Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 18, 1910, Zweiter Theil, Image 10

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    III ver Malt verloren.
Yoman von Jeder v Yohektitz.
(14. Fortsetzung)
Nachdem Dalton diesen Brief been
det, übertrug er den französifch abge
faßten Inhalt desselben auf einen
zweiten Bogen in einer höchst kompli
zirte, nur aus Zahlenreihen bestehen
den Gedeimschrift, kouvertirte hierauf
das Schreiben und adressirte es an
Deren Francois Beaupard. Patentna
rpalt in Geni, Rue de la Bouse Il.
Sodann verbrannte Mr. Dalton
das Original dieses Briefes an ei
nem angezündeten Wachsstreichhölz
Gen und streute die Asche, nachdem er
sie mit den Fingerspitzen zerdrückt, in
den Karnim
19. K a v i te l.
Zwei Tage nach den gefchilderten
Vorgängen ging den Zeitungen Eu
ropas von Seiten der Kontinentak
Telegrapshemsureaus eine Reihe be
nnruhigender Nachrichten zu, die alle
fatntnt ungefähr wie folgt lautetem
»Ja Neapel sind in den letzten Ta
gen verschiedene Cholerafälle mit tödt
lichetn Ausgange zur Anzeige bei den
Behörden gelangt. Die Seuche ist in
den engen und winlligen Stadttheilen
von Santa Luzia und an der Maran
zum Ausbruch getommen und vorläu
fig auf diese Quartiere beschränkt
Umsafsende Vorsichtsrnaßregeln sind
angeordnet worden, trondem ist die
Vanit groß. Viele Fremde verla en
die Stadt. Jn- Hasen rotteten ich
gestern Abend die Voltsmafsen zusam
men, zogen vor das Palais des Sims
daco und warfen die Fensterscheiben
ein: mehrere Aerzte wurden mißhan
delt, so daß die Polizei einschreiten
mußte. Auch voes dem Palaste des
Erzbischofs kam es zu Demonstratio
nen: das fVolt tzerlangte eine Tit-Hef
non ourch oie Sraoi mn oem onu
nisse des heiligen Januarius, des
Schuhpatrons von Neapel, an der
Spitze. heute ist alles ruhig. Von
vorgesiern Mittag bis gestern Abend
sind siebzehn Personen an der Cholera
gestorben und zweiundzwanzig Krani
heitssiille angemeldet worden. Man
hofft, daß die Seuche infolge des
Wetterurnschlageg bald erlöschen
wird.« —
Durch Neapel ging ein Schrei des
Entseheni als die ersten Nachrichten
iiber den Aus-brach der furchtbaren
Krankheit in die Oeffentlichteit dran
gen. Man entsann sich nur noch all
zu genau der Zeit, da die Seuche zum
leiten Male in der bezaubernden
Stadt am Golf gewüthet hatte, um
nicht die Schrecken des Kommenden
in allen Einzelheiten vor Augen zu
sehen. Eine gewaltige Aufregung be
mächtigte sich der Massen; die Wuth
des Aberglaubens erwachte im Volke,
man infultirte die Aerzte, man rottete
sich zusammen, zog heulend durch die
Straßen und raufte sich mit den Po
liziftem die der anstürmenden Meute
den Weg uz versperren suchten. An
dere Massen stauten sich vor den Por
talen des Doms, doch nicht um zu
beten, sondern um in gräßlichem Ge
schrei San Gennaro, den Schuypatron
zu lästern. weil er seine fromme Stadt
verlassen und dem Untergange geweiht
habe.
Durch die schmalen Gassen des Ha
fenoiertels zogen inzwischen — ein
diisieres Schattenspiel — die ersten
Letchenwagen, die ihre Todten ioeit
hinaus vor die Stadt führten, um te
dort in Kallsgruben zu bestatten.
diese Züge des Todes sich zeigten, da
flohen die Lebenden, nur die Mitglie
der der barmherzigen Brüderschast
hielten aus neben den Sätgen. Von
Kopf bis zu den Füßen in dunkle Kut
ten gehiillt, die Kapuze über den Kopf
gezogen, aus der nur die Augen her
vorblistein brennende Lichter in den
Rechten — so wanderten die Männer
zu seiten der Leichen.
In den wohlhabenderen lstreifen
Neapels hatte die Furcht vor dem
«schwarzen Gespenst« noch nicht um
sich gegriffen. Man konnte erwar
ten, daß die ialte Witterung bald ein
fuhr vie-de- uztd des-sit Jst-I W
Fort-schreiten der mantqen ern vom-n
gefest. Daß das Volk jetzt schon in
Verzweiflung gerieth und wie wahn
sinnig tobte, erregte weder Besorgniß
noch Verwunderung; man wußte, wie
lehr der Neavolitaner im Jubel und
im Schmerze die Uebertreibung liebt.
Während die Fremden angsterfüllt m
ganzen Schaaren die Stadt verließen,
blieben daher die eingesessenen vorneh
men Nenvolitaner, die an der Cshiaja
oder akn Korso ihre Paläste befaßen,
ruhig daheim. Die Logenreihen itn
Teatro San Carl-) zeigten noch keine
veränderte Physiognomie, die Clubs
waren allabendlich überfällt und auf
der Van reale proknenirte des Nach
rnyitlttagi nach wie vor die elegante
« Vor der Billa Jllbur hielt der
Landaner der Fürstin or ' lianm
Die alte Dame hatte ihrem iener
Mehl gegeben. Wanda eine Meldung
zu überbringen, und dieser war lo
eben mit Iden- seicheide zurückgekehrt
dk Frau serv-in werde sofort er
sw.
Ue Iran Veto-tin trat aber. esse
sie des Gusche der Fürstin Folge
leisety noch einmal in das Zimmer
W Ieise-bist Zika fühlt-» Este
WIW e Mr n
Des satten stieg zu sagen.
«Jch will aus einige Stunden aus
sahren, Egon«. sagte sie und nestelte.
an ihren Handschnben Die Fürstint
Gornigliano holt mich ab; wir wollen»
nach dem Fusaro-See. es ist daher(
möglich, daß ich erst gegen Abend zu
riicktehre.«
Jllburg schaute mit sinsterem Ge
fecht von seiner Arbeit aus.
«Dars ich fragen, wer diese wun
derliche Purtie wieder einmal onna-J
girt hat?«
War-Ida tniss siir einen Augenblick
die vollen Lippen ärgerlich zusam
men.
»Wenn es Dich interessirt. weshalb
nicht!« gab sie mit tradi, er Miene zur
Antwort. »Der Marchese Sin Balbi
bat die gute Jdee gehabt. eine seiner
Wochengesellschasten einmal draußen
im Freien statt in seinen Salons zu
geben. Findest Du den Gedanten so
wunderlich?«
»Bei der gegenwärtigen Zeitlage
allerdings. Ich hatte es fiir srivol,
nach Vergnügungen zu jagen, wäh
rend eine gräßliche Seuche die Stadt
bedroht.«
i Wanda lachte aus, doch dies La
schen tam ihr nicht aus dem Herzen,
ses tlang gepreßt und unnatürlich.
; »Du hast eine besondere Vorliebe,
i mir auch das harmloseste nnd unschul
Jsdigste Vergnügen durch Deine Mo
zralpredigten zu oergällen«, erwiderte
fie. »Aber ich will mich nicht äraern.
Die Fürstin wartet. und nun sei ar
tig, Schad. und gieb mir einen Ab
schiedötuß.«
«h Sie neigte sich über ihn nnd tiißte
r n.
.Kindchen. wo bleiben Sie denn?·'
ries ihr draußen die Cornigliano zu.
»Das lange Warten hat mich schon
ganz nervös gemacht.« Sie streckte
Wanda die Rechte entgegen, »Grüß
Gott, kleine Frau, wie prächtig se
hen Sie wieder aus-! Leben und.
Sonnenschein Gesundheit und Freu
J
· »Der-reiben Sie meine Zögerung
liebe Fürstin«. entgeanete Wanda
und nahm im Wagen Platz. »ich hatte
Sie nicht so iriih erwartet Ihr
Kompliment gebe ich zurück. ich sreue
mich von Herzen darüber, daß Sie
Ihrem Hausarzt die Thüre gewiesen
haben. Die Gräsin Donati erzählte
mir von diesem, in gegenwärtiger
Zeit doppelt bewundernsrverthen Hel
denstiick.«
Was sollte ich machen!« lachte die
Fürstin. »Mein alter Professor pei
nigte mich seit acht Tagen mit seiner
Cholerasurcht, das hielt ich nicht län
ger aus« und so gab ich ihm den Laus
paß. Choleraturcht —- lächerlich!
Die Camorra hat das Voll ausgeheyt
um in der allgemeinen Verwirrung
bequemer rauben und stehlen zu tön
nen: das ist die Meinung des- Einge
weihten. Dem armen Ruggieri bat
man gestern Nacht wieder einmal ein
Pulversaß in den Hausslur gestellt,
und aus Filippo Mora, dem Depa
tirten der Seltion Pezzosalcone, ist
heute sriih geschossen worden. Die
Camorra ist unheimlich thätig.«....
Der Wagen hatte die Grotte des
Posilipp. durch die er gesahren, hinter
sich und hielt nun am Ausgange des
riesigen Tunnels vor der ersten Oste
ria des Dorfes Funkigrotta Zahl
reiche Cauipagen standen am Wege,
deren Jnsassen die Neuangetommenen
lebhaft begrüßten. Einige jiin ere
beeren waren abgestiegen und t
ten sich plaudernd aus der Steinbant
vor dem Gasthause niedergelassen
Auch sie zogen die Hüte, und einer
von ihnen, der Murchese San Balbi,
ein hochgewachsener Mann mit geist
reichen, verlebten Gesichtgziigem trat
an den Wagen der-Fürstin heran, um
den beiden Damen die band zu rei
chen.
»Nicht böse sein, Marauis«, ries
Wanda heiter und duldete es mit be
friedigtem Lächeln, dass San Ball-i
ihre Rechte an seine Lippen führte;
»,.ich sehe es Ihrer Miene an. daß
« Sie uns ob Unseres Zuspiitlummeni
eine tleine Strasprediat halten wol
len. aber tvir sind wirklich schuldlos.
Die Färstin ganz, ich deinahe.«
«Freigesprochen«, gab der Marche
se lachend zurück, .Reuegeld sordere
ich indessen doch, Baranin Ich bitte
tun die Erlaubniß, in Ihrem Wagen
Mai nehmen zu dürsent Meins
Brandsuchs hat sich einen Stein in
den has getreten. und nun bin ich
obdachlpz.'
«O, Sie Bedauernswertheri Wir
wollen gemeinsam bei der Fürstin pe
titionirem daß Sie in ihrem Wagen
aufgenommen werden«
.,Rur immer herein, Marchese«,
fiel die Fürstin Cornigliano etwas
ungeduldig ein; »wenn Sie sich nicht
allzu breit machen, finden Sie auf dem
Rii genügend Plat. Kommen
Sie, ommen Sie Ihrr-erster wozu
die Umstände! .«
Der Mem-is erschöpr sich in
Entschuldigungem während er zwilchen
den baufchigen Kleidern der Damen
auf dem lchmalen Rücksihe der Equis
Platz suchte. Wand-i lachte fröh
auf, als sie ihr Gegenüber in
Ebertrielsen lliiglicher Haltung, mit
angelegten Ellenbogen und hoch em
por enen Knien vor sich sihen
licht-n die Iiirftin ließ ei sn dro
stischen Redewendungen nicht fed
len. —
An den nerdnischen Bädern vor
über rollte die Wagenreibe unt die bot
springende Ecke der Punta dell« Epi
tassio, und nun össnete sich vor den
Augen der Schauenden das wunder
same Panorama der Bucht von Baiii.
Rechts am Berghange tauchten unter
schtvarzgriinein Strauchwerl .und
grauem Geröll Trümmer von altem
Mauer-wert aus, die letzten Reste jener
herrlichen Willen, die sich hier dereinst
die reichen Bürger Roms und Par
tbenopes hatten bauen lassen; links
sah man die ausstrebenden Pseiler
det Tempel Merkurs und der Diana,
und darüber fort schweiste der Blick
aus ein in leuchtenden Farben er
strahlendes Landschastsbild
Jn demselben Moment, da der Wa
aen der Cvrnialianv um die Punta
Epitassio bog, rollte an diesem ein
aeschlossenes Caupe vorüber. Wan
da beugte sich neugieria vor, um in
den Fand der Eauipage schauen zu
können, sie sab aber nur noch eine
ariiszende Frauenband in hellgrauem
Leder am Fenster.
»Die Bulilass — sieh dal« rief
San Bnlbi erfreut. »Ich glaubte
schon, sie habe ihre Zusage vergessen
Sie liebt einmal das Extravagante;
welch’ närrische Idee, an einem hei
ßen Nachmittage. wie heute, gleich
einem Leichenbitter in geschlossenem
Wagen auszusahren!««
»Sie trauert allerdingsc erwiderte
die tFürstin »Sie soll nämlich recht
aeizia sein, und nun bat man die Un
alüetliche in der vergangenen Nacht
bestoblen.«
»Ei, ei, das ist eine sensationelle
Neuigkeit, von der ich noch qar nichts
gehört habe! Wissen Sie Näheres
über den Vorfall« Fürstin?«
»Nur das, was ich selbst heute früh
von -— von wein war es doch gleich?
-—— nun, aus dritteni Munde gehört
habe. Der Geldschraiit und derEchreib
tisch der Bulikosf sind erbrochen und
aus-geraubt worden; die Triebe haben
Juwelen im Werthe von etwa zwan
zigtausend Lire und einige Tausende
in baar gestohlen.«
Mit iufaniniengezogenen Augen
brauen und einem fremdartia berüh
renden Ziia uni den schönen Mund
hatte Wand-i dem Wagen noch lange
nachgeschaut Ein glücklicher Zufall
hatte es bisher verhindert, daß sie in
den Gesellschaften, die sie besucht, mit
der oerhaßten Rioalin zusammenge
troffen war. Sie fürchtete die Vati
kosf, fürchtete ihre scharfe Zunge und
ihre verletzende Spottsucht, vor al
lein aber ihren überlegenen Geist
Der Gedanke, aerade heute in enge
reni Kreise init ihr beisammen wei
len zu müssen. drückte die rosige
Stimmung, die Wanda bis jetzt be
herrscht hatte. erheblich herab.
Dicht vor Baiii bogen die Wagen
in einen rechts von der Landstraße
sich abztoeigenden schmalen Fahrweg
ein« eine Art hohliveg mit antiken
Gröberitätten zu beiden Seiten. Nach
kaum einer Viertelstunde ivar das
Ziel des Ausliigeg, der Lago del Fu
saro, erreicht. Vor dem in die grü
nen Wassers des Sees hineingebauten
kleinen Schlosse das König Ferdis
nand l. von Neapel für seine Jagd:
freunde errichten ließ, und in dem
sich heute eine vielbesuchte Restaura
tion befindet, stiegen die Gäste aug.
AufWeim nach der Seefeite hinaus
siihrenden größten Balton des Ka
stells, icon dem aus man das ganze
Wässer mit seiner dunkelgrünen
Umkränzung übersehen lann. nsar br
reitö die Tafel gedeckt
Der Marauio führte Wanda, und
mit tiefem Ausathriien bemerkte die
se, daß die Bulitoff in ziemlich wei
ter Entfernung von ihr Platz genom
men hatte. Die berühmten Austern
des Lago Fusaro eröffneten das ang
erlesene Souper. Jn den Gläsern
glühte gokdaelber Orvieto nnd rubin
rot-her Velletriioeim gerüuschlos glit
ten die Kellner hinter den Reihen der
Gäste entlang, und bald knallten auch
die ersten Champagnerpfropsen. Den
Kelch mit dein perlenden Schaum
ioeiii in der Hand erhob sich San
Balbi. Sein Toast galt der Freude
des Lebens, und jubelnd stimmte
man. während aus dem Buschtoerk
Fansaren schmetterten, in das von
ihm ausgebrachte Hoch ein. Keiner
der Anwesenden fühlte den uniaglia
renChniömus dieser Freudenhhmne
angesichts des Todejregiments, das
in Neapel das Szepter führte. —
Diiiter dem Ulnienhaiii am jensei
tigen Ufer des Sees ging die Sonne
Ein echter Dasel.
Das-,
III —- M -- .·. ,
Jus welchen Namen hört denn eigentlich Jht bunt-P
.Anf jeden und seinem-«
i
zur Rast. aber die Lust Blieb mild
und wonnig, wie an einem Frühlings
abend. Ueber die Wasser huschten
dunkele Schatten, und die tagsiiber
durchsichtig llaren Wollen särbten sich
tiefschivarz. Plötzlich leuchtete. wie
durch die Berührung einer unsichtba
ren Zauberin-nd rin sum ein Glanz
meer aus. Auf den « then und Bäu
men am Gestade slamrnten bunte Bal
lons, und über dag Gewöiser huschte
es wie zahllose Schwärme von Jer
lichtern. Dann stiegen mitten im See
laut prasselnd Raletensaloen empor,
und nun begann var det- Augen der
überrasckten Gäste ein schimmerndes
Feuerweri —- ein Märchenbild aus
Tausend und eine Nacht zog an ihnen
vorüber...
Allgemeines Bravo ertönte. als
die leyten Funkengarlten in den flü
sternden Wellen erloichen. Mit zufrie
denem Lächeln nahm der Marauis die
enthusiaitischen Danks-Irrungen seiner
Gäste entgegen. dann aber neiate er
sich zu der neben ihm stehenden Wanda
herab, und während sein heißer Blick
ties in ihr Auge tauchte, sragte er
leise: .Und Sie?«
»D, es war zauberisch schön«, ent
gegnete Wanda lebhaft, »so schön. daß
ich mir die poeiiiche Stimmung nicht
durch banalen Applaus zu verscheu
chen wagte!«
San Balbi verneigte sich.
»Nun erst bin ich bestiediat«, erwi
derte er mit weicher Modulaiion im
Tone; »Ihr Urtheil gilt mir mehr als
der lärmende Beifall der anderen.
Dars ich Sie in mein Boot geleiten?
Wir wollen eine Umsahrt ans dem
See unternehmen.«
Er tlatfchte in die hande.
Von rechts und links ans dem»
Schatten der Artaden, die dasj
Schlößchen umgaben, traten zwei Bei-H
hen in Schiffertracht get Wein Män-»
nee, Fackeln und Wind ,ter in den;
Händen. Sie bildeten .vor der Bal
tontreppe Spalier, dann fiihrte deH
Marchese Wanda hinab. und ihm nach
folgten die übrigen. i
Die Gesellschaft oertheilte fich in’
den Booten San Balbi hatte mit
Wanda in einer zierlich gebauten
Barte Platz genommen und soeben
sollte sie abftoßen, als Celia Buliloff
plöylich das Verbindungsbrett zwi
schen dem Kahnbord und dem Lande
betrat. Das unerwartete Erscheinen
der ichtosarzgelleideten Frauengeftalt
erichrectte Wanda so heftig, daß sie an
sich halten mußte, um nicht einen lau
ten Schrei anezuftofzen
»Haben Sie noch Platz fiir mich,
Marguik?« fragte Clelia. »Mir ist
im Dunteln mein Kavalier, derOberft
Gienio. abhanden getomrnen, ich bin
gänzlich verwaist. Nehmen Sie sich
der armen Waiie an, ei wird Ihnen
zweifach vergolten werden. mein lie
ber San Balbi!'
Clelia stieg in die Barte. Ihr schar
fes Auge hatte beim flackernden Schei
)ne der Wink-lichter Wanda längst er
itannt, sie grüßte mit verbindiicher
theigung des von einem ountlen Spi
i henichteier umhiillten Kopfes und ließ
; sich dann neben ihr. anf der Bank un
E ter dein Baldachin nieder.
« »Ich habe Sie noch gar nicht um
»Entfchuldigung bitten tönnen, lieber
iMarquWC iaate fie, während das
T Boot langsam durch die Wogen glitt,
»daß ich beim Rendeivous fehlte. Der
Polizeipräfett hatte mich zu sich bit
ten laffen, und die Unterredung mit
ihrn währte länger, als ich erwarten
bunte. Haben Sie schon aehiirt, daß
man in vergangener Nacht bei mir
eingebrochen iit?«
»Die Fürstin Lndia sprach dar
über: hoffentlich ift man den frechen
Burschen bereits auf der Statut«
»Ich fiircbte, es wird nicht leicht
sein« ihrer habhaft zu werden. Die
Diebe müssen übrigens genau in mei
ner Wohnung orientirt gewesen fein.«
»du man Ihnen viel geraubt?«
»Juwelen nnd Baargeld in nicht
unbedeutender Höhe, aber ich würde
den Verlust gern oerfchmerzen, wären
mir nicht auch wichtige Briefe, die ich
in einem Geheimfache meines Schreib
tiiches aufbewahrte, abhanden getoms
men.«
«Oho! Da sind die Diebe viel
leicht pafsionirte Autographenfamrns
er.« -
«M·o·glich«, erwiderte Elelia mit!
feltfamem Lächeln; »für wahrirheinst
licher halte ich es allerdings, daß die-l
fe Burschen die bewußten Brieffahafsi
ten nur deshalb an fich genommen;
haben, um mit ihrer Hilfe einen geles
gentlichen Erpreffungs - Versuch aufi
mich autzuiibenz die fraglichen Pa-;
piere enthalten niimlich Mittheiluni
gen, die in gewisser Weise tompro
mittirend wirken dürften — nicht
für mich, sondern fitr andere Per
siinlichteiten der Gesellfchaft.«
»Der eDiebstahl in Ihrem hause
dürfte demgemäß noch recht intere -
sante Folgen nach fich ziehen«, ant
wortete San Halbi. »Ich bin scha
denfroh genug, mich auf die gelegent
lrche Explosion des pitanten sünd
stoffes zu freuen. hegen Sie in Be-«
zug auf die Verbrecher keinerlei Ver-i
dacht? Da die Diebe mit der Oertsj
lichteit fo genau vertraut gewesen;
sind, scheint mir die Annahme, daßj
sie zum Haufe, vielleicht zum Dienst-T
perfonal gehören, nicht ausgeichlos-»
en.« ;
»Ich habe treue und ehrliche
Dienstboten«, entgegnete die Buliloff
mit Betonung, doch nicht in italie
niicher Sprache, wie bisher, fondern,
vielleicht in Rücksicht, auf die neugie-i
rigen Gesichter der Ruderer, franzö-»
iisch, »und ich würde tcinem meiner!
Leute ein derartiges Verbrechen zusi
trauen. Mein Verdacht weist nachi
anderer Richtung. Der Dieb hatl
»na«m«ch im Eifer des Raubes eini
iwer hoolles corpus delicti am Orte
jder That zurückgelassen. Jch fand,
Tals ich am Morgen mein Zimmer
»betrat und das Durcheinander, in
»welchem der nächtliche Besucher das
s ielbe zurückgelassen, etwas näher mu
sterte. auf dem Teppiche dicht neben
dem erbrochenen Schreibtische einen
« Manichettenlnopf . . . ."
Clelia hielt einen Augenblick inne;
sie fah. daß auch Wanda interessirt
Zeig dem Wasser zugeneigten Kopf er
o .
»Wie, einen Muschettentnopfi«
rief der Marauig erstaunt; »Mir-her
und Einbrecher gewöhnlichen Genres
pflegen doch wohl derartige Toilet
teartitel nicht zu tragen!«
»Das meine ich auch«, gab die Bu
litoff ruhig und scharf zur Antwort,
Jedenfalls nicht Manichettentnöpse
aus Elfenbein und mit eingraoirtem
Wappen!"
»Ah, Sie müssen sich getäuäscht ha
ben, oder der bewußte Knopf war
gleichfalls gestohlen! Haben Sie das-—
Wappen ertannti«
»Gewiß; ich habe die Vorliebe mei
nes Vaters fiir die Geheimnisse der
Heraldit immer getheilt. Das Schild
mit dem Adler des ehemaligen Kö
nigreiche Polen, den drei Querbalten
im unteren Felde und dem schwertbes
waffneten Arme über der Krone tam
mir sofort betannt vor. Ein echtes
Schlachtzizen - Wappen, gesucht und
phantafiisch!«
San Balbi bemerkte in diesem Au:
genbliete. daß Wanda jählings er
bleichte, daß ihr Auge sich wie vor
einem plötzlich erscheinenden fchrei
dem-vollen Bilde mit dem Ausdruck
starren Entsetzen-H vergrößerte und
daß ihre Hand in trampfhastem Zu
sammenzucken nach dem Herzen griff.
«Baronin —- uni Gott —- trsas ist
anen2« ries der Marauis und beug
te sich bot· ugn nach der Rechten Wan
das zu greifen.
Ein böbnischeg Lachen von Seiten
der Bulitoss gab ihm Antwort·
»Machen Sie sich teine Sorgen uni
die schöne Baronin. mein theurer
San Valbi«. sagte Clelia Bulitoss,
und ein diimoniiches Aufleuchten zart
te iiber ihr vom Lichte der Fackeln
arellrotb überstradltes Antlisx »Frau
bon Jllburg bat Nerven von Stahl,
aber sie liebt es bisweilen, die
Schivachmiitbiae, Zarte zu spielen,
um weiblicher zu erscheinen! Sie
liebt die Komödie und sie ist selbst
eine bewunderngivertbe Komödiantint
— Entsinnen Sie sich noch jener Zeit,
goldbaariae Wandu. da Sie Kraft
des Zauberblictes Jbrer Augen und
des ganzen Ihnen zur Verfügung ste
henden Apparates rasiinirter Abtei
terie meinen sterbenden Gatten, Ih
ren Obeim, zu betbören versuchten,
damit er nicht mich, sein verfioßesznes
Weib, sondern Sie zum Erben seines
Vermögens einsettes Sie waren
schon damals eine vollendete Schau
spieleetn aber der goldene Lorbeer,
aui den Sie bosften, blieb leider aus.
Ieise eigener Bruder war es, der das
intriaante Gewebe. in das Sie inei
nen Gatten zuloerstricken suchten, zer
Weit auittl
ftorte —--— freuten nlcyl aus angebote
nem Rechtlichteitögefiihi. aus Ab
scheu vor der im Dunkeln tastenden
Erbfchleicherei. sondern aus schnöde
ster Selbstsucht! Basil begehrte klin
genden Dank von mir, und trefflich
bat er’g verstanden, mich Jahre lang«
auszudeuten und mich moralisch zu
seiner Sklavin zu machen. Jch habe
aualvolle Zeiten unter dem Drucke
dieses Elenden durchlebt, bis es mir
endlich doch gelang, die Ketten zu
sprengen, mich frei zu machen! Und
auch die Vergeltung blieb nicht aus
Glauben Sie mir, schöne Wandat ein
toller Jubel erfüllte mein Herz, als
ich auf dem Manschettenlnopfe, den
der Einbrecher in meiner Wohnung
verloren. das Wappen dei- Luga
rotvsli erkannte! Ir. diesem Augen
blide schon fahndet die Polizei Nea
pels nach Basil, dem Diebe, nach
dem Eshrlosen, der ich an fremdem
Gelde verariff —- un damit ist meine
Rache gekühlt, und der grimmige Haß
in mir gegen Sie und i . gegen
Euch beide. die Ier mein eben ver
aiften wolltet, hat flch aus tobt!
Keine größere Strafe könnte d Re
mesis fiir Euch ersinnen, als Jbr sie
Euch selbst bereitet, dadurch, daß Ihr
den Makel der Ehrlosiateit an den
Namen Laezarowsti gefesselt und
Schmach und Schande auf Euch gela
den bath Schöne Baronin, nun sind
«
Die Buliloss war sihen geblieben,
während sie mit schneidender Schäre
dies Urtheil der Vernichtung über d
Verhaßte sprach. Den linlen Arm
hatte sie um einen Pfosten des Bal
dachins geschlungen und den Kopf in
den Nacken zurückgeworsem Bei der
hastigen Bewegung hatte eine ihrer
haarslechten sich gelöst und war wie
eine schwarze Schlange über ihre
Schulter geglitten; die rothen Lip
pen wölhten sich hohnvoll, und dar
unter blihten die weißen Zähne her
vor
Die Buliloss hatte laum geendet,
als Wanda sich langsam und schwer
fällig. fast ruckweise erhab. Der jFu
sall wollte, dasz gerade in diesem o
ment der Mond aus den immer dich
ter sich schaarenden Wollenmassen
hervortrat und den ganzen See in ei
ne Goldgluth verwandelte. Das
Mondlicht lag auch hell aus Wand-is
geisterhleichem Gesicht, spiegelte sich
in den durchsichtigen Nixenaugen wie
der und flimmerte über den Bril
lantlnops der Nadel, die das lotette
Hütchen auf den dicken goldrvthen
haarslechten festhielt. San Balbi
hatte erschreckt zu der sich Erhehenden
emporgehlickt. Er saß ihr gerade ge
genüber aus einem der kleinen Ru
derhönlchen und konnte ihr direkt irr
das Antlitz schauen, in dieses tadel
hlasse Antliy, über das in einem Au
genblicke eine Welt von häßlichen Em
psindungen, grimmi e Wuth und
heißer Rachedurst, erachtung und
sinsterer haß, in wechselnden Aus
drücken glitt. San Balhi sah, wie
der Mund Wundas sich verzerrte und
die Lippen sich zu einer Entgegnung
öffneten —- und dann trat das
Schreckliche ein«
Mnda brach ptogltty zusammen
— ob ein Nervenschlaa sie getroffen
oder ob eine -Ohnmachtsanwandlung
sie niederaeworfen. wer tonnte das
wissenl Sie brach lautlos zusam
men, schan mit der hüste gegen den
Bord der Barte und stürzte topfüber
in das hoch ausspritzende Wasser · . .
Setundenschnell war das vor sich
gegangen. Der aellendc Schrei, den
Clelia ausstieß, tönte weithin durch
die Nacht und machte die übrigen Gü
ste aus das unheilvolle Ereirnisz, das
sich soeben abgespielt, ausmertsam.
Aber während von allen Seiten die
Boote heranraufchten und die Ruderer
an der Barte Ean Balbig laut und
unter lebhafter Gestitulation um hil
se zu rusen begannen hatte cer Mar
auis bereits seinen Rock von sich gewor«
sen und war Wanda nachgesprungen.
Eine angstvolle Minute oerrann.
Mit aerunaenen Händen tniete Clelia
in der Barte, und über dieselben Lin-«
pen, die soeben noch vor Haß und
Abscheu gebebt, slossen ietzt die Worte
eines heißen Gebete-ex Die übrigen
Boote waren inzwischen näher ge
tommen, Fragen und Antworten er
tönten von allen Seiten, dazwischen
laute Ausruie des Schreckens und
des Entsetzen-.
Aus den sich theilenden Wogen
tauchte ietzt wieder der Kopf des Mar
cheie empor » allein! Aus den trie
ienden Haaren tropfte das Wasser
über sein Gesicht.
«Stan«aen herbei!« gut-gelte er.
»Die Kleider der Unaliicllichen haben
sich im Schilf und am Gerante am
Boden des Sees oerwictelt —-— ich tann
sie nicht looreißenL Aber schnell --—
schnellt«
Clelia war die Erste, die dem Be
sehle San Balbio nachtam.
»Aus Landt« ries sie den Nuderern
zu, und pfeilschnell schoß das Gefährt,
während der Marchese inzwischen in
einem anderen Boote Aufnahme fand,
über den See.
Unter den Gästen war eine förm
liche Panit ausgebrochen Mehrere
Damen waren ohnmächtig geworden
und mußten an das Land gebracht
werden. Die Fürstin Cornigliano
hatte sich einen Sessel dicht an das
Ufer bringen lassen und beobachtete
von hier aus durch ihre Lorgnette die
Entwicklunader Szene. Man hatte
der alten Dame gesagt, die Baronin
Jllburg sei in das Wasser gefallen
—- sie ahnte noch gar· nichia non ou
Tragweite des traurigen Ereignisses
und belästigte die neben ihr Stehen- »
den durch hundert neugierige tFragen.
»Ah bah, ein taltes Bad. was wei
ter«, murmelte sie halblaut var sich
hin. während ihre Finger mit ver
Tabatiere spielten. Die Neugierde
wuchs in der alten Dame; sie stand
aus und humpelte mühsam über den
Rasenplah.
»he, Cavitano, was giebt?« hielt
sie einen ihr entgegentoinmenden jun
gen denn, den Kapitän dell’Alba von
den Lanzieri. an und faßte nach seiner
Nacktlavpe, um ihrn drastisch zu de
monstrireii, daß ein ikntiveichen var
ibr nicht möglich sei. «F)at man die
Baronin glücklich «herausgeholt?«
Der junge Mann starrte die Cor
nigltano einen Augenblick halb ver
wundert an, ehe er, sich insects-ento,
hastig erwiderte: «herausgeholt —- sa,
abe; tin spät-Frau von Jllburg ist
o .«
sFortsehung solgt.)
Die Sussragette Alice Paulis be
tlagt sich, sie sei durch die gewaltsame
Füttean im Gefängnis (ivo sie sich
weigerte, Nahrung zu nehmen), ganz
schwach geworden. Naturgeschichtliche
Lüget Keine Gans ist noch je durch
»Stapsen« schwächer geworden.
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Auch der Bultan der Leidenschast
sieht seine Lava erstarren.
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