f Aus der Tigerjagd. Von H. Heiland ---. Bereits seit Wochen herrschte in dem einsamen japanischen Urmalddorse wilde Aufregung. Die gewohnte Ruh-e, mit der die Malaien sorglos in den Taa hineinlebten, war einer unaufhör lichen Unruhe und Angst gewichen. Anstatt daß in den Adendstunden die Eingedorenen friedlich oor ihren auf Pfählen errichteten Bamdushlitten sa ßen, vertroch sich- alles ängstlich, sobald die Dämmerung nahte. in die Häuser, und akar vielen von diesen sah man es an, daß sie durch kräftige Bntnbusi stäbe verstärtt waren, ossenlsar, um einem Anprall von außen Widerstand leisten zu tönnen. Wag- ader war der Grund von alledem? Die Antwort aus die Frage war siir jeden Kenner dek Landes leicht zu sinken: ein »Wind Mackan Draus-, ein menschenfressen der Tiger, hauste in der Nähe des Dorfes und forderte von dessen Be wohnern unablässig seinen schaurigen Tribut. Als die ersten llnglüetssiille vorsie len, hatten sich die Malaien zuerst mit dem orientalischen Gleichmuth iiber das Unglück hinweggeseht in der Hofs nuna, daß der Tiger sein Standauar tier nicht in jener Gegend habe. Aber gar bald mußten sie zu ihrem Schre eten einsehen, daß dies wohl der Fall sei. denn allwöchentlich verschwanden einer und mehrere der Dorsbewohner, und gesunden wurden von ihnen nur «zersleisehte lleberreste. Die Panit. dir nun ausbrach, war so gewaltig. daß tein Malaie mehr wagte, den llrwald zu -l:etreten, um dort der Jagd oder dem Früchtesuchen nachzugehen Die Folge mar, daß die Lebensmittel mehr und mehr zu Ende gingen, und bald begannen sum Schrecken des »Datu«, des Untersultanj, die Einwohner aus zuwandern in andere Gegenden, wo ihr Leben nicht stündlich vom »Mind« bedrolst war. Alle möglichen Versuche hatte der »Dam« rnit seinen Jägern unetrnoin men« sich des gefährlichen Thieres zu entledigen —- leider umsonst. Der Tiger. offenbar ein sehr altes, miß trauisches Thier, ging in Seine der aufgestellten Fallen, beriitrte keinen der ausgelegten Köder, sondern seine Hauptnahrung schien sast nur aus Menschensleisch zu bestehen. Als Angst und Schrecken nor dem Thiere ihren Höhepunkt erreicht hat ten, erinnerte sich der Eultan eines berühmten Tigeriägers, eines alten Malaien, der weit, weit von dort in einer anderen Provinz leben sollte. Eilig wurde ein Bote mit einem Schreiben an diesen abgeschiclt, um ihn zu bitten« gegen eine veriprochene Belohnung den Tiger zu tödten. Nach tagelangesn Marsch-r erreichte der Bote wirklich den alten Mast-sen Jndeß war dieser gerade nicht Herr seiner 5seit, denn ein Europöer hatte ihn zu Zeugdztrecken engagirt. Ungesäumt machte er aber seine-n Herrn von dem Angebot Mittheilung. und begreifli cherrreise war dieser iosort bereit, nicht nur Mustasa set-bit dort hinziehen zu lassen, sondern ihn auch zu begleiten. Mit Dilse eines kleinen Küstendam psers gelangte rnan bald in die Ge genr- series Persez und dort »ange U«lllili(il, still lkkl Sau-Ich Fu tut-un größten Erstaunen einen anderen Weißen, einen Holland-en der, koie er erfuhr, in unmittelbarer Nähe dec Dorfes wohnte und dort die Aufsicht iitstr eine iietroleiiinanliae hatte Od wohl der Sultan in feine-n nichts we niqer als fürstlich eiiiaerichteten Pa -lcist den beiden Jägern Quartier ange sboten hatte. lonnte der ifsiroräer nicht gut die Einladung feines Landgriianng ausschlagen und folgte diesem iii iei nein geistlichen Haufe. Jin Laufe der nächsten Tage wurden nun genaue tsr iundigungen über die Anqeivohnteiten des betreffenden Tigers und iiher die Zeit seines jedesmaligen Erscheinens usw. eingezoen und auch darüber, was man bislang gegen diesen unter ncnimen hatte. Hierbei erfuhr Miu stosa zu seinem nicht geringen Miß vergniigen, daß man mit Fallen usw. bereits alles versucht. ioaö versucht werden konnte, und damit nicir auch er so ziemlich am Ende seiner Weisheit onaetomrnen, denn er war eben nur ein geiibter Fallensteller, dahingegen siel es ihm ebensowenig wie jedem an deren Eingehorenen ein« dem Tiger Au e in Auge entgegenzutreten « in iihrrgen sind alle Erzählungen ii r derartige Jagdabenteuer zu neuen Zehnteln Jägerlateink denn es ist un möglich, im Urwald einen Tiger aus gusuehem um ihn dann mit »Man nedniuth« niederrustreeten Ein solcher Versuch, sagte der alte Msustasa im mer, sei so gut, wie «wilde Gänse zu sangen«. Der Tiger istgiiimlich bald hier, bald dort, am allerwenigsten aber, tro man ihn erwartet. Tagelang durchstreisten die beiden Jäger nun die umliegende Wildniß, denn ihre einzige hoffnung, den Tiger zu be kommen. war die, daß sie ein größe res Wild aussanden oder auch einen vom Tiger geiödteten Menschen und dann an der betressenden Stelle ei nen Selhliichuß aufsikllim Mit ziemlicher Sicherheit lehrt der Tiger nämlich am nächsten oder nächstfolgen den Ta an dieie Stelle zurück, um den Bis-sie seiner Beute zu verirhren " Diese Streisiiige durch den Urwald waren siir Mustasa ein recht titzliges Unternehmen, denn nur zu leicht konn te der Tiger ihn überfallen, und alle jene Erzählungen gewisser Jäger, welche einen menschenfressenden Tiger bei einein solchen Uebersall ge schossen hoben wollen. sind mit mehr lals Vorsicht auszunehmen Der Ti jauf »Mensch oder Thier los und szertrummert ihm mit einem Tatzen ger liegt im Dickicht versteckt, schnellt plohlich mit einem einzigen Sprunge hieb die Gehirnschale. Bevor er aber angreiit, schlägt er ein oder mehrere Kreise um sein Opfer, damit er von diesem zuerst die ,,Witterung« erhält. Wittert er hierbei einen Eu ropäer, so hat das Thier nichts Schleunigeres zu thun, als sich eilig davonzucnachem Dem Verfasser ist aus dem dortigen Lande lein Fall be kannt, daß ein Tiger einen Europäer angegriffen hätte, er müßte denn vor-« her von ihm verwundet worden sein. Während dieses Streisens wurde wiederum ein Eingeborener dicht beim Dorfe auf dem Reisfeld angefallen und zersleischt. Die beiden Jäger, welche bald darauf die Verfolgung ver blutigen Fährte aufnahmen, fanden aber nur geringe Ueberreste des Un glücklichem offenbar hatten andere lThiere die Leiche gesunden und ge fressen. Jn einer der darauffolgen den Niichte hörte man vom Hause des Europäers aus, drüben im Dorfe, das dumpfe Krachen eines Schusses, und am andern Morgen zeigte es sich, daß der Tiger mitten durch das Dorf gelaufen war. Einer der Malaien hatte von seinem hochgelegenen Hause aus mit einem alten Vorladergewehr mit gehacktern Blei auf ihn geschossen. Eine Besichtigung der Fährte ergab, daß das Thier, wenn auch nur leicht, so doch immerhin verwundet war, und hierüber waren die beiden Jäger na türlich nichts weniger als erfreut, denn es war sehr leicht möglich, daß der Tiger hierauf sein Standquartier wechselte und aus der Gegend wegzog Jedenfalls war zunächst tein Gedanke daran, daß er sich sobald wieder sehen lassen würde, und der Europäer be schlon daher, sich die Zeit mit anderer Jagd zu vertreiben, bis neue Nach richten über den Tiger eintreffen würden. Mustafa dagegen, den die versprochene Belohnung fesselte, blieb Ull UULII out-gu Nach einigen Tagen kehrte der Eu ropäer mit den beiden Malaien, welche ihn aus der Jagd begleitet hatten, zu seinem holländischen Gastsreund zu rück. ganz verwirrt und verstört tam ihm dieser entgegen und erzählte, daß am Vormittag desselben- Tages der Tiger am hellen Tage seinen japani schen Diener dirett vor der Küchen thür angefallen habe. Eine sofortige Besichtigung der Fährte ergab, daß das llnglaubliche eine Thatsache war. Das Europäethaus wurde durch ei nen kurzen, überdeckten Gang mit dem Hintergebäude verbunden, welches Badeiammer, Dienerwohnungen, Kü che usw. enthielt. An diesem Hinter gebäude standen mehrere Kapoobäume, aus deren Stämmen starke tegelsör mige Dornen heranswachsen. Der Tiger war um das Hintergebände herumgesehlichen und aus den alten japanischen Diener zugesvrungen, hierbei hatte er den Kapoobaum ge streist, neben dem der Japane gerade arbeitete, und sich ossenbae verletzt. Jedenfalls war der Javane nur zu Boden geworfen worden, der Tiger dagegen war, wie man deutlich sah, mit großen Sprüngen durch einen hinter dem Gebäude liegenden verwil. der-ten Garten in den Urwald zuruck getehrt. Bei der Untersuchung dieses ehema ligen Gartens stellte sich heraus« daß der Tiger dort in den letzten Tagen sehr häufig durchgetominen war, und das gab einen Weg an, wie man seiner edentuell habhaft werden konnte, denn daß nun energisch etwas geschehen mußte, lag aus der Hand, wollte der europäische Jäger nicht sein ganzes Ansehen einbüßen. Zunächst wurden durch die vielen Arbeiter, welche dem Hollander zur Verfügung standen, alles niedrig Bufchwert, Gras usw. in dem betr:f. fenden Garten in einem gewissen Unt treis entfernt, dann wurde aus eini gen Pfählen und Brettern ein etwa lI-i- Mann hohes Gerüst errichtet, das oben eine tleine Plattsorni trug. Es noch höher zu machen, wäre gegen ci. nen etwaigen Sprung des Tiger sicherer gewesen« aber je höher das Auge des Schützen in der Dunkelhelt vom Boden entfernt ist, desto schlech ter sind die Gegenstände am Boden zu erkennen. Auch bot diese Höhe be reits einen ziemlichen Schutz, zumal ringsherum ein ettva 1I-»- Fuß hoher Bretterrand befestigt wurde. Sobald der Abend nahte, legte rer sJäger feine europäische Keidung ab l und zog die eines japanischen Tie lners an. Ebenso war auf eine jedem iJiiger bekannte Weise das Gerüst sstart »verwittert« worden, und das sselbe Mittel wandte der Jäger auch s für sich selbst an, da er die Scheu des sTigers vor dein Europäergeruch ge nugsam kannte. Kaum tvar die Dämmerung ange brochen, so kroch der Jäger durch eine im Breterzaun hinter dem Hause ge fchaffene Oeffnung hinaus in den ehe maigen Garten, und einige Minuten darauf war er auf seinem lustigen Sitz angekommen. Die Uebetsicht von ihier oben iiber das umliegende Ge ! liinde war sehr gut, und auch als die ’Duntelheit angebrochen war, lonnte Her deutlich jeden Gegenstand unter ! scheiden, da der state, tropische Ster s —·———, «--—...--—.- —.- —.«. -.-- A A- - -.. —sp.. — nenhimmel das ganze Bild mit seinem sanften Schein übergoß. Stunde um Stunde verrann, und nur selten un terbrach eine Thierstirnme im nahen Urwald das nächtliche Schweigen. Nervenaufregend und ermüdend ist solch ein Ansitz, und häufig vermag taurn der Gedanke an die in jedem Mpment drohnede Gefahr den Jäger munter zu erhalten. Erfordert doch ein solches Ansitzen die höchste An spannung aller Nerven, besonders des Auges und des Gehörs. Kein Zeichen verrieth die Nähe des Tigers Am heutigen Abend schien das Raubthier einen anderen Weg bei seinen Raithzügen eingeschlagen zu ha ben. Mit dieser Möglichkeit, ja Wahr scheinlichkeit hatte der Jäger ohnehin gerechnet und aus diesem Grunde be schlossen, an jenem Abend nur bis gegen Mitternacht zu wachen, um dann in’s Haus zurückzukehren Durch zeit weiliges Betasten der Uhrzeiger über zeugte er sich, daß Mitternacht nicht mehr fern war, und vorsichtig stieg er daher von seinem Gerüst herunter, um sich zurückzuziehen Sorgfältig wurde noch einmal-das Leuchttorn zurecht ge rückt, jene mit einer Pshosphor-Sub stanz gefüllte Glasperle, die auch bei völliger Dunkelheit ein scharfes Zielen gestattet, und im nächsten Augenblick war der Erdboden erreicht. Vorsichtig, Schritt für Schritt, den Rücken dem Hause zugewandt, näherte sich der Jäger dem Bretterzaum sorg sam die ganze, vor ihm liegende Fläche heohachtend; denn gar leicht tonnte der Tiger auf den vermeintlichen Einge borenen einen Angrifi machen. Noch war er etwa 30 Mieter vom schützend-en Bretteriaun entfernt, als es ihm plötz lich erschien, als ob sich rechts von ihm ein der am Rande der geradeten Fläche itehender Strauch bewegt habe. Viel leicht hatte ihn die erregte Phantasie getäuscht, aber ein gewisses, undesinir bares Gefühl sagte ihm, daß Gefahr drohe.« Blitzschnell ließ er sich aufs Knie nieder und brachte die schwere Büchse dorthin in Anschlag; nichts reate sich. Wohl minutenlang starrte er dort hinüber, aber nichts verrietb die An wesenbeit eines Thieres. Immer noch blieb er in der Stellung, die ihm den sichersten Schuß gewähren mußte. Da plötzlich bewegte sich etwa zehn Mteer von jener Stelle entfernt ganz deutlich ein Ast. Nun wußte der Jäger, daß der Tiger ibn beschlich. Er wußte, baß nun ein Spiel begann, bei dem der Einsatz das Leben war. Vom Tiger selbst war zunächst nichts zu sehen, kein Laut verrietd die Anwesenheit der beimtiickischen Kerze noch da — — — eine duntle Mo e schob sich langsam aus dem Strauch-! wert hervor, und in undeutlichen Um-! rissen war der breite, mächtige Kopf( des Tigers zu erkennen· Wehe idem Jäger, wenn nicht auf dem Zwischen raum alles Strauchwert beseitigt ge wesen wäre. So aber zögerte der Ti ger einen Moment, da die kahle Stelle zum lleberspringen zu breit war und er zum Heranschleichen teine weitere Deckung fand. Kaum ertannte der Jäger die dunkle Masse seines Feindes, kaum sah er, daß der Tiger ibin Brust und Kopf zuwandte, nic- er vorsichtig das Leucht loru aui die verschwommene Gestalt des Raubthieres richtete. -— Ein schar fer RnalL und snit gewaltigem Satz O,»1. lPkOllq Vct JIJU zur Drin-. cuiiir der Tiger in demselben Moment ge sprungen sein, so wäre er natürlich dort aelandet, wo er den Schuß hatte aufblitzen sehen. Wohl schneltte eine duntle Masse aus dem Strauchwerl hervor, fiel aber einige Meter davon entfernt nieder. Ein zweiter Schutz, und ein Röcheln zeigte, daß der Tiger schwer verwundet sein mußte. Die Büchse im Anschlag verharrte der Jäger einige Mniuten regungslos, urn sich dann vorsichtig aufzurichten und zu seinem am Boden liegenden mächtigen Feind hinüberznsckmuem teine Bewegung verrieth,- daß dieser noch am Leben war. Trotzdem wäre es ein Wahnsinn gewesen, sich einem verwundeten Tiger in der Dunkelheit zu nähern. Vorsichtig schlich sich der Jäger daher Schritt für Schritt zur Bretterwand zurück. Glücklich erreichte er die Oeffnung, und einen Seufzer der Erleichterung stieß er aus, als er im nächsten Moment die Treppe zum Hause hinaufstieg Hier befand sich natürlich alles in grosser Aufregung. Der Holländer stand an der Volu strade der um das Haus laufenden Galerie und versuchte durch das Dun kel etwas zu erkennen. Kaum erschien der Jäger auf dieser »Vorgalerie«, als er mit Fragen über schüttet wart-. Indessen konnte er allen diesen nur ein stereotnphest »Ich weiß nicht« entgegensetzem da er ja selbst nicht wußte, ob der Tiger todt fei. Eilig liesz der Holländer einige mächtige Benzinhrenner herbeibringen. Diese nurden angezündet und dann snit langen Fambusstangen über den Bretter-Zaun in die Höhe gehalten· Der blendend weiße Schein drang auch irirtlich ungefähr bis dorthin, wo der Tiger liegen mußte, und man er tannte jedenfalls, dasz sich dort ein dunkler Gegenstand auf dem Boden be fand. Noch eine weitere Flamme wurde in die Höhe gehalten, und nach einiger Zeit schlich der Jäger unter Beobach tung aller Vorsichtsmaßregeln auf jene Stelle .iu. Leicht tonnte er nun sehen, daß der Tiger seiner Lage nach unbe dingt todt sein mußte. Er näherte sich mit schuf-bereitet Büchse und fand ein mächtiges Exemplar eines Königs tigers. Leider war, wie bei last allen alten Agerm unter denen allein die «Menschensresser« zu suchen sind, das Fell an vielen Stellen iahl und nichts weniger als schön, so daß er es ohne großen Kummer seinem Gastgeber überlassen konnte. Dem Leben abgelauscht. Novellette von Reinhold Ort manm »Nein, du sollst mich nicht länger täuschen! —- Jch weiß, wie abscheu lich du mich hintergangen, wie schnöde du mein gläubiges Ver trauen miszbraucht hast. Es wäre ein nutzloses Bemühen, jetzt noch zu leug nen!« » So weit hatte Frau Lucie schon; vor einer halben Stunde geschrieben,s seitdem aber war ihre Arbeit nichts mehr um eine einzige Zeile vorgerückt ( Lieber Gott, die Schriftstellerei warl doch schwieriger, als so ein Romanlki ser sich’s träumen lassen mag. Ehes man sich'- versah, saß das Schifflein! der Phantasie auf einer verborgenen Klippe fest. Ja, wenn Frau Lucie nur daraus ausgegangen wäre, seichte Unterhaltungslettiire zu schaffen! Aber ihr Ehrgeiz war auf höhere Ziele gerichtet. Seitdem sie bei dem Preisausschreiben der »Abendglocken« mit ihrem Erstlingswert, einer stim mungsvollen Novellette, den zweiten Preis davongetragen, fühlte sie sich berufen, den Namen Lucie Hellwald, der bis dahin nur der unbekannte Name einer simplen Amtsrichtersgats tin gewesen, mit dem Glorienschein der Unsterblichkeit zu schmücken. Der Roman, den sie unter der Feder hatte, sollte ein bahnbrechendes Meisterwerk werden. Jede Zeile, nein, jedes Wort sollte durch das Gepräge innerer Wahrhaftigkeit geadelt sein; jeder Satz sollte eine der vielen geheimniß vollen Tiefen der räthselreichen Men schenseele offenbaren. Ach, Und das alles mußte sie aus dem Wege dich terischer Jntuition zustande bringen« Denn der Schatz eigener Erfahrun gen, den sie während ihres nunmehr zweiundzwanzigjährigen Erdenwab lens angesammelt, ließ sie leider ge rade in den entscheidenden Augen blicken regelmäßig im Stich. Wie zum Beispiel eben jetzt. Ein durch elende Verleumdung irregeführter Ehegatte schleudert seinem armen, schuldlosen Weibe die schwerste aller Antlagen in’s Gesicht, und sie —- ja, was sollte sie ihm antworten? Was antwortet ein unverdient in seiner Ehre getränttes Geschöpf aus solche Beschuldigung? Mit »Ach!« und »Oh!«« und »Hah!« war es da nicht gethan, wenn der Leser bis in’s Jn nerste seines Gemüthes erschüttert werden sollte. Es mußte etwas ganz Ueberraschendes tommrn, etwas, das noch nicht dagewesen war. Aber wo her sollte die junge Schriftstellerin dies noch nicht Dagewesene nehmean Eben hatte sie wohl zum dreißig sten Mal die Feder eingetuntt, als sie eine leichte Berührung spürte, wie wenn Jemand einen Kuß aus ihr schimmerndes Blondhaar gehaucht hätte. Jhr Gatte, der es liebte, sich auf so galante Weise bemertlich zu machen, war schon vor etlichen Minu ten hinter ihren Stuhl getreten, ohne daß sie ihn gewahr geworden wäre. Nun legte sie hastig das Löschblatt auf ihr vorläufig noch als lostbares Geheimniß arhiiteteg Manuskript und wandte sich nach ihm um. »Wie du mich erschreckt hast, Lieb sterl Jch hatte mich so ganz in meine Gedankenwelt verloren —« »Verzeih, wenn ich dich ihr entris sen habe, Schatz, um dir Adieu zn sa gen. Aber du siehst erschöpft aus. Macht er dir so viel Kopfzerbrechen, dein neuer Roman?" »O nein! Jch habe nur ein wenig unter den Folgen der verkehrten Mädchenerziehung zu leiden. Man liißt uns arme Geschöpfe nichts Be merkenswerthes erleben, und nachher verlangt man, daß wir in alle Tiefen des Menschenherzens hineinleuchten sollen.« »Entschuldige, liebste Maus —- aber das hat doch noch niemand von dir verlangt. Und wenn ich mir heraus:. nehmen darf, dir einen Rath zu er theilen, so ist es der, dich aus solche Probleme zu beschränken, iiber die dui aus eigener Erfahrung etwas zu sa gen hast. Was in deiner Arbeit nicht dem wirklichen Leben abgelauscht ist, bleibi schließlich doch in Konvention und Schablone stecken.« »Du bist eben kein Schriftsteller, lieber heinz, und wir werden uns über diesen Punkt wohl schwerlich verständigen Das Geheimniß künst lerischen Schaffens wird eben nur dem Künstler selbst ossenbar.« Der Amtgrichter erklärte demü thig, daß er die Wahrheit nie bezwei felt habe, drückte seinem allerliebsten Weibchen einen herzhaften Abschied-; kuß auf die frischen Lippen und ver schwand. Seine Worte aber hatten aus Frau Lucie einen viel tieferen Eindruck gemacht, als er ahnen konnte. Und sobald sich die Thiir hinter ihm geschlossen hatte, sliisterte sie: »Ja, er hat recht: alles, was ich schreibe, muß dem wirklichen Leben abgelauscht sein. Jch muß nach der Natur arbeiten wie ein Maler nach seinem Modell.« Sie drückte auf den Haustelegra-. ,dhen, und als zwei Minuten später das Zimmermädchen, die hübsche Lisbeth, eintrat, lehrte sich ihr Frau Lucie mit gerunzelter Stirne zu. »Sie sollen mich nicht länger täu schen, Lisbethl Ich weiß, wie ah scheulich Sie mein gläubiges Ver strauen mißbraucht haben. Es wäre sein nutzloses Bemühen, jetzt noch zu »leugnen.« ; Da Frau Lucie die felsenseste Ueberzeugung hatte, daß es auf der ganzen Welt kein treueres und ehr licheres Geschöpf gab als ihre Lis beth, zitterte sie vor Erwartung, in welchen Worten sich die getränlte Unschuld des Mädchens Luft machen würde. Aber das noch nicht Da aewesene, auf das sie hoffte, ge staltete sich zu einer großen Ueber raschung. Die hübsche Lisbetb he deckte nämlich ihr Gesicht mit der Schürze und bedann jämmerlich zu schluchzew »Ach, liebe anädige Frau, ver-— zeihen Sie mir doch nur dies ein zige Mal. Jch will ja alles wieder herbeischaffen Und es war doch auch nur die Wäsche, die gnädige Frau nicht mehr tragen wollte. Die Ciaarren hat mein Albert freilich schon anfaeraucht; aber der Herr - Amtsrichiter hatte so viele Kistchen in feinem Srchant stehen, und ich dachte —« Eine Viertelstunde später war die goldtreue Ligheth smit dem Backen ihrer Habseligleiten beschäftigt; Frau Lucie aber hatte den Verdruß über die schmerzliche Enttäuschuna schon so weit überwunden, daß sie wieder an nichts anderes dacht-e als an die lritische Stelle in ihrem Roman. Und mit frauenhafter Beharrlichleit ließ sie sich durch den ersten Mißer folg nicht abschrecken, das gewagte Experiment zu wiederholen, als das unvermuthete LErscheinen deg- Fräu rein etc-etc wrunerr, ihrer trennen und ältesten Herzensfreundim ihr die Gelegenheit dazu bot. Staat in die liebenswürdig dargebotene Hand der Befucherin einzuschlsagen, sagte sie ohne alle Vorrede im Tone ihres Romanhelden: »Gut, daß du kommst, Adele! Du sollst mich nicht länger täuschen. Jch weiß, wie abscheulich du mein glau biges Vertrauen mißbraucht hast« Co wäre nutzlos, ietzt noch länger zu leugnen.« Sie war sicher, dafz die treue Freundin ihr gern ver-reiben würde, wenn sie ihr später den Zweck dieser kleinen Komödie offenb.:rte: aber lei der sollte eS zu solcher Aufklärung gar nicht erst kommen. Fräulein Adelc setzte nämlich an Stelle des bisherigen freundlichen Lächeln-z plötz lich eine sehr schnippifche Miene auf und erwiderte in einem nichts weniger als freundschaftlich klingenden Tone: »Ja, mein Gott, wag verlangst du denn eigentlich von einer Freundin? Wenn mich die alte Klatschbase, die Regierungsräthin, bei dir verlästert hat, so hätte sie dir auch erzählen sollen, daß sie noch mehr über dich hergezogen ist nnd sich noch lauter iiber deine verrückte Schriftstellerei triftig gemacht bat als ich. Daß wir beide nicht mehr zueinander pas sen. wollte ich dir übrigens schon lange sagen. Adieu, Frau Amts richter!« Sprach’s und rauschte von dan nen. Frau Lucie aber brauchte dies mal zwei volle Stunden, um mit der zweiten litteren Erfahruna fertig zu werden. die das noch ungewohnte Studium am lebenden Modell ibr eingetragen. Um fünf Uhr kam der »Herr Amtsrichter nach Hause, seelenver antng der Amtgsrobne entronnen zu sein, und voll inniaen Verlangens nach seinem geliebten Weibchen. Dak geliebte Weibchen aber wehrte mit auggestreckten Händen der beabsich tigten zärtlichen Begrijszung und mit der Miene einer gekränkten Königin sprach sie: »Nein, du sollst mich nicht länger .tänschen, Heinzl Ich weifz wie ab scheulich du mich hinterganaem wie schnöde du mein gläubiges Ber trauen mißbraucht hast. Es wäre ein nutzloses Bemühen. jetzt noch zu leugnen·" Und da — was geschah? Der Amtsrichter fiel wie gebrochen in ei nen Stuhl und stammelte: »Vergieb mir, Lukie — vergieb! Es war eine sträfliche Verirrung, ich sehe es ein. Aber ich bin bereit, jede Buße aus michs zu nehmen. die du über mich oerhängs.« Frau anie stieß einen herger reiszenden Schrei ans, und sie wäre vielleicht zu Boden gesunken, wenn der Amtsrichter fie nicht in seinen Armen ausaesanaen hätte. »Aber um Gottes-willen, Schatz!« rief er in größter Besorgnisz. »Was beißt das? — Habe ich denn meine Sache nicht sehr aut gemacht? War es nicht gerade das, was du für dei nen Roman brauchtest?« Die iunae Frau unterbrach ihre Ohnmacht, um oerständniszlos nach «dem Sinn seiner dunklen Rede zu fragen. Heinz aber blieb die ver langte Erklärung nich-i schuldig. »Ich hatte heute sriih dieselben Worte, mit denen du mich beariißtest, in deinem Manuskript gelesen. Und weil du ersichtlich aus eigener Krast nicht über die kritische Stelle hinweg konntest, meinte ich, dir dazu behilf lich zu sein, indem ich aus deine Jn tentionen eingin,a.« Beschämt barg Frau Lucie ihr gliisbendes Gesicht an seiner Brust. Dem Leben aber bat sie fortan nichts mehr abzulauschen versucht. als es ihr freiwillig darbot. Es schien is doch zu gefährlich Crit-mit III » . s-- .--.- . Verschuldeter Lebemann: ». .k. Schließlich hat jeder Mann die Pflicht,s ein Hab und Gut zu vermeh renn!« Grvßgsrundbesitzerstochtew »Sie meinen doch wohl, Jhr Hab, um mein Gut zu vermehren!« Zurückgegebcm Eine Dame geht mit einem Wind spiel spazieren. Ein Herr blickt ihr nach und ruft plötzlich: »Reizend, ent zückend!« Dame fsich umwendend): »Mein Herr, diese Unverschämtheit verbitte ich mir.« Herr: »Verzeihung, gnädige Frau, ich meinte auch nur den Hund« Ach so! Herr (der angebettelt wird): »Na, so ein starker Mann wie Sie, der könnte doch arbeiten!« Bettler: »Ich bitte Sie, ich war ja jetzt erst acht Jahre im Arbeits hause!« Graf-er Unterschied »Du scheinst in Hildegard ganz ver liebt zu sein?« »Ich bin es sogar —- ein ungewisses Etwas zieht mich immer wieder zu ihr hin!« »So wirst Du sie auch heirathen?« »Nic; dazu fehlt ihr ein gewisses Etwas!« Beleidigt. Ein junger LandsGendarm der erst vor Kurzem in den Bezirk versetzt worden war, hatte einen alten Land streicher arretirt und brachte ihn zur Polizeiwache. Beim Einführen in die Zelle machte er die wohlgemeinte Be merkung: »Achtung! sStufe!« — Ein verachtunggvoller Blick des Arrestan ten lohnte ihn. »Junger Mann, die Stufe lannte ich schon, ehe Sie auf der Welt waren!« Maliziös. Flora: »Wenn ich in Gesellschaft komme, sammeln sich stets die jungen Herren um mich herum.« Cora: «Wahrscheinlich fühlen sie sich in größerer Anzahl sicherer.« Nichts knsachen Prinz Feodor tonnnt durch eine arme Gegend und geruht einige Leute persönlich anzusprechen. »Sie sehen aber sehr elend anS.« sagt er zu einem alten Manne. »Ich habe schon mehrere Tage fast nichts gegessen,« erwidert der Mann. ,,C-Jo,« sagt der Prinz daraus, »Sie müssen sich eben zwingen, mehr zu essen! Haben Sie denn gar keinen Ap petit?« Die liebe Verwandte. Cousme A.: »Mein Bemerber ge fällt mir so weit ganz gut, wenn er nur nicht so kleine Augen hätte!« Cousine B.: »Na, heirathe ihn nur erst, dann wird er schon grosse Augen machen!« Boolmst. Sie: »Ich muß einen neuen Hut haben, in dem alten sehe ich zu alt ausl« Er: ,,Jn einein neuen wirst du aber auch nicht neu aussehen!« Bewime Herr tzum andern, der schon eine halbe Stunde im öffentlichen Adreß buch sucht): »Sie haben wohl den Na men vergessen, den Sie suchen?« Sei-wer idem. »Es M g kip-, »s Profcssor Nachdem ek den Mont blanc erstiegen): »Was wollte ich doch gleich hieri»