Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 28, 1910, Zweiter Theil, Image 16

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    CHeimweh
Roman von Rheiuhold Grimann
(1. Fortsetzung.)
L. Kapitel.
Als Gern-arm Artner die Deich
ftraße erreicht hatte und nach alter
Gewohnheit zu den Fenstern seiner
Junaaesellenwohnung empor sah. a-e
wehrte er mit einiger Ueberraschung,
daß zwei von ihnen hell erleuchtet
waren. Das mußte irgend eine be:
fondere Bewandtniß haben, denn seine
haushiillerin pflegte ihn sonst nicht
mit dergleichen Aufmerksarnleiten zu
vermöhnen Rascher als sonst eilte er
die Stiege empor. Und schon an dem
wrdrießlichen Gesicht, mit dem die
alte Frau Neubauer öffnete, sah er,·
daß irgend etwas ihr Mißfallen erregt
hat-te. · (
- »Gut, daß Sie endlich da sind«
here Dottort Sie haben Besuch be-(
kommen. einen Herrn und eine Da
me. lind ich war schon in ·der mäß
ten Unruhe. weil ich sie in das Ordi
nationszimmer hineingelassen habe.
Aber sie wollten ja durchaus auf Sie
warten.«
»Ein Herr und eine Dame?" sagte
er verwundert. »Haben Sie denn lei
nen Namen aenannt?« -
»Nein«, erwiderte die würdige Da
me spigia. »Und sie werden vielleicht
Ursache dazu aehabt haben. Jch glau
be. es ist ein Liebespaar — oder so
was deraleichen.«
Der Doktor verzichtete aus weite
re Fragen, und ohne erst seinen Ue
berrock abzulegen, öffnete er die Thür.
Aber mit einer Miene grenzenlosen
Erstaunens- blieb er auf der Schwese
stehen.
«Rols!«
Ein dlonder Riese, der den hoch
gewachsendn Doltor noch um einige
Zoll iiberragte, hatte sich ans dem
Sosa erhoben und trat mit ausge
sireckten Rinden auf ihn gu. Er moch
te eben die Mitte der Dreißig er
reicht haben. Und mit seiner pracht
vollen, lraftstrohenden Gestalt, sei
nem loeligen haar und seinem langen
apldblonden Voll-hart sah er aus wie
einer jener germanischen Mu, aus
denen dereinst die « römischen Kaiser
ihre Leidgarde zu bilden pflegten
Sein schönes, energisches Gesicht war
tief gebräunt; aus seinen hellblauen
Augen aker leuchtete die sonnigste
Fröhlichkeit Und es llang beinahe
kindlich heiter, als er ausrief:
«Habe ich mich wirklich so wenig
verändert, »daß Du mich gleich er
reimste und id hatte gen-m Dich
erst eine gute Weile rathen zu lassen.«
Roch ehe er ausgesprochen hatte, la
gen sie einander in den Armen. «
«Mein lieber alter Junge!«
»Mein Nesthälchen!«
Das war alles, was sie sich vorerst
u sagen wußten. Dann aber nahm
der Blonde des Doktors band und
führte ihn zu der schlanlen Frauen
gestalt, die sich bei seinem Eintritt
bescheiden zurückgezogen hatte. « »
«Gönne auch ihr einen freundlichen
Willkomm, hermannt Denn es rst
Deine Schmägerin Tuitna Urtner —
nie-in herziaes Weibl« ,
Der junge Arzt wußte kaum, wie
ihm Michal-. Er fühlte eine kleine
sammetweiche Hand zwischen seinen
Fingern . Er sab in ein allerliebstes.
von wirrem dunklem Glock unwahrn
tes, licht-bronzeiarbiges Gesichtchen
und in zwei schüchterne schwarze Au
gen· Aber daß dies zierliche exotische
Persönchen wirklich seines Bruders
Frau sein sollteseine Frau, die seinen
Namen trug, das wollte ihm vorläu
fia noch durchaus nicht in den Sinn.
Wohl drückte er berzhast die winziae,
cebenswarme Hand. Doch das rechte
Wort der Begriißuna wußte er nicht
Mich zu finden. Und so war sie es,
ihm nach einem sragenden Blick
aus den blonden Riesen mit reizend
Ietlegenem Lächeln zu hilse kam.
«Seien Sie nicht böse, daß « so
ohne-weiteres mitgelomnien bin. ber
Uols bestand daraus, daß ich ihn be
gleite. Und da mußte ich wohl ge
horchen-«
»Ich sreue mich dieses Beweises
feiner brüderlichen Liebe,« sagte er
ziemlich unsicher, »und ich heiße Sie
von Herzen willkommen- Aber es
war eigentlich nicht hübsch von« Dir,
Reis, mir die Tbatsache Deiner Ber
keirailning bis zu dieser Stunde so
ganz zu verschweigen«
«EZ ist wahr, ichbätte Dich schon»
vor einembalben Jahre damit über-:
raschen sollen«, erwiderte der Geta
delie fröhlich. »Aber erstens hätte ich
die Episiel damit beainnen müssen,
mich wegen eines mehrjährigen Still
xechtvei s zu entschuldiaen, Und
g chen gehört fiir rnich nun ein
ssl zu den unan nebmsten Dingen
M der Welt. « itens aber —
und das is Ue da tsnche — hätte
ich mir gar seine nnn machen
Ursein M Furt der Nu dieses
. Familieneran wegnehmend zu
erfreuen. Denn die kleine Frau da ist
eisejalbe Wilde, die Tochter eines
« Messen Arztes nnd einer echten Sa
umrin m ganz unve "lschtem
Unte. « insir ganz ebrl , her
M ei ch eine solche Mittbeilnng
nicht mit diesem Es erfüllt ha
- « g«-.2:s.«.ni«- Messe-«
III u e a
"« h unbewußt-r Erinnerung an die
W Citten ihm Vorfahren
-
eines Tages aus den Gedanken ver
fallen, mich vor lauter Liebe nichtnur
bildlich« sondern buchstiiblich auszu
essen.«
»Aber Rols!« mahnte Frau Tuima
halblaut. Und es sah allerliebst aus·
wie sie in ganz mädchenhastrr Beschä
mung das Köpfchen senkte. Zärtlich
seinen Arm um ihren Nacken legend
) zog der blonde Riese die leise Wider
) strebende an seine Brust.
s »Nun aber«« plauderte er in seiner
; treuherzig übermüthigen Weise weiter,.
»du Du sie mit eigenen Augen sehen
kannst, wirst Dubald genug inne wer
den« drß ich dadrüben aus Udolu einen
Schatz gesunden habe, den ich gegen
teine Herrlichsteit der Welt wieder ein
tauschen möchte. Lerne sie tennen —
und wage es dann noch mir zu sagen«
daß irgend eine andere Schwägerin
Dir lieber gewesen wäre als sie!«
»Da ich Dich so glücklich sehe, ist
Deine Wahl sicherlich die rechte gewe
sen. Aber diese Ueberraschung die
Dir so aroszartig gelungen ist« bringt
mich nun unt das Vergnügen« Deinef
Gattin und Dir einen würdigen Gm
psang zu bereiten. Nicht einmal die
alterbescheirenste Gastsreundschast ver
mag ich armer Junggeselle Euch in
diesem Augenblick zu erweisen.«
»Du-Jus haben wir auch natürlich
gar nicht gerechnet. Gerade Dein
verdutztes Gesicht ist es ja gewesen«
aus das ich: chgesreut habe. Und
nun machtest Du lange Geschick-ten
von mir hören« nicht wahr? So eine
Art Generalbeichte iiber meine Erleb
nisse aus den legten fünfzehn Jah
ren, während deren wir verteufelt we
nig von einander gehört haben. Aber
das verschieben wir aus später, mein
guter hermannt Für jetzt muß Dir’s
genug sein, dass mich weder die Kan
nibalen noch die Mostitos verzehrt
haben« und daß ich glücklich in den
Schwß der allein seiig machenden Ci
vilisation zurückgetehrt bin« um hier«
wilks Gott« in Frieden und Fröhlich
teit meine Tage zu beschließen.«
»Du willst in Deutschland blei
ben?« fragte der Doktor in neuer Ue
oerraschung »Und doch schriebst Du
mir vor einigen Jahren ——- —
«D.1ß ich mich niemals entschließen
würde, mein samoanisches Paradies
zu verlassen. Jan-obl! Und schwer
genug ist mirs geworden das weiß
der himmel. Aber es gibt eben Ver
lockungen« die auch die sestesten Vor
säse in's Wanken bringen. Und dann
durfte ich ja auch« wie unser Urvater
das Beste aus dem Garten Eden mit.
imir nehmen: meine kleine, blondbraune
Ettfieatdch die mir ant Ende alles andere
e
Geschickt hatte sich Frau Tuima ei
ner ihr abermals zugedachten Liebko
sung entzogen. Und mit ihrer wohl
tiinenden Stimme, in der immer ein
rührender Klang fast demüthig-r Be
scheidenheit war, sagte sie:
»Wol1test Du nicht dem herrn Dot
tor vorschlagen, uns in unser hat-et
zu begleiten? Jch bin wirklich sehr
miide nach all den Anstrengungen die
ses Tages-« , . » t
»und Du hast ein gutes Recht va
zu. Wir sind nämlich erst um Z Uhr
Mittags im Hafen gelandet, haben
dann wohl oder übel im Hause meines
Sozius diniren müssen, wie irenn wir
uns während der ganzen Seesahrt
nicht ein einziges Mal hätten satt es
sen tönnen und —«
»Vergieb, wenn ich Dich unterbre
che! Deineö Sozius, sagst Du? Wer
ist denn dass«
»Ja so, ich habe mir schon wieder
einmal das Beste vorweg genommen.
Also höre und staune! Jch bin in
die Firma, der ich seit 12 Jahren ge
dient habe, als Theilhaber eingetre
ten, —- nicht gerade mit einem halben
Geschäftsantheil, wie Du Dir wohl
denken kannst, denn selbst einein
Sonntagslind wie mir fallen die Mil
lionen nicht gleich Schneefloden vom
himmel herab — ater doch immerhin
als richtiger Theilhaber mit dem Jah
reseinkommen eines tleinstaatlichen
Premierministers und mit noch schö
neren Aussichten für die Zukunft. Und
das einzige Zugeständnis, das ich da
für machen mußte, war die Verpflich
tung, mich fortan hier, am Sjs der
Firma, niederzulassen.'
»Das ist eine Veränderung, zu der
ich nicht nur Dich, sondern auch mich
selbst beglückwünscht. Natürlich wirst
Du Dir so bald als möglich einen ei
genen hauihalt einrichten?«
»Ist schon geschehen Des junge
herr Reden-barg, mein Sozius, hat
Feine reizend kleine Villa akn Schwa
nenwiet fiir uns gemiethet und sie mit
Hilfe seiner liebenswürdigen Gattin
bis auf den lehien Kochlöffel fix und
fertig ausgestattet Gleich nnch dein
Diner mußten wir hinausfahren k
unj anzusehen, obiochl ich natürlch
viel lieber erst zu Dir gekommen wä
re. Und es steht nichts im Wege, daß
wie schon morwn unsern Einzua hal
ten in das neue heimk·
»So bleibt mir also gar- leine
Möglichteit mehr, irgend etwas file
« Euch zu thun. Offen gestanden, lie
- ber Wels. es tviire vielleicht Zith
ichet wesen, wenn mich it litt
von inet bevorstehenden Ankunft
unterrichtet hättest.« ·
XII Die eine Menge Unruhe in
bereiten, nicht wath Rein, es iii
schon besser fo. llnd iin Uebr· n
wird ei Dir nicht an Gele nhett eb
len. mir auf andere Art ein-e brü
derliche Liebe zu beweisen, damit rein
Beispiel. daß Du mir fest behiiålich
bist. diese wilde kleine Frau inc do
tel zurückzubringen Nachher können
rrir ia in irgend einein gemiithlichen
Wintel noch ein Stündchen vers-lau
detn. Tuima hat mir den erforder
lichen Urlaub bereits beivilliat.«
Auch wenn-ihn nicht fchson das sehr
jugendliche Aussehen feiner Schwä
aerin davon überzeugt hätte, wiirde
Vernimm aus der offenkundigen Ver
liebtbeit der beiden den Schluß ge
zogen haben, daß ihre Ehe noch nicht
von langer Dauer fei. Er fah, wie
ritterlich Noli bemüht war. Tuiinas
feingliedrige iGeftalt in den warmen.
velzgefiitterten Mantel zu hüllen, den
sie vorhin abgelegt hatte, und mit
wie dantbarer Zärtlichkeit dabei ihre
schönen dunklen Augen auf dem
blondbärtigen Antlitz ruhten. Wäh
rend der ganzen Fahrt noch dem
ziemlich weit entfernten Hotel behielt
der junge Ehemann Tuimas Hand in
der feinen, und dabei plauderte er!
fortwährend fv lustig und auge!assen’
wie ein übermüthiger Knabe. Im
Vestibiil des Gasthaufes verabschiede:
te sich dann Doktor Hermann Artner
von seiner Schzviigetim und jeht koste
te es sihn teine Miihe mehr« ein lie
benswürdig herzliches Wort zu fin
den.
»Auf Wiedersehem Herr Doktor«,
erwiderte sie, und er fühlte niit inni
gem Vergnügen den warmen Druck ih
rer kleinen weichen Hand. »Wenn wir
erst in unserem hause sind, werden
Sie es hoffentlich ein ivenia auch als
das Jbrige anfeben.«
,».Natiirlich", ergänzte Rolf. »in
ein armer, bedauern-neither Jungge
ielle muß ja froh fein irgendwo ein
irautes Restchen zum llnterichliipfen
bereit zu finden Erwarte mich also
hier unten Liebster! Sobald ich mei
nen Schatz in Sicherheit gebracht ha
be, bin ich wieder da."
Eine kleine halbe Stunde war doch
vergangen, bevor er zurückkam, heiter
und strahlend in der Fälle seines jun
aen Glückes.
,,Wohlan denn« seht bin ich frei und
zu allen tollen Streichen ausgelegt.
Laß uns irgend einen behaglichen
Kneiowintel auffuchen Nur allzu
weit entfernt darf er nicht sein« denn
»ei- ist seit meiner Verheirathuna das
Herste Mal, daß ich Tuima allein lasse.
Und ich wette, sie schläft trotz der hei
ligsten Gelöbniffe nicht friiher ein.
« als bis ich wieder da bin.«
Sie hatten bald gefunden· wonach
; sie begehrten. In dem Hinterzim
mer eines tleinen bescheidenen Wein
restaurants waren sie bie einzigen Gii
ste Und nachdem er ihnen den be
stellten Rauenthaler gebracht hatte-(
zog sich auch der Kellner zuriia. Sie
ließen die Gläser zufammentlingen,
nnd Rolf lehnte sich in feinen Stuhl
zurück.
»Nun also, aufrichtig und ehrlich,
wie gefällt Tut meine tleine Frau?«·
I «Sie.ist sehr hübsch und allem An
schein nach auch sehr liebenswiirdig
Was könnte ich nach einer so turzen
Betanntfchsuft mehr iiber sie sagen!'«
»Ist auch fiir den Anfang vollstän
dig genug. Du bist also nicht entsetzt
iiber meine Wahl?"
»Ich würde unter allen Umständen
der Meinung fein, baß Du alt genug
bist, in einer so wichtigen Angelegen
heit lediglich Dich selbst zu befragen.«
Sehr schön gesagt und ganz so
vernünftig, wie ich·"g von Dir erwar
tet,habe. Aber, daß wir uns recht
verstehen, mein guter Herniann; wag
ich da vorhin von der Halbwildbeit
meiner Tuima sagte, war natürlich
nur ein Scherz. Jbr Vater, der lei
de: vor zwei Jahren gestorben ist« war
ein tluger, mächtiger Mann- Und
obwohl ejsin Aoia weder eine höhe
re Töchterschule noch Malzirtei oder
litterarifche Kränzel-en gibt, hat sein
Töchterchen doch eine selbst fiir euroi
piiische Begriffe gute Erziehung er
halten. Es niiag ja sein« daß sie in
mancher hinsicht etwas mehr Natur
tinb ist alj die jungen Damen hier
zu L-:ande aber, so wahr ich lebe, ich
mochte sie nicht anders haben als sie
ist« -
»Es freut mich, Rols, daß Du so
denltt. Denn im andern Fall hättest
Du wohl nimmermehr das Wagniß
unternehmen dürfen, sie auf diesen
frimden Boden zu verpflanzen.«
»Ein Wagniß, wieso2 Hast Du
etwa den Eindruck gewonnen, sie sei
sür diesen sein tultivirten Boden ein
zu wildes Gewächi?«
»Ich habe vorläufig leinen ande
ren Eindruck als den« daß sie ein rei
zendes, schmiegsames Kind ist« -und
daß sie in abgöttischer Liede zu Dirl
(
emporsieht. Solange sie in Dir einen
Schirm und eine Stühe findet, hat sie
von der Fremdartigleit ihrer neuen
Umgebung wohl kaum etwas zu fürch
ten. Und ej gibt, toie « meine, siir
sie nur eine einzige Gesa r.«
«Also doch eine Gefahr? Nur her
aus damit! Ich wetde ja hoffentlich
Manns genug sein, sie davor zu de-;
MAY-« «
» s erwarte ich allerdings, mein
net-u Rom Den-wisse Gefahr hist
Du selbst.«
Der hlonde Riese sah ihn erst einen
Augenblick verwundert an; dann aber
lachte er ll und fröhlich aus:
«Jchi ayjft köstlich. Meinst Du
vielleicht, daß ich sie mit meiner Zärt
lichleit umbringen werde?«
. »Nicht gerade das. Aber auch Du
lehrst nack- emer sünszehnjähriaen Ab
wesenheit in die euoviiischen Verhält
!
nisfe zuriiet Sie in eine neue Welt.
Und es ist leicht möglich« daß sich Dies
hier manches Bild in einem anderen!
Lichte darstellt, als Du es dpsiben aus
Eurem glücklichen. weltentlesienen Ei
lqnd gelebt-» Ich zip-ists gut-i
nicht an der Tiefe und Besiändigleit
Deiner Liebesaber —«
Rolf war plößlieh ernst geworden,
und schwer legte seine Hand sich auf
dei Bruders Arm.
»Du thust sehr wohl daran, sie
nicht zu bezweifelnn Aber dann ist
es, wie ich-meine, auch überflüssig. von
dieser vermeintlichen Gefahr fiir Tui
mai Glitel noch weiter zu reden. Was
auch immer mirs hier in einem anderen
Lichte erscheinen mag. sie wird fiir
mich doch stets dieselbe bleiben, die sie
mir am- Tage meiner Hochzeit gewe
sen ist. Und das ist genug. um Dich
zu beruhigt-h nicht wahrl«
Der Dotter füllte aan neue die
: Gläser und erhob feinen goldia schim
I mernten Römer: -
»Auf ihr Glück und Deiner, Rolf!«
»Und auf eine tiinftige fröhliche-»
Gemeinschaft zu dreien!« ergänzte deri
Blandhörtige, indem er mit ihm an-i
stießx »Da ich auf Dich nicht sites-l
iiichtia zu sein brauche, lann ich Dies
ja verrathen-, daß Du Tuima sehr gut
gefallen hast. Und Du darfst sicher
lein, daß das ihre ehrliche Meinung
ist: denn es tommt nie ein unwahres
oder unaufrichtiges Wort iiber ihre
Lippen«
»Ich werde redlich bemiiht sein, mir
ihre Freundschaft zu verdienen«
»Sie wird Dir’s nicht alliu schwer
machen, wie ich denke. Aber sage
mir doch. Liebsten wie flehte denn
eigentlich mit Dir, mit Deinem her
.ien, meine ich? Wenn man so glück
lich ift wie ich, möchte man Fern alle
Welt in demselben angenehmen Zu
stande sehen. Und ich wünsche sehn
lichsi, recht bald auf Deiner-Ochsen
zu ten-den«
»Du wirst Dich immerhin noch ein
wenig in Geduld fassen müssen', er
widerte der Doktor lächelnd. »Meine
Praxis ist bei weitern nicht alänzend
aenua, um die Begründung eines ei
genen haust-standest zn gestatten«
»Ach, nur nicht zu ängstlich! Jst
denn die Rechte schon aeitinden?«
Doktor Artner blieb die Antwort
schuldia und beschäftigte sich angele
aentlich mit seiner Cigarrr. Treu
kerzia tlopste ihm Reif auf die Schul
er:
»Nichts siir unant, mein Junge
tvenn ich manchmal vielleicht ein biß
chen täppisch bin mit meinen Fragen.
Ich verlange aar nicht, daß Du mir
aleich in der ersten Stunde Dein ann
zes Herz ausschiittest. Aber wenn
Dich mal was bei-rücken sollte, das ein
änderer Dir tragen helfen kann, dann
trirst Du von nun an zuerst an mich
denken, nicht wahr?«
»Gewiß, Rats, gen-ißt« ,
Und brüderlich drückten sie sich die
Hände.
Dann sah der junge Ehemann auf
feine Uhr.
»Wie doch die Zeit Yergehtl Gelt,
Duspbist nicht böse. wenn ich aufdre
-Jch begleite Dich bis ins LIM.
Es liegt ja ohnehin aus meinem —
ge.«
»Das ist hübsch. Mir ist nämlich
als ob ich Dich noch irgend etwas hät
te sraaen wollen. Ach ja, sent sällt
mir’S ein. Jst Dir hier niemals der
Name Lornsen begegnet-? Jm Adern-.
buch habe ich ihn nicht finden können.
Aber ein Arzt tommt überall herum
und lernt so viele Menschen tennen.'«
hermann Artner suchte in seinem
Gedächtnis; aber nach turieni Nach
denten schüttelte er den Kons.
»Ich erinnere mich nicht. Aber
wenn Du mir vielleicht einige nähere
Angaben über die gesuchte Persönlich
teit machen könntest . . .«
Rats, der inzwischen den Kellner be
xrhlt hatte, nahm seines Bruders
rm.
»Ja, weißt Du, das ift nicht io
ganz einfach«, plauderte er, während
sie auf die Straße hinaustratem »Der
Lornfen, über den ich Dir allenfalls
einige nähere Angaben machen könnte
ift nämlich lanae todt und liegt drü
ben im famoanifchen Urwald begra
ben. Es mag an die elf Jahre her
fein, dafz er nach Apia lam, um dort
eine Pflanzung einzurichten, ich weiß
nicht, ob fiir eigene oder fiir fremde
Nechnunaz denn iiber feine Brit-atem
gelegenheiten pflegte er nicht viel zu
reden. Er war der prächtigfte Mensch,
der mir jemals auf meinem Lebensweg
begegnet ift, und trotz des Alteriuntets
fchiedes waren wir bald intime Freun
de. Aber eines Morgens —- kaum
l
zehn Monate nach feiner Ankunft aufs
der Jnfel — fand man ihn mit zer
fchmetterbem Schädel am ffan einer
kleinen Felswand iiber die er mit fei-v
nem Pferde abgeftiith war. Und an
feinem Lieblingspläßchen mitten im
Busch haben wir ihn tags darauf be
graben. Die ich ietzt fuche, find feine
Kinder. Denn ich meine, es wird ih
nen lieb fein, einiges aus der letzten
; Lebenszeit ihres Vaters zu hören. Und
ich habe auch vor meiner Abreife eine
. photographische Aufnahme feiner leg
f ten Ruheftiitte gemacht, die ich Ihnen
ziibergeben möchte. Leider aber weiß
; ich nun von diesen Kindern nichts wei
f ter, als daß fie vor zehn Jahren hier
gelebt haben. Bernhard Lornfen zeigte
Imir einmal das Bild feines älteften
Töchterchens, eines Mädchens von acht
oder mun·Jabren. und ich war damals
ganz verliebt in das fiifte Kind-erge
sichtchen Es wäre wirtlich jammer
fchade. wenn es mir nicht gelänge, fie
aufzufinden.«
»Wenn fie noch hier find, wgdeki
fie lieb auch ermitteln lassen. Aber hat
i
s.
denn Dein Freund nicht auch eine
Wittwe hintern-sent
.Rein. Seine Frau wur. als ich
ihn lennen lernte, schon sseit mehreren
Jahren todt. lind die Kinder befan
den sieh biet unter der - t eines
Friiniein Blei-ei oder Oreue , ich habe
unaliickticherweise ein so miserables
Gedächtnis stir Eigennamen.«
hermana Artner war stehen erblic
en.
»B1elleicht Fräulein Dorette
Breuel?«
»Jo, beim Zeug, ich glaube Do
rette hieß sie. Lotnkn hatte ja den
Namen nur beiläusickerwiidntz aber
ich weiß noch, daß er mich merlwiir
din altmokisch anmuthetr. Du lennii
eine iolcke Person?«
»Ein Fräulein Doreste Breul hat
te ich vor einigen Monaten in Erstli
cher Behandlung Sie wohnt, wenn
z ich nicht irre. am Steindcrmm Und
E ich kann Dir jedenfalls morgen ihre
» Adresse mittheilen.«
»Es wäre qroszartiq. wenn ich in
ihr die Richtig-e fände. haft Du nicht
bemerkt. daß sie ein paar junge Mäd
chen bei sich hatte?«
»Nein, sie lebt ganz allein. Aber
die Töchter Teines Freundes tönnten
sich ja recht wohl inzwischen verhei
ratdet oder sonstwie auf die eigenen
Füße gestellt haben-" « »
«Jq, dar in wahrt usw iedmtans
werde ich sie aufheben Ater du«
sind wir ia schon wieder an meinem
HoteL Und richtig —- liabe ich's nicht
vdrder gewußt?——in Tuimaz Schlaf-;
Zimmer ist noch Licht. Da muß ich
doch eilig hinnui. um zu seien, ob
ihr nicht vielleicht etwas znqesiosiem
ist. Gute Nacht, Liebsterl Wo fin
den wir uns moraen wieder?« ’
Eie verabredeten ein Zusammen-»
treffen iiir den Mittag. Aber Nolis
hörte taum noch mit halbem Ohr aus«
die Worte des Bruders, so ungestümi
zoa es ihn nach oben. wo sein dun
telloctiges junqu Weib seiner Wie-»
vertritt harrte. (
Gortsegung folgt.)
l
Koreas Staatsköchin. (
Jene Jndistretion, die stanzösischkn
Journalrsten eigen ist-; verleitete dieser
Tage den Korrespondenten eines Pa
riser Platte-F auszuplaudern, Frau
Sonntag in Söul habe ihm in Gegen
wart des Generals Freiherrn von
Gent erzählt. sie wisse, daß die Mut
ter des unlängst entthronten Kaisers
von Korea durch Japaner, und zwar
auf Anstistung des Marauis Jto er
mordet sei.
Die Aussrischung dieser uralten,1
aber durch die Ermordung Jtos aus
eine Art wieder altuelten Geschichte ist
ein französischer Racheatt rau
Sonntag ist nämlich gebotene El risse
rin und Französin die aus einem in
Korea weithin sichtbaren Posten ihre
Nationalität wechselte und sich zu den
schwarz- weiß-rothen Farben betannte
Das« haben ihr die Franzosen nie der
gessen.
Frau Sonntag tam vor etwa einem
Menschenalter in der bescheidenen
Stellung einer Köchin oder Haushal
terin zu einem europäischen Konsul
nach Stint Am Kaiserhos bürgerte
sich der Brauch ein, die Gesandten
der fremden Mächte, zunächst einmal
alljährlich, zu einem Diner einzula-.
den. Natürlich mußte man den Frem
den eine europäisch getochte Mahlzeit
vorsehen. Aus dem Wege diplomati
sa,er Verhandlungen, die beileibe teine
kurzen oder turzweiligen waren»
bergte man sür den großen Tag einem
Konsul die Köchin ab. Die Wahl
war aus Frau Sonntag gefallen.
Sogar eingeborenen Würdenträgern
schmeckte. was sie geschmort und ge
schmirgelt hatte. Frau Sonntag
tochte einmal alljährlich innerhalb der
Pulastumwallung ein Diner, bis ihr
Brotheer verseht wurde. Vielleicht
wollte er sie mitnehmen. Jedenfalls
bot der Dos, der ihre Künste nicht
missen mochte, der damals schon Be
jcbrten eine Anstellung an. »Unser
ihrem Gehalt erhielt-sie ein Häuschen
innerhaio der ums-ansag. Dort sah
sie häufig den gelrsnten Gefangenen,
der seinen Palast nach der Tradition
nicht verlassen Herste. Einmal de
gegnete Te ihm. Ringsum warfen
Schranzen wie Diener sich in den
Stauh und bargen in den Waden
die An en, die den Despoten nicht
schaue durften. Frau Sonntag hlielw
stehen und lachte: »Ein Wunder istl
es ·a nicht, daß Ihnen keiner von ders
sGetxellschast in die Augen sehen kann,j
here Kaiser!«
Die Koreaner standen oder lagen
note erstarrt vor Schrecken. Die Frem
sde hatte den Gehirter nicht nur ange
redet, sondern —- eine weitere Be
fleidigung der asiatischen Majestiit —
angesprochen in dem im Verkehr rnit
Dienstboten erlernten Koreanisch der
unteren Klassen, das nie an des Kai
sers Ohren klingen dars.
Aber der Kaiser hatte Sinn siir
humor. Er lachte und befragte
Frau Sonntag. die als demokratische
Clsässerin ihm frank und srei erzä -
te, wie er bestehlen werde. Sie -
rechne silr ·ede7- Gedeck des Diners
acht Jen, a r die laiserliche Verwal
tung mit e zweihundert bezahlen und
sich von iebischen Dosheamten ein
reden lassen, es loste ein Vermögen,
die Europäer zu sättigen! Der Kai
ser vergah Frau Sonntag die Form
losigleit ihres Austretens gern. Noch
am gleichen Tag erhielt sie ein höhe
res Gehalt und ein größeres Häus
chen. Vor Ausbruch des ostasiatischen
Krieges war sie emporgestiegen zur
Wiirde einer Generaliatendantin
oder Haushalterin des la eran
haßt Sie bewohnte ein löschen
in der Stadt, in dem sie sremde Gäste
des Kaisers wie Jto und Alexejew
zu bereit-then hatte, und sie verpflegte
die Beamten und Diener des Doste,
etwa 10,000 Menschen. Sie war un
ter den Europäern eine viel-unvor
bene Persönlichteit, weil nur sie allein
von Menschen weißer hautsarhe je
derzeit mit einem Anlieaen vor den
Kaiser treten konnte. Sie t t es
nie, weil sie llug und taltoo war,
aber- Gesandte von Großmächten
machten der zur würdigen Dame ge
wordenen Greisin manchen Besuch,
um ihren Einfluß zu gewinnen. Man
nannte sie in der Fremdenlolonie die
Allmächtige. Noch als solche bißte
sie die Fahne, die vom Dachsirst
jedes Europäerhauses in Söul weht,
die Tritolore. Aber mit den ahren
begriss die Elsiisserin, daß es ch im
Schatten und Schirm des mächtigen
Deutschen Reiches behaglicher lede.
und eines Tages stieg an der Stange
über ihrem Schlößchen die Fahne
schwarz - weiß rothe empor. Man er
.ziihlte in Säul, der deutsche Minister
fresrdrnh here von Saldern, habe
Isie mit dem ihm eigenen laurngen
iSvott zum Deutschthum belehrt. Be
Jschworen sei es hier nicht. aber zuzu
itrauen wäre es dem vor Jahresfrist
Verstorbenen Er ging unter dem
schmaltrempigen Filzhut mit sei-ern
iStoet in den Straßen der asiatischen
jhauptstadt wie ein Marter von Adel
ans dem Gutshos herum. Wenn vor
iihm ein Soldat mit dem Gewehr un
Jtee dem Arm so durch die enge Gasse
.bummelte, daß er dem Residentea
mit dem Baionett sast die Augen
;irusstach, nahm er ihm die Flinie weg
Jund lieserte den Verduhten im Kriegs
ministerium ad; er habe nicht Lust,
sich die Augen ausstechen zu lassen!
Das llinst nicht sehr diplomatisch, ist
aber eirr Fattum und entsprach der
Weseniart des alten Verra, der im
mer mit eigener Hand die Autorität
seiner amtlichenyStellung zur Gel
tung brachte. ru- zu Beginn oeo
Krieges eine Revolution ausbrach.
strömten Legationswachen aller Groß
iniichte in Söul zusammen. Auch
eine deutsche tm aus Tsingtau.
Herr von Saldern schickte sie aus dem
Dampser, der sie gebracht, zurück: die
Koreanee müßten lernen, die Fahne
über seinem Dach zu respettiren, ,
auch wenn sie nicht von Bajonetten
bewacht sei! Es gab damals Euro
päer, die, wenn here von Saldern
zum Diner einlud, absagten, weil sie
in der undewochten deutschen Residen
tur nicht sitzen mochten, denn die Ein
geborenen hatten mit Massatres ge
droht Und weil here von Saldern
so eigenmächtig und steisnackig war,
hatte er es als Diplomat nicht weit
gebracht. Bismarel telegravhirte ihm,
als der battenbergische Bulgarensiirst
in seine Residenz zuriiCehrtz nach
Sosia. wo Herr von Saldern General
tonsul war: »Verhnlten Sie sich be
züglich des Flaggens wie Jhre russi
schen und österreichischen Kollegen!«
Die singgten nicht, aber der General
tonsul zog die Fahne aus und meinte
,,Jch gehe lieber, als daß ich mich dem
Fürsten, der mir ein gnädiger here
mar, als Rauhbein zeiget« Er ging
auch und sand erst nach Bismarcks
Rücktritt wieder dienstliche Verwen
dung. Jn Söul war er zwar nicht
Der-en, aber doch Führer oder Leiter
des diplomatischen Korps. Als der
heutige Präsident Tast und Fräulein
Rocsevelt aus der Reise durch Söul
lamen, entschieden seine fremden Kol
legen darurn, daß nur er das Diner
siir die Ameritnner geben könne.
Also verständlich wäre eg, daß wäh
rend der Saldernschen Amtszeit
Frau Sonntaa sich zum Deutschthum
belehrte. Die Greism mag nun auch
ossener geplaudert haben, als die
tluae Generalintendantin es that, und
es ist Geschichty daß die Miserinwits
we von Korea durch japanische Beamte
ermordet wurde. Warum soll Jto da
bei nicht die Hand im Spiel qehabt
habenf Er ist bekannt als einStaatsi
mann, der mit Blut nnd Eisen Ge
schichte, asiatische Geschichte machte, dies-—
stets einChronit von Mord und Todt
schtag war. Eine andere Je ist. .
ob es der vielgeriihmten sranzötschen
Ritrerlichteit entsprach, zu veröffentli
chen. was eine alte,- heute unter spani
scher Oberhoheit lebende Frau anths
rem Kas««eetisch. aus dem nie der deut
sche Napstuchen mit Rosinen sehlt, vor
den Ohren eines Franzosen einem
deutschen General erzählte.
, O. von Gottberg.
Dreizehn Stunden lang hat « ein
Mitglied des-Abgeordnetenhauses des
Reichsrats in Wien geredet. Dafür
kennen sie dort leine Präsidenten-Bot
schaften von 17,000 und mehr Wor
ten. r»
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Das Merkwürdigste an der Alaba
Inaer Entscheidung, daß jeder Bürger
nach Belieben eiltige Getränle im Be
siy haben date ist, daß sie überhand-i
erlassen werden mußte.
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Endlich hat New York, was das ei
valilieeende Chicago nicht hat: eine
Milliarde Dollari Schulden, aber da
rum wird die Meiropvle am Michi
gnnsee es schwerlich beneiden. (
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Gedankenloi handeln wir am häu
figsien dann, wenn wir in Gedanken
sind.