Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 11, 1910, Zweiter Theil, Image 14

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Heimweh
Roman von Rheinbold Grimann
ki
ls. FortsetzunaJ
.Ja. das will ich meinen —- ein
Matt Mensch ist er gewesen« mein
ernste-Vetter — und ein so schöner
Famil Ich habe vor ihm nnd nach
ilun keinen schöneren gesehen«
»Er hatte seine halt-verwaisten Töch
ter Ihrer Obhut anvertraut, ehe er
sit-er's Meer ging — nicht wahr Z«
«Ja. Denn ich war die Nächfte
dazu als seine einzige Verwandte ob
wohl auch unsere Verwandtschaft
nur fünften oder sechsten Grabes
war. Wber ich hatte seine Frau in
ihrer lehten Krankheit gepflegt, und
die Kinder hingen an mir wie sonst
an teinem Menschen auf der Welt.«
»Sie vertreten also Mutter-stelle
an ihnen, solange sie tlein waren.
Und dann —- wag ist dann anoihnen
geworden?«
»Nichts Rechtes, Hei-f Doktor —
und ganz gewiß nicht dar-, was ich
arti ihnen hatte machen wollen. Aber
das wäre eine lange Geschichte Und
wenn Jht Herr Bruder blos- denj
Musch hat, its-seien ein Bild non ihre-is
Vaters Grabe zu bringen —«
.So liegt für Sie keine Veranlas
sung vor, mir diese Geschichte zu er
zählen — aetoiß, mein oerehrtes
Fräulein, das ist auch meine Mei
nung. Lediglich unt den argenwars
tigen Aufenthalt der jungen Damen
zu erfragen, kam ich ja hierher-Js
«Wo sie wohnen, oermaa ich Ihnen
nicht zu sagen, denn ich habe keinen
Verkehr mit ihnen. Aber Sie brau:
chen nur im Urania - Theater nach
Fräulein Elstiebe Anders zu fragen,
da wird man Ihnen schon ihre Adres
se mittheilen.«
«Ich verstehe nicht recht ——— Fräu
lein Anders sagen Sie?«
-..Ra, ja, das ist der Name, unter
dein sie auf dem Zettel steht. Das
wenigstens hat sie mir doch nicht an
tcnm neuen daß sie ais Eis-jede
Lornsen öffentlich Komödie spielt.
sber ich brauche Ihnen wohl nicht erst
weiter auseinanderzusetzen here Dot
iot. weshalb ich nicht mehr mit ihnen
verlehre.«
«Friiulein Lornsen ist Schauspiele:
rin geworan Erscheint Ihnen das
wirklich als ein so großes Verbre
chen?«
Alls ein Verbrechen i-— nein!« er
widerte das alte Fräulein in einem
Tone des Gekriinktseins, das ihn
seine Frage fast bereuen ließ. «Aber
affettpat sehr Unschickliches fiir ein
M aus guter Familie, und als
eine Schande fiir mich, hie ich sie
wahrhaftig in andern Anschauungen
und Grundsäyen erzogen zu haben
meinte."
hermann versicherte freundlich« daß
es ihm fern gelegen habe, irgend et
was in ihren Aeußerungen lächerlich
zu finden. Und es fiel ihm nicht
schwer, Fräutein Doretteg gereizte
Empfindlichteit wieder zu versöhnen.
»Sie dürfen mich auch nicht miß
verstehen,« meinte sie. »Die Mäd
chen sind mit nach immer ans Herz
gewachsen, und der Himmel soll mich
behüten, daß ich ihnen was Schlim:
mes nachsage. Wenn schlechte Men
schen ihnen nicht so übel mitgespieltI
hätten, wer weiß« eb eg mit ihnen je
mals so weit gekommen wäre. Und
dann mögen sie ja auch etwas von
dem unglücklichen Temperament ihres
Baters geerbt haben. Er war gewiß!
ein herzensguter Mann, nnd das
Hemd vom Leibe würde er hingegeben
haben, fiir seine Freunde. Aber
wenn er sich einmal was in den Kopf
gesetzt hatte dann mußte es auch
durchgeführt werden, gleichviel, ob ers
sich selbst oder andere dabei zu.
Grunde richtete. Die Leute nannten
ihn einen Abenteurer, und ich kann!
nicht sagen, daß sie damit so ganzI
nat-echt hatten. Ohne dies ruhelose
Umherwandern in der weiten Welt
seid ohne dies wilde Darauslosstiir
sen häte er es mit seinen schönen
, Talean gewiß sehr weit bringen
Wu, statt wie ein Bettler aus dem
I Leben zu gehen. Kann man sich wun-;
»der-, wenn auch in seinen Töchtern
f lxs -MI von diesem Geiste steckt? Nein,
is wetse keinen Stein aus sie, here
,," s Miet! Aber solange sie unter den
T-- · Esska und Komödianten leben,
- Die ich nichts mit ihnen zuschassenf
- mann Artner hatte geduldig zu
. Run aber kannte er den
seines Besuches als erreicht an
und dar-in .ceinen Grund, ihn
zu oerlängern. I
»Ich danke Ihnen für die freundsj
clche Mskgnft,« legte et. »Einenj
Gruß oder eine Bestellung an Fräu
lein Lornsen wünschen Sie mir unter
-- solchen Umständen vermuthlich nicht
aufzutragen.«
» «Rein,« erwiderte Fräulein Dotette
ohne hörte, doch mit großer Be
-Mtheit. »Was ich ihr zu sagen
. II längst gesagt ·Und wenn ich
s M mä mitzntbeilen wünschte,
W is seiner Mittelsperson dazu
sc Wie den Doktor bis zur
Me. nnd all er ihr sum Abschied
die Hand reichte, glaubte er auf ih
rem Gesicht zu lesen, daß das Ge
spräch sie traurig gestimmt habe.
Ader er war nicht ausgelegt, sich
lange mit den Angelegenheiten frem
«der Leute zu beschäftigen, da seine
eigenen ihn vollan in Anspruch nah
men. Er hatte Else Flemmings Ein
ladung zum heutigen Nachmittags
thee nicht vergessen, und da die schiel
liche Stunde inzwischen herange
kommen war, schlug er langsam den
Weg nach dem in der legten Zeit ge
flissentlich gemiedenen Hause an der
Esplanade ein.
Noch am Morgen war es seine Ab
sicht gewesen. sich unter irgskid einem
Vorwande brieflich zu entschuldigen;
denn die Gründe, die ihn in den
jüngst verflossenen Wochen bestimmt
hatten, seine Besuche einzuschränken.
waren seit gestern nicht hinfällig ge
worden. Aber gerade die zudring
liche»Ahmahnung Dallwigs hatte ihn
schließlich bestimmt, seine Absicht zu
ändern. Gerade heute mußte er hin
gehen. um sich vor seinem eigenen Ge
wissen von dem Vorwurf zu entla
sten, als hätte er den Worten dieses
giftigen Schwähers irgend einen Ein
fluß eingeräumt aus seine Entschlie
ßungen. Wenn er sich mit einer ge
s wissen Selbstiiderwindung dem
Ilemmingschen Hause ferngehalten
:,hatte war es ja nur um seiner her
zensruhe willen geschehen Er hatte
nicht leichtfertig mit dem Feuer spie-«
len wollen, nachdem er sich gesagt
hatte, daß seine Verhältnisse ihm vor- »
läufig nicht gestatten würden, um das
reiche, verwöhnte Mädchen zu werden«
Und es hatte ihn mit einer gewissen
Genugthuung erfüllt, das er »sich zu
diesem vernünftigen Entschluß ausge
rasst hatte, ehe es zu spät war, Wohl
hatte er ihre reizende Persönlichkeit.
ihr tluges, liebenswürdiges Gewan
der schmerzlich genug vermißt; aher
seine Empfindungen waren doch sehr
weit entfernt gewesen von verzehren
der, leidenschaftlicher Sehnsucht und
heißem. unwiderstehlichem Verlan
gen· Und wenn auch der Zauber ihrer
Schönheit gestern von neuem mächtig
auf ihn gewirkt halte. wenn auch die
leuchtenden Blicke und die verhei
ßungjvollen Worte, die sie ihm beim
Abschied vergönnt, das schon verlö
schende Flämmchen wiederum auf
eine fast beforgnifzerregende Wette an- i
gesacht hatten, fo glaubte er sich doch
stark genug, die Gesahr zu bestehen.
Er erwartete Fräulein Elfe in der
Gesellschaft ihrer Mutter zu finden,
wie es bei feinen Nachmittagåbesuchen
noch immer der Fall gewesen war
Und es wurde ihm etwas beklommen
ums herz, als ihm das Mädchen. das
feinen Hut und feinen Ueberrock in
Empfang genommen. berichtete, die
gnädige Frau sei noch nicht von ihren
Beforgungen zurück, aber das Fräu
lein habe Austrag gegeben, den herrn
Doktor ohne weiteres in das Wohn
zimmer zu führen.
An einen Rückzug war natürlich
nicht mehr zu denken. So trat er
ein, und die unbefangene Herzlichteit,
mit der Eise Flemming ihn begrüßte,
hatte feine leichte Bellommenheit rasch
genug verscheucht
Es ist hübsch, daß Sie Wort hal
ten, Herr Doktor! Jch fürchtete schon
Sie könnten uns wieder vergeblich
warten lassen. Aber Sie müssen vor
läufig mit meiner unbedeutenden
Person vorlieb nehmen. Mama ist«
wie es scheint, irgendwo aufgehalten «
worden. Jch dars Jhnen doch gewiß
eine Tasse Thee machen, nicht wahrs«
Die zierliche weiße Schürze iiber
dem einfachen Hauskleid stand ihr al
lerliebst, und die Anstrengungen der
gesteigert Gesellschaft hatten teine
sSpur von Ermüdung aus ihrem fri
«fchen, rosigen Antlii zurückgelassen
Oewundernd und entzückt folgten die
Augen des jungen Arztes ihren an
muthigen Bewegungen, während sie
am Theetifch hantirte. und es war
ihn-, als mache fede weitere Selunde
ihm neue, bestrickende Reize ihrer hol
den Erscheinung offenbar.
»Es war doch jammerschade, daß
sie gestern schon so früh die Flucht
ergriffenf plauderte sie. Wir hat- !
ten noch einige sehr hübsche musika
lische Vorträge, und schließlich —
Sie werden es tauni fiir möglich hal
ten —- schließlich wurde sogar ge
tanzt.«
»Ohne Zweifel waren es die her
ren Leutnants, die Jhnen auf diesem
Gipfel irdischen Pergaiigeni verhal
fen,« bemerkte er« mit einein lleinen
Anfliige oon Eifersucht Und sie
stimmte lächelnd zu
»Natürlich! Man durfte ihnen doch
nicht die Möglichkeit abschneiden, sich
in ihrem vollen Glanze zu zeigen.
Ihre Beine find in meift viel beweg
licher als ihr Geist Und ich leugne
nicht, dni ich es verziehe, arti ihnen
zu tanzen, als das Vergnügen ihrer
Unterhaltung zu genießen.«
»Das ist begreiflich. Jch aber darf
in diesem Fall nicht einmal bereuen,
das Glück eines so hetzethebenden
Anblicks versäumt zu haben. Denn
ich wäre darüber vielleicht um eine
der schänften Uebertafchungen gekom
men. die mit bisher im Leben beschie
den war-ein'
Etwas argwöhnifch btickte Fräulein
Elfe von ihrer Verrichtung auf.
.Ei, ei, Heer Dottori So entha
siastisch pflegen die Heeren der Schö
pfung nur von Uebertaschungen zu
sprechen, bei denen eine Dame im
Spiele ist«
»Es war auch eine dabei im Spiel.
Ader sie war nicht eigentlich die
hauptpetfon."
Und er erzählte ihr in lebhaften
Worten von der unerwarteten heim
lehr seines seit fünfzehn Jahren ent
fernt gewesenen Bruders-, don der
Freude, die ihm das Wiedersehen be
reitet hatte» und von den frohen hoff
nungen. die er an das Zusammentr
ben tniidstr. Mit liebenswürdigster
Theilnahme hörte sie ihm zu. Donn,
während sie ihm auf silberner Tab-leite
den fertigen Ihre darbot, sagte sie:
»Sie miissen ihn sehr lieh hohen.
diesen Bruder. tlnd doch haben Sie
uns bisher niemals oon ihm er«
zählt-« !
»Was hätte ich Ihnen viel erzäh
len können, da ich selbst seit Jahren
nichts mehr oon ihm gehört hatte.
Wußte ich doch nicht einmal, daß er
verheirathet fei.«
»Und die unbekannte Schwägerin.
die Ihnen da so unvermuthet vom
himmel gefallen ist, hat sie Gnade
vor Jhren Augen gesundem-"
»Mehr als das. Jch bin oon ihr
entzückt.«
.O, welche Begeisterung! Werden
ISie es fiir sehr unbescheiden halten,
»wenn ich Sie bitte, auch mir den
Vorzug ihrer Betanntschaft zu der
mitteln?« ·
Ein Gedanke. den er im Augen
blick seines Entstehens fiir einen ehr
glücklichen hielt, fuhr dem Dotor
durch den Kopf.
»Und wenn ich Sie beim Wort
nähme. Fräulein Else? Würden
Sie mir versprechen. sich meiner
Schwägerin freundlich anzunehmen,
noch ehe ich Ihnen gesagt habe, toer
sie ist?"
«Sie ist Jhres Bruders Gattin,
wie ich denke. Was brauche ich mehr
von ihr zu wissen, um Ihnen mit
dern größten Vergniigen ein solches
Versprechen zu geben« vorausgeseih
daß die Dame selbst sich damit ein
oerfianden erlliirt.«
»O, dessen glaube ich Sie mit gu
tem Gewissen versichern zudiiesen.
Aber es giebt doch einen kleinen Um
stand, der Sie Jhrer Zusage vielleicht
bereuen lassen könnte. Meine Schwä
gerin Tuimo Artner ist nämlich fo
znsagen halbblut —- die Tochter ei
nes deutschen Arztes und einer Sa
moanerin."
Elsa sah ihn an, als habe sie ihn
im Verdacht, daß er sich einen Scherz
rnit ihr machen wolle.
»Ein» Samoanerin? Das beißt
einer aus Samoa gebotenen Weißen,
nicht wahr?«
»Nein einer richtigen Eingebu
renen. Ihre wundervolle bräunliche
Hautiarbe verräth diese Herlunst aus
den ersten Blick
»Und trotzdem -— trotzdem finden
Sie sie reizend? Ja, haben Sie sich
denn überhaupt mit ihr verständigen
können?«
Belustigt lachte der Doltor aus.
Und mit einer Wärme, die ihn selbst
vielleicht ein wenig überrascht haben
würde, wenn er sich ihrer bewußt ge
worden wäre, enttvars er ihr ein
.Bild von Tuirnas äußerer Erschei
s nung und ihrem liebenswürdigen We
Ten.
»Sie hat nach meines Bruders
Versicherung eine den Umständen
nach vortreffliche Erziehung erhal
ten,« schloß er, »und ich meine, daß
es einem warmherzigen weiblichen
We"stfehr«leicht sallen wüßte« sie lieb,
zu gewinnen. Es ist mein innigster
Wunsch, daß sie hier recht bald ein
solches Wesen sinde. Zwar hat sich
die junge Frau Rodenberg, wie ei
scheint, ihrer sehr giitig angenom
men; aber wenn Rols sie rnir richtig
geschildert hat« ist sie zu sehr vorneh
rne Weltdarne, um diesem schüchter
nen Naturtinde gerade das bieten zu
können, dessen ei zunächst und arn
allen-leisten bedars·« «
»Ist ei die elegante Lizzie Rodeni
berg, die Gattin des bekannten Rhe
ders und Großtausmannes, von der
Sie sprechens«
»Ich tenne Sie nicht) aber ich denke
wohl. das sie es ist« Mein Bruder
ist ja seit kurzem ein jüngerer Theil
haber dieser Jirrna.«
Jest war Fräulein Eise wieder
ganz strahlende Lieben-würdigtest
und lächelnde Unmuth.
«Und Sie holten wirtlich mich siir
das warmherzige weibliche Wesen.
nach dein Sie site Ihre Schwägerin
steil-us Das ist nicht blos ein leeres
Mitment here Doktors«
»Bei-, sen-iß nicht! Ich bin iibets
zeugt. daß Inima sehr gliislich sein
würde, Jhre Freundschaft zu gewin
nen.'·
»,Nnn wenn das Jhr Ernst ist so
danke ich Ihnen aufrichtig iiir das
Vertrauen, das Sie in mich seyen.
Sie haben mir damit eine große eine
sehr große Freude bereitet
Herinann Artner mußte eilig seine
Ideetasse beiseite seyen denn wie in
einer warmen Herzerisivallnng hatte
Eise ihm ihre beiden Hände entgegen
gestreclt, und er zögerte natürlich
nicht, sie zu ergreifen. -
»Ich dars Jhnen also meine
Schwiigerin zuführen-»
»Ich rechne mit Bestimmtheit da
raus. Und nicht an mir soll es lie
gen, wenn Jhre Erwartungen ge
täuscht werden. Aus vollem Herzen
werde ich ihr alles geben« was ich zu«
bieten vermag« -
Er tiißte die seinen, schlanlen
Hände, die sich fest in die seinigen ge
schmiegt hatten. Und die lebendige
Wärme, die von ihnen ausging
»drang ihm wie ein Gluthstrom zum
; Herzen.
»Wie gut Sie sind, Fräulein
Else!" stammelte er· »Wie ties —
wie innig ich Sie verehre!«
Die schlanle Gestalt der vor ihm
Stehenden neigte sich ein wenig zu
ihm herab. Ein reizendeg, sinnver
wirket-des Lächeln war aus ihren Lip
pen. Und in ihren Augen war ein
Leuchten, das ihn um alle Besinnung
brachte. als ihr Blick sich ties in den
seinen senlte. Sie antwortete ihm
nicht, aber sie machte auch leinen Ver
such, ihre Hände zurückzuziehen-.
Und plößlirh seiner selbst «nicht mehr
mächtig. sprang er aus, um sie unge:
stiim an sich zu reißen.
»Mir — liebste Eise ——— sind Sie
rnir gut?««
Sie hatte seine stät-mische Umar
mung geduldet, ohne sich zu sträuben
und ohne daß ihre Wangen sich hö
her gefärbt hätten. Das süße, be
zaubernde Lächeln war noch immer
aus ihrem Gesicht, und in stummer
Bejahung neigte sie das Ködschen
Als er sich mit glückverlliirtem Ant
lis herabneigte. sie zu tiissen, tamen
ihre halb geöffneten, seucht schim
mernden Lippen seinem Munde ent
gegen, und viele Minuten lang blie
ben sie wie ineinander verschmolzen
in stummem, weltvergessenem Ent
zücken.
Da schlug draußen zweimal die
Glocke an, und hastig suhren sie aud
einander.
.Dai ist Mama! Kein Wort zu
ihr! Sie versprechen es mir —- nicht
wahr?'
,.Aber weshalb s-—«
»Nein, nein! Sie darf es noch
nicht ersahren. Werden wir darum
weniger glücklich sein, weil unser
Glück vorläufig noch unser Geheim
nisz sein soll?"
Er hatte gar nicht mehr Zeit» ihr
daraus zu antworten. denn Frau
Flemming hoffe-»sich- nicht einmal
hut und Mantel abnehmen lassen,
sondern rauschte in ihrem vollen
Straßenanzuge mit hochgeröthetem
Antlitz und allen Anzeichen einer gro
ßen Eregung in das Gemach
:-. K a d i t e l.
«Aber, Marna --— nrn Gottes wil
len, wie siehst Du aus! Was ist Dir
denn widersahren«t'
Else hatte es in aufrichtiger Be
stiirzung gesragt, indem sie der Ein:
tretenden entgegeneilte. Aber Frau
Flernming schob sie sast heftig zur
Seite und ließ sich schwer athcnend
in einen Sessel fallen. Erst jetzt
schien sie herrnann Artnero Anwe
senheit wahrzunehmen; aber-»He ge
wann es noch nicht Liber sich. ihm das
gewohnte verbindliche Lächeln zu zei
gen.
»Guten Tag. herr Dottorl Ver
zeihen Sie, wenn ich mich nicht ganz
in der Gewalt habe. Aber diese
schreckliche Neuigkeit hat mich gar zu
unerwartet getrossen.«
«Cine schlimme Neuigteit, gnädige
Frau? Dars ich sragen —"
»Sie wissen es also noch nichth
Doktor Dalltoig hat sich in dieser
Nacht erschossen. Dente Dir Else
tunmittelbar nach der heimlehr von
unserem Diner!«
Doltor Artner hatte teine Sympa-:
thien siir den Rechtsanwalt gehabt;
aber diese Kunde tras ihn doch wie
ein Schlag ins Gesicht.
«Erschossenl?« wiederholte er.
«Mein Gott, das ist ja beinahe un
denlbar? Wir legten einen großen
Theil unseres—sNachhausetheges ge
meinsam zuriich und er schien in der
allerbesten Stimmung«
.Er war es ja auch hier. Den
Etusturz des himmels hätte ich eher
stir möglich gehalten, atI eine solche
Katastrophe. Was sagst Du dazu.
Elsas Jst es nicht mkskdlichsk
»Gewiß, Martia, ei ist sehr trau
rig! Idee daß Du so aufgeregt da
ritder bist —- er war uns doch schlies
lich ein Fremder-X
Ueberrasss blickte dermann aus
das junge "."dcheu So lithl und
gleichenilthig hatte sie ei gesagt als
ihm-u- es non inne-me dei- si
nke gesehen. Unnd mit derselben siche
« ÆW j
ren Gewanvtheit, die er vorhin so
sehr bewundert hatte. hantirte sie wie
der am Theetischchen Die warnen
den Ærte des ungiiictlichen Rechts
amvatts kamen ihm wieder in den
Sinn, und eine Empfindung des Un
behagens. die seltsam mit seiner kaum
verrauschten Glücköstiinmung kontra
stirte. regte sich in seinem Herzen.
" »Er muß es atso in einem plötz
lichen Ansall von Geistesstörung ge-:
than haben.« sagte er. »Den-i es
gab sür ihn doch wohltauni eine
zwingende äußere Veranlassung zu
einem so verzweifelten Schritt.«
Frau Flemming zauderte ein we
Enig, und es llang dann merkwürdig
beklommen. als sie erwiderte:
.Es heißt, daß er vollständig ver
schuldet war und daß ihm wegen sei
ner Betheiligung an verschiedenen un
sauberen Gründungen ein ehrengei
richtliches Verfahren drohte. Aber
das ist vielleicht nur mäßiges Ge
rede."
»Warum sollte es nicht wahr sein?"
warf Else ein. »Ich hatte immer ein
ausgeprägtes Mißtrauen gegen die
sen Doktor Dallwig Und Du weißt,
Mama. wie ungern ich ihn in unse
rem Hause sah. Ohne eine sehr trif
tige Ursache wird er gewiß nicht zur
Pistole gegriffen babea·'
.Nun, wie es auch fein mag, se
denfalls ist es für uns über die Ma
ßen peinlich,« sagte Frau Flemming
die noch immer ihre haltung nicht
völlig wiedergewonnen hatte. »Die
Zeitungen werden natürlich eine große
Sensationsaffaire daraus machen.
Und es wird iiberall zu lesen sein,
daß er feinen letzten Abend in meinem
Hause zugebracht hat«
»Nun « und was weiter? Kann
man uns verantwortlich machen siir
vie Tbocheiten oder die Verbrechen,
die unsere Gäste begehen? Ich ver
stehe wirllich nicht, Mama, was Dich
dabei so febr beanrubigen lann."
Eine etwas rrnlindlich scharfe Mah
nung war in Eises letzten Worten
gewesen. Aber als ihr Blick in die
sem Moment zufällig das erstaunte
Gesicht des Doltors streifte, änderte
sie sofort ibr Benehmen.
»Und möchtest Du mir· nicht vor
allem erlauben, Dir Deinen hat und
den schweren Mantel abzunehmen?"
fubr sie sebr liebenswürdig fort. »Du
siehst so echaussirt aus, arme Mama!«
(Fortsegung solgt.)
Verwendung von Papier.
Man ist sich in weiten Kreisen noch
nicht hinreichend darüber star, wie
außerordentlich zahlreich die Menge
der Stoffe ist, die das Papier in sich
auszunehmen vermag und welche Be:
deutung gerade in dieser einzig
bestehenden Aiisnahinesähigteit fiir
die Industrie sowie siir die Vet
werthiing des Papiers liegt. Daß
das ungeleimte Papier Flüssigkeiten
aussaugt, weiß jedermann vom Obsch
blatt her, daß aber diese Ausnahme
sahigteit des Papierg eine fast unbe
grenzte ist und dasz sie sich nicht nur
aus Flüssigkeiten, sondern auch aus
feste Körper· ja sogar auf Gase et
streckt, ist eine nur wenig getannte und
nur wenig verwerthete Thatsachr. Und
doch gibt es fast teine Industrie. in
der nicht das Papier in der einen oder
andern Weise hilfreich einzusprinaen
vermöchte, lassen sich ihm doch infolge
seiner Aufniihinesiihigteit die allerver
schiedensten und oft sogar direkt ent
gegengesetzten Eigenschaften verleihen
Nehmen wir als ein Beispiel, siir
da- daz Papier als Ersatz dienen
tann, zunächst dao Zesliiloid. Man
Epreist diesen Körper so sehr wegen fei
Iner vielseitigen Peränderlichteit. Er
ist durchsichtig in Forms von Filrns
und hart und fest in Form der Elfen
beiniinitation. Man tann ihn pressen,
schneiden, drehen usw. usw. —- turz
um in jeder beliebigen Art bearbeiten·
Dies alles läßt sich mit dem Papier
schließlich auch vornehmen und dabei
tann man dem Papier eine Eigen
schaft geben« die man dem Zelluloid
nie und nimmer zu verleihen vermag:
die llnverbeennlichteit. Schon seit vie
len Jahren sucht man trampfhast nach
einem unverbrennlichen Ersah fiir das
Zelluloid, und hunderte von Chemi
tern sind an der Arbeit, uni ihn zu
schaffen. Der einzige Erfah, den man
bisher gefunden hat, der sogenannte
.Eellit-, ist vorerst noch zu theiier. Be
sonders an den Kinematographen ha.
ben die Zelluloidfilms durch ihre
leichte Verbrennlichteit schon viel Un
heil angerichtet, da sie sich in der
durch die Linsen start eoneentrirten
hihe der Beleuchtung entziindeten.
Man hat deshalb besondere Schuhvori z
richtungen angebracht, ohne zu beben
ten, bas- gerade fiir Zelluloibfilins ein
Ersah in durchscheinendern und feuers
sichere-n Papier geschaffen werden
tann. Bereits früher wurde indeutschs
land die Verstellung durchsichtiger Pa
pierbilder fiir Profestionizweele pa
tentirt, die sich natiirlich auch filk
tineinaiographifche Zwecke leicht ver
wenden lassen und um so mehr fitr sie
in Vettacht kommen, als das Papier
auch in uninspriignirtem Zustande
viel schwerer entzündlich ist als bar
Zelluloid. Es tann aber auch ohne Be
einträchtigung feiner Durchsichtisleit
z. V. durch einen diinnen Wassersuc
iiderzug vollkommen feuerfest gemacht
werden.
Wie außerordentlich wichtig est iß«
das Papier mit festen Stoffen durch
sehen zu tönnen. mde ein anderes
Beispiel zeigen. Den toesentlichfien
Beftandtheil unserer meisten technischen
Filter bildet seinoerteilte Kohle, die
die schädlichen Stoffe zurückhalt. Nun
ist es in vielen Fällen ziemlich schwie
rig. die Kohle richtig und fein zu her
theilen, eine Schwierigkeit die L.
Pierucci in Pisa dadurch gehoben hat«
dass er das Papier mit Kohlenpuloer
durchsetzir. Es entstand so ohne weites «
res ein technisches, zum Filtriren ge
eignetes Papier. das sich ganz anders
verhält als gewöhnliches Filtrirpas
pier. Es zeigt die Eigenschaften der
richtigen Kohlenfilter und gleichzeitig
eignet es sich auch zum Filtriren von
solchen Stoffen, die ein gewöhnliches
Filtrirpapier angreifen würden. Jn
folge eines hohen Kohlenstoffgehaltes
leitet es aber auch den eleltrischen
Strom gut, so daß es zur Verstellung
physikalischer Apparate Verwendung
sinden kann.
Nun zeigt sich gerade auf dem Ge
biete der Elektrotechnil wieder in
etlatantester Weise die Vielseitigleil
der imprägnirten Papierr. Wäh
rend wir, wie wir eben gesehen haben,
durch Kohlenzusatz dem Papier ein
hohes Leitungsoermögen fiir den elek
trischen Strom zu verleihen vermö
gen, lönnen wir ihm durch andere Zu
sähe seine Leitfähigleit oolllommen
nehmen« Der Telegraohendireltor a.
D. Louis Haaethal war ei, dem es
erlang, unter Zuhilfenahme von Pa
pier eine Jsolirung elektrischer ober
iidischer Leitungen zu ermöglichen,die
außerdem dauernd wettet- und im
höchsten Grade siinrebestöndig ist.
Nach seinem Verfahren werden die
Drähte mit in besonderer Weise ge
tränkten Papierlagen umlleidet. Die
so gefchassene hülle ist vollständig un
empfindlich gegen atmosphärische und
tlimatische Einwirlungen, sie wider
steht der Kälte und der Dige. der
Feuchtigteit und Troaenheit nnd so
gar den Sau-ern
Jn neuester Zeit beginnt man von
dei Aufnahmefähigteit des Papier-s
als Wasser- und Feuerschuh Gebrauch
zu machen. Die Papiere lassen sich
nicht nur mit Oel. sondern auch, was
weniger betannt ist, mit Locken und
Theeren durchsehen. also nicht etwa nur
oberflachlich anstreichen, sondern, was
wohl zu beachten ist, in ihrer ganzen
Masse damit impriignirew Solche
Psapiere beginnt man seht im Boots
bau zum Abdichten der Boote zu be
nutzen. Sie gewähren den Vortheil,
dass man nicht das ganze Boot zu
theeren braucht und daß Blasen nicht
entstehen können, die betnnntlich beim
Anstreichen mitTheer sich leicht bilden
Wenn diese Blasen dann bloßen. so
liegt das Volk-junge und der Erfolg
der Theerung ist ein sehr problemati
scher.
Gegen Feuer verwendet man das
Papier seit Kurzem in Amerila in der
Weise. daß man die zu schüyenden
Stoffe mit einer dünnen Papierschicht
unter Verwendung eines geeigneten
Klebestosses sest umwickelt. Aus die
Papierschicht wird eine Masse aufge
tragen, die aus Holzstofs, Kieselsäure
und Hanf oder Pauierfasern besteht
und die nach dem Trocknen mit einer
Wasserglassarbe überstrichen wird.
Diese Schicht, bei der das mit ver
schiedenen Stoffen durchsegte Papier
wiederum eine wichtige Rolle spielt,
springt den Berichten zufolge auch bei
N
itarier Giiihhitze nicht ab. Es ist in
teressant· daß diese allerneueste Ver
wendung der aroszen Ausnabmesiibiqs
teit des Pariere siir andere Stoffe
eigentlich schon recht ais ist, denn schon
in den chemischen Annaien vorn Jahre
1728 finden wir ein von Faxe derei
tetes Papier beschrieben, das er
»Steinpapier« nennt nnd womit da
mals Gebäude und Schiffe inwendig
überzogen nnd dadurch gegen Feuer
schaden gesichert werden sollten· Diese
Methode ist dann in Vergessenheit ge
rathen, inn jevt, wie man sieht, in
Ameritn wieder aufzutauchen. Sicher
lich werden sich noch eine ganze An
zahl von verschiedenen Verwendungs
sorrnen des impriignirten Papiets
ergeben
hiram Mirirn hat einen neuen
Schaltdömvser erfunden, der noch bes
Eser sein soll als sein erster. Schade,
daß er sich nicht auch bei gewissen
Menschen anwenden läßt, sondern nur
siir Schuszwassen teitiznrnt ist.
hätten wir nicht iusiillig seht Win
ter —- man könnte kei den Fleischestri
sen Begetarianer werden«
Je ssirt dir jemand keieuert das
du von ihm noch nie eine Liiae gehört
hasi desto sicherer iannst du sein, das
er tilgt
I O-.
»Der Rattteiier in Leipzig ist eines
ver beianntesten Leiate in Böhmen« .
bemerkt der Cleveiand Lenden Wer
diesem ,,·Leader in der Geographie
s-gt. toitd in die Irre geiiihrt.
Auch bei Zoiiirieg en ist die
wer Recht hat. nich? die driF
Oebieirischet ist die IesV-: We iss t
sich ein solcher Krieg ten sglichsiee
sprung des eisenen Gebiet-g vermei