Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 31, 1909, Zweiter Theil, Image 13

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    Die rethe satte-m
Erzäblnnq ron M Geer-av
sinaide Markt-ten ins- Ort schlechthin
die »rothe Mariotpa« genannt, schaute
von der kleinen Treppe, die zu ihrem
Etschiift emporfuhrte, noch einmal über
den stillen« schlecht beleuchteten Platz.
hinter der kleinen Dama, dern Stadt
vertvaliungghaus, verschwand eine Ko
satenpatrouille. Sonst war Niemand
zu erspähen. Nishi einm hatte heute
die greue Magazine-locke an· schlagen,
nicht ein Kaufen den Laden betreten.
Keine Kvpete in der Kasse; aber der
Termin vvr der Thür, wv die Wechsel
und Rechnungen zu bezahlen waren.
Wenn der Gatte, der als Reisender fiir
eHne Warfchauer Firma reiste, nicht die
nöthigen Summe-: sandte, dann iiins
digte der Hauswirth und die Lieferan
ten ließen pfiinden, tvie sie seit Jahres
friit drohten. Die Martowa stierte
triibe vor fich hin, dann strich fie iiber
ihre rothen Haare und bereitete unter
Seufzen alles file die Nacht· Die
holzliiden wurden vorgelegt, die
Schrsnle verschlossen, die offenen
Waaren mit Tüchern bedeckt, nur die
leere Blechschachtel, die Kasse, ließ sie
stehen. Die stahl heut- Niemand! Sie
trat in das angrenzende Zimmer, das
als Wohnraum diente. Jhre Kinder
hatten die mit Wasser qelochte Grüße
verzehrt und saßen arbeitend und grü
belnd hinter ihren Büchern. Man
sprach wenig bei den Marlows.
»Nun, Mutter, bist müde?« fragte
Peter, ihre Gestalt mit dem Blick feiner
dunklen Augen haftig umsangend.
Sie nickte iumrnervoll, erstaunt und
erfreut zugleich. Die Marlowa tvnnte
laum lesen und schreiben, litt darun
ter und fühlte tiefe Ehrfurcht vor ihrens
gebildeten Kindern. Jhr Mann und?
fie hatten elend gedarbt, damit dies
Kinder lernten. ?
»Nun hast Du uns bald ijber den
Berg!« ertlörte steter und nickte ihr zu.
»Es kommen bessere Zeiten!« Er
schritt an ihr vorüber zur Treppe, um
Khrill zu folgen· LEEine Selunde ftrich
s.ine hand tosend iiber ihre Wange.
Dann verschwand er.
Das war ihr noch nicht passirt, der
rothen Martowat Ein Erzittern glitt
über sie hin. Zärtlichkeiten oder Lie
besbeweife waren ihr noch nicht begeg
net. Mit verliiirtem Lächeln tappte sie
sich langsam hinaus. Eine verpestete
Luft schlug ihr aus dem Raume. der
nie geliiftet werden konnte, entgegen.
Nur halb enttlcidet, warf sie sich auf
das harte, schmutzige Bett nieder.
Eine Woge heißester Zärtlichteit iiir
ihren hochbegabten Aeltesten hob ihr
nach außen so lalt scheinendes Mutter
gefiihl noch höher. Die Marlowa
lauschte hinaus, sie hörte die hölzernen
Treppen lnarren. Jhr schien es, als
dränge auf einmal dumpfes Stimmen
gemurmel durch die dünnen Wände zu
ihr. —- Ein laltes Entsetzen lähmte
ihren Blutstrom, so daß ihr der Athem
eine Selunde verging. Mit einem
Schlage war ihr klar, was da in dem
fensterlosen Zimmer hinter dem Laden
vorgehen mochte. Es lag in der Luft.
Alle Welt rannte es sich zu, daß die
Revolutionäre wieder am Werte wa
ren, daß geheime Versammlungen
stattfanden. Das Weib verschlang die
Hände in wilder Angst. Wenn ihre
Kinder mit den Anderen im Bunde
waren, wenn ihre Wohnung etwa der
Schanplatz solch verbotenen Zusam
mentreffens —- und die Polizei erfuhr
davon —- —
An allen Gliedern bebend, erhob sie
sich und schlich barfufk durch den klei
ne. Gang bis zu der Thür. Licht
schimmerte durch die Ritzen. Vorsich
tig gediimpftes Sprechen ertönte. Eine
fremde, tiefe Stimme ward hörbar.
Die Martowa drüctte ihr Ohr gegen
ein Astloch, das tief im Holze lag, und
verharrte in der gebückten, unbeauemen
Stellung, während ih: Herz fo wild;
. pochte, daß sie anfangs den Sinn derl
- Rede des Unbekannten laum verstand»
- frstt nach und nach erfaßte·sie, wag er;
ag e.
Er schilderte die unerhörten Grau
samkeiten. die in den Gefängnissen vor
» sich gingen, dies schrecklichen täglichen
hineichtungem die Plündereien, die
mit den Haussuchungen verbunden wa
ren. Und alle Greuel schob er dem
Gouverneur zu, der bei Wein und
Spiel mit französischen Weibern seine
Tage verpraßte, während das Gouver
nement unter feinem Druck litt und der
Zustand des verstörtten Schutzes ihm
die Rechte eines Selbstherrscheri gab.
.i »Und was«habt Jhr befchlosseni«
- hörte sie Awdotja fragen.
H ; »Er stirbt du.ch die Kugel. Nur
sein Tod brinyt uns Rettung, denn
einer seiner Spürhunde hat eine Lifte
s«";—, in Händen, auf der all’ unsere Namen
stehen. Wir in der Gouvernements
- stadt können morgen schon oerhaftet
. s· werden« darum müssen wir Euch die
; Mission übertragen,« antwortete der
· Fremde. «
- »Das Loos entscheidet« erklärte
» Atodotjas kühle, helle Stimme.
J-- «Drei müssen bereit fein, damit
-"; -— nichts fehlgehe!«
7 »So loosen wir dreimal!«
Man hörte leises Stühlerücken, das
Zerreißen von Papier.
»Peter Martow zum ersten! — Jlja
;- Gronentol — deotia Martosva!« —
sprach wieder der fremde Mensch
— »Viel-tut Jhr anf«
»Ich nehme ant« ertlärte ihr Aktie
ster
»Ich auch, mit Freudent« rief ihre
Tochter unwillkürlich lauter, worauf
sofort ein Zischen als Ermahnung
folgte.
»So werde ich Euch das System er
tlciren und Euch den Stadtplan geben·
Wir müssen den Ort vorsichtig wählen.
Am besten in der Nähe des Stadtpar
kes. Dort wollen wir uns sammeln
und mit den Arbeitern aufstellen. Die
Allem, die Bäume und die vielen Men
schen erleichtern die Flucht, die mir
dann decken tönnent Seht her —- —«
Die Kraft der Mariowa war er
schöpft. Sie schlich in ihren Altooen
zurück, tauerte sich auf den Boden,
lehnte die Stirn gegen den Betteand
und stierte vor sich hin. Jhr schien. als
hätten sich Bergeslasten auf sie gewälzt
und raubten ihr die Denitraft, lähm
ten jede klare Empfindung —- Das
war ja das Furchtbarste von allem! -—·
Ein Attentat auf den Gouverneuri —
Und ihre Kinder, ihre Kinder! —
Der Tag kam. Peter und Awdotja
schienen zwar etwas blaß, waren sonst
aber unverändert. Kyrill lernte eifrig.
Die Martotoa wußte nicht, ob er über
haupt an der Verschwörung betheiligt
war. Worttarg wie immer lebte die
Familie neben einander. Mit Flickar
beit beschäftigt, hockte die Mutter im
Laden, in den tein Käufer kam. Kein
Mensch sah dem bleichen Weibe mit
dem von Entbehrung und Kummer ab
gestumpften Gesichisausdrucke die wil
den. verzweifelten Pläne an« die ihr
fieberhaft arbeitendcs Hirn irenzten
Am nächsten Tage schickte der Vater
aus Warschau fünf Nabel Das war
gut! Die Vorräthe waren erschöpft
Der Kaufmann gab nichts mehr, nnd
Aivdotja mußte Lebensmittel vom an
deren Ende der Stadt holen, damit er
nicht das Geld mit Beschlag belegte. —- -
Die Stunden verstrichen. Und zum
ersien Male erschien es der Martowa.
alk- ob sie rasten.
Das vestanvige: »Was thun-e Was
thun?« trieb sie auch fast an den Rand
des Wahnsinns. Endlich schien ihr
eine Erleuchtung zu werden. Eine
stille Energie lam über sie. Jhr Antlitz
erhielt seinen stumpsen Ausdruck zu
rück. Nur scharfe Beobachter hätten in
ihren Blicken etwas verhalten Wildes
finden können. Wer hatte seht aber
Gedanken für andere?
»Ich muß zum Kattunlieferanten in
die Stadt," erklärte die Frau am
Sonnabend Morgen ihren Kindern,
nahm den alten Hut, den schwierigen
Mantel und drehte die Hand auf die
Tasche, die merkwürdig abstand. Sie
begegnete teiner Gegenrede Nur Kn
rill fragte: »Bist Du Abends zurück?«
—- ,,Jch denke.« lautete ihre Antwort.
Ein seltsames Lächeln umspielte ihre
blassen Lippen, als sie den Zug bestieg.
Ihre Finger umtlammerten den Revol
ver, den sie mühevoll der Tochter aus
dem ärmlichen Reisetörbchen entwendet
hatte. Aber ihr Herz schlug ruhig, kein
Nerv in ihr zitterte. —
Jn der Gouvernementsstadt anae
kommen, gab sie sofort eine Devesche
nach Warschau aus, in der sie dem Gat
ten telegraphirtet »Komm sogleich
heim, Kinder holen. Unglück gesche
hen.« Sie bezahlte mit der letzten Ko
peie, die ihr von den übersandten süns
Rubeln geblieben war· Nun hatte sie
kein Geld zur Rücksahrt. Nun mußte
es geschehen.
Ohne zu zittern, stand sie endlich
vor dem hiinenhasten Manne in der
kostbaren goldgestickten Unisorm, der sie
hochmüthig musterte und seinen Bart
mit gepflegter Hand, an der Juwelen
blitzten, strich. Er war in seinem Ses
sel vor dem Schreibtisch sitzen geblieben·
Hinter ihr, an der Thür, waren zwei
Kosaten postirL
Der Gouverneur las ihr Nationale,
das ein anderer aufgeschrieben und ihm
überreicht hatte: «Sprich, Weib," be
fahl er endlich. »Ich habe nur wenig
Zeit!«
»Man-gen —— am Sonntag --— bei der
Prozession«« sagte sie langsam, ,,will
rnanc Euer Exzellenz am Stadtpnrt
beim Denkmal ermorden.«
Er hob den Kaps. Sein rothes
Antlitz erblaßte. »Wer?« stieß er her
dor.
Sie zog den Revoloer aus der Ta
sche, dessen Bau sie sorglich studirt
hatte, ihr Finger packte den Hahn, noch
von der Schürze verborgen.
»Zehn junge Leute sind mit Brom
ningj bewasfnet.«
»Kennst Du sie persönlich?« fragte er
erhebend.
.J0!«
»So nenne ste, gute Frau!'« flehte
er mit weißen Lippen und zitternden
Händen.
Die Martowa wandte sich langsam
nach den Soldaten um. »Dars- ich sie
Eurer Exzellenz leise sagen,« meinte sie
unentschlossen, «ich möchte -—— ——
nicht —-·——«
Der tiesige Mann war sast sinnlos
vor Angst »So tritt heran,« stam
melte er. »Du wirst reich belohnt wer
den! Aber wage nicht, zu tilgen,
sonst —- —«
Seine Augen hingen an dem Weibe
in seiner ärmlichen Kleidung. Er
glaubte, daß hungcr und Elend sie zu
der Beträtherei trieben. »Ich schcnle
Dir tausend Rubel, wenn —«
Schon stand sie neben ihm und
beugte sich vor.
Ehe er zur Besinnung kam, hörte er
iSckireiy fühlte etwas Kaltes an feinen-i
Kopfe und vernahm einen Knall. Dann (
sank er hinteniiber und schlug zu»
Boden. i
Sie, die nie eine Waffe in Höndeng
gehabt, hatte gut getroffen. Der Gou- H
verneur war todt. Mit kaltem Lächeln
und geheimem Frohlocken ließ sie sich4
von den hinzuftiirzenden Männern(
niederschlagem treten und fesseln. Dasl
Regierungsqebäude, dann die ganzel
Stadt geriethen in wilde AufregungJ
als die Kunde von dem aeqliickten At-;
tentate sich verbreitete. Man schleppte(
die Mörderin in’s Gefängniß. «
Die rothe Markowa verweigerte jede(
Nahrung. Sie sprach kein Wort mehr
nach ihrer That und ließ sich mißhan
deln und hängen, ohne Schmerz oder
Angst zu verrathen. Peter und Aw
dotja brauchen nicht zu Mördern zu
werden. Die Kinder sind gerettet.
Was kommt es auf mich an? war ihr
letzter Gedanke·
AL , ,—-,
Des Rinberb Haupt.
f tue- J. nach-.
Durch den Brand der Mittagsson
Ine schwankt ein bunter Zug von Tiirs -
ten mit finsteren Gesichtern, von ver-«
schleierten Mädchen, die auf Efeln rei
ten, und schlanlen Seibei3, die mit.
Stöcken und lauten Rufen: »Hurlu,
hurlu« die Thiere zum Laufen an
treiben.
Ein Beutezug der Seibels.
« Seit Jahrhunderten pocht das räu
berische Blut in den Adern der gro
ßen, freiheitsliisternen Männer. Seit
Jahrhunderten war ihre ltiegerische
Wildheit der Schrecken der Feinde.
Bis ein kluger Sultan ihre · Macht
brach, ihre Männer zurückschickte in
die Gebirgsdörfer, ihre Krieger nicht
mehr in sein Heer aufnahm. Nun
leben sie in der Wildniß der Berge
östlich von Smyrna und heißen ihre
Frauen das Feld bebauen und jagen
Leoparden und Bären, bis das Krie
aerblut sie auf die Landstraßen treibt,
sie wehrlose Neifende überfallen. Waa
ren und Kostbarkeiten stehlen und die
Ueberfallenen zu Gefangenen machen
läßt. Nur gegen hohes Lösegeld erhal
ten sie ihre Freiheit zurück
Wie eine Kette des Verderbens
tchließen sie sich ostwärts um den
Sandfchal Smnrna. Und in Hunder
ten von tiirtifchen Herzen flammt
Rache und Haß gegen diese räuberi
schen Seibets mit den bloßen Knieen
und nackten Knöcheln, mit der leisen
Verachtung fiir Mohammeds Lehren
und wilden Glut ihrer Sinne.
Der Beutezug liettert über die Vor
höhen der Bosherge Fern im Osten
ragen die schlanlen Minaretts von
«Alafchehr in die blaue Luft, und die
iSeufzer der Gefangenen fliehen zu
riick in die bunten Straßen der Hei
matstadt und werten Rache.
Zwischen hohen Platanen schim
mern die ersten Häuser von Karassar.
Hellweiße, niedrige Häuser. Der
Sirystjl stürzt sich donnernd unter
einer Steinbriicke hindurch in das
Thal. Das Lachen der Seibels wird
lauter. Sie sind in der Heimath Von
den Höhen der Berge geschützt, kauern
ihre Häuser an den Ufern des Sirn
siil· Vor den Thüren stehen die Frau
en und zählen von weitem die kost
bare Beute. Tschaliirlii tritt hervor,
der Häuptling Karassars. Er war es,
der liihnste der Männer, der den
Ueberfall leitete.
Frohlockend läßt er den Zug an sich
vordeiziehem Er weist den Türiinnen
ihren Gefatigenensitz. Elfenbeinfarbene,
ringgeschmiickte Arme strecken sich hil
scflehend aus —-- er lacht nut.
»Die Rache ist nahe«, tnirscht ein
Türle mit funkelndem Auge.
Tfchaiiirlii lacht.
»Der neue Gouverneur sucht Dich
—- Tschatiirlii«, zischt ein anderer.
Da lachte er noch lauter.
i F I
Als die Dämmerung aus dem
Thale des Sirystil aufstieg bis an die
Gipfel der Berge, hallten die Mauern
Fearassars wider von lauten Männer
tritien und huschenden Frauenfiißen
Hohe, lichiante Gestalten traten aus
den Häuferm die nackten, weißen
Knie der Männer leuchteten, die Waf
fen in den Gurten blitzten auf. Lauter
und lauter wurde das Leben, das- in
der Mittaghitze geschlafen hatte. La
chen und Rufen brach sich in den en
gen Straßen. Der Schall der Tritte,
die lauten und leisen Worte, das sin
gende Sprechen der Mädchen ver
einigte sich zu einem feurigen Lied der
sFreudq das bergwiirts nach Osten
»Mi- »
Das Fest der Siegesfreude wurde;
lgeieiert «
Mitten in die Felsen der Bosberge
l·ineingehauen streckte sich die riesiqe
lTkmpelhalle An den glitzernden Wän
Ideiib brannten in erzenen Schalen fla
-ckernde Feuer. An jeder Flamme stan
den leichtgelleidete Mädchen u. streu
ten ein grünes Pulver hinein. Ein
fühltcher Wohlgeruch schwelte bis un
ter die Decke des Gewölbes. Auf dem
Boden lagen dicke, weiche Teppiche
Geschnihte Perlmutt ausgelegte
Sessel st- 1her, mit Kissen und
Scidensi , . »n. Die Luft war
seuchtwarm Ein i. iet, bartloser Sei
bel mit fonntifch funtelnden Augen
stand am Eingang des Tempels und
spritzte aus einem Bronzebecken jedem
eintretenden Manne eine betäubend
duftende Flüssigkeit über das unbe
deckte haupt.
Nur Männer traten ein. Sie legten
den breiten, waffenstarrenden Leib
gurt in eine Ecke und streiften die
Snffianpcrntofseln von den Füßen.
Jni Hintergrunde der Halle wallte
ein bläulicher Rauch. Ein starker Ro
scngeruch schwebte daraus hervor in
den vorderen Raum. Jn der Mitte der
Decke stieg eine runde Oeffnung bis
un den Abhang des felsigen Berges
empor. Der besternte Himmel leuchtete
tiefschwarz. Die Augen der harrenden
Menge waren auf den Boden gerichtet.
Als ein fahlbläulicher Schein sich
iilser den fatten Purpur der Teppiche
breitete. blickten sie auf. Der nlte
Seibek stand mitten unter der Decken
bffnung Seine hanere Riesengeftalt,
in weiße Tücher gehüllt, wurde mehr
und mehr von dem bläulichen Mond
licht überfluthet Als der Mond hoch
oven über dem offenen Kreisrund
stand und der Priester sein Gesicht
liob, das geisterhaft bleich aufleuchtete.
klangen die erzenen Becken, von den
Jünglingen Katassars geschlagen.
Der Nebel im Hintergrunde leuch
irte röthlich — — breite Feuer
flainmten hinter ihm auf und Urtheil
ren Ihn
Die Priesterinnen, junge, kaum ge
reifte Mädchen, drehten sich in sinn
verwirrenden Tänzen. Sie hatten
Perlen und Goldspanaen in das Haar
geflochten und seidene Bänder und
bealeiteten ihre weichen Bewegungen
mit halblautem, eintönigem Gesang.
Die Feuer erstickten mit ihrer« trit
l·en Wärme jeden frischen Lufthnuch
Die Gerüche slutheten durcheinander
im durchleuchteten Rauch und hüllten
die Köpfe der Männer in einen Nebel
des Rausches und Begehrens. Uner
1riidlich schlugen die schönaewachsenen
Jünglinge die hohlen Becken, die
Svanaen an den Knöcheln der Prie
ftcrinnen klirrten im Takt. Eine
Wolke der Verzijckiina lagerte über
der heftig athmenden Menge.
Sie merkte nicht auf die vorsichti
aen Schritte draußen, sie hörte in
ihrem Taumel nicht den Feind heran
seltleichen auf den tiickiscben Sohlen
der Verrathes. Ueber die Felsenöff
nung oben beugte sich ein duntler
Kopf, zwei sunkelnde Augen tranken
das bunte Bild der waffenlosen Män
ner tief unten in der Felsenhalle Und
iwieder hinab glitt der feindliche Fuß.
iTag Verderben staute sich vor dem
; Trmpeleingana.
! Während die Mädchen der Seibeks
im Tanze ihre Glieder wiegten, quol
)len ungesehen Haufen von türkischen
iSoldaten in die erleuchtete Halle. Ein
Offizier stürzte sich mit feiner Schaar
auf den Stapel der Waffengurte.
Schiisse krachten und donnerten in
rielftimmigen Echo von den Wänden.
Die Seibeks stießen ein Wutbgeheut
aus· Sie warfen sich mit Stühlen
und Bronzebecken auf die Angreiser.
sscfslossen ihre eisenstarke Arme um die
I gxrfchmeidigen Körper der Türken und
Herstampftm Verwickelten sich noch
shalbbetöubt in die Teppiche. Die
Mädchen drängten sich zitternd in
;emem Winkel zusammen. Keines
Hdcchte daran, die Feuer zu hiiten.
’ ,,5000 Franl fiir Tschatürlü’3
;.5·".opf!« brüllte ein Offizier durch das
i Getöse, und die Soldaten schossen wie
twahnsinnig und heulten: ,,5(«)00
i Frank!«
f Die Flammen wurden immer dunk
llrr, immer röther. lectten wie feurige
Jungen an den Felgiviinden hinauf
und sanken tnisternd zusammen. Die
lFelsen drölinten dumpf unter dem
Stöhnen und Schreien. Es war fin
ster in dem Tempel; nur ein kleiner
Kreis in der Mitte war matt erhellt
vom hereinsluthenden Mondlicht.
l Die Seibels kämpften waffenlos
.lrie Verzweifeltr. Freund und Feind
! war nicht mehr zu unterscheiden.
j Der Geruch des Blutes mischte sich
in die letzten Weihrauchwolken. Der
Boden war feucht. Die Kämpfenden
sirauchelten über die Gefallenen, rissen
sick wieder empor und stürzten sich aus
die erftbeste Gestalt, die vor ihnen auf
tauchte. Wie Bestjen bissen sie sich in
einander fest.
Plötzlich draußen ein schriller Pfiff.
liin Knäuel von llnverwundeten und
Vlutenden wälzte sich dem Ausgang-r
su. Aber eine Kette von tiirlischen
Soldaten iverrie die Oeffnung. Vor
dem Tempel fielen die letzten unter
den krummen Säbeln Kein Seibel
sah sein Weib nieder. Karassars Häu
scr flammten zerstört in die Voll
mondnacht. Die Wasser des Sirystil
schnellten vorwärts-, rothgesärbt vom
Blute der Getödteien, bis hinab zum
Mendereg.
Von den Höhen des Bosberges
schlich ein Mann zu Thal. Tschalür
lü! Er hatte sich durdx die Deckenösf
nnng gerettet, uls die Feuer im Ber
löschen waren, nnd nahm die Rich
tnna nach Westen, dem Meere zu.
Ioch einmal sah er zurück nach Ka
rasser. Er sah in das lodernde Flam
menmeer. dort, wo am Mittag ge
raubte Türkenmiidchen um Gnade ge
fleht hatten, und ballte die Faust zu
rück nach Alaschihr. »5000 Franl auf
meinen Kopf —- —- behaliet sie —- ihr
Handel«
44
Os- ,
—- Ein Ausweg. Privatietials
ihn ein Herr anpumpen will): Jch
würde Jhnen die 14),000 Mart Darle
hen geben, aber schaun Sie, ich habe
fiins Töchter — Sie sind doch ein ver
lxeiratheter Mann! —- hem Na, ich
lann mich ja scheiden lasse-«
Der Seenchlehrer.
humoreste von Iesrg Versich.
Jn mindestens zehn verschiedenen
IBcrusen hatte der schöne und ritterli
Iche Herr Adalbert —- der Familien
nanie thut nichts zur Sache —- in
Australien, wo er als schisfbriichi
ger Kavalier eingewandert war, sein
Heil versucht, aber in keinem war er
auf einen grünen Zweig gekommen.
Da wurde er Sprachlehret. Ei
nes Tages traf er in der Bitt-Steckt
in Sidney, in welcher Stadt unsere
Geschichte spielt, einen alten Bekann
ten, auch einen Vielgepriisten, der
einst bessere Zeiten gesehen hatte und
seinen Schöpfer pries, daß er als
Kassenbote bei einer Bank eine An
stellung gefunden hatte.
Man fragte sich die gegenseitigen
Schicksale ab, und Herr Adalbert
rückte etwas lleinlant damit heraus,
baß er seine Beschäftigung als Ha
senarbeiter aufgegeben habe. um sich
als Sprachlehrer selbstständig zu
machen.
Der Kassenbote steckte eine Mitleids
miene auf. »Sprachlehrer? Hin, das
ist auch tein leichtes Brot Da wäre
ich doch an Deiner Stelle lieber ein
anderer Lehrer geworden. Zum Bei
spiel Reitlehrer im Tattersall, wo die
Herrschaften das Reiten lernen. Du
warst doch draußen im Busch so gut
zu Pferde machtest uns die schwer
sten Kunststücke im Sattel vor und
holtest Dir bei jedem Wettrennen
den ersten Preis.«
Der schöne Adalbert sah zu Bo
den und wurde roth.
»Weißt Du«, erwiderte er, »Mit
lehrer im Tattersaal bin ich ja auch
schon gewesen. Aber da ist mir ei
ne dumme Geschichte passirt, eine
sehr dumme Geschichte. Mit einer
hübschen Miß! Sie war so reizend,
- ich kann Dir nicht beschreiben, wie
reizend sie war. "Und als ich ihr
einmal half, vom Gaul herunterstei
gen, flog sie wider Willen in meine
Arme. Und da habe ich ihr einen
Kuß gegeben. Jch mußte sie küssen.
wahrhaftig, ich mußte! und da war’s
natürlich aus mit der Stellung.
Gleich aus«
Der Freund sagte nicht ohne Ta
del: »Na, das war wirklich ein sehr
dummer Streich. Da fällt mir
übrigens ein: Wir haben seit Anfang
des Monats einen Volontär im Ge
schäft, einen dicklöpfigen Heilands
niann aus Batavia. Ein Junge mit
vielem Geld, der hier Englisch und
sonst was lernen will, dem aber das
Vergnügen mehr zusagt als die Ar
beitl und der bloß daran denkt, sun
sgen Ladies den Hof zu machen. Derj
fragt mich neulich, ob ich nicht je-l
mand wüßte, bei dem er lfnglisch ler
nen könnte — ver Dampf, versteshst
Du? Es wäre ihm immer so nein-Z
lich, wenn er mit den Misses plan
sdern wolle, und sie verstanden ihn
nicht recht. Jetzt hat ers auf ganz
was Gediegenes abgesehen, auf Miß
Kitty Goulburn, die Tochter von dem
reichen Shipcharidler. Hast Du wohli
schon den Namen gehört?«
,,Goulburn? Ja, sreilich!« stottertes
Adalbert. »Der Goulburn aus der
Bridge Street. Und auf das Fräu-:
lein hat s der junge Herr abgesehen?
Hat keinen schlechten Geschmack « I
Etwa vierzehn Tage später fragte
der Jüngling aus Batavia Mis; Kitt-, i
Goulburn als man beim wotifvtelj
eine Pause machte: »Spreche ich nichts
schon recht nett Englisch, Miß? Jchz
lerne jetzt per Danips.« :
Die Misz lachte, dasz man ihres
weißen Zähne sah.
»Ja es geht mit Dampf « meinte
sie und prustete und zischte wie eine
überheizte Maschine. »Aber verstesj
hen tann man leider nur wenig.« ;
Das ohnehin nicht geistreiche Ge
sicht des jungen Mannes wurde sehr
lang.
»Ich weiß, ich habe teine gute Aus
sprache,« sagte er· »Es ist sehr un
angenehm, aber ich habe einen guten
Lehrer der mir schon diesen Fehler
abgewöhnen wird.« —- s
Nach einigen weiteren Wochen schien "
es Fräulein Kitty jedoch, als sei ders
Fehler nur noch schlimmer geworden.
»Ich verstehe Sie sast gar nicht mehr,«
ertlärte sie offen. »Es ist noch mehr
Dampf dabei als neulich, aber rich
tiges Englisch noch weniger.«
»Sie meinen oag auo auch-« er-I
widerte er niedergeschlagen »Im Kon
tor hat man mir schon dasselbe ge
sagt. Man hat sogar behauptet, es
sei mehr die Sprache von Eingebore
nen, Papuas oder Mooris· O,
mein Lehrer ist böse geworden, als
ich es ihm erzählt habe! Jch sollte
nichts aus diese Reden geben. Das
Undeuiliche meiner Aussfrache wür
de bald verschwinden, und dann wür
de ich Englisch sprechen wie ein Buch.
Morgen habe ich wieder eine Stunde
bei ihm —- im Viktoria - Part.«
»Im Viktoria - Part? Jrn Freien
haben Sie Unterrichi?«
»Auch Methode meines Lehrers. Er
sagt, im Freien sprichi man freier
und leichter als im engen Zimmer.
Man hat mehr Lusti«
»Mehr Damps!« witzelte die Miß.
»Aber die Methode muß ich doch auch
kennen lernen. Wann sind Sie mor
aen im Paris Von sechs bis sieben
Uhr? Nun, dann werde ich mich zu
fällig ebenfalls dort :infinden."
Jn einem einsamen Theil des Vik
l
torta · Paris vernahm Miß Kitth die
laute Stimme eines Manne-, und
gleich daraus die ihres lespartners,
der das Gesagte wiederholte.
Sie lauschte, hinter einem Gebüsch
verbergen.
Es war eine merkwürdige Sprache,
die an ihr Ohr schlug, aber nicht
allein im Munde ihres Verehrers
klang sie fremdartig, auch der Leh- .
rer bediente sich ihrer.
Auf einem lleinen Umwege näher
te sie sich, wie unabsichtlich, den beiden.
Als der Holländer, der schon nach
ihr ausgeschaut hatte, sie bemerkte
und grüßte, blickte auch der Sprachlehs
rer aus.
Er erschrak sichtlich, während ihre
Züge sich bei seinem Anblick verfin
stcrtcn.
Der junge Mann aus Batavia
machte eine Handbewegung, als ob
er vorstellen wollte, aber Misz Gaul
burn hinderte ihn daran, indem sie
in eisigem Tone sagte: ,,Bemiihen Sie
sich nicht, ich kenne den Herrn be
reits. Darf ich Sie bitten, ihm die
heutige Stunde zu honoriren und sich
mir anzuschließen?«
Der Jüngling hielt sich siir ver-«
pflichtet, zu gehorchen.
Da ließ sich das Fräulein noch
vernehmen: »Und noch besser wird
es sein, Sie lohnen den Herrn fiir
immer ab und verzichten aus seine
weiteren Dienste. Denn entweder
versteht er nichts von seinem Fach
oder er treibt ein lächerliches Spiel
mit Ihnen. Sie werden bei seinem
Unterricht die englische Sprache nicht
erlernen, sondern was Sie schon da
von wußten, nur wieder verlernen.«
Herr Adalbert hatte daaesianden,
als lasse er eine verdiente Züchtigung
über sich ergehen. Jetzt aber mein
te er seelenruhigt
»Miß Gvulburn, Sie haben Grund,
mir zu zürnen, denn ich habe mich
damals im Tatterfall nicht sein be
nommen. Aber ich kann's nicht un
aeschehen machen, und wenn ich’s
könnte, würde ich mich auckk noch be
sinnen. Es ist doch eine er schön
sten Erinnerungen meines Lebens!
Ihr gutes Recht ist, anders über den
Vorfall zu denken und sich zu rächen.
Nehmen Sie Jhre Rache, berauben
Sie mich dieses gelehrigen Schülers!
Was ich ihm zuleide gethan habe, ha
be ich Jhretwegen gethan. Als ich
erfuhr, daß er, der gern ein Don
Juan sein möchte, auch Jhnen nach
stellte, Ivollte ich ihm wenigstens die
Liebeserklärung nach Möglichkeit er
schweren.«
Der angehende Don Juan schien
Lust zu haben, sich aus den Sprach
lehrec zu stürzen, aber der sah nicht
danach aus, als ob er sich fürchte
Und seine männliche Haltung impo
nirte auch dem Fräulein. Durste
sie ihm so bitter grollen? Er war
bis liber die Ohren verliebt in sie,
das hatte er ja ossen eingestanden,
und aus Liebe zu ihr hatte er auch
mit dem slatterhasten Anbeter aus
Batavia diesen Schabernack getrieben,
über den sie hell hätte lachen mögen.
»Sie sehen mich auch, heute zum
letzten Male,« schloß Herr Adalbert
seine Rechtsertigungsrede. »Ja Au
stralien blüht mein Weizen nicht, da
von habe ich mich nun überzeugt.
Meine Verwandten in Europa haben
mir die Mittel zur Heimreise geschickt,
und niit dem nächsten Schi.ss segele
ich ab. Leben Sie wohl, Miß Goul
burn!«
Und er verneigte sich tief vor ihr.
Der Holländer knurrte etwas, ein
Segenswunsch schien es nicht zu sein.
Das Fräulein schwieg. Als Herr
Adalbert sich aber zum Gehen wand
te, ries sie ihn nach: »Ich würde doch
die Abreise nicht übereilen! Wenn
Sie noch einige Zeit in unserem Lan
de bleiben wollen, nicht als Sprach
lebrer, sondern Kaufmann, als Kor
respondent für fremde Sprachen, so
sprechen Sie doch morgen in unserem
Kontor vor: Goulburn u. Co» Beid
ge-Street. Jch werde mich dafür
verwenden, daß Sie bei uns einen
Platz erhalten. Und wenn Sie mir
jetzt Jhre Begleitung schenken wollen,
können wir gleich das Ersorderliche
besprechen.«
Mit wenigen Schritten war Adali««
beri an ihrer Seite, und stolz und
glücklich ging er neben ihr durch die
grüne Pracht des Viktoria-Paris.
Und diesmal war es bestimmt kein
Segenswnnsch, was « der Jüngling
aus Batavia murmelte, als er ihnen
nachblickte.
—- Diplomatisch Mutter:
»Warum hast Du den jungen Herrn
nicht gefragt, ob er was srühstücken
wolle?« Tochter: »Ich weiß genau,
baß er um diese Zeit nichts ißt.« —
Mutter: »Da hättest Du ihm gerade
erst recht was anbieten können.«
--— Dis pen s. Pantoffelheld Cum
Tage der Kontrollversammlung): »Du
wirst entschuldigen, Frauchen, aber
heute muß ich den Militärgeseden ge
horchen.«
—- FataL A.: »Warum ist
denn die Verlobung des Professors
zurückgegangen?« —.- B.: .,Nur wr
gen seiner schrecklichen Zerstreutheit.
Will er seiner Braut eine Schachtel
mit einem Rosenbouquet senden, ver
gißt aber schließlich das Bouquei
hineinzulegen und schickt bloß die
leere Schachtel mit der Inschrift:
Dein Ebenbild-»