw diente Palmenwatver. uver
reißende Gebirasbäche unser vorläusi
aes Ziel, Damime erreichten. Hier
war die Wohnstätte des Bräutiaaing,
und von hier bis zumHause der Braut,
in dem dieHochzeit aefeiert wurde, aina ;
es nun aus einem Flußdampser weiter.
Jn Dagupan aus dem Bahnhos stand
der Bruder des Bräutigams, aleich
diesem Apotheter, ein junger liebens: »
würdiaer Mann mit tadellosen Manie- T
ren. tsr beariißte die vielen mit diesem
Zuge anaelvmmenen Gäste um sich
dann ausschließlich den Europäern zu
widnten. Aus bereitstehenden Wagens
ging es durch die tleine Stadt, iiber ei- -
ne bambnsaeslochtene Briicte in die
Apotheke, in der dieGäste erquickt wur
den. Der Tisch reichte nur fijr 12Per
sonen, hatten diese gespeist, so nahmen
12 andere Platzr so war es schon den
aanzen Vormittag acaanaen, eine
schwierige Haussrauenvflicht, der sich
die Schwestern des Bräutigams auf
das silnmuthiaste entleviaten Das Es
sen war aut, alzer nicht erotisch, bis auf
den Nachtisch der aus in Sirup einae -
lachten Raiden-kiffen bestand lee- warT
nun Reit, nach Linaayen, dem Wohnsitz »
der Braut, zu fahren; der Dampfer,der
schon mehrere Male an diesem Taae die
drei Stunden weite Tfalsrt mit Hoch
zeitsaästen aemacht hatte, legte an, nnd
wir bestieaen ihn, soralich geleitet von
dem Bruder des Bräutigams. Die
Fahrt war schön, es aina durch Lotos
nrtßwaldrinaeit hin: die llser waren
umsiiumt von Nivahäusern. die manch
mal bis in das Wasser hinein gebaut
waren und der Fluß war bedeckt mit
.phantastisch aussehenden Fischerneizen
Aber ebenso interessant war die Gesell-:
schast an Bord; neben mir saß eine
niedliche Philipp-um« einen Brillanten
am Finaer, der ihrem Finaernaael an
Größe aleichlam, und mit einem ebenso
kostbaren Kreuz an dem seinen brau
nen Halse. Jn spanischen Zeiten war
das Banlwesen so unsicher, daß die
Philippinen vorzoaen, ihr Vermöaen
in Juwelen anzuleaen, die man da
durch am sichersten bewahrte. dass man
sie stets trua. Sie war die Tochter deLJ
Büraermeisters vonDagupan und hörs
te sehnsiichtia einem jungen Mannen
scr zu, der ibr die Veraniiaunaen ver»
hanptstadt schilderte. Endlich lam
der arofxe siirchthum ver Klosterlirche
von Linaahen in Sicht. und bald lan
lIclkll ll’lk, lIkUkllHl UVU Uclli Bklllllk
aam, der selbst am Landnnnrsiiea feine
Gäste erwartete. Zu Wagen aina eg in
ein Hans-, das man ian als-Nachtquar
tiek angewiesen butte- Aler wie snb es
darin nncsl Das Haus lrsar ann; leer
bil- ans ein großes Beit, das siiti in ei
nein der Zimmer fand, und wir waren
fiins Personen! Sonst war nichts dar
in, lcine Wascheinrichtnna, die tnir vor
Allen Dinrrcn am nötbiasten hatten.
» Schon wollte ich in den Hof hinunter,
nsn den Brunnen als Dnsche zu benui
zei:, als unser Diener, den mir von
Manila mitgenommen hatten. großer
leere Petroleumdosen, mit Wasser ac
siillt, anbrachte. Die Vetroleuindosen
werden im Orient zu allem benutzt, sie
dienen als Wassereimer, ihr Blech wird
zn Backblechen benuhk es gibt fast sei-»
nen häuslichen Gegenstand, den man
nicht aus ihnen herstellen könnt-. Wir
säuberten uns, putzten uns heraus und
behängten uns der Landessitte gemäß
auch mit Schmucksachen. So ging es
in die Kirche, wo die seierliche Hand-—
lung vorgenommen wurde.
Das Brautpaar empfing darauf
mit weltmännischerGewandtheit an der
Treppe ihres Hauses, das reizend mit
Palmen, Bananenblättern und Lam
pions geschmückt war, und nahm die
Glückwiinsche der Gäste entgegen. Der
junge Ehemann, dessen Vater wohl von
chinesische! Herknnst war, hatte noch
viele chinesische Züge, seine junge Frau,
die stolz hervorhob, eine spanische Me—
stize zu sein, sah sehr schön in ihrem
Brauttleid aus, dessen Rock aus weißer
französischer Seide, die Bluse aber aus
Pina bestand, dein seinen chissonarti
gen Stoff, der aus Fasern der AnanaH
gewonnen wird, und den es nur auf
den Philippinen gibt. Beides. Rock
wie Bluse, war mit der gleichen kunst
vollen Stickerei versehen, denn die Phi
lippinerinnen sind Meisterinnen der
Stickknnst. die von den Nonnen gelehrt
wird. Jn den Haaren trug die Braut
einen Kranz aus künstlichen Orange
bliiten,der hinten von einer wundervol
len Brillantspange zusainmengehalten
wurde. Sie freute sich sehr über unser
Geschenk, noch mehr aber wohl über die
Anwesenheit so vieler Europäer an ih
retn Ehrentage. Es waren zwar auch
sämmtliche anieritanischen Beamten
nnd Ossiziere dieses Distritts mit ih
ren Frauen anwesend.
Jm Speisesaal war der Tisch ge
deckt, und die Braut nahm mich bei der
Hand und führte mich hinein. Es
war ein langer Tisch, an dem 80 Per
slsnen Platz hatten. Da aber ungefähr
LUH anwesend waren, so wurde nach
einander gespeist, nnd zwar die Ge
schlechter getrennt. Hinter unseren
Stühlen stand der junge Bruder des
Bräutigams, nahm den Dienern die
Schüsseln aus der Hand, um sie ung
selbst zu reichen, ein Zeichen besonderer
Ehrerbietung Das Essen war sehr
lang: es fehlte auch nicht ein an einem
Bambugstabe im offenen Feuer gebra
trnes junges Schwein, dem größten
Leckerbissen in diesem fleischarmen
Lande. Die übrige Gesellschaft wur
de inzwischen mit Musilborträgen un
terhalten, denn der Filipino ist unge
mein musikalisch. Als wir ein Ge
sanggquartett hörten, ließen wir unser
Essen im Stich und lehrten in die Ge
sellschastgräunie zurück. Jch setzte
mich nun bald zu dieser, bald zu jener
Gruppe und knüpfte überall eine Kon
versation an, auf die alle mit großer
Liebengwürdigleit eingingen, mir so
fort Komplimente über mein Spanisch
machend. Plötzlich stürzte ein Herr
mit allen Zeichen der Freude auf uns
zu, indem er uns aus Deutsch sagte,
wie er sich freue, Deutsche hier zu
sehen. Es war ein früherer Jnsurs
gcntenführer, der von den Spaniern
des Landes verwiesen worden war,
..u,nd—dies-kjeit seine-J Exils in Deutsch
land verlebt hatte. Er liebte Deutsch
land wie fast alle gebildeten Fillipis
nos. Die Ameritaner haben ihn, wie
viele der früheren Jnsurgentensiihrer,
um sie zufriedenzustellem zum Gouver
neur einer Provinz gemacht.
Die Braut hatte sich inzwischen um
gelleidetz sie trug nun ein rothes-Kleid
mit silbernen Sternen besetzt, der Rock
wieder aus Seide, die Bluse aus dein
einheimischen Stoff. Sie sah sehr
trächtig aug, wie die bekannten Bilder
auf den Zigarrentisten Nach ertra
päischem Maßstab hätte man ihr wohl
Ilu Jahre gegeben, sie war aber tat
sächlich erst 18 Jahre. Jhre Erschei
nung wurde von ihren Gästen einer
wohlwollenden Kritik unterworfen; ich
hörte, wie man ihre Kleidung lobte
und ihren Schmuck pries, glaubte aber
meinest Ohren oder meinem Spanisch
nicht zu trauen, als ich aus einer
Gruppe junger Mädchen und junger
Leute die Worte vernahm: »Sie ist
gesund uud wird eine glückliche Mut
te: werden« ,,Costumbre del pai9«,
Landes-litte, sagt achselzuclend der Fil
lipino zur Entschuldigung bei allem,
triag dein Fremden sonderbar erscheint.
Ein ungeheuer großer Prozentsatz der
Kinder auf den Phililippinen stirbt
leiter im ersten Lebensjahre durch sal
sehe Pflege. Schon nach wenigen
Monaten gibt inan dein Rinde die
landesübliche Nahrung ausz- Reis und
getrockneten Fischen. Kuhmilch gibt
es in fast ganz Ostasien nicht, doch
wird vorzügliche Milch in Dosen, die
Theste aus der Schweiz, iinportiert: sie
shat sich wohl aber bei der einheiniischen
Bevölkerung besonders in der Pro
vinz, noch nicht genügend eingeführt.
s Nun wurde getanzt, das Braut
paar selbst siihrte den Rigodon an, eis
nen Kontertanz, der sich in der philip
pinischen Kleidung sehr gravitätisch
ausnahm. Sehr sbaßig sah es aus,
daß hinter jeder Dame ein Stuhl
stand, auf den sie sich nach beendeter
Figur sofort sente. Es war inzwischen
Mitternacht geworden, wir zogen uns
in unser Haus zurück, das durch die
Fürsorge unsers Dieners ein Z. Bett
bekommen hatte· Weich ist ein solches
philippinisches Bett nicht, denn es hat
keine Matratzen oder Sprungfedern.
Der Bettboden besteht aus Rohrgei
flecht, dessen Muster man am anderen
Morgen auf seinem Körper findet.
Welch großer Luxus aber diese Betten
waren, sahen wir erst am nächsten
Morgen, denn als wir wieder das
Hochzeitshaus betraten, da war der
Fußboden des ganzen Hauses mit fei-·
nen Matten belegt, aus jeder Matte
lag ein sauber bezogenes, rollenförmi
ges Kopfkissen. Dies war die Schlaf
gelegenheit der übrigen Hochzeitsge
sellschaft gewesen. Die Familie des
jungen Paareg versorgte uns nicht al
lein mit einem sehr reichlichen Früh
stück, wozu nach spanischer Sitte
Schokolade getrunken wurde, wir
mußten auch Vorräte fiir die Eisen
bahn mitnehmen.
Erna Arnhold.
Die Rohr-post
Die Rohrpost besteht bekanntlich im
Prinzip darin, daß man die einzelnen
Postämter durch unterirdisch verlegte
Röhren miteinander verbindet, durch
dir kleine, patronenförmige Kapseln
(Büchsen) geblafen oder durchgesaugt
werden, wobei die Preßluft oder
Saugluft von maschinellen Anlagen
geliefert wird. Hundert Jahre sind
gerade vergangen, seit der Gedanke,
auf diese Weise eine Beförderung her
zustellen, von dem Engländer George
Medhurst zuerst geschichtlich nachweis
bar ausgesprochen wurde. Allerdings
ging es auch diesem Erfinder ähnlich
wie vielen anderen, die praktische Aug
fiihrung folgte der geistigen That erst
viel sparen Zuerst im Jahre 18328
!
E
Z
g
z
wandte man oag Prinzip auch sur eine
Eisenbahn, die Wormwood Scrubss
bahn, an. Der Betrieb mußte jedoch
als-bald eingestellt werden, weil er viel
zu thener war. Jm Jahr-e 1853 baute
dann Latimer Clark die erste Rohr-Post
im heutigen Sinne des Wortes zwi
schen dem Bureau der internationalen
Telegraphenkompagnie und der Lon
doner Börse, die sich sehr gut bewährte.
Dann folgte 1867 ein von Crespin
konstruierteg Rohrpostsystem zur Ve
fördernng von Telegrammen inner
kalb der Stadt Paris,1875 die Rohr
postanl age nach dem System von Fel
binger in Wien,1876 nach demselben
System in Berlin und 1899 in Prag,
sieben Jahre vorher,1892, war schon
in Philadelphia durch Batcheller die
Rohrpost in Amerika eingeführt wor
den, die dann auch alsbald in New
York ihren Einzug hielt. Ganz all
gemein können wir heute zwischen
einem europäischen und einem ameri
tanischen Rohrpostfystem unterschei
den. Das erstere dient in der Haupt
fache der Beförderung der Telegramine
vorn Hanpttelegraphenamt an die ein
zelnen Postämter zur Zustellung an
die Adressaten. Außerdem werden
auch besonders leichte Briefe nnd Kar:
ten als Rohrpostvriete gegen besonde
ren Tarif befördert. Dementsprechend
find die Röhren ziemlich eng, in Ber
lin z. B. 222 ;,oll· Die Kapseln, in
denen die Briefe Platz finden, haben
nur t; Zoll Länge, sie können etwa 20
Briefe und Karten fassen. Anders
dag- amertkanische System. Es dient
dem eingangs erwähnten Zweck, der
Beförderung der Briesschaften von
Postamt zu PostamL Die Röhren
haben hier, ,.; B in New York, 8 Zoll
Durchmesser die Kapseln 2 Fuß
Länge. Jn jeder einzelnen können
rund Hm gewöhnliche Briefe befördert
werden« Format nnd Stärke der Sen
dungen ist hier bei weitem nicht so be
schränkt wie vei den enropäischen An
lagen siwiseh en der Anlage in Ber
lin und der in New York besteht außers
dem noch der Unterschied, daß die Ber
liner Rohrpost zentral verlegt ist: von
einer Stelle gehen die Strönge strah
lenförniig aus«-. Jedes lttolfrpostath
»puttel« die Kapsel nacy oer Zentral
nnd diese ,,Pnstct« sie nach der Stelle,
fin die sie bestimmt ist. Jn New York
geben vie Leitunan von Vostamt zu
Postamt nnd schließen sich zu einent
Ring. Bei dieser Methode ist die An
lage billiger-, der Betrieb aber etwas
langsamen Soll z. B. eine Sendung
von Postamt l nach Postamt 7 gehen,
sc sendet sie erst 1 an 2, dann 2 an Il,
J an l n. s. w. Allerdings geschieht
die tllleiterbesördernng sehr rasch, in
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nerhalb weniger Setundetn denn jede ,
Kapsel liat am Boden den Bestim
n21iiiggort angegeben. Sobald eine
Kapsel anlomntt, sieht ein Beamter f
nach nnd gibt sie sosort wieder in den s
Sendeapparat. salls sie nicht für das
Amt bestimmt ist. Früher hat man
»auch automatische Umsteuerungen und
zWeiterbesörderungseinrichtungen ein
gerichtet, sie waren jedoch zu verwickelt,
der Betrieb von Menschenhand hat sich -
als zuverlässiger und billiger erwiesen. ·
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