III der Moll verloren Roman von Jeder v. Zeliektitz. 1. Kapitel. Der Tag war heiß gewesen, aber der Abend mit seiner wonnig mil den Luft hatte die ganze vornehme Welt von Genf auf die am Ufer der Rhone sich hinziehenden Pro nrenaden gelockt. Im blendenden Glanze der hunderte von Gezüch tern wogte die Menge den Grund Quai und den Quai du Montblanc hinauf und binabx auf der kleinen Revision-Insel spielten abwechselnd zwei Mufittapellen, und ihre lusti eeen Weier übertönien das Rau schen des Flusses, der von zahlrei chen Goadeln mit bunten Laternen belebt wurde. Eine dieser Barten fiel durch die Schmucklostgieit und die düsteren Farben ibkeö Aeußeren inmitten der strahlende-: Umgebung doppelt anf. Sie strich soeben, wie ein schwarzer Schmn die Wellen zer theilend, dicht an der Rousseau-Jn lel vorüber und gab den oben an der Gitter - Umzäununa stehenden Müßiggangern Stoff zu lettyafter Unterhaltung bis sie an dem klei nen Landungsplatz neben dem Pont de la Coulouoreniere anlegte. Die Bootsleute sprangen ans die Stein platten am Ufer und halfen sodann der Jnsassin beim Aussteigen Die sehr elegant, aber mit ängst licher Vermeidung jeder lichteren Farbennuance gekleidete nnd tief oerfchleierte Dame ergriff die aus gestreckte Hand des einen Ruderers und schwang sich mit jugendlicher Leichtigkeit aus der GondeL Dann rief sie den beiden Leuten ein beseh lendes Wort zu und folgte einein Diener in Livree. der sie am Lan dungsplasze bereits erwartet zu ha ben schien, zu einem aus dem Quai damme haltenden Wagen. Der Wagen rollte schnell den Quai hinab, bog durch eine der rechts-ab führ-enden Seiten - Straßen in das winklige, von schmalen Gas sen durchtreuzte Stadtinnere ein und hielt an der Ecke der Rue des Cordonniers und der kleinen Place de Mornex. Madame Bulitoff stieg aus. Ein Herr in hellem Paletot und grauem Cnlinderbute, der bisher un geduldig an dieser Stelle aus und ab geschritten war, trat ihr mit kurzem Gruße entgegen, reichte ihr den Arm nnd führte sie quer über den Pla , etne·in schiefem Winkel sich alt-we gende Gasse hinauf. »Mit-en Sie lange auf mich war ten müssen, Basil?« begann die Ber schleierte in balblautem Tone. Der Angekedete guckte mit den Schultern. »Ich bin Ihre Unpiinkt lichkeit gewöhnt, Clelia«, entgegnete er ziemlich schroff. »Da es mir nicht angenehm ist, hun ert treue Parteifreunde aus mein Erscheinen warten zu lassen, können Sie sich denken. Wollten Sie doch endlich einmal einsehen lernen, daß es sich nicht um eine Zeit vertiirzende Spie Letztl, sondern um bitteren Ernst han e ." »Jmmer wieder die gleichen Vor würfe — sie sind wirklich nicht ange bracht! Aus Spielerei oder aus Lau ne pflegt man wahrhaftig nicht die Hälfte feines Vermögens der Aus führung von Ideen zu opfern, die sich bis heute thatfächlich —- seien wir uns doch klar darüber —- als Unmögliches erwiesen baden!« « « « Basil zuckte mit den Achseln. »So bald wir irn Besitze der Millionen Liesttnanns sind«, erwiderte er, »die ser Millionen, die uns rechtmäßig und gesetzlich zukommen, werden die An forderungen, die wir bisher an Sie stellen mußten, don selbst fortsallen. So lange wir aber noch nicht im Be sine jenes Erbes sind, sind wir ge zwungen, unsere Ansprüche an Sie nicht auszugeben» .« hätte der Sprechende hinter den schwarzen Schleier, der das Gesicht seiner Begleiterin verhüllte, schauen können. et wäre erschrocken vor dein betben Zug tiefster Verachtung, der sich um den rosigen Mund der jun gen Dame ausprägtr. Sie mußte sich aber aus dieSchauspieltunst verstehen, denn ihre Stimme klang ruhig und leidenschaftslos, als sie leichtbin er widerte: »Ich bin eine skeptische See le, Bcsil: auch Jhr Plan, das Ver mögen Liestrnanns in Ihre Hände zu bringen, scheint mir unaussübrbar zu sein. Ich bedaure, daß Sie gerade ein so vortreffliches Mitglied unseres Hundes, wie Erich es ist« zu einer der artig nndantbaren Ausgabe heranzie hen wollen. Er wird uns sehlen.« »Uns? Nein. Ihnen Cleiia«. gab Ml heftig zurück. »Gott sei Dank sei-we ich mich eines ziemlich scharfen site-M ei ist mir nicht entgangen, saß Sie dein interessanten Deutschen stets nett besonderer LIbeanürdigteit , gekommen sind. Zu Stände eeber die Zeit zu ernst — es ist f Mast Mike befiel-U Stich übernimmt di- MIMI Mission und entsteht sich « dadurch ssr einige Monate dem ver Liicheln mit dein Sie ihn . trotz-»Menser zu begin-en Thorbogen führte in einen geräumigen Flur-, auf dessen rechter Seite sich eine ichwarzbraune Eichentbür mit einem Messingschild und dem eingravirten Namen ,,Basi!e de Laezarowsti« da rauf beinnd.» Der Bealeiter Clelias drückte auf den Knopf der elettrischen Glocke: die Thür wurde sofort durch einen alten Diener geöffnet, der die beiden An tömmlinne durch einen mit wektmäm niichetn Geschmack eingerichteten Sa lon in ein kleineres Kabinett führte, das seiner Ausstattung nach als Rauch- und Bibliothekzitnmer benutzt zu werden schien. Auf einen stum men Wink Basils raffte der alte Die ner gewandt den großen, den Fußbo den bedeckenden Teppich zur Seite, ließ sich auf die Knie nieder und setzte einen geheimen Mechanismus- in Be wegung, mittels dessen sich die Fül luna des Partetts zu einer weiten Oeffnung auseinanderichob und eine bequeme eiserne Treppe . steige-h Basil und Clelia stiegen die Treppe hinab und schritten, während die Oeff nung über ihnen sich wieder zuscholx einen durch Oellamven mäßig erhell ten Gang entlang, den eine eiserne Thür abschloß. Basel öffnete die Thür und trat mit Clelia in ein kleines Borgemach. das zwei Ausgangsvforten zeigte. Hinter der einen ertönte neben lei sem Stimmengemurrnel das klang volle Organ eines Redners, die zwei te führte in ein größeres Zimmer, des: sen ganze Einrichtung nur aus einem langen, mit grünem Tuche überivgess nen Tische und einem Dutzend Stüh len bestand. Basil hatte Clelia zuerst in dieses Zimmer gelassen. Bei ihrem Eintritt erhob sich der einzige Jnsasse und ver beugte sich tief. Es war ein Mann von etwa drei ßig Jahren. Die duntlen Haare wa ren sorgfältig gescheitelt und iiber die Intelligenz verrathende Stirn zu rück-gestrichen Einen eigenartigen Ge gensatz zu diesem fast schwarxbraunen Haar bildete das hellblaue Augen paar, von dem ein starker Glanz aus ging. Ein welliger Vollbart umrahm te Kinn und Wangen des Herrn. des - sen Hiinde und Füße aristotratische Formen zeigten und der mit dem Ge schmack eines vornehmen Mannes ge kleidet war. Mit tut-er Begriißung trat auch Basil näher, legte hut und Stock zur Seite und nahm Clelia den Mantel ab. Dann ließen sich die Drei wie der nieder, ohne ein überflüssiges Wort gewechselt zu haben, und Basil zog eine umsangreiche Brieftasche hervor, die er aus dem- Tische aus breitete. »Als Sie, mein lieber Erich', be gann er in leichtem Gesprächstone, «sich zur Aufnahme in unsere Set tion meldeten, sprachen Sie den Wunsch aus« möglichst bald zu einer anregenden Thätigleit herangezogen zu werden. Ich bin nun heute schon in der glücklichen Lage, Sie mit einer Mission zu betrauen, deren Ausfüh rung im ersten Augenblick schwierig erscheinen mag, die dies in Wirtiich teit aber durchaus nicht ist, wenn man sie mit Geschick anzugreisen ver steht-. Gestatten Sie mir, Ihnen als Einleitung einen Zeitungzcsusschnitt vorzulesem der Sie mit der Sachlage vertraut machen wird.« Er entnahm seiner Brieftasche ein Stiick hedruckten Papiers und be gann zu lesen: s »Das Testament eines Sonderlings." Jn den bedeutendsten Tagesblättern des Jn- und Anstandes wird man seit kurzer Zeit eine mehrfach wieder bolte Annonce finden, laut welcher die nachweisbaren Erben des am 10. März dieses Jahres in San Remo verstorbenen Rentiers August Nest rnann aufgefordert werden« sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt persönlich oder durch rechtskräftige Vertretung beim Stadtaericht zu Frankfurt arn Main bezüglich ihrer Ansprüche an die Hinterlassenschast des Verblichenen zu melden. Das Jnserat an sich bietet nichts Ungewöbnliches, wohl aber die Gründe, die zu demselben geführt ha ben. Der Rentier August Liestrnann war der einziae Sohn eines armen Franksurter Krämers Er war ein sebr begabter und rastlos fleißiger Mensch, der sich bald das Vertrauen seines herrn, eines reichen Getreide matlers, zu erwerben wußte, und dem es in retbitltnißmäßia kurzer Frist gelang. sich selbstständia zu etabliren. Bei allen seinen ausgedrbnten Speku lationen begiinstiate ihn das Glück in aussallender Weise: er wurde ein reicher Mann, schlug aber grundsätz lich alle die ebrenden Anerkennungen in Gestalt von Orden und Titeln ab, bie ibm stir seine umsichtige Geschafts sübruna anaeboten wurden. Liestmann hatte von Jugend auf revolutionären Jdeen eine begeisterte Empfänglichkeit entgegenaebrachtx in späteren Jahren färbte seine politische Gesinnu sich noch radikaler, und bei verschie nen JGeleaenbeiten gestand e sreimiithrg H zu, daß er aus innerster eberzeugun die Orundfiise der Nihilisten un Ums-isten theile. sei einem Manne, der Ich eines recht bedeutenden Ber tnssens erfreute, der also in seiner Person die von seinen politischen Freunden so heftig belämpste Macht des Kapitals darstellen konnte. mußte das natürlich sehr aussallend erschei nen. Liestmann war aber eben ein Sonderling durch und durch, dessen Seltsamteiten bekannt waren —- man beliimmerte sieh daher nicht weiter um seine politischen Ansichten, so lange er nicht mit der That sitr sie eintrat. Indessen auch dieser Augen blicl sollte kommen; die Polizei hatte in Erfahruna gebracht, daß Liestmann wiederholt große Summen fiir seine Gesinnungsgenossen zu opfern und gerade die gesährliehsten derselben in einer Weise zu unterstützen pflegte, so daß er schließlich Argwohn und Miß trauen erregen mußte. Der schon al ternde Mann hielt sich nun vorüber gehend in Wien und Paris auf, lebte riann zwei Jahre in Gens. wo er mit verschiedenen Häuptern der rothen Jn ternationale in enge Verbindung trat, und zog sich endlich. lränllicher wer dend, nach der Riniera zurück; dort ist er, wie schon gemeldet im Alter von einundsiebzig Jahren gestorben. Liestmann war nie verheirathet nnd hinterliißt keine näheren Verwand ten: sein aus dem Gerichte tu Frank surt devonirtes Testament ernennt e man höre und staune —- die in der Schweiz ansiissigem ihrer politi schen Ueberzeugung wegen aus der Heimath geslohenen Anarchisten aller Nationen zu Erben Das seltsame Testament ist schon deshalb anfecht bar. weil Lieftmann in der letzten Zeit seines Lebens entschiedene An zeichen geistiger Gestörtheit an den Tag gelegt hat« abgesehen aber da von sind die in der Schweiz lebenden Anarchitten gesetzlich leine erbberech tigte Person —- das fragliche Testa ment dürfte also, wenn, was voraus zusehen ist, der oben erwähnte ge richtliche Ausruf ohne Erfolg bleibt, vernichtet werden und die Hinterbl senschast Liestmanns rund vier Mil lionen Mart, dem Fislus zufallen. Wie viel Thriinen lönnten durch die-» se vier Millionen getrocknet wert-ent «Basil faltete den Zeitungsausschnitt wieder sorgfältig zusammen nnd legte ihn in seine Brieftasche zurück. Dann stühte er den Kopf leicht auf die rechte Hand und ließ das Auge prüfend iiber das, den Ausdruck höchster Spannung zergende Gesicht seines Gegenübers gleiten. «T·-ie romantische Geschichte, die das Berliner Blatt erzählt«, fuhr Basil fort, «ist bis auf Kleinigkeiten Wahr heit. Jch habe den alten Liestmann persönlich sehr genau gekannt und tenne auch die tiefer liegenden Ursa chen, die ihn unserer Partei Ingenie btv haben. Leider Gottes ist die That sache, daß er in den letzten Jahren sei nes Lebens nicht mehr völlig herr sei ner geistigen Kräfte war, richtig; sie war wohl auch der Grund, daß er schließlich ein so harrstriiubendeg Te stament verfaßte, auf dessen Ungiiltig lett ihn jeder Geseßestundige von vornherein hätte aufmerksam machen können. Nur nach einer Richtung hin trifft der Artiteh den ich Ihnen vorge: lesen habe, nicht mit den Thatsachen zusammen; es eristiren noch Verwand te Liestmanns, die vollberechtiaten An: spruch aus die Hinterlassenschaft des Verstorbenen haben! —- Der Vater Liestmanns besaß eine Schwester, die mit einein Goldarbeiter. Namens Lupo. verheirathet war. Lupo war ein gebotener Welschtiroler, der auf seiner Wanderschaft nach Frankfurt gekommen war, dort eine Stellung an genommen und sich einen eigenen Herd gegründet hatte· Trotz seiner Geschick lichkeit wendet ihm das Glück den Rücken; in der Hoffnung. in seiner Heimath besseren und lohnenderen Er werb zu finden, tehrte er deshalb nach Italien zurück und siedelte sich zuerst in Florenz, später in Neapel an. Nach meinen Erkundigungen scheint es ihm aber auch im Lande der Orangen nicht sonderlich ergangen zu sein, da er sich in einem Ansalle von Schwermuth selbst das Leben nahm. Von feinen drei Kindern — notiren Sie sich diese Angaben, wenn ich bitten darf, mein lieber Erich —- starhen zwei in su gendlichem Alter: der zurückgebliebene Sohn wanderte nach Centralamerika aus und ließ sich nach mancherbei oirr fahrten in Kingstom der hauptstadt von Jarnailch nieder, wo er vor zwei Jahren als schon besahtter Mann, dem gelben Fieber erlegen ist« Seine hinterbliebenem ein etwa dreißigjäh riger Sohn William und eine zwan zigiiihrige Tochter Rahel. sind die letten und einzigen Verwandten des Rentiert August Liestrnann.«;. . Der Sprechend- tchwtea em- Mi System-u »Sieh doch m Hesm mit seinen its-Juden sieiihöst fskmiich: Schin tenätmel!« — nute lang und strich mit der Rechten gedantenvoll iiher seine Stirn. Er legte auch die Hand sliichttg iiber die Augen, als hlende ihn plötzlich das teinesweas helle Licht der Lampe, aber diese Bewegung war teine unwill tiirliche: sie sollte vielmehr den scharf musternden Blick verdecken, der das Antlih des Grgeniibersihenden streifte. Jn ruhig ahgemessener Weise be gann Basil sodann von neuem: »Ich habe Ihnen alle diese Thais-schen ans sührlicher mitgetheilt. damit Sie die Situation ohne weiteres übersehen. Der verstorbene Rentier hatte von sei ner überseeischen Verwandtschaft je denfalls keine Ahnung. Als die Schwester seines Vaters mit ihrem Gatten in die Fremde zog, kann er tuurn erwachsen gewesen sein; der Vater hat diese Schwester mit der er ihrer thörichten Heirath halber zerfal len war, nie erwähnt und sich auch nie nm die Ausaewanderte bekümmert. Ebensowenig glaube ich, dasz ihre En tel. die erwähnten Geschwister Lupo, mn ihre Verwandtschaft mit dem ver storbenen Millionär wissen, denn sonst hätten sie ganz gewiß nicht ver säumt, sich dem reichen Manne gele gentlich in das Gedächtniß zurückzu rufen. Möglich ist indessen immerhin, daß gerade jetzt, wo die Aufruse nach etwaigen Erben Liestmanng durch die Zeitungen gehen, ein tückischer Zu sall den Geschwistern in Jamaita ihre Ansprüche aus die Erbschaft enthiillen t.».nn. und eben diesem Zusalle müssen wir vorbeugen. Sie werden zu die sem Zwecke sich aus dem am Zwanzig sten von Liverpool abgehenden Dam rsser .Washington’ nach Jamaita ein schissen sich in Kingston durch List oder Gewalt in den Besih vollwichti.-. aer und gültiger Legitimationspaviere jenes William Lupo sehen nnd als William Lupo, das heißt als le ter nnd einsigster männlicher Verwan ter» deg- verstorbenenfLiestmanm die Erb-; schatt antreten. Das in rrn rurzen vie; Idee meines Plans, dessen nähere; Ausarbeitung ich Jhrer Jntelligenzl und Geschicklichkeit überlasse. Sie ha ben noch drei Tage Zeit bis zu Jhrer Abreise von Genf, und ich denke, diese drei Tage werden genügen, Ihre Vorbereitungen zu treffen und mir Ihre Maßnahmen in Bezug auf die Ausführung des Projetts entwickeln zu tönnen.« Basil steckte feine Brieftasche wie der ein. erhob sich und trat hinter seinen Stuhl, auf dessen Lehne er die verschränkten Arme ftiitztt »dabm Sie noch irgend eine Frage an mich?« Erichs Antlitz war bei den letzten Erörterungen Basils blasser gewor den, aber um den scharf gezeichneten Mund legte sich ein Zug fast trotziger Energie und seine Stimme tlan hart und fest, als er entgegnete: »F nehme die Aufgabe, die Sie rnir übertragen haben, an und werde meine ganze Kraft daran sehen, sie zu gutem Ende zu führen. Die Noth wendigleit, in der Verfolgung mei nes Planes die letzten Verbindungen zu lösen, die mich noch an die Ge sellschaft· und ihre Gesehe fesseln, w!td mich nicht hindern, an das Wert zu gehen. Jch habe die Ge sellschaft nicht aufgegeben —- sie hat mich verstoßen, und nie wieder wird sie mich in ihren Reihen sehen. Ich gehöre den Verfehmten an, und in der Ausführung meiner Mission werde ich zeigen. wie wir Basel-rn ten uns an der Welt zu rächen ver stehen!....« Mit tiefer, grollender Stimme hat te Erich diese Worte gesprochen. Basil streckte ihm über den Tisch herüber die Rechte entgegen, Clelia aber wandte sich ab, um den beiden den schmerzbe wegten Zug nicht zu zeigen, der bei der leisten Drohung Erichs ihre Lippen umfpielte. 2. K a p i te l. Die Fenster des großen Gemach-J in Clelias Van waren weit geöffnet, und voll und wonnig strömte.durch sie die vom Dufthauch blühender Narziss sen durchwellte Nachtlqu Im Zim mer brannte tein Licht, aber so hell und strahlend leuchtete der Mondschein bis in die Ecken hinein, daß man ie den Gegenstand deutlich erkennen lonntr. Auf der, dicht an das offene Fen-» sier hera geschehenen Ottornane lag! Elelich ie traumhafte Beleuchtungi ließ die duntelhaarige Frau noch fchss ’ net erscheinen als sonst. Der Mann. der ihr ge nliber den siiicken dem offenen Heu r zuwen dend, saß, schan freilich gefeit zu sein gegen ihre Reize. Er sah ernst und — sinsier vor sich hin, nur zuweilen glitt ein fast ironischeö Lächeln, das er je doch durch eine rasche bcndbewegung geschickt vor der Beobachterin zu ver-« bergen wußte. über sein Gesicht. s . Im Gespräche war eine Pause ein getreten. Clelia wickelte spielend die seidenen Franzen ihres Tnchs nrn die schlanten Finger und lugte dabei nn ter den halt-gesenkten Lidern aufmerk sam zu ihrern Gegeniiber bin. Eine leichte Röthe des Unwillens hatte ihre sonst blassen Wangen gefärbt, und mit heftiger Bewegung schleuderte sie den Schaal iuriich »Bei Gott, Erich, Sie sind der selt ianiste Mensch, den ich tennen ge lernt babe!" sagte sie in zornigem Tone. »Sie machen mir einen Ab schiedsbcsuch versprechen auf meine Bitte bin, mir die Langeweile dieses Sommer Abends türzen zu helfen, noch ein Stündchen mit mir zu ver vlaudern, hüllen sich aber in ein so undurchdringliches Schweigen, daß ich annehmen muß. Sie hoben Jhk Versprechen vergessen. Sie sin«d.lang weilig, mein Herr, sehr langweilig!« E Hätt lächelnber Miene verneigte sich ri . -—. »g-;unachst gebe ich zu", sagte er, »daß ich im allgemeinen ein langwei liger Menfchbim sicher bin ich es sogar am heutigen Abend noch mebr als sonst. Das aber hat seinen ei genen Grund. Es giebt Stimmun gen, über die man sich nicht so leicht hinwegzusetzen vermag, und in eine derartige Stimmung hat mich die Mission, die mir von Laczarowski übertragen worden ist, gebracht. JchJ bade von vornherein gewußt« daß; mir von jenem Augenblicke an, da ichs mit der ganzen Vergangenheit ge-; brachen, innere Unruhen und Kam-s ofe nicht geschenkt werden würden.i aber ich habe nicht geglaubt, daß esj so schwer —- so schwer hielte, sich« mit seinem Gewissen abzufinden. Das tlinat melancholiich —- nein, das klingt schwach und weichlich! Trotz alledem. Sie werden mich richtig be urtbeilen, Clelia, denn Sie sind von Grund aus eine edlere, vornehmen, großberzigere Natur als alle jene an deren. mit denen gemeinsame Ketten uns unlöslich verbinden. Ich bafse die Gesellschaft und babe mit einem wilden Jauchzen die letzten Brücken vernichtet, die mir eine Verbindung mit ibr ermöglichten. Jch war mir auch llar darüber, daß mein Zerfall mit jener sogenannten Gesellschaft notbgedrungen eine vollständige Revo lution meines sittlichen Bewußtseins nach sich sieben müßte, denn ,sittlich' beißt im modernen Staate ja nur der, der sich willenlos den Gesenen der Möchtigeren fügt. Aber wie jeder see lische Umschwung Kämpfe hervorruft. so sind auch mir trübe Stunden nicht erspart geblieben. als ich kennen ler nen mußte, daß die Leute, bei denen ich Anschluß suchte, in der That — Ausgeftoßene find» .« CFottsetzung folgt.) Was die Nacht verbarg. Inn-irr vier c. k. Offenheit-. (24. Fortsetzung und Schluß-) 41. K a p i t e l. Die Zeitungen vom nächsten Tage brachten die sensationelle Mittheilung, daß der geheimnifzvolle Mord in der Stanke-Straße nun endlich durch das rückbaltlose Geständnis des bereits an den Folgen eines Blutsturzes verschie denen Mörders seine Aufklärung ge funden hobe. Ohne Zusammenhang damit stand an einer anderen Stelle des Bl:ttes aber eine ebenso kurze wie inhalts schtvere Notiz. »Wie uns unser Petersburger Kot-s respondent berichtet, ist der dem rus sischen hose verwandte Bring Nap raxin bei einem von mehreren Ann chisten. die sich leider der Verhastung zu entziehen wußten, aus ihn beruh ten Attentat ums Leben gekommen. Der Prinz wurde in den letzten Tasi aen mit Drohbriefen förmlich über-! schwenimt, denen er aber teine Be-s deutuna beilegte.« I Herbert b. Wehrinaen las diese Nachricht nicht ohne tiefe Erschwe rung. Dann lag er lange regungs los in den Kissen, traumerisch vor sichs hinsehend, bis ihn ein Pochen an ders Thiir ausschreckte. i Jn der Meinung, daß es die Schwe ster sei, die da Einlaß begehrte, rief :er: »Derein!« Aber nicht die Pfle-; Jgerin mit der Schwesternhaube war es, die über die Schwelle trat, son dern die hohe Gestalt des Oberstlieu tenanis Arnstorf. Was die beiden zuerst miteinan der gesprochen, und wie die Versöh nung zu Stande karn, darüber äu ßerte sich später teiner von beiden. Nach Ablan einer Viertelstunde aber saß Arnstorf friedlich neben dem La ger seines Stiessvhnes, und ruhig sprachen die beiden iiber alles, was sich während ihrer langen Trennung zugetragen hatte. »Borgestern kamen Heinz und Margot zu mir und erzählten mir von dem Duell. das Du gehabt hast«, sagte der Oberstlieutenant. «Margot hatte die Absicht, Dich zu pflegen, und mit ihr zusammen wollte ich Dich auf suchen. Aber es wurde uns ein Strich durch die Rechnuna gemacht. Die ständigen Aufregungen haben Mar gots Gesundheit angegriffen, und während sie noch bei mir war, wurde sie non einein schweren Unwohlsein befallen. Nun liegt sie draußen bei mir, und meine kleine Edith die au ßer sich vor Glück ist, daß sie die Schwester endlich wieder hat, pfleg; sie wahrhaft rührend. Du drauer Dich nicht zu beunruhi n, der Akt versichert bestimmt, da Margot n I wenigen Tagen schon vollständig wie der hergestellt sein wird, aber es tlxtt mir leid« daß ich durch diesen unvor hrrgesehenen Zwischensall erst heute dazu kam, Dich auszusuchem mein lie ber Junge." derben der sich schon bedeutend - lriistigt fühlte, erzählte ihm aussitßrs lich. wie es ihm in Afrila ergan en war und was er nun aus heimis r Erde erlebt hatte. Die Ursache sei nes Duellö mit Dombrotosti streifte er nur kurz —- und der Oberstlieu . tenant stellte keine Frage darüber. Hatte ihm doch Hollselder die volle Wahrheit gesagt, die Wahrheit, daß ! sich Herbert nur mit dem Polen ge - schlagen hatte, um Arnsiors zu schützen. »Deine nun las ich die Nachricht, »daß Napraxin einem Attentat zum Opser gefallen ist«, schloß herhert setzten Bericht, und seine Stimme be te. Aknstotf, der bereits voll Bist-got unterrichtet worden war, sagte zuver sichtlich: »Nun wird das Glück kom men — fiir Dich und fitr uns alle! —- Darauf wollen wir hoffen und bauen, mein Sohn —- und wollen das Vergangene als eine schwere Prü fung betrachten, die gute Früchte zei tigen sollt« Unter den zahlreichen Zuschauer-n, die sich zu der Trauung des bekann ten Schriftstellers Hollfelder mit Margot v. Wehringen gedrängt hat ten, befand sich auch eine einfach ge kleidete Frau, die ein kleines Mäd chen von etwa zwei Jahren auf dem Arm trug. Sie stand dicht neben dem Kirchenportal, und als das junge « Paar nach oollzogener Trauung das Gotteshaus verließ, wurde Margot, die in Glück und Schönheit strahlte, ihrer ansichtig. Sie veranlaßte Heinz, stehen zu bleiben, und streckte der Frau die Rechn,entgegen, an der heute zum er sten Male der Goldreif glänzte. «Guten Tag, Frau Longtree!« sag te sie voll bezaubernder Liebenswiirs digleit. »Wie freue ich mich, daß auch Sie gekommen sind, unser Glück zu sehen!« Ehe sie es verhindern konnte, hat te die Englanderin sich heradgeneigt, ihre Hand zu küssen. »Der Himmel beschere Ihnen alles Glückl« sagte sie mit vor Schluchzen erstickter Stimme. »O, was haben Sie an mir gethan, gnädige Frau! — Ohne Sie wäre ich sicherlich längst zu Grunde gegangen.« Margot wehrte erröthend ab und ging weiter, um rnit dem Gatten den harrenden Wagen zu besteigen, der ihr zu klein schien, die Fülle ihres Glit ckes zu tragen. Nach ihr stiegen zwei Hochzeitsgäste Seite an Seite die teppichhelegten Stufen vom Kirchenportal herab — und ein bewunderndes Raunen ging durchs die dichtgedrängten Reihen von Neugierigen. »Welch stattliches Paar! Wie im ponirend er aussieht —- und wie schön sie ist! Warum sie wohl Trauer trägt?« · Die beiden aber, denen das Genit ster galt, achteten der Leute nicht. Sie bedienten sich auch nicht wie die ande ren des Wagens, um in das hotel zu gelangen, wo das Vermählungseflen stattfinden sollte. Seite an Seite g n gen sie langsam die Straße hinunter, in tiefem Schweigen, jeder mit seinen Gedanten beschäftigt es- s Herbert v. Weyringen ergqu mo lich das Wort· »Maria«, sagte er leife, »ich hatte mir vorgenommen, an diesem Tage nicht von unseren An gelegenheiten zu sprechen- Aber ich sehe, daß es doch über meine Kraft geht. Sechs lange Monate habe ich nichts von Ihnen gehört —- und nun, da ich Sie an meiner Seite habe, tann ich Sie nicht von neuem von mir ge ben lassen, ohne die Gewißheit zu er langen, daß es nur für eine kurze Zeit fein wird. Maria, ich flehe Dich an —- fage mir ein gutes Wortl« Da hob fie den Blick der herrlichen Augen« und eine Welt voll Liebe lag darin. »Willst Du nicht noch Geduld haben, Herberti —- Du weißt ja, daß ich Dich liebe, daß der Tag kommen wird, an dem ich Dich zu mir rufe. Aber gieb mir Zeit, zu überwinden, gieb mir Zeit, den Frieden meiner Seele wiederzufinden!« Da faate er voll botfnungsfreudiger Zuversicht: »Ich will warten, bis Du mich rufft, Maria!« Endr. Das Berzweifeln fängt oft daan Jan, wenn das Zweifeln aufhört. i II s s O I Jn Cenierville, Jowa, ift eine La ldies Jmprovement Association ge gründet worden. Es handelt fich aber durchaus nicht, wie man vermuten könnte, um Verbesserung der Damen, fondern um Verfchönerung der Stadt. « i ·- i In England gebt man jeßt damit um« durch herabfeßung der Kosten den Armen die Ebeicheidungtvrozesse so bequem zu machen wie den Reichen. Schon wieder ein Atteniat auf die Vorrechte der hoben herrschaftm o i · Gegenwiirtig werden Probibitionsi reden in Wall Street abgebalteni Als ob nicht dort ohnehin alles verwiissert wiirdei ' a i Ob ein Gedanke fiir voll gelie, hängt bisweilen vom Oe fte des Leier a