Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 26, 1909, Zweiter Theil, Image 11
Nebraska . Staats-Anzeiger und Akt-old Jahrgang 30. Grund Island. Rein-» Its. November IMM. Zweiter (Thcil.) Nummer U. A Einmal dochl i So arm ist keines Menschen Leben. Daß ihm s Geschick Nur Leid und Unglück hätt’ gegeben Nicht einmal Glück. So arm sind teines Menschen T ge Daß er nur Leid, Getäuschte Hossnung hätt« und Plage, Nicht ein m al Freud l Nie sind des Menschen Lebenspfader So schwarz und dicht, Daß er nur Nacht und Schatten hatte, Nicht einmal Licht. Denn auch der Himmel ist nicht immer Bedeckt und grau, Er ist auch e i n mal voller Schimmer Und hell und blau. Uli ist trank. —-—— Novellette von Silvester Frev. Der Diener flüsterte es der Zofe zu als sie frühmorgens zur gnäorgen Frau ins Zimmer ging. Die Zofe dem hausmädchem das Hausmädchen der englischen Gesellschaftsdamez diese dem Kinder-: Fräulein Dre Köchin selbstverständlich erfuhr es sofort. Ebenso der Kutscher im Stall und die beiden Bronnen: Uli ist trant Uli ist ein allerliebstes lleines Kerl chen von etwa zwei Jahren bübisch zum Fressen — wie freilich wohl je des Kind in dem Alter. Mit rosigem Teint und Griibchen in Patscltlrcind chen und Wangen. Possirlich wie ein Aesschen und herzensgut zu jeder mann. Unter Umständen aber auch ein ivirtlicher Tyrann. Dann ver langt er womöglich, daß das ganze Haus auf den Kon gestellt werde und alle Welt i-— angefangen von llapa und Mann —— nach seiner llieise tanze. Heut steil ich nicht. Denn llli liegt sa im Bett Das Gesicht der Wand zugekehrt Die sonst so blanten Augen matt und leicht verhängt von den Lidern. Weil er eben trank ist. Alle tamen sie an sein Bertchen; die Zofe uno der Diener, das Haus mädchen und der Kutscher; Mifz Bur ton, die englische Gesellschrstodanre sowie Kätbe Dambauer, dass Kinder sriiulein. Aber alle behandelte er. als wären sie Lust Nur der let-irren ge geniiber machte er eine llusnahmr. Freilich kaum für einen einiiaen Au genblirl. Er fah sie nämlich an, wie wenn er etwas suche oder überlege, um gleich daraus in fürchterliches Schreien und Weinen zu verfallen. Als- dann dein Kleinen sein Mor genimdiß gebracht ward: frische Milch und »das schmackhafte Weisibrot — und er keideg mißsielannt und wei nend von sich krieg: da gemznn Frau von Trast die llel.1errettgung, das: Uli lranl sein müsse. Eine Erreauna be inächtiate sich ihrer, eine Angst, die man begreiflich sinden wird, sixenn man erwägt, dasr Illi der Eltern ein ziges Kind, ihr Liebling, ihre Linien weide ist· Sie trat also rucn Tele phon, vermittelte den Ansctslttik nnd bat den Arzt, das-, er so schnell wie irgend möglich lyrlseieilen möge. Dottor Briarius ist einer, der Reute, die den Patienten nicht etioa als Versuche- und nur Verdienobjett betrachten, sondern sich vielmehr durch echt menschliche Theilnahme zu ihm hingezogen fühlen. Im Trastschen Hause gilt er übrigens recht und schlecht als Freund. An seiner Vor ziiglichieit als Arit tonnte schon des wegen nicht gezweiselt werden, weil er sich mehrmals in äußerst schweren Fällen überaus erprobt hatte. Uli zum-il mochte den alten Herrn sehr gut leiden. Er ritt aus dessen Knien nnd liest sich von iknn hoch in die Luft schnellen. Oder iauste wohl gar übermiiihia mit beiden Ratsch händchen in dem großen, lanawalleni den Graubart seines Freundes. Doktor Briariug kommt, tritt ans Bett und staat: »Wo tin-US dir denn weh?« Das Kind zeigt aus Stirn nnd Achseln, Fußspiszen und Bäuchlein — kurz, aus beinahe jeden Theil des Körpers. »Na, laß mich mal zuschanenl« Doitor Briarius beginnt mit der Untersuchung. Regelreckzt und gründ lich. Die Zunge läßt er sich zeigen und siihlt den Puls. Klopst und horcht. Dann bedeutet er Frau von «Trast, die selbstverständlich zugegen, durch Blick und Behörde« daß er nichts finde. »Sie können sich daraus verlassen: dem Kinde fehlt nicht das geringste. Körperlich ist er so gesund wie der Fisch im Wasser. Dagegen scheint es sreilich seelisch beeinflußt zu sein. Os sienhar war es einem Eindruck aus gesetit, der sehr, sehr nachhaltige Wir iuna ausgeübt hatt« Frau von Trost sann nach. sich vermag beim besten Willen nicht zu ergründen, was das sein könne! Wir — mein Mann und ich — lassen doch Uli nicht aus den Au aen. Hdchftens kommt er mit den An gestellten unseres Hauses in Berüh runax das aber sind alles treue, zu verlässige Menschen, die wir überdies insgesammt schon längere Zeit um uns haben. Demnach könnte nur noch der Fall sein, daß das Kind einmal auf einem Spaziergange —« »Wa: Uli gestern fort?« »Wie jeden Taat ..... Fräulein Dambauert . . .. In der That —« Und nun theilte Frau von Trast dem Arzt die Beobachtungen mit, die sie selber schon vor-hin gemacht. Sie gerieth dabei in hochgradiae Erregung. daß ihre Wangen brann ten und die Stimme zitterte. » Einbe, Ruhe — meine gnädiae Frau! ..... Es liegt doch durchaus kein Grund vor zu iraendeiner Be forgnifz. Sie sind kränker als Uli — Sie fiebern!« ..... Er sah nach der Uhr: »Ich mache Ihnen einen Vor schlag. Es ist das sherrlichste Wetter von der Welt. Sie werden also einen Spaziergang unternehmen —- ins Freie, in die schöne Gottesnaturt Inzwischen bleibe ich hier. Der Früh lina schnappt mir ohnehin einen Pa tienten nach dem andern fort und macht ihn gesund —- ohne meine Arz-. neient ..... Dem Himmel sei Dankt ....Jrh hake also Zeit. Und die werde ich benutzen, um heraussmriegem was. eigentlich meinem kleinen Freunde sehlt!« Der Llrit ainsa zurück in das Zim mer, wo Uli last. Und kam aerade da-» zu, wie dieser unter fürchterlichem Geschrei dein Kinderfräulein das Spielen-a. das sie ihm autmeinend gebracht, ins Gesicht warf. Doktor Briarius winkte dem junaen Mädchen, das; er mit ihr sprechen möchte. »Nun, mein liebes Fräulein«, hob er an, »l.«.ssen Sie uns ein wenig plaudern. Ofien und nur unter vier Augen . .. Sie unternahmen gestern Nachmittag mit Uli den gewohnten Suazieraana?« »Jamohl!« »Wohin?" »Den Promenadenroea entlana und dann in die Anlagen!... Sie stockte. Und gleichzeitig ergos; sich tiefes Rath über das hübsche Ge sicht. Busch-return Sie mir nichts, lie bes Kind! ..... Was auch geschehen sein maq — Zie dürfen überzeugt sein, das-, ichs aut mit Jshnen meine!« Zwei braune Augen füllten sich mit Tbriinen, und unter Schluchten beich teten ein Paar rosiger Lippen ruck weise: »Wir haben uns so leb s-— Fritz und ich! Aber es soll doch kein Mensch wissen! ..... Denn edv wir uns liei rathen —— ins dahin tann noch oiel Zeit vergebens ..... Nun war er hig her ins-mer so weit fort, und wir hat ten zuweilen Jahre hindurch ieine Ge legenheit, uns- in sehen und - « »Weiter, liebes Kind! . . . . Muthig :Veiter!'· »Er ist nämlich Föritm und coir kennen uns schon aus der Kinder-nie Ler. Da will es der Zufall, das-, er berderusen ist in die Obersörstereit . Zie wissen doch: die im Walde; dicht bei der Stadt; an der Endstas tion der elektrischen Streiszenbahnl Lils nun a stern das Wetter gar so schön war, racht’ ich mir: dahin fährst out Mit Uli! Und das . Kind hat sich so aesreut!« T Wieder meinte und schluchite sie. s Doktor Briariug behielt seinen io j aiitigwäterlichen Ton bei! s »Also lassen Zie mich relapituli ren! Sie fuhren mit Uli hinaus i in die Obersörsterei, wo augenblicklich ii·,r Verlobtee Fritz -——« .,Telftoio ——" «Weiltt ..... Dabei ist ja auch nichts Schlimmeol Zie möchten nur nicht, daß Herr Leaaiiongratli rder seine Gattin davon erfahren! .. . .. All das begreise ich! Bin auch mal jung gewesen·und weiß, wiss im Menschenderzen aussieht, wenn der Frühling dort Einkelxt hält! . . .. Eis kommen also hinaus und finden sich Freuen sich. Und — nun sa: tiissen sichs Ader nun weiterl« »Dann —-— dann gingen wir -— in den Wald!« »Und Uli —- too blieb der inzwi« schen--M »Der Das ist’s ja eben, was mir das herz addrücltt ..... Denn nun beginnt mein Unrecht! Iris meinte nämlich. es wäre besser. wenn wir das Kind lieber nicht mitniihinen. Er wolle schon dafür Sorge tragen, daß es durchaus gut aufgehoben fett« »Die weitere Auskunft wird· also Jshr Verlobtet geben müssen Ich denie mit das auch gar nicht so schwer, da ia telephonische Verbin dung mit der Obersiirsterei besteht! Warten Sie einen Augenblick! Oder noch heiser-: ich bitte herrn Fritz Telftow, daß er sich hierher bemühti Er wird doch wohl tomrnen — zurnal da er weiß, daß er Sie bei die ter Gelegenheit wiedersehen kann?« »Herr Fritz Telstow!« meldete der I Diener. ; »Ich lasse bitten —'« Ein jun-get Mann trat ein. Jn tnappen, sachlichen Worten : theilt er ihm mit, um was es sich han ; drit. T »Wir sind also zu dem Punkt se » langt, wo Sie sich mit Fräulein » Dambauer in den Wald begibenl . ... Meine Frage lautet jetzt dahin: Wo blieb inzwischen der Knabe?" »Wo anders —- als in meinem Zimmerl« . «Allein oder unter semandes Ob-! but?« T »Den bester Hut von der Welt! . .. . Gewartet von jemand, dein ich auch mein theuerstes Bestythum ohne Zö Iern anvertrauen würde —- von Wo an.« »Wotan?« wiederlwlte Doktor Bria rius mechanisch und in zweiselndem Tone. »Ab, Sie kennen Wotan nicht! So können Sie auch unmöglich wissen, wie treu und zuverlässig. wie llug er ist und wie start!.... Aber Sie sol len sich sosort selber davon überzeu aenl« Eine Geste des jungen Mannes, die bedeutet, daß er um die Erlaubniß bitte, sich entsernen zu dürfen. Wenige Augenblicke s— und die Thiir aeht auf. Leise wird sie von dem jungen Weidmann geöffnet, der einen Hund hereinschickt -— einen Bernhar diner edelster Rasse... Zuerst wendet dieser das kluge Auge zuriict zu sei nem Herrn, als ob er sraaen wolltet »Ich darf doch?« Ziialeicti ——— noch iinrner am Einaana oerlnrrend — mustert er Den Raum und wag er birat So aleitet der Blick vom Arzt, der sitt-; des schönen Thieres freut, zu Kätbe Zaum-mer« die sich, verschuld tert und erröthend, abseits bält, unt Vorwärte schreitet Wotan. Zuerst langsam, stolz, rvie eben nur ein St. Bernharrshunv sich trägt. Wie präch-; tig ihm sein Kleid stebt: avlvschirnsj merndes Gelb aus lichtiveiszein Grunde! ..... Mächtia groß ist er ———; und wie start must er erst sein! ..... Jetzt erlebt er die Ruthe wie in freu digem Affekt ..... Offenbar bat ers » eine Spur ausgenommen, die ihm an« » aenebm diintt. Schneller aebt er. lite radeweas aus one Bett iu, in welchem Klein-Uti, das Antlitz der Wand zu aetebrt lieat. den Bettrano Das Kind wendet sich jäh um. Den Kon erhebt es. Dann lommt von sei nen Lippen ein Schrei, der geradezu elementar ertönt. Ein einiiger, lina anhaltender Geivoben wie aus aeitill tem Weh und beainnendem Glück Dann preßt Uli die Wange dia: an Wirt-« .n5 Kopf und umschlirth ihn :i: it beiden Llertnlein »So lieb Fast du deinen -kre1n1.« fraitt Der Arzt Uli nictte bejabend. »Und jetzt — nicht wahr, jetzt bist ou doch wieder aeiund?« -tatt aller »lntwort preßte llk i den Hund unter lautem Jubel noch fe iter an sich Den diesem Augenblick tr ten Herr und Frau oon Trast ins « Himnier nicht wenig erstaunt iil er dass Schau suiel das sich chihnen darbietet Doktor Briarius gibt in weniaenj Worten des Räthi iels Deutuna. j »Uli5 Krankheit toar im Grunde nichto weiter als Sehnsucht naa dem Freunde Sie seh-en ja, wie lieb er Wotan hat und wie aliictlich er in, ihn wieder gefunden zu haben. Tiefe Zuneiauna deucht mir auch Durchaus begreiflich einein Hunde aeaeniil er, der so tlua soi chön und so tinoerlieb ist. Für unumaänglich uötk ia ha te ich freilich im Anschluß daran, «das- illi sich seiner auch ferner freuen dirf « daß Wotan also bei ihm bleibt. We niastens vorläufig oder iiberhmpt eine steit hindurch. Das wäre die einzige erinei. die ich zu verschreiben weiß; allerdian eine, auf die er bei seiner anizen seelischen Stimmuna auch nicht aut Verzicht leisten wird. Hoffentlich ist Herr Telstow damit einverstinden Andererseits tann man ihm auch toohl nicht iumuthem daß er sich von die sem herrlichen Thier, das er großar ioien und das seine Herzensfreude tildet turzroea trenne Verlauien wiiroe er s, wie ich ishn beurtheile. ja dcch nie und für teinen Preis Des toeaeu meine ich« — er wandte sich eindrinalich zu Herrn und Frau oon Trost »wir bitten unseren juuaen Weidiuann, daß er, so ost ilm dis derz treibt hier vorspreche und iu schaut wies Wotan und uns allen e geht« Mithe Dambauer erröthetr. Das berz schan ihr s.heiß Aus ihren Au gen fioa ein Blick voll von Dank und Glück, zu dem alten, guten Mann der CI Mkstcmdtm die schwere Wirrniß, Zwei mächtige Pfoten legen nch aus i die wie ein Alp auf ihrer armen Brust geleistet, zu to frohem Austrag zu dringen —-—- bis Jm Jiidis-Kiosr. Einen Besuch im Jildi5-Kiost schil dert ein in Konstantinopel lebender» Schweizer. Der Sternenpalast Abdult Hamidg mit seiner in den Reisebü chern geheimniszvoll angedeuteten be ängstigenden Pracht ist jetzt für den Konstantinopeler ein Ausflugsort mit Bier, Käse, Brot« Musik und frischer Lust geworden. Und diese Profanation erscheint nicht einmal so ungeheuerlich. Jildis erinnert seiner ganzen Bauart und Anlage nach weit mehr an einen gemiithlichen Landturort als an die prunlende Hofhaltung eines der größ ten Despoten der Geschichte. Auf breiter, schattiger, von mächtigen guß eisernen Geländern geschützter Allee, steigt man zu der verlassenen Residenz empor. Vor dem Palasteingang lau fen sechs Umsriedungsmauern strah lenförmig zufammen. Da steht rechts die elegante Hamidie-Moschee: sie war unter Hamid der Schaudlatz der prun tenden Freitagsgottegdienste, der Se lamlits: linke- erhebt sich ein verlust öhnlicher weißer Bau, in welchem Ha mid jeden Freitag die europäischen Ge sandten mit Champagner hewirthete; nebenbei gesagt, bezog der Reimen ein Deutscher, nur siir diesen einen Dienst ZU tiirt. Pfund pro Monat. Ein Blick nach rückwärts iiberfliegt Stadt und Meer. Jetzt strömt buntes Voll durch das einfache weißzementene Hauptton Schuhputzer klopfen aus itre Kasten, der Sudscheh (Wassertrij: gier- schliigt zum Signal seine beiden Irintglaser aneinander. Albaner im; weißen Fee und bunter Schürze salben ! aus bunten Ftiiueln Fruchteig auf die tleinen Teller. Der Eintritt in den Palast kostet 5 Piasten Der Besucher geht die infer nenartigen Bureaus der ehemaligen Spitzelpolizei entlang, wo der berückt Ltiate erste Kämmerer Jzzet Arabi Pascha Tag siir Tag die eingelaufenen Dschurnals töteheimrapvorty son dirte und sie Abdul Hamid zum Stu dium uberrvieLs. Jetzt erst erscheint das eigentliche Palastthor von Jildis, ein unbeholfener Bau voll weis-, und aelh gehaltener Stutkaturen, aufge klebter, cementener Blumentoroe und Embleme. Er schließt den kleinen Garten mit den Sultans-: und Ha remgwohnungen ab vom äußeren Pari. Wo einst nicht einmal der deutsche Kaiser eintreten durfte, da er geht sich nun an Feiertagen eine sur l-iae, getchwätzige Menge. Unter tvei ßer und rotherGaze, die ein sinnreicher Gärtner von Busch zu Busch in zarten Wolken nach den Bäumen herüber spannte, spazieren dicke, trippelnde Es sendis einher, sehnige Knrden itn Tur ban und in schwarzer Sarkhme schen blictende Armenier mit Hatennasen, nnderschiitnte srkynatterure Griechen. tffurohiierinnen mit Sitiesenbiiten und violetten Tirertdirerobem Dandies aus Berlin, Paris. London, ein Uhr glag ins-I blasirte Gesicht geklemmt, Detwisdie mit ihren hohen braunen Filzchlindern und arabische Parla mentarier in bunten schimmernden Turbanen Wer 20 Piaster zahlt, den siihrt man gleiai rechts Vom Eingang die tleine 5Jllcwtnortresxipe hinaus in die Gemächer, die der Sultan bis zum Tage seiner Absetzung bewohnte, in den hiiterisrben Saal, wo Fuad Pa: fcha dem Herrscher den Beschluß der Nationalversatnmlung mittheilte. Der denkwiirdige Saal steht jetzt fast leer. Dort ist noch der vergoldete, griinsei-· dene Ihrondiwan Ein im Halbdun kel eigenthiimlich schimmerndes peri muttereinaeleatesz Damasiencrtischchen steht davor: im Aschenbecher liegt eine ;(-ngerauct:te ;-tigarette, daneben steht eine schmutziae tleineTasse mit Kassee lsasz. Der folgende Raum tvar das IArbeitszinnuer Hamid5. Ein mächti ger, kristallner Kronleuehter rotirt blitzend rnn der Decke herab· Der prachtvolle !lt:)tokoschreibtisch trägt die Photographie einer Prinzetsin von StichsenRobiiratitotba Sonst ift vrn der einst so bompösen Zimtnereins richtung nicht«- iibrig geblieben. Ein Blick aus dag- volle Büchergestell im Jlllinkel macht mit den literarischen Neigungen Hamidg bekannt! Da ste hen in kostbaren blauen und rothen Ledrreinbiinden mit Golddruck Paul de Koch Gaborienh Conan, Doyle und Sachet-Masoeh. Nun durch einige halbdunkle, musfige Nebenzimmer mit phosphoresrirenden Damaszenermö beln, über eine schmale Wendeltreppe hinaus in das goldene Empire boudoir des Sultans . Ein Dutzend Perriicken in allen Farben steht über Holzlöpse aezogen da; Motten fliegen auf, zahl lose Schmintbiichsen nnd Pomaden stuben liegen auf dem Marmortisch. -Jn einem der kostbaren Schildpaat Monogramm ·.t ll trägt, steckt ein Büschel rothbrauner Haare. Dort» hängt ein tugelsicherer Panzer und ein » Lederwamms, die derHerrscher auf sei nen seltenen Ausgängen anzuzieben pflegte. Rechts vom Ausgang steht der mächtige Spiegel, der so oft des Tyrannen finsteres Gesicht wiedergab, dieses Haupt, das er aus Kotetterie und Todessurcht stundenlang färben, umfärben und neu frisiren ließ. Jetzt wieder ins Freie, durch die hohe Thür, deren beide Flügel noch die Spuren vielfarbiger Bersiegelung tra gen, über den H·trensshof, ins Miteina theater Abdul Hamids. Die alte, berühmte Hofbühne ist ein winzigen zweistöctiger Jnnenbau, mit summa rtscherGoldverzierung und roth ausge schlagen. Das Parlett, das ehedem völlig leer war, hat man provisorisch bestubli. Oben, erster Rang Mitte, ist die Sultansloge. Rechts davon die Diplomatenloge. Die kleinen, vergitterten Logen in der Runde wa ren fiir die Haremsdamen bestimmt. Als einziger Schmuck hängt, erster Rang links, das reich eingesaßte, schauderhaft gestickteBrustbild Gin seppe Verdis. Jetzt füllt lärmendes Publikum das Theater und jauchzt und llatscht lznr Vorstellung, die ein verstimmtes Klavier begleitet. Der Rückweg fiihrt vom innern in den äußern Part, durch schattige Al leen mit Rundellen, die jetzt in Wirth schaften verwandelt worden sind, über stiegirege mit beschnittenen Hecken die nun leere, einst berühmte Fafanerie entlang. Der nahe Schießstand Ab dul Hamidg ist dicht besetzt. Der be liagliilte Kiogt war ein bevorzugter Ttlusenthaltgort des Sultans-, der sich an beweglichen Bleelifiguren im An schlag anf Mörder und Anarchisten übte. Jetzt stehen Kurden in der zur kleinen Waffensamnilung aller Ge wehrmodelle umgewandelten Veranda, den Stutzen im Arm, und schießen mit ’ltirmender Freude glänzende Glas-lu geln entzwei. Ein Schuß aus den Stützen Hamids kostet 2 Piaster. Der Kiosl selbst ist charatteristisch für den llarlsrischen Geschmack des Groß therrn Was alles verschrobene fran ! iösische Tischler Gehirne sirlt ausdenten Itonnten, steht da Vereinigt, eine veranl .dete Schnörkelei über die andere. Das Beste, ein elegantes-, sauber gearbeite tes Damaszenertischlein, stammt vom lkrsSnltan selbst, der, wenn er nicht Spionageberichte oder Romane las, stundenlang in seiner Tischlerlvert: stätte herumhantirte. Der Weg führt um EleerassincAioSt Vorbei, den Hamid vor Jahren nur fiir den deutschen Kai ser bauen ließ. Der Gang durch den Braclstbau brinat nichts- Charakteristi selteg »Zutaae: einen etwas parvennhafg ten entovaischen Palastluxug mit thei: stmnnbolien Spiegeln auf Empirelom solen, Flronlemlitern Marmornrnen mit tseraoldeten .Lsenteln, bunten Det ·enl)inimeln mit ariechischirömis seid-tm lstiitteraesmdel nnd unnnaenelsm glattem Partett Die hohen Fenster zehen auf den slimmernden Bogporns, aus dass asiatische Ufer. Hundert Schritte weiter unten, im Hof der laiserlieben Ställe, stiirzen an Freitag: nachmittaaen tiirtische Rinaer in Le derlsosen, mit nackten, qeölten Leibern, aufeinander . log. Ein tollernder Mona, eine piepsende Klarinette feuern sie an. Die leeren Marstijlle selbst sind baufällige, eines Hofstaates nn idijrtsiae Varucten. Jm inneren Gar ten, den eine 530 Fuß hobe, mit Glas-s sclierben gespielt-: Mauer vom äußern trennt. findet jeden Freitagnachniittaa ein kleines Bollgfest statt. Da liegt, unmittellmr am eigentlichen Sultans-; iKiogL der tleine See, auf dessen oliz den,1riii1er Fläche der Herrscher stun ldenlana sich lkerurnrudern ließ. Das »l«-eriilimte Schanfelradboot, ein Ge isclkenl staiser Wilhelm, kommt mit seinen Leoantinerinnen um die lscte Oden, die Palastfenster entlang, acht das Voll, dichtqedränat, Vorbei. Man stellt sich auf die Zehenspitzen zum fliictitiaen Blick in die hohen Gemächer-, die mit einein Chaos ron Möbeln und Nipdsachen angefiillt sind. Da stehen weiße Empiretische voll Porzellange schirr aus den berühmtesten enropäii schen Mannsaltnren Die kostbarsten versischcn Teppiltie liegen haufenweise berunk Große Alaliasterarmleuchter wechseln ab mit allerlei Nichtialeiten aus weißem Bigluit, perlmnttereingei legten Standnhren und massiv golde nen Theeservices. Hart am Fenster alänzt ein aoldeneg SchiffsmodelL dessen Fenster Saphire, dessen Sinnen lampen an denMasten arosze Diaman ten und dessenAntertetten Perlmutter schniire sind. Jm aroszen Gartenhaus am See dampft jetzt dickliche derGartenwirth schaft. Berge von Semmeln sind da, . —- -—-—W-.—«--—————--i Melonen, gerupfte Gänse; Maccaroni und gespielte Tomaten brodeln aus dem Kochherd Die Gäste, Türken, Araber, Armenier, Griechen, Levanti ner, Cootreisende, sitzen zu Hunderten fröhlich unter den Bäumen. Eine Ka pelle graubiirtiger Mandolinenspieler sitzt und zupft schwerbliitige Türken miirsche herunter. Auf der nahen Wiese hat sich ein Freilichtheater eta blirt. Es stürzen zwei Schauspieler in blau-roth-gelben Janitscharenklei dern, mit den charakteristischen Pump hosen und hohen Turbanen, schreiend, mit gezogenen Krummsiibeln aufein ander los. Der Grund des Kampfes, ein als.Tiirlin phantastisch aufgeputzs ter, geschminkter und gezopster grau bärtiges Essendi. hockt versehämt ab seits. Dazu vseift der Garten in einem ffrt von den zahlreichen weißen Taubenchroärmem die von iiberallher, von deuMauern und aus den Büschen, unversehens in die Lüste steigen. Auch sie hatte Hamid zu Spionage zwecken angeschafft, indem die Thiere vor jedem ungewohnten Schritt im Garten nach allen Richtungen ausein anderstoben und so den Eindringling verrieten. Gibt es Atmen-sent Aug einer Anzahl historisch beglau bigter Beispiele, die im Oltoberhest des ,,Tl)iirrner5« (.Herauögeber Frei herr von Grotthuß) zusammengestellt sind, sind die folgenden zwei beson ders merkwürdig. Jn den Brieer deL Heinrich Voß wird berichtet, daß Goethe am letzten Jteujalirxuorgem den Schiller erlebte, diesem ein Glucliounsclidillett geschrie ven hat. Als er eS durchlas, fand er zu seinem Schrecken, daß er aus- Ver sehen geschrieben hatte: »Der letzte LiteujahritagC statt der »erneute« oder ,,ivieder,iekel)rte«, oder dergleichen. Voll Staunen und Erschrecken zerriß Goethe diese Karte und begann von Neuem zu schreiben. Als er an die oriiinöse Zeile karn, tonntc er sich nur mit Mitte enthalten, nicht wieder vorn-letzten Neujahrstaae zu schreiben. So drängte ils-n »die Ahnung! An demselben Tage noch erzählte Goethe der Frau von Stein iden Zufall und sagte, esI ahne ihm, daß er oder Schil ler in diesem Jahre scheiden werde. Der Aeghptologe Heinrich Brugsch Pascha hat uns eine Selbstbiographie hinterlassen. Jn ihr erzählt er, daß er im Auftrage der äghptischen Re gierung im Jahre 1875 der Eröff nung ber Weltausstellung zu Phila delphin beizuwohnen hatte. »Im Be griffe, nach dem nahe gelegenen Bahnhof ter befand sich damals bei den Seinen in Göttingen) zu gehen, um den nach Bremen abgehean Friihzug zu benutzen, erhielt ich auf Dem Wege eine Drahtmeldung, die ich sofort öffnete, um ihren Inhalt noch vor der Abreise kennen zu ler nen. Sie lautete kurz und bündig: »Der sltheoioe ersucht Eie, augenblick lich nach seairo zurückzukehren« Mit dem nächsten Eil-»Wie schlug ich rie Richtung nach Triest ein, um mit dem fällig-en Lloyddamnfer mich nach Ileanuten zurückzubegeben Jch hatte seit meiner Abreise leine Zeitung ge lesen, und mußte nicht roenig über rascht sein, als mir von dem Kom mandanten des Schiffes die Nachricht niitgetheilt wurde, daß auf dem letz ten Vremer Dampfer, demselben, mit welchem ich die Reise antreten wollte, eine von einem Amerilaner Namens Thomas tonftruirte Höllenmaschine vorzeitig explooirt sei, und mehrere Reisende und sonstige Personen ge tödtet und Verioundet habe. Ich dankte Gott im Stillen, eincr mögli chen Gefahr fiir Leib uno Leben durch meine Riickberufung entgangen in fein, und stellte mich bei meiner Antunft in stairo sofort dem Bischo uia Vor. In der Meinung, von ihm nachträglich noch besondere Aufträge zu erhalten, die er mir nur mündlich mittheilen könne, war ich nicht wenig erstaunt, aus« seinem Munde die Ver sicherung zu erhalten, er sei hocher freut, mich steil und gesund zu sehen, hat-e mir aber durchaus nichts zu sa gen· lisr habe sich bewogen gefühlt, mich sofort durch den Draht zurück sur-tieri, da ihm in der Nacht ein Traumbild gerathen habe, mich sofort iuriicklommen zu lassen, widrigen sallg mir ein großes llngliict bevor stände Letzte Bitte. Richter: ,,Angetlagter Maier, Sie lcalen gehört, daß Sie zu einem Jahr und drei Monaten Zuchthsaus verur theilt lind. Haben Sie noch »etwas zu sagen?« »Ich möchte den hohen Gerichtshof bitten, mir noch eine Unterredung sinit meinem Gefchäftsfiishrer zu gestatten, damit ich ihm die nöthigen Direktiven geben kann für einen Ausvertauf we gen U-in3uges.«